eJournals Internationales Verkehrswesen 66/1

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0007
31
2014
661

Bundesverkehrswegeplan 2015 - die Chance nutzen

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2014
Carla Eickmann
Iven Krämer
Die Verkehrswegeplanung in Deutschland gerät seit einiger Zeit und in den kommenden Monaten zunehmend in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, denn nach 2003 wird mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan eine neue Grundlage für die Entwicklung der Bundesinfrastruktur vorliegen. Auf dem Weg dorthin bzw. im Erstellungsprozess soll vieles anders und manches besser gemacht werden als in den Vorgängerprozessen. Die Erwartungen sind entsprechend hoch. Aus einem nördlichen Blickwinkel stellt sich insbesondere die Frage, ob der neue Bundesverkehrswegeplan geeignet sein wird, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen nachhaltig und substanziell zu stärken.
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Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 22 Bundesverkehrswegeplan 2015 - die-Chance-nutzen Erwartungen an den BVWP 2015 zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen Die Verkehrswegeplanung in Deutschland gerät seit einiger Zeit und in den kommenden Monaten zunehmend in den Mittelpunkt des öfentlichen Interesses, denn nach 2003 wird mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan eine neue Grundlage für die Entwicklung der Bundesinfrastruktur vorliegen. Auf dem Weg dorthin bzw. im Erstellungsprozess soll vieles anders und manches besser gemacht werden als in den Vorgängerprozessen. Die Erwartungen sind entsprechend hoch. Aus einem nördlichen Blickwinkel stellt sich insbesondere die Frage, ob der neue Bundesverkehrswegeplan geeignet sein wird, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen nachhaltig und substanziell zu stärken. Die Autoren: Carla Eickmann, Iven Krämer D ie Anerkennung der Bedeutung der deutschen Seehäfen fußt auf einem breiten politischen Konsens, was sich darin zeigt, dass die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen sowohl im bisherigen wie auch im neuen Berliner Koalitionsvertrag und auch in den strategischen Zielrichtungen der meisten Parteien fest verankert ist. Als zentrale Handlungsfelder werden diesbezüglich zumeist und zu Recht die seewärtigen Zufahrten und die Hinterlandanbindung benannt. Im neuen Berliner Koalitionsvertrag wird für besonders dringende und schnell umzusetzende überregional bedeutsame Vorhaben im neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ein „nationales Prioritätenkonzept“ angekündigt, zu dem auch der Ausbau hoch belasteter Seehafenhinterlandanbindungen gehören soll. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand, denn seit dem letzten Bundesverkehrswegeplan haben sich die Rahmenbedingungen für die deutschen Häfen nicht allein durch die tiefgreifende Wirtschafts- und Finanzkrise erheblich verändert. So sind in der Zwischenzeit weit überwiegend Schife in Fahrt gekommen, deren Dimensionen und Kapazitäten Anfang der 2000er Jahre noch von vielen Experten für illusorisch gehalten worden sind. Zudem wurde von den Küstenländern und der Hafenwirtschaft dem generellen Wachstum des Seehandels folgend erheblich in den Ausbau der Umschlagkapazitäten investiert. Damit einhergehend verzeichnet der Hafenhinterlandverkehr der deutschen Seehäfen insbesondere auf der Schiene kontinuierlich Zuwächse, die immer wieder und immer stärker die bestehenden Engpässe in der Infrastruktur ofenbaren. Besonders ofenkundig wurde dies, da in der Phase der Krise in Hamburg und Bremerhaven zwischenzeitlich zwar Rückgänge im Seegüterumschlag zu verzeichnen waren, zeitgleich Foto: Erich Westendarp/ pixelio.de POLITIK Verkehrswegeplanung Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 23 Verkehrswegeplanung POLITIK aber die Schienentransportmengen von und zu den Häfen weiter anstiegen. Allgemein gilt, dass die wesentlichen Transportmittel im Hafenhinterlandverkehr die Straße für die kürzeren und die Schiene für die weiteren Entfernungen sind. Mit dem Aufschwung des Hafenhinterlandverkehrs in den letzten Jahren hat der Güterverkehr auf der Schiene generell eine neue Aufmerksamkeit und Bedeutung erfahren. Konkret sei hier angeführt, dass von und nach Hamburg inzwischen über 2 Mio. TEU und von und nach Bremerhaven mehr als 1 Mio. TEU pro Jahr über die Schiene befördert werden. Das entspricht einer Verdopplung der Schienentransportmengen innerhalb nur weniger Jahre. Aufgrund der prinzipiell guten Möglichkeiten, große Mengen in kurzer Zeit aus und zu den Häfen zu bringen, ist der Verkehrsträger Schiene insofern das angestrebte Verkehrsmittel bei Konzeption und Ausbau der Seehäfen. Der Bundesverkehrswegeplan eignet sich grundsätzlich als konzeptionelles Instrument für die Anpassung der Hafenhinterlandanbindung. Die Ergänzung der Bundesschienenwege und der Bundesfernstraßen muss auf Basis des BVWP komplementär zur Entwicklung der deutschen Seehäfen umgesetzt werden. Auch das Bundeswasserstraßennetz verbindet viele Seehäfen mit dem Hinterland und mit bedeutenden Wirtschaftsräumen. Allerdings bleibt dieser Verkehrsträger bislang hinter seinen Möglichkeiten bei der Hinterlandanbindung zurück. Auch hier könnte der BVWP als strategisches Instrument ausgerichtet werden. Aktuell beindet sich der Bundesverkehrswegeplan 2015 in der Vorbereitung. Er soll zu einem bedarfsgerechten Ausbau der Bundesverkehrswegenetze im Jahr 2030 führen. Bisher hat der Bund zum neuen BVWP den Entwurf der Grundkonzeption und die Eckdaten der Seeverkehrsprognose veröfentlicht. Im Folgenden wird auf Basis dieser beiden Werke analysiert, inwieweit der neue Bundesverkehrswegeplan eine Verbesserung der Hinterlandanbindungen und damit eine tatsächliche Stärkung der deutschen Seehäfen erwarten lässt. Die bislang gültige Grundlage für Bewertungen von Infrastrukturmaßnahmen des Bundes war eine Prognose für das Jahr 2025. Der Seeverkehrsteil dieser Prognose war gekennzeichnet durch sehr große Wachstumserwartungen zwischen 2004 und 2025. Gleichzeitig wurde mit Blick auf die bereits damals benannten Engpässe im Hinterland darauf hingewiesen, dass einige Häfen hinter ihren Entwicklungsmöglichkeiten zurück bleiben würden. Insofern lässt sich feststellen, dass der bisherige Bundesverkehrswegeplan 2003 bereits von seiner Anlage her nicht darauf ausgerichtet war, die erwarteten Verkehrsmengen im Hafenhinterlandverkehr tatsächlich abwickeln zu können. Engpässe waren zwar erkannt und beschrieben worden, doch die- geplanten Maßnahmen wären kapazitiv- und zeitlich nicht ausreichend gewesen, um den verkehrlichen Erwartungen gerecht zu werden. Hierin liegt ein Dilemma, das nur durch die zwischenzeitliche Wirtschafts- und Finanzkrise etwas entspannter zu sehen ist und im neuen Bundesverkehrswegeplan keinesfalls wiederholt werden sollte. Da die meisten Engpässe im Seehafenhinterlandverkehr nach wie vor vorhanden sind bzw. sich angesichts der verkehrlichen Entwicklung in der letzten Dekade weiter verschärft haben, bestand bei den Küstenländern im Hinblick auf die neue Prognose für den BVWP 2015 zunächst die deutliche Befürchtung, dass das Entwicklungspotenzial der Häfen wegen der Mängel im Hinterland erneut nicht ausreichend berücksichtigt werden könnte. Dieses hätte konsequenterweise zu einem Zirkelschluss für den neuen Bundesverkehrswegeplan geführt, nach der Devise: Da mangels Hinterlandanbindung ein geringeres Umschlagaukommen zu erwarten ist, wird anschließend auch kein entsprechender Ausbaubedarf im Hinterland identiiziert. Nach mehreren Diskussionen und Abstimmungen scheint diese Gefahr aktuell nicht mehr gegeben zu sein, denn nach einer aktuellen Aussage des Gutachters der neuen Seeverkehrsprognose wurden die neuen Daten ohne Restriktionen im Hinterland und auch ohne Restriktionen in den Häfen ermittelt. Auf Basis der im Jahr 2013 veröfentlichten, noch vorläuigen Daten geht der Bund davon aus, dass der Umschlag der deutschen Seehäfen von 2010 bis 2030 um 74 % bzw. um durchschnittlich 2,8 % p.a. steigen wird. Das Umschlagvolumen wird demnach von insgesamt 269 Mio. t auf 468-Mio. t steigen. Bezogen auf den Containerverkehr geht der Bund von einem Wachstum der Umschlagmengen in den deutschen Häfen von 13 auf 30 Mio. TEU (Bild 1) aus. Damit bleibt die neue Seeverkehrsprognose für Deutschland für das Jahr 2030 unter den vorherigen Prognosewerten von 759 Mio. t für 2025. Begründet werden diese zum Teil deutlich abweichenden Ergebnisse mit der unterschiedlichen Einbeziehung von Fahrzeug- und Leergewichten sowie insbesondere mit den in einigen Häfen nach wie vor spürbaren Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Noch ist nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit die Küstenländer sowie die deutsche Hafenwirtschaft diese neuen Einschätzungen des Bundes teilen bzw. inhaltlich mittragen, doch die Debatte darüber wurde längst begonnen. Die zentrale Frage wird im weiteren Prozess sein, wie sich die neu deinierten Umschlagwerte der Seeverkehrsprognose in den Bedarfen für den Hinterlandverkehr niederschlagen. Es ist nicht nur sehr erstaunlich, sondern angesichts der tatsächlich gewonnenen Erfahrungen geradezu grotesk, dass die relativ hohen Umschlagwerte der alten Seeverkehrsprognose für 2025 in der Umlegung keine Engpässe in Nordsee; 12,8 Nordsee; 29,8 Ostsee; 0,3 Ostsee; 0,2 0 5 10 15 20 25 30 2010 2030 Umschlag in Mio.TEU Bild 1: Entwicklung der Container-Hinterlandverkehre auf der Schiene in Tausend TEU »Die Chance, den neuen Bundesverkehrswegeplan zur Lösung-der Aufgaben im Hafenhinterlandverkehr zu nutzen, darf nicht vertan werden.« Martin Günthner, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Freie Hansestadt Bremen POLITIK Verkehrswegeplanung Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 24 den bekannten neuralgischen Bereichen aufgezeigt hatten (Bild 2). Auf Basis der Verkehrsprognose 2025 wurde im Jahr 2010 eine Überprüfung der Bedarfspläne Straße und Schiene des BVWP’03 durchgeführt. Auch hier iel auf, dass insbesondere für die Schienennetze in den Ballungsräumen keine Engpässe erkannt wurden, obwohl diese schon damals tagtäglich erfahrbar waren. Weder die Probleme im Knoten Hamburg noch im Knoten Bremen wurden damals als besonders dringende Handlungsfelder benannt. Lediglich für den Korridor Hannover - Hamburg / Bremen ergab sich aus der Überprüfung ein erkennbarer Handlungsbedarf, denn die positive Bewertung der Y-Trasse in modiizierter Form führte zu einem Weiterverfolgen dieses Großprojektes durch Bund und DB. Wenn der neue BVWP 2015 zu einer Stärkung der deutschen Seehäfen führen soll, muss den Schienenwegen in den Ballungsräumen ein besonderes Augenmerk zukommen, da hier jeweils die Aufgaben des Güterverkehrs mit den Aufgaben des Personenfernverkehrs und ganz besonders mit den Aufgaben des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) gebündelt betrachtet werden müssen. Es wäre nicht redlich und nach hiesiger Einschätzung nicht akzeptabel, die Entwicklung im SPNV aus der Aufgabe des BVWP auszuklammern und die Kapazitätsreserven der Ballungsräume vornehmlich dem Güterverkehr zuzuordnen. Sollte also der Bund den dringenden Handlungsbedarf in den großen Schienenknoten verkleinern, indem er die zukünftigen Bedarfe des SPNV ausklammert, wäre dieses ein Selbstbetrug am bundeseigenen Schienennetz. Ziel der Vorbereitungen für den BVWP 2015 muss es sein, den Bedarf an Kapazitäten aus allen Funktionen in die Bewertung aufzunehmen. Bei der Veröfentlichung der Ergebnisse für die gesamte Prognose wird sich zeigen, ob sich das erwartete Verkehrsaukommen an der tatsächlich zu erwartenden Entwicklung oder an möglicherweise bereits gedanklich verankerten Beschränkungen des Infrastrukturausbaus orientieren wird. Das gesamte Vorgehen zum Bundesverkehrswegeplan 2015 hat das BMVBS in einem Entwurf einer Grundkonzeption Anfang 2013 veröfentlicht. Das Konsultationsverfahren hierzu (Stand Januar 2014) ist noch nicht abgeschlossen. Die in der Grundkonzeption aufgezeigte Herangehensweise erscheint in sich schlüssig und plausibel. Der Vorzug der Erhaltung gegenüber Aus- und Neubau ist überzeugend. Bei der Aufstellung der Ziele für den neuen BVWP ist bislang allerdings zu erkennen, dass der Anbindung der deutschen Seehäfen keine besondere Würdigung zukommt, denn es fehlt ein Oberziel „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen“. Das bislang im Entwurf der Grundkonzeption genannte Oberziel „Sicherstellung der Güterversorgung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen“ ist für eine Stärkung der deutschen Seehäfen nicht ausreichend geeignet. Aus einem Oberziel Hafen ließen sich analog zu den weiteren Oberzielen folgende abgeleitete Ziele benennen: Substanzerhaltung, Verbesserung Verkehrsluss/ Engpassbeseitigung, Zuverlässigkeit von Transporten, Transportkostensenkungen und die Verbesserung der Erreichbarkeiten. Diese abgeleiteten Ziele sind Bestandteile anderer Oberziele. Somit kann die Relevanz der Hafenhinterlandverkehre in erster Linie über das abgeleitete Ziel der Beseitigung von Engpässen unterstrichen werden. Hierfür kommt es dann auf die Ergebnisse der Verkehrsprognose 2030 an. Die von der der alten Bundesregierung getrofene Aussage, die Anbindung der Häfen in die Bewertungsmethode aufzunehmen, könnte den hier genannten Bedenken entgegenwirken. Neben der Frage der Ziele für den BVWP 2015 ist in Bezug auf den Hafenhinterlandverkehr nach den Kriterien für die Priorisierung zu fragen. Denn diese Bewertung entscheidet über die Einordnung der Maßnahmevorschläge in die Dringlichkeitskategorien. Da der BVWP 2015 nicht wie bisher vorrangig eine Aulistung der als notwendig erkannten Maßnahmen beinhalten soll, sondern mit dem konkreten Anspruch einer Finanzierbarkeit aufgestellt wird, werden die einzelnen Maßnahmen entsprechend stark priorisiert werden müssen. Bei den Neu- und Ausbauvorhaben wird eine neue Dringlichkeitskategorie VB+ für Maßnahmen mit einem hohen Nutzen-Kosten-Verhältnis und einer verhältnismäßig geringen Umweltbetrofenheit eingeführt. Eine Bewertung der einzelnen Maßnahmen im Priorisierungsprozess für den Hafenhinterlandverkehr ist auch wieder abhängig von den entsprechenden Priorisierungskriterien. Die bislang genannten Kriterien in der Grundkonzeption lassen eine besondere Wertschätzung für die Bedarfe der Ha- Bild 2: Engpassdarstellung in Grundkonzeption BVWP 2015 auf Basis Prognose 2025 Blau = keine Einschränkung. Schwarz = Vollauslastung. Rot = Überlastung (Quelle: http: / / www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ VerkehrUndMobilitaet/ bvwp-2015-grundkonzeption-entwurf.pdf) Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 25 Verkehrswegeplanung POLITIK fenanbindung nicht erkennen. So ließe sich besonders gut das Kriterium Zuverlässigkeit des Verkehrslusses für die Hafenhinterlandanbindungen nutzen. Dieses Kriterium wird in der Grundkonzeption als Teil der gesamtwirtschaftlichen Bewertung betrachtet. Als eigenständiges Kriterium könnte die Zuverlässigkeit der Transporte im direkten Hafenhinterland bewertet werden. Diese Zuverlässigkeit prägt in immer stärkerem Maße die Wettbewerbsfähigkeit der Seehäfen. Allerdings gehört hierzu eine gezielte Herangehensweise zum Umgang mit der Deinition Zuverlässigkeit. Die bisherige Herangehensweise des Bundes zu diesem Kriterium ist nicht ausreichend, denn während bei der Straße die Zuverlässigkeitsdeinition über zusätzliche Zeitbedarfe erfolgt, werden bei der Schiene Auslastungsgrade und bei der Wasserstraße die Abladetiefe betrachtet. Mit solch eng gefassten Kriterien kann die Zuverlässigkeit des Verkehrslusses per Schiene oder Binnenschif jedoch nicht sachgerecht bewertet werden. Für das Schienennetz müsste zur Sicherung der Zuverlässigkeit des Verkehrslusses eine Betriebsqualität angestrebt werden, die den Abbau von Störungen ermöglicht. Ebenso könnte das prinzipiell in der Grundkonzeption verwendete Kriterium der Erreichbarkeit für Hafenhinterlandanbindungen genutzt werden. Das raumordnerische Ziel Erreichbarkeit ist hervorragend auch auf den Hafenhinterlandverkehr anwendbar und sollte daher nicht wie bislang im Entwurf der Grundkonzeption auf den Personenverkehr beschränkt bleiben. Auch wenn dieses Kriterium Erreichbarkeit für den gesamten Güterverkehr derzeit sehr komplex erscheint, so ist eine Anwendung auf Seehäfen durchaus denkbar und plausibel. Auch bei den Wasserstraßen könnte eine Korrektur bei den Priorisierungskriterien zu einer besseren Einbindung dieses Verkehrsträgers in den Hafenhinterlandverkehr führen. Neben dem Nutzen-Kosten-Verhältnis werden hier nur die Ergebnisse der umstrittenen Wasserstraßenkategorisierung herangezogen. Es würde sich gerade bei den Wasserstraßen anbieten, auch eine hohe raumordnerische Bedeutung im Sinne von Erreichbarkeit der (See-)Häfen in die Bewertung einzubeziehen. Ebenso wäre es sinnvoll, wenn wie beim Verkehrsträger Straße auch bei der Wasserstraße und bei der Schiene ein anstehender Erhaltungsbedarf in die Bewertung aufgenommen würde. Im neuen Berliner Koalitionsvertrag wird angekündigt, dass bei der Prioritäteneinstufung weitere Kriterien neben der Tonnage berücksichtigt werden. Hierin kann ein Schritt in die richtige Richtung liegen. Nach der Frage der Ziele und der Priorisierungskriterien sind noch die möglichen Maßnahmekategorien zu beleuchten. Die vom Bund entworfene Grundkonzeption sieht bei der Kategorie Ausbau sehr unterschiedliche Möglichkeiten für die jeweiligen Verkehrsträger vor. So sind beim Straßenbau Verkehrsmanagementmaßnahmen in der Maßnahmekategorie „Ausbau“ deiniert, was nicht bei den Netzen Schiene und Wasserstraße zutrift. Es ist jedoch zu bedenken, dass auch im Schienenverkehr Maßnahmen an der Leit- und Sicherungstechnik kapazitätssteigernd wirken können. Ebenso können bei der Wasserstraße mit Verkehrsmanagementmaßnahmen aufwändige Ausbaumaßnahmen ergänzt oder in bestimmten Bereichen, wie engen Flussbögen gar ersetzt werden. Hinsichtlich der Finanzierung des BVWP 2015 wird im Entwurf der Grundkonzeption darauf hingewiesen, dass für den SPNV wie bisher das Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetz bereit steht. Das heißt, dass die Bewertung der BVWP-Schienenmaßnahmen die Belange des SPNV außen vor lässt. Da es keine SPNV-Finanzierungsinstrumente gibt, die bis zum BVWP-Horizont 2030 reichen, fehlt beim Verkehrsträger Schiene ein schlüssiges Finanzierungskonzept. Dieses trift dann insbesondere auf die Ballungszentren zu. In diesem Zusammenhang ist auf GG Artikel 87 e hinzuweisen, wonach der Bund gewährleisten muss, dass insbesondere den Verkehrsbedürfnissen zum Wohl der Allgemeinheit beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes Rechnung getragen wird. Diese Aufgabe gilt für alle Verkehrsarten auf dem Schienennetz. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Ansatz des neuen BVWP 2015 prinzipiell gut ist. Die große Chance und Notwendigkeit, dieses Instrument für die dringend gebotene Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen zu nutzen, wird bislang allerdings nicht ausreichend erkennbar. Neben der mangelnden Einbeziehung des Themas Hafenhinterlandanbindung bei der Zielsetzung, der Priorisierung und den Maßnahmekategorien erscheint im Wesentlichen die Ableitung des Bedarfs über die Prognose kritisch. Die bisherige Seeverkehrsprognose und deren Umlegung jedenfalls waren nicht geeignet, die Engpässe im Hafenhinterland eindeutig zu identiizieren. Ein Vorteil, wenn nicht gar eine Notwendigkeit für die deutsche Hafenentwicklung wäre es, wenn die Betrachtung der Maßnahmen im BVWP 2015 stufenweise erfolgen könnte. Bis zum Zieljahr 2030 wird es unstreitig eine dynamische Entwicklung des gesamten Seeverkehrs und des Hafenhinterlandverkehrs geben. Einige Maßnahmen im Hinterland sind schon heute dringend erforderlich, andere werden absehbar vor 2030 erforderlich sein. Die alleinige Betrachtung eines Zielhorizontes wird der heterogenen Entwicklung der vielen Hafenstandorte nicht gerecht. Die Ersteller des BVWP 2015 müssen dem Kriterium der Zuverlässigkeit von Gütertransporten besondere Aufmerksamkeit widmen, denn gerade im Schienencontainerverkehr sind zeitlich eng getaktete Umläufe von höchster Bedeutung. Störungen oder Verspätungen in einzelnen Streckenabschnitten, in Häfen oder Hinterlandterminals haben unmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Logistikkette. Sollte zudem die Realisierung einer grundlegenden Lösung für den Korridor Hannover - Hamburg/ Bremen bis zum Jahr 2030 gefährdet sein, dann ist zwingend ein- Bündel von Maßnahmen erforderlich, um ein Minimum der erforderlichen Kapazität mit vorauslaufenden Projekten zu sichern. ■ Carla Eickmann, Dr. Stellv. Leiterin Referat für Verkehrspolitik, Mobilität, Logistik im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Hannover carla.eickmann@mw.niedersachsen.de Iven Krämer Leiter Referat Hafenwirtschaft, Logistik, Hafeninfrastruktur beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Bremen iven.kraemer@wuh.bremen.de »Prognose und Maßnahmebewertung für die Aufstellung des-neuen BVWP müssen geeignet sein, die heute schon vorhandenen und die zusätzlich absehbaren Probleme zu lösen. Der bisherige Bundesverkehrswegeplan 2003 wird dieser Aufgabe noch nicht gerecht.« Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr