Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0004
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2014
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30 Jahre DVF
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Franz-Peter Strohbücker
Die Wirtschaftsvereinigung Deutsches Verkehrsforum engagiert sich europaweit für bezahlbare, faire, umweltfreundliche und bessere Mobilitätsbedingungen zum Wohle von Unternehmen und Nutzern. Begonnen hat das Engagement vor exakt 30 Jahren als Förderverein Verkehrsforum Bahn e.V.
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Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 12 DVF-EXTRA 30 Jahre Deutsches Verkehrsforum 30 Jahre DVF Mobilität als Wohlstandstreiber Die Wirtschaftsvereinigung Deutsches Verkehrsforum engagiert sich europaweit für bezahlbare, faire, umweltfreundliche und bessere Mobilitätsbedingungen zum Wohle von Unternehmen und Nutzern. Begonnen hat das Engagement vor exakt 30 Jahren als Förderverein Verkehrsforum Bahn e.V. Der Autor: Franz-Peter Strohbücker B onn am 10. September 1984: Vertreter zahlreicher bahnnaher Betriebe und Zulieferer trefen sich zur Gründung eines Interessenverbands. AEG Telefunken, Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, Deutsche Eisenbahn- Consulting GmbH, Deutsche Verkehrskreditbank, Preussag AG, Schenker & Co., Siemens AG, Thyssen Industrie AG und Transfracht Deutsche Transportgesellschaft mbH heben gemeinsam den Förderverein Verkehrsforum Bahn e.V. aus der Taufe. Nicht mit dabei ist überraschender Weise die damalige Deutsche Bundesbahn. Doch als Sondervermögen des Bundes soll- sie keine aktive politische Interessenvertretung betreiben. Wie weitsichtig die- Gründungsmitglieder schon damals agieren, lässt sich aus einem Passus der Satzung ablesen. Zum Thema Vereinszweck- heißt es: „Er setzt sich für leistungsfähige, marktgerechte, energiesparende und umweltfreundliche öfentliche Verkehrssysteme ein.“ Das lässt sich weit fassen und bedeutet keineswegs eine Beschränkung auf die Bahn, obwohl deren Unterstützung zunächst eindeutig im Vordergrund steht. Kein Wunder, denn Initiator des Forums ist - der oiziellen Bahn-Abstinenz zum Trotz - Dr. Reiner Maria Gohlke, damals Präsident der Deutschen Bundesbahn. Allerdings muss er bald feststellen, dass die Gründung eines solchen Forums bei Politik und Wirtschaft zunächst wenig auf die erwartete Gegenliebe stößt, sondern eher Widerstand hervorruft. Das ändert sich freilich schlagartig, als der Ehrenvorsitzende der Deutschen Bank, der ubiquitäre Dr. Hermann Josef Abs, die Führungsrolle übernimmt und der aus der Führungsriege der Deutschen Bahn stammende Dr. Wilhelm Bender zum Geschäftsführer bestellt wird. Das Duo setzt zunächst verstärkt auf Öfentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung und es initiiert vier Arbeitskreise: „Verkehrswissenschaften“, „Verkehrstechnologie“, „Verkehrsrecht“ und „Kooperation mit ausländischen Bahnen“. Schnelles Wachstum Unter dem neuen Spitzenduo steigen auch die Mitgliedszahlen rasch. Bereits Anfang 1986 zählt das Verkehrsforum Bahn bereits 70 Teilnehmer, und im November tritt mit der Deutschen Lufthansa das 100. Mitglied bei. Ein erster wichtiger Meilenstein im Wirken des noch jungen Verbandes ist die Erarbeitung eines vollständigen Gesetzentwurfs zur Novellierung des Bundesbahn- Gesetzes 1986 durch den neu geschafenen Arbeitskreis „Deutsche Bundesbahn als Unternehmen“. Hermann-Josef Abs begründet das Engagement so: „Die Bahn, die morgen ihre volkswirtschaftliche Aufgabe erfüllen soll, kann nicht die Bahn von heute sein, die auf Grund zahlreicher vorgegebener oder gewachsener Hemmnisse und Entwicklungen eigentlich die Bahn von gestern ist.“ Rückblickend lässt sich festhalten, dass die Bahnreform von 1994 eine der wichtigsten Errungenschaften ist, die das Verkehrsforum Bahn initiiert hat. Fünf Jahre nach der Gründung des Forums ist es Zeit für eine erste Rückschau: Die dazu veranstaltete kleine Ausstellung im Foyer der DB-Hauptverwaltung in Frankfurt/ Main trägt den Titel „5 Jahre Verkehrsforum Bahn - Partnerschaft mit Perspektiven“. Sie gibt einen Überblick über das bisher Erreichte und zeigt - im Wortsinn - wohin die Reise gehen soll. Das Spektrum der Themen nimmt fortan ebenso zu wie die Vielfalt der Mitgliedsunternehmen. Anfang der 1990er Jahre stehen „Kombinierter Verkehr“ und „Modal-Split- Prognosen“ im Fokus, was zum Beitritt ainer Unternehmen führt. Konsequenter Namenswechsel Ganz wesentlichen Einluss auf die Aufgaben und Ziele des Forums nimmt im ausklingenden 20. Jahrhundert in Folge der Wiedervereinigung die Zusammenführung von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn. Auf der Agenda steht zudem der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, vor allem im Hinblick auf die neuen Ost-West-Verbindungen mit ihrer verstärkten Bedeutung. Folge: Die Satzung des Verkehrsforums wird entsprechend ergänzt und weitere Verkehrsträger inden Aufnahme. Schließlich sind alle Arten von Verkehrsträgern im Förderverein vertreten mit der Konsequenz, auch den Na- Anfang der Neunziger stehen Kombinierter Verkehr und Modal-Split-Prognosen im Fokus. (Foto: Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr) Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 13 30 Jahre Deutsches Verkehrsforum DVF-EXTRA men zu ändern. 1992 häutet sich der etwas spröde klingende „Förderverein Verkehrsforum Bahn e.V.“ zum plakativeren „Deutsches Verkehrsforum e.V.“ Zehnjähriges Bestehen Zwei Jahre später, anlässlich des nunmehr zehnjährigen Bestehens formuliert Dr. Hellmuth Buddenberg, Ex-Vorstandsvorsitzender der Deutschen BP AG und DVF-Präsidiumsvorsitzender von 1989 bis 1998: „Angesichts der ökologischen, zunehmend aber auch ökonomischen Probleme beim Verkehrswegebau ist ein Verkehrssystem für die mobile Gesellschaft von morgen nur als ein integriertes Verkehrssystem vorstellbar.“ Auf Buddenberg folgt im Jahr 1998 Dr.- Heinz Dürr, früherer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn und Aufsichtsratsvorsitzender der Dürr AG, als Präsidiumsvorsitzender. Bis 2004 hat er diese Position inne und ist noch heute Ehrenpräsident des DVF. Im Führungsgremium des DVF erkennt man rechtzeitig die enorme Bedeutung der Vernetzung verschiedener Verkehrsträger auch im virtuellen und elektronischen Bereich, was folgerichtig 1996 zur Schafung des Lenkungskreises „Telematik / Telekommunikation“ führt. Das gebündelte Expertenwissen indet seinen Niederschlag in weiteren Lenkungs- und Gesprächskreisen: „Bahntechnologie“, „Güterverkehr“, „Infrastruktur“ und „Luftverkehr. 1999 gründet Detthold Aden als damals neuer Chef der BLG Logistics Group AG & Co. KG den Lenkungskreis „Häfen/ Schiffahrt“, den er bis zu seinem Ruhestand 2013 leitet. Umzug nach Berlin Wie viele nationale und internationale Interessenverbände folgt auch das DVF dem Exodus aus Bonn und beschließt den Umzug nach Berlin, der im Jahr 2000 stattindet. Hier ist jetzt die Bundespolitik zu Hause, und hier lassen sich die politisch wichtigen Kontakte am besten knüpfen und plegen. Besonders nachhaltig wirkt bis heute die aus dem Lenkungskreis „Luftverkehr“ hervorgegangene „InitiativeLuftverkehr für Deutschland“. Ihre vier Gründungsunternehmen Deutsche Lufthansa AG, Flughafen Frankfurt AG, Flughafen München GmbH und Deutsche Flugsicherung GmbH machen es sich zum Ziel, eine deutliche Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen und die Senkung der Kosten am Luftverkehrsstandort Deutschland zu erreichen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends drängen weitere Themen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit: Lärm durch Luftverkehr spielt jetzt in der verkehrspolitischen Debatte eine ebenso wichtige Rolle wie unterschiedliche Betreibermodelle für den Straßenverkehr, die zunehmende Liberalisierung im Schienenverkehr oder der Marktzugang in den europäischen Häfen. An der Spitze des Verbands gibt es in den folgenden Jahren einige personelle Veränderungen. Von Elmar Haas, der seit 1992 die DVF-Geschäftsleitung innehat, übernimmt im Sommer 2002 Thomas Hailer diese Aufgabe. Von 2004 bis 2007 agiert Wilhelm Bonse-Geuking, ehemals Vice President Deutsche BP AG Group und Senior Advisor BP plc, als Vorsitzender des Präsidiums. Er kommt zu der trefenden Erkenntnis, dass www.hamburgsud.com Das Deutsche Verkehrsforum feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Seit der Gründung am 10. September 1984 hat sich der Verein zu einer bedeutsamen Stimme der gesamten Verkehrswirtschaft entwickelt. Ihr stetiger Einsatz für eine Stärkung der Mobilität in Deutschland wird in Politik, Medien und Gesellschaft anerkannt. Die Hamburg Süd gratuliert und wünscht weiterhin viel Erfolg. No matter what. Wir gratulieren. Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 14 DVF-EXTRA 30 Jahre Deutsches Verkehrsforum es einer Sisyphos-Aufgabe gleichkommt, der „Öfentlichkeit und der Politik die Bedeutung von Mobilität zu vermitteln.“ Aber er und das Deutsche Verkehrsforum stellen sich unermüdlich dieser Bestimmung. Nur zwei Jahre (von 2007 bis 2008) leitet der einstige Gründungsgeschäftsführer Dr. Wilhelm Bender den Wirtschaftsverband als Präsidiumsvorsitzender. Von ihm übernimmt Klaus-Peter Müller, als Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank AG ein prominenter Vertreter der Finanzbranche, den Posten. Sein Credo: „Mobilität ist die Grundlage für Wohlstand und wirtschaftliche Leistungskraft.“ EU als neue Herausforderung Die verschiedenen Institutionen der Europäischen Gemeinschaft greifen immer stärker und tiefer in Verkehrsbelange der einzelnen Mitgliedsstaaten ein, was - je nach Sichtweise - auch zu massiven Benachteiligungen deutscher Unternehmen führt. Als Beispiel mag hierfür das so genannte „Port Package“ dienen, mit dem die EU den Zugang zu den europäischen Häfen regulieren will. Zwei Versuche einer solchen aus DVR- Sicht schädlichen „Überregulierung“ kann das Forum in Zusammenarbeit mit anderen Branchenverbänden erfolgreich verhindern; derzeit wird in Brüssel über den dritten Anlauf der EU-Kommission entschieden. Zur Europawahl 2006 wird vom DVF die „Agenda Mobilität für Europa“ den Vertretern der EU-Kommission und des Europa Parlaments vorgestellt. Darin präsentiert der Wirtschaftsverband seine Vorstellungen von einem fairen, unbürokratischen und liberalisierten Wettbewerb innerhalb der EU. Mit dem „Grünbuch Stadtverkehr“ warnt der Verband überdies ein Jahr später vor zu starken Eingrifen der EU-Kommission in die Souveränität, der Städte und Gemeinden. Außer der verstärkten Aufmerksamkeit für europäische Verkehrspolitik begleitet das DVF auch die nationale Verkehrspolitik weiterhin kritisch. Zentrales Thema ist die bedarfsgerechte Ausgestaltung und Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur. Dies hat auch der neue Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt (CSU), erkannt: „Unser künftiger Wohlstand wird maßgeblich davon abhängen, wie wir unsere Infrastruktur ausbauen und organisieren. Dazu müssen wir mehr und intelligenter investieren.“ Das Forum hat dazu unlängst in einem Positionspapier mit dem Titel „Zukunftsprogramm Verkehrsinfrastruktur“ eigene Lösungsvorschläge vorgestellt, die helfen sollen, dass den politischen Statements auch Taten folgen. Weil für die Akzeptanz von Verkehr und Infrastruktur die Lärmreduktion immer wichtiger wird, hat das DVF 2012 einen bislang einmaligen, übergreifenden Aktionsplan für alle Verkehrsträger entwickelt. Seine Grundelemente erlangen nicht nur nationale Beachtung in der Politik, sondern inden auch ihren Niederschlag im Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Im Luftverkehr wendet sich das DVF beständig gegen die vom früheren Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CSU) einst als „giftiges Wirkungsdreieck“ titulierte Mehrfachbelastung der Branche durch den wettbewerbsverzerrenden EU-Emissionshandel, drohende Nachtlugbeschränkungen und die Luftverkehrssteuer. Bei der Schiene kämpft das DVF insbesondere für schnellere Zulassungsprozesse der Züge in Deutschland und Europa sowie für eine gleichmäßige Marktöfnung in der gesamten EU. Im Hafenbereich ist ein Prioritätenkonzept für Erhalt und Ausbau der Hinterlandverkehre die größte Baustelle neben der bereits erwähnten EU-Regulierung des Marktzugangs zu den Häfen. Kompetente Think Tanks Bis heute ist das DVF europaweit die einzige verkehrsträgerübergreifende Wirtschaftsvereinigung. Sie wird getragen von aktuell rund 170 Mitgliedern, darunter zahlreiche Marktführer im Verkehrsbereich - aber auch aus der Finanz- und Bauwirtschaft sowie dem Beratungssektor. Das DVF vereint Hersteller, Dienstleister und Nutzer von Mobilität - vom international tätigen Konzern bis zu kleinen Unternehmen. In acht Lenkungskreisen werden Stellungnahmen, Positionspapiere, Aktionspläne und Strategien erarbeitet: Diese Think Tanks gibt es zu den Bereichen Bahntechnologie, Güterverkehr, Häfen und Schiffahrt, Infrastruktur, Luftverkehr, Schienenverkehr, Straßenverkehr sowie Telematik/ Telekommunikation. Die Aussagen des DVF spiegeln also die Kompromissmeinung der Mobilitätsbranche wider und nicht lediglich Einzelinteressen der jeweiligen Verkehrsträger oder -unternehmen. Die große Klammer und das gemeinsame Ziel aller Mitglieder des DVF ist es, wie vor 30 Jahren bei seiner Gründung, die Mobilität in Deutschland - und Europa - voranzubringen: vernetzt, nachhaltig und international wettbewerbsfähig, damit der Wohlstand, die Lebensqualität der Bürger und die Leistungsfähigkeit der Unternehmen gewahrt bleiben. Um dies zu erreichen und die Rahmenbedingungen für die Verkehrsbranche zu verbessern mischt sich das DVF in die politischen Entscheidungsprozesse als kritischer und konstruktiver Ratgeber ein. Heinz Dürr sagte dazu einmal: „Die Politik braucht einen Gesprächspartner, und hier ist das Verkehrsforum die Plattform, auf der alle Verkehrsträger sich eininden können. Wo sie die Fakten, die Tatsachen, die Trends darlegen können, die einfach für das Thema Verkehr entscheidend sind.“ In diesem Sinn will das DVF auch künftig den Dialog mit der Politik fortführen. ■ Franz-Peter Strohbücker Fachjournalist, Gf. Vorsitzender im Verband der Motorjournalisten e.V. , Stuttgart fps@fpsredaktionsbuero.de Seit einigen Jahrzehnten spielt die Lärmdiskussion vor allem im Luftverkehr eine wichtige Rolle. (Foto: Ulla Trampert/ pixelio.de)
