Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0104
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Dreidimensionaler Siebdruck
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Mathias Lindner
Patrick Bräuer
Ralf Werner
Neue Einsatzgebiete, beispielsweise in Kraftfahrzeugen, stellen elektrische Antriebe vor bisher wenig beachtete Herausforderungen. Die konventionellen Fertigungstechniken geraten dabei an Grenzen, deren Überwindung die neuartige 3D-Siebdrucktechnologie verspricht. Das Konsortium des BMBF-Verbund-projekts PriMa3D arbeitet intensiv an dessen Marktreife.
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TECHNOLOGIE Innovation Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 69 Dreidimensionaler Siebdruck Innovative und hocheffiziente Fertigungsmethode für Komponenten elektrischer Antriebsmotoren Neue Einsatzgebiete, beispielsweise in Kraftfahrzeugen, stellen elektrische Antriebe vor bisher wenig beachtete Herausforderungen. Die konventionellen Fertigungstechniken geraten dabei an Grenzen, deren Überwindung die neuartige 3D-Siebdrucktechnologie verspricht. Das Konsortium des BMBF-Verbundprojekts PriMa3D arbeitet intensiv an dessen Marktreife. Die Autoren: Mathias Lindner, Patrick Bräuer, Ralf Werner D ie Elektrifizierung des Antriebsstrangs im Individualverkehr ist bekanntermaßen politische als auch technische Motivation und Herausforderung. Eine breitere Nutzerakzeptanz elektrischer Antriebe basiert - neben einer Lösung der Tankbzw. Ladeproblematik - auf einer zuverlässigen, kostengünstigen, energieeffizienten und nachhaltig ökologischen Technologie. Neue Antriebskomponenten müssen vergleichbare oder bessere Eigenschaften aufweisen, um im Wettbewerb mit konventionell gefertigten Systemen nicht nur ökonomisch und ökologisch, sondern auch technologisch bestehen zu können. Die Fertigung sollte zudem mit geringem Energieaufwand auskommen, einen hohen Materialausnutzungskoeffizienten aufweisen, eine weitestgehende Automatisierung in Verbindung mit einer Tauglichkeit zur Massenfertigung ermöglichen, geringe Investitions- und Wartungskosten an den Anlagen und Werkzeugen erfordern sowie Wege zum Materialrecycling bieten. Diese Anforderungen lassen sich mithilfe des dreidimensionalen Siebdrucks angehen. Siebdrucktechnologie Bei dem aus der Druckindustrie lang bekannten zweidimensionalen Siebdruck werden spezifische Siebe verwendet, deren Maschen je nach zu druckender Form offen oder geschlossen sind. Eine überlaufende Rakel presst nun Farbe oder andere funktionale Paste durch das Sieb auf einen Träger. Dies wurde in den 1960er Jahren erstmalig zum Druck von leitenden und isolierenden Schichten in der Elektronikindustrie eingesetzt. Weiterentwicklungen führten schließlich zur Produktion von Antennen moderner RFID-Labels. Seit 2010 wird die Siebdrucktechnologie an der TU Chemnitz auch angewandt, um Wicklungen elektrischer Motoren zu drucken. Erste erfolgreiche Tests liefen an dreiphasigen Luftspaltwicklungen für permanenterregte Synchronmotoren. Da dieses Verfahren jedoch nur für flache Strukturen angewandt werden kann, der Bedarf alternativer Produktionsansätze für kostengünstige Massenfertigung bei gleichzeitiger hoher Präzision aber für nahezu alle Komponenten elektrischer Maschinen auftritt, erfolgte eine Weiterentwicklung hin zum dreidimensionalen Siebdruck. Diese neuartige Methode wird seit etwa 10 Jahren am Fraunhofer Institut IFAM in Dresden in Zusammenarbeit mit einigen Partnern entwickelt und wird nun seit 2012 erstmalig im Rahmen des BMBF-Forschungsprojekts „PriMa3D“ auf Komponenten elektrischer Maschinen appliziert. Beim 3D-Siebdruck handelt es sich um ein serientaugliches, additiv urformendes Verfahren zum endkonturnahen Fertigen komplexer räumlicher Geometrien. Dabei wird die Druckpaste, ein Pulver-Binder-Gemisch, nacheinander schichtweise übereinander gedruckt. Zwischen jedem Druckvorgang erfolgt ein Trockenprozess, der dem Material die nötige Stabilität für den darauffolgenden Druckprozess verleiht. Schließlich wird eine zweistufige Wärmebehandlung durchgeführt, wobei zunächst der Binder vollständig ausgetrieben und anschließend der Körper gesintert wird, so dass ein massives Teil aus Vollmaterial entsteht. Dies ist in Bild 1 dargestellt. Der dreidimensionale Siebdruck ermöglicht die Fertigung von komplexen und filigranen Strukturen mit Wandstärken bis hin- Bild 1: Schematische Darstellung des 3D- Siebdruckprozesses (Bild: Studnitzky et.al.: Dreidimensionaler Siebdruck. Rapidx - Zeitschrift für additive Fertigung, 2/ 2010) TECHNOLOGIE Innovation Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 70 ab zu 60-µm und gleichzeitig Bauteilhöhen von einigen Zentimetern. Freitragendes Überdrucken ist in Grenzen ebenfalls möglich, so dass sich intrinsische Strukturen und Hohlräume realisieren lassen. Da das Verfahren ohne zusätzliches Pulverbett arbeitet und endkonturnahe Strukturen entstehen, sind in den meisten Fällen mechanische Nachbearbeitungsschritte unnötig. Dies reduziert die Fertigungskosten und -zeiten, den Materialverlust sowie den Energieaufwand auf der einen Seite, ermöglicht auf der anderen Seite eine Werkstoffauswahl nach dem elektromagnetischen Optimum statt Kompromisse bezüglich mechanischer Bearbeitbarkeit eingehen zu müssen. Vielfältige Materialien eignen sich für diese Technologie. Neben verschiedenen Metallen wie Kupfer und Eisen wurden bereits Keramiken und Silizium gedruckt. Darüber hinaus sind verpulverte Legierungen verwendbar. Auch Materialkombinationen, d.h. Drucken verschiedener Pasten neben- oder übereinander, sind denkbar. Dies befindet sich momentan in der Erprobungsphase. Dabei entsteht ein solider Körper aus mehreren Werkstoffen, was beispielsweise für Leiterisolierungen oder voneinander isolierte Magnetkreisabschnitte adaptiert werden kann. Einige Beispiele gedruckter Teile sind in Bild-2 zu sehen. Bild 3 zeigt gedruckte Ringproben aus Eisen-Silizium, die hinsichtlich ihrer magnetischen Eigenschaften vermessen wurden. Die Magnetisierungskennlinie besitzt ein ähnliches Verhalten wie konventionell gefertigte Proben. Damit erweist sich das Fertigungsverfahren als geeignet zur Herstellung magnetischer Kreise. 3d-Siebdruck in der Fertigung Da sowohl die Kosten als auch der Primärenergieaufwand zur Erzeugung der Rohmaterialien für elektrische Antriebe den Anteil der Fertigung deutlich überwiegen, besteht ein besonders wichtiger Aspekt im Hinblick auf energieeffiziente und kostengünstige Technologien in der optimalen Ausnutzung der Rohstoffe. Die Herstellung von in den meisten Fällen kreisrunden Eisenblechschnitten durch konventionelles Stanzen oder Laserschneiden hat prinzipbedingt einen hohen Materialverlust durch nicht flächenfüllende Anordnung der Schnitte in Kauf zu nehmen. Übliche Angaben für den Materialausnutzungskoeffizienten liegen zwischen 70 % und 80 %. Dagegen ermöglicht der dreidimensionale Siebdruck unter Verwendung von recyclingfähigen Pasten eine Materialausnutzung von über 95 %. Da sämtliche auf einem Sieb angeordneten Teile simultan gedruckt werden, erhöht sich der Durchsatz mit verringerter Teilabmessung. Die Stückkosten sinken gleichsam. Dieser Zusammenhang ist dabei nahezu unabhängig von der Bauteilkomplexität. Damit ergibt sich ein großer Vorteil zu konventionellen Verfahren, die mit kleineren und komplexeren Komponenten tendenziell teurer und zeitaufwändiger werden. Direkte Vergleiche gestalten sich aus diesem Grund sehr schwierig, sie sind immer wesentlich von der Größe und Form der Teile abhängig. Berechnungen unter typischen Annahmen zeigen jedoch, dass der Energieaufwand zur Produktion vergleichbar, teils sogar niedriger ausfällt als bei den verbreiteten Technologien Stanzen und Laserschneiden. Durchsatz und Kosten können zwar nicht mit dem Stanzen sehr hoher Stückzahlen konkurrieren, hingegen eignet sich der 3D-Siebdruck bereits für kleine und mittlere Losgrößen ebenso wie zur Prototypenfertigung, wo der Durchsatz mit dem Laserschneiden vergleichbar ist. Der große Vorteil zeigt sich in einer kombinierten Fertigung von Teilen. So können Welle/ Rotor, Gehäuse/ Stator oder Wicklung/ Isolierung gemeinsam hergestellt werden, was sich positiv auf Produktionsaufwand, -energie und -kosten, aber auch auf mechanische und thermische Eigenschaften der Antriebe auswirkt. Auswirkungen auf elektrische Antriebe Der 3D-Siebdruck ermöglicht das Einbringen von Wicklungen in Statornuten, ohne vor allem bei Kleinantrieben komplizierte Automatisierungslösungen oder sogar manuelle Herstellungsprozesse erforderlich zu machen. Dies ist besonders für hochausgenutze Maschinen relevant, da sich somit der effektive magnetische Luftspalt gegenüber den sonst aus Kostengründen üblichen Luftspaltwicklungen stark verringern lässt. Zusätzlich ermöglicht die definierte Lage der Leiter höhere Füllfaktoren des Nutquerschnitts und verkleinerte stirnseitige Wickelköpfe, die die Motorabmessungen erhöhen, aber keinen Beitrag zur Drehmomentbildung leisten. Bild 4 zeigt beispielhaft, wie ein Motor aus gedruckten Einzelkomponenten montiert werden kann. Hohe Ausnutzungsdichten lassen sich ebenfalls durch das gemeinsame Drucken von Kupferwicklungen und Keramikisolierun- Bild 2: Beispiele von 3D-siebgedruckten Teilen mit hohen Aspektverhältnissen und geringen Wandstärken (Bild: Studnitzky et.al.: Dreidimensionaler Siebdruck. Rapidx - Zeitschrift für additive Fertigung, 2/ 2010) Bild 3: Gedruckte weichmagnetische Ringproben sowie deren Magnetisierungskennlinie im Vergleich zu konventionellem Elektroblech Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 71 gen erreichen. Gelingt dies, lässt sich die maximale Endübertemperatur der Maschine gegenüber konventionellen Antrieben mit Lackisolierung bedeutend steigern. Dies erhöht die zulässige Verlust- und damit Leistungsdichte und prädestiniert den Einsatz unter schwierigen Kühlbedingungen, beispielsweise im Motorkühlkreislauf von Kraftfahrzeugen. Darüber hinaus verfügt Keramik über eine wesentlich bessere Wärmeleitfähigkeit als konventionell übliche Isolierstoffe, so dass der Wärmeabtransport aus der Wicklung begünstigt wird. Ein weiterer Ansatz zur Erhöhung der Kühlleistung folgt aus der Möglichkeit des Drucks definierter Hohlräume und Hinterschneidungen. Somit lassen sich ohne zusätzlichen Fertigungsaufwand Kühlkreisläufe an nahezu beliebigen Stellen von Statoren auch kleiner Abmessungen einbringen. Besonders interessant ist hierbei die Abführung der Wärme an den Entstehungsorten, beispielsweise in der Wicklung. Dies ist durch Kühlrohre oder auch durch direkte Leiterkühlung in Hohlleitern denkbar. Die weichmagnetischen Abschnitte profitieren ebenfalls von dreidimensionalem Siebdruck. Die gedruckten Magnetkreise leiden nicht unter dem Einfluss der Materialdegradierung durch Bearbeitungseinflüsse. Weiterhin sind auch alternative Werkstoffe vorstellbar. Eisen-Kobalt-Pulver lässt sich gleichermaßen drucken und verspricht nochmals wesentlich gesteigerte Sättigungen und reduzierte Verluste. Im Gegensatz zu konventionellen Elektroblechen spielt aber bei der Werkstoffwahl durch den urformenden Fertigungsprozess die mechanische Bearbeitbarkeit, speziell bei Eisen-Kobalt kritisch, keine Rolle. Damit sind teure Zusatzstoffe wie Vanadium, Niobium oder Tantal nicht nötig, zusätzliche Patent-Lizenzkosten lassen sich ebenfalls einsparen. Der Druck dreidimensionaler Magnetkreise vereinfacht die Herstellung einiger Typen von Energiewandlern, ermöglicht sogar völlig neuartige Maschinenbauformen. Insbesondere die Transversalflussmaschine könnte in hohem Maße vom dreidimensionalen Siebdruck profitieren. Komponenten, die bisher aufgrund ihrer isotropen Eigenschaften aus niederpermeablem SMC gefertigt werden mussten, ließen sich durch höherperformante gedruckte Teile ersetzen. Darüber hinaus konnten bereits einige Konzepte erstellt werden, mit denen es erstmals absehbar wird, asynchrone und elektrisch erregte synchrone Transversalflussmaschinen zu fertigen - beides Maschinentypen, die aufgrund ihres komplexen Aufbaus konventionell kaum zu fertigen sind und noch keinen Einzug in die Fachliteratur gehalten haben. ■ LIterAtur Bräuer, P.; Werner, R.: Herstellung von Wicklungen rotierender Kleinantriebe mittels Siebdruckverfahren. VDI-Berichte, Antriebssysteme 2011 Andersen, O.; Studnitzky, T.; Bauer, J.: Direct typing a new method for the production of cellular P/ M parts. Powder Metallurgy World Congress & Exhibition, Conference proceedings Bd. 4, 2004 Scherer, M.: Untersuchung von Möglichkeiten zur Kombination konstruktiver Merkmale von Radial-, Axial- und Transversalflussmaschine. Diplomarbeit, Technische Universität Chemnitz, 2012 Bräuer, P.; Lindner, M.; Studnitzky, T.; Kieback, B.; Rudolph, J.; Werner, R.; Krause, G.: 3D screen printing technology opportunities to use revolutionary materials and machine designs. 2Nd International Electric Drives Production Conference (EDPC), 2012 Lindner, M.; Bräuer, P.; Rudolph, J.; Werner, R.; Studnitzky, T.: Utilization predictions for electrical maschines with advanced materials and production technologies. Proceedings on 5. International Conference on Magnetism and Metallurgy, 2012 Lorenz, F.: Thermische Modellierung von modernen Wicklungsstrukturen und deren Kühlung. Diplomarbeit, Technische Universität Chemnitz, 2012 Mathias Lindner, Dipl.-Ing. Professur Elektrische Energiewandlungssysteme und Antriebe, Technische Universität Chemnitz mathias.lindner@ e-technik.tu-chemnitz.de Patrick Bräuer, Dipl.-Ing. Professur Elektrische Energiewandlungssysteme und Antriebe, Technische Universität Chemnitz patrick.braeuer@etit.tu-chemnitz.de Ralf Werner, Prof. Dr.-Ing. Professur Elektrische Energiewandlungssysteme und Antriebe, Technische Universität Chemnitz ralf.werner@hrz.tu-chemnitz.de Bild 4: Vision zur Endmontage weniger einzeln siebgedruckter Komponenten zum funktionsfähigen Elektromotor Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleitung Telefon (040) 23714-223 Telefax (089) 889518-75 eberhard.buhl@dvvmedia.com DER DIREKTE WEG IN DIE REDAKTION © Norbert Leipold, pixelio.de IV EAZ.indd 3 15.11.2013 17: 49: 31
