eJournals Internationales Verkehrswesen 65/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2013-0109
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2013
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Klimaschutz im Verkehr - durch grüne Technologien?

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Wiebke Zimmer
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GASTKOMMENTAR Wiebke Zimmer Internationales Verkehrswesen (65) 4 | 2013 94 Klimaschutz im Verkehr - durch grüne Technologien? F akt ist: Klimaschutz erfordert eine drastische Minderung der globalen Treibhausgasemissionen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Der Verkehr hat dazu bislang keinen substanziellen Beitrag geleistet. Der Hauptgrund: Das Verkehrswachstum hält seit Jahren an, sodass der Sektor heute für rund 20- Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist. Zentrale Bausteine im Rahmen von heutigen Klimaschutzstrategien sind grüne Technologien im Bereich Fahrzeugeffizienz, alternative Antriebe und Kraftstoffe. Hier sind in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt worden. So sind PKW aufgrund von Optimierungen an Motor und Fahrwiderstand heute um rund 30-Prozent effizienter als vor zehn Jahren. Auf dem Markt für Linienbusse sind Leichtbaufahrzeuge erhältlich, die je nach Fahrsituation um bis zu 20 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Und gemeinsam haben sich ein Fahrzeug- und ein Trailerhersteller Gedanken gemacht, wie die Aerodynamik von LKW so verbessert werden kann, dass der Kraftstoffverbrauch um 25 Prozent gemindert wird. Um die langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen, sind zusätzlich auch alternative Antriebstechnologien unverzichtbar. Die große Euphorie der vergangenen Jahre zum Thema Elektromobilität ist zuletzt einer gewissen Ernüchterung gewichen. Noch ist die Modellvielfalt an verfügbaren Elektro-PKW gering und die Nachfrage bleibt bisher hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Tatsache ist, dass die Transformation eines Sektors, der bislang vom Verbrennungsmotor dominiert wurde, hin zu elektrischen Antriebskonzepten eine große Herausforderung für Forschung, Industrie und Energiewirtschaft darstellt. Gleichzeitig müssen Kunden Vertrauen in eine neue, zunächst kostspieligere Technologie fassen. Aktuelle Studien zeigen, dass Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren dennoch eine zunehmende Verbreitung finden können, da sie sowohl unter Kostenals auch Nutzengesichtspunkten an Attraktivität gewinnen können. Dafür braucht es jedoch einen längeren Atem als zunächst vermutet. Entscheidend für die Klimabilanz von Elektrofahrzeugen ist die Frage, aus welchen Energieträgern der Fahrstrom gewonnen wird. Nur wenn die zusätzliche Stromnachfrage für die Elektrischen auch mit einem zusätzlichen Ausbau von regenerativen Energien gekoppelt wird, können Treibhausgasemissionen verringert werden. Das Gleiche gilt auch für grüne Technologien auf der Kraftstoffseite wie zum Beispiel nachhaltige Biokraftstoffe der zweiten Generation und stromgenerierte Kraftstoffe wie Wasserstoff, Methan oder synthetische Flüssigkraftstoffe, die auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden. Notwendig sind diese vor allem in den Bereichen, in denen alternative Antriebstechnologien an ihre Grenzen stoßen - wie im Flugverkehr, der Seeschifffahrt und auch bei Langstrecken-LKW. Grüne Technologien zu Fahrzeugeffizienz, alternativen Antrieben und neuen Kraftstoffen - ob noch im Anfangsstadium der Entwicklung oder bereits im Markt verfügbar - sind schon heute wesentliche Grundlage von Szenarien, die Strategien zum langfristigen Klimaschutz aufzeigen. Verkehrsvermeidung und eine deutliche Verlagerung hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern auch im Personenverkehr spielen bisher in den Szenarien eine nur untergeordnete Rolle. Wesentliche Frage ist aber: Werden alternative Antriebstechnologien und ausreichende Mengen an nachhaltigen erneuerbaren Kraftstoffen entsprechend der in den Szenarien getroffenen Annahmen zukünftig auch wirklich zur Verfügung stehen? Angesichts der Unsicherheiten zum Zeitpunkt der Funktions- und Marktfähigkeit sowie zum langfristigen Potenzial stellt eine ausschließliche Fokussierung auf den Markterfolg grüner Technologien eine riskante Klimaschutzstrategie dar. 1901 sagt Gottfried Daimler: „Die weltweite Nachfrage nach KFZ wird eine Million nicht überschreiten - alleine schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.“ Das zeigt: Grundlegende Veränderungen des Mobilitätsverhaltens können bei entsprechend veränderten Rahmenbedingungen möglich sein. Dabei stellen Technologie und Verhalten keine Gegensätze dar, sondern beeinflussen sich gegenseitig: Neue Mobilitätsdienstleistungen wie Car- und Ridesharing werden gerade durch Smartphones und Elektromobilität attraktiver. Für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor sollten daher neben grünen Technologien auch ein Wandel im Mobilitätsverhalten und eine Änderung im Güterverkehrssystem als zentrale Handlungsoptionen verfolgt werden. ■ Wiebke Zimmer , Dr. ist Stellvertretende Leiterin, Bereich Infrastruktur & Unternehmen, beim Öko-Institut, Berlin ZUR PERSON Foto: Privat