Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0011
31
2014
661
Infrastrukturmängel führen schon heute zu Beeinträchtigungen
31
2014
Michael Grömling
Thomas Puls
Die Leverkusener Brücke, die Rader Hochbrücke und der Nord-Ostsee-Kanal stehen für Infrastrukturmängel, welche die Unternehmen zuletzt vor Probleme gestellt haben. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat untersucht, inwieweit der Zustand der Infrastruktur die Geschäftstätigkeit der Unternehmen beeinträchtigt. Die Ergebnisse belegen, dass die Infrastruktur in Deutschland dabei ist, zu einem Hemmschuh für Unternehmen zu werden. Die Mehrheit der befragten Firmen sieht sich durch Infrastrukturmängel behindert, am größten sind die Beeinträchtigungen durch Mängel im Straßenbereich.
iv6610034
Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 34 Infrastrukturmängel führen-schon heute zu Beeinträchtigungen Ergebnisse einer Unternehmensbefragung vom November 2013 Die Leverkusener Brücke, die Rader Hochbrücke und der Nord-Ostsee-Kanal stehen für Infrastrukturmängel, welche die Unternehmen zuletzt vor Probleme gestellt haben. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat untersucht, inwieweit der Zustand der Infrastruktur die Geschäftstätigkeit der Unternehmen beeinträchtigt. Die Ergebnisse belegen, dass die Infrastruktur in Deutschland dabei ist, zu einem Hemmschuh für Unternehmen zu werden. Die Mehrheit der befragten Firmen sieht sich durch Infrastrukturmängel behindert, am größten sind die Beeinträchtigungen durch Mängel im Straßenbereich. Die Autoren: Michael Grömling, Thomas Puls D ie Diskussion über die Infrastruktur in Deutschland steht im Spannungsfeld zweier Befunde. Auf der einen Seite zeigen empirische Studien, dass die Ausgaben für Infrastrukturinvestitionen in den letzten Dekaden in Deutschland deutlich an Bedeutung verloren haben [1]. Deutschland ist damit auf dem besten Weg, einen wichtigen Standortvorteil zu verspielen. Auf der anderen Seite schneidet Deutschland hinsichtlich seiner Infrastrukturausstattung im internationalen Vergleich immer noch gut ab [2]. Letzteres bedeutet jedoch nicht, dass damit auch die Unternehmensprozesse hierzulande eizient und zufriedenstellend verlaufen. Hierfür sprechen zahlreiche kritische Äußerungen von Unternehmensseite zum Infrastrukturzustand in verschiedenen Medien. Mit der hier vorgestellten Befragung wird überprüft, ob es sich bei den geschilderten Problemen um Einzelfälle oder um ein lächendeckendes Problem mit der Infrastrukturausstattung in Deutschland handelt. Befragungsdesign und Resonanz Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat im Rahmen der IW-Konjunkturumfrage vom Herbst 2013 die Unternehmen hierzulande zunächst gefragt, ob ihre gegenwärtigen Geschäftsabläufe im Allgemeinen durch Infrastrukturprobleme regelmäßig beeinträchtigt werden. In einer Folgefrage wurde ermittelt, ob die Unternehmen in den Infrastrukturbereichen Straßenverkehr, Schienenverkehr, Luftverkehr, Schifsverkehr, Energieversorgung und Kommunikationsnetze keine, geringe oder deutliche Beeinträchtigungen spüren. Durch die Zweiteilung der Fragestellung können sich Abweichungen in den Ergebnissen ergeben. Die Befragung bietet eine umfangreiche Datenbasis, mit der sich Beeinträchtigungsniveaus auch nach Regionen und Branchen abbilden lassen. Von den insgesamt gut 3300 Unternehmen, die auswertbare Antworten zur konjunkturellen Lage zur Verfügung gestellt haben, sind 2500 Unternehmen in Westdeutschland und 370 Unternehmen in Ostdeutschland auf die Fragen zur Infrastruktur eingegangen. Im Folgenden wird der Fokus auf den Ergebnissen zum Hauptverkehrsträger Straße liegen und es wird der Versuch unternommen, ein umfassendes Bild über die Beeinträchtigung der Unternehmen durch Mängel bei der deutschen Verkehrsinfrastruktur zu zeichnen. Die Mehrheit der Unternehmen meldet regelmäßige Beeinträchtigungen der Geschäftsabläufe Gut 57 % der befragten Unternehmen werden derzeit in ihrer Geschäftstätigkeit durch die Probleme und Mängel mit der Infrastruktur in einer negativen Weise regelmäßig beeinlusst. 10 % aller Unternehmen sprechen sogar von einer deutlichen Beeinträchtigung. Damit haben Infrastrukturmängel nicht nur Auswirkungen auf das mittelbis langfristige Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft. Vielmehr verhindern sie auch, dass das Produktionspotenzial ei- INFRASTRUKTUR Auswirkungen von Mängeln Foto: Rainer Sturm/ pixelio.de Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 35 Auswirkungen von Mängeln INFRASTRUKTUR zient genutzt werden kann. Infrastrukturmängel behindern somit die konjunkturelle Dynamik. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Unternehmen aufgrund nicht reibungslos laufender Logistikprozesse geschäftliche Expansionschancen vor allem in Aufschwung- und Boomphasen nicht adäquat nutzen können. Festzuhalten ist, dass der Infrastrukturzustand lächendeckend die Geschäftsabläufe der Unternehmen behindert. Bei den in den Medien artikulierten Klagen handelt es sich also nicht um Einzelfälle, sondern eher um die Spitze des Eisbergs. Die größten Beeinträchtigungen stammen vom Straßenverkehr Die Antworten auf die zweite Frage zeigen sehr deutlich, dass die meisten Beeinträchtigungen im Straßenverkehr auftreten. Fast zwei Drittel der Firmen melden in diesem Bereich Beeinträchtigungen (Bild 1). Fast 23 % aller Betriebe sprechen sogar von deutlichen Behinderungen. Dies zeigt, dass das deutsche Straßennetz zunehmend weniger den Ansprüchen des Wirtschaftslebens genügt. Bei den anderen Verkehrsträgern fallen die negativen Meldungen deutlich niedriger aus, was vor allem dadurch zu erklären ist, dass sie von weniger Firmen genutzt werden. Für die Firmen, die diese Verkehrsträger nutzen, können die Infrastrukturmängel jedoch erhebliche Folgen im täglichen Betriebsablauf nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unkritisch, dass beispielsweise rund ein Fünftel der Betriebe über Mängel im Schienenverkehr klagt. Beim Luftverkehr sind dies 14 % und beim Schifsverkehr immerhin 12 % aller Unternehmen. Die Bauindustrie sieht sich am stärksten beeinträchtigt Mit Blick auf die in der IW-Konjunkturumfrage abgegrenzten Branchen gibt es deutliche Beeinträchtigungsunterschiede durch Infrastrukturmängel im Straßenverkehr (Bild 2). Am stärksten sieht sich die Bauwirtschaft belastet. Drei Viertel der Baubetriebe melden infrastrukturbedingte Probleme im Straßenverkehr, 30 % geben hier sogar deutliche Beeinträchtigungen an. Das sehr hohe Transportaukommen dieser Branche kann dies erklären: Von der Bauindustrie müssen beständig große Massen vor allem innerhalb der Städte und Gemeinden transportiert werden. Typischerweise handelt es sich um Kurzstreckentransporte, die primär auf den nachgeordneten Straßennetzen (Landes-, Kreis- und Kommunalstraßen) abgewickelt werden. Durch dieses Nutzungsmuster entstehen ganz eigene Probleme, die zu einer hohen Beeinträchtigungsrate führen können. Zu nennen ist hier der schlechte Zustand der nachgeordneten Verkehrsnetze, der weit kritischer ist als der im Bereich der Bundesfernstraßen. Ein besonderes Problem ist beispielsweise der Zustand der kommunalen Brücken, von denen immer mehr für den Schwerlastverkehr gesperrt werden. Hinzu kommt die hohe Stauanfälligkeit in Städten und Ballungsgebieten, die pünktliche Baustellenanlieferungen erschwert. Zudem müssen auch die Mitarbeiter zu den Baustellen fahren - in manchen Bereichen wechseln diese auch mehrfach während eines Arbeitstages. Dies gilt im Wesentlichen auch für die Dienstleistungsirmen. Zwei Drittel der Dienstleister melden Probleme, über ein Viertel spricht sogar von deutlichen Beeinträchtigungen, wobei hier möglicherweise Mängel im innerstädtischen Personenverkehr den Ausschlag geben. Mit etwas Abstand folgen die Produzenten von Investitions- und Vorleistungsgütern. Gleichwohl sprechen in diesen Wirtschaftsbereichen mehr als 55 % der Unternehmen von Beeinträchtigungen im Straßenverkehr, allerdings sind sie weniger stark als in den anderen Branchen. Möglicherweise kann die etwas geringere Anfälligkeit damit erklärt werden, dass diese Branchen einen Teil ihres Transportgeschäfts auf Logistikunternehmen (aus dem Dienstleistungssektor) verlagern und stärker auf die für den Transport von Massengütern gut tauglichen Verkehrsträger Schiene und Binnenschif ausweichen können. Die höchsten Beeinträchtigungen melden Unternehmen aus Baden- Württemberg Gemäß der IW-Umfrage sehen sich die Unternehmen in Ostdeutschland etwas stärker von Infrastrukturproblemen regelmäßig beeinträchtigt als die westdeutschen Betriebe. Während 57 % im Westen derzeit von Infrastrukturproblemen sprechen, sind es im Osten 60 %. Der Anteil der Firmen, die deutliche Beeinträchtigungen nennen, ist in beiden Regionen mit 10 und 11 % jedoch fast gleich hoch. Aufgrund der hohen Zahl von Rückläufen im Rahmen der Befragung ist es möglich, die Ergebnisse regional noch weiter zu diferenzieren und damit ein recht umfassendes Bild über die Beeinträchtigun- 2 2 5 23 10 12 16 41 0 10 20 30 40 50 60 70 Schiffsverkehr Luftverkehr Schienenverkehr Straßenverkehr deutliche Beeinträchtigung geringe Beeinträchtigung Bild 1: Infrastrukturbereiche, in denen Unternehmen in Deutschland im Herbst 2013 beeinträchtigt wurden; Angaben in Prozent der befragten Unternehmen, Rest zu 100 % ohne Beeinträchtigung. (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2013) 16 21 18 26 30 40 36 46 40 45 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Investitionsgüter Vorleistungsgüter Konsumgüter Dienstleistungen Bau deutliche Beeinträchtigung geringe Beeinträchtigung Bild 2: Beeinträchtigungen im Straßenverkehr nach Branchen; Angaben in Prozent der im Herbst 2013 befragten Unternehmen, Rest zu 100 % ohne Beeinträchtigung. (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2013) Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 36 INFRASTRUKTUR Auswirkungen von Mängeln gen zu zeichnen, aus dem sich je nach Verkehrsträger Belastungsschwerpunkte ableiten lassen. Bild 3 liefert Ergebnisse für die Beeinträchtigung der Unternehmen in den untersuchten Infrastrukturbereichen nach zum Teil aggregierten Bundesländern. Dabei wurden die 16 Bundesländer zu sechs Gruppen zusammengefasst. Die Reihenfolge der Infrastrukturbereiche nach dem Grad der Belastung hat sich durch diese Länderbetrachtung nicht geändert. Die stärksten Beeinträchtigungen gibt es im Straßenverkehr. Hier sind die Probleme im Urteil der Unternehmen in Baden-Württemberg und in den nord-west-deutschen Bundesländern Niedersachsen, Schleswig- Holstein, Hamburg und Bremen am größten. Gut 70 % der Unternehmen sprechen hier von einer Beeinträchtigung. 31 % in Baden-Württemberg und 27 % in den Nordländern melden sogar deutliche Beeinträchtigungen ihrer gegenwärtigen Geschäftsabläufe durch Mängel bei der Straßeninfrastruktur. Es ist zu vermuten, dass die Sperrung der Rader Hochbrücke für die Antworten aus dem Nord-Westen eine nennenswerte Rolle gespielt hat. In Nordrhein- Westfalen und in Ostdeutschland melden 63 % der Unternehmen Mängel. Mit etwas Abstand folgen Bayern und die Ländergruppe Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland mit 58 beziehungsweise 59 %. Mehr oder weniger beklagen in diesen vier Regionen rund 20 % deutliche Beeinträchtigungen. Die Angaben belegen ein bundesweit hohes Beeinträchtigungsniveau im Straßenverkehr, zeigen aber auch klare Beeinträchtigungsspitzen in einigen Regionen. Dies liefert einen Hinweis darauf, wo besonderer Bedarf an zusätzlichen Investitionsmitteln besteht. Eine Korrelation der gemeldeten Beeinträchtigungen mit den Unternehmensgrößen legt zudem den Schluss nahe, dass die Beeinträchtigungen bei exportstarken Unternehmen größer sind. Deshalb sollte der Investitionsfokus im Bundesfernstraßenbau auf die überlasteten Trassen im Seehafenhinterlandverkehr gelenkt werden. Die hohe Betrofenheit der Unternehmen in Baden-Württemberg kann zum Teil auch dadurch erklärt werden, dass sie auf dem Weg zu den großen Seehäfen Transportrouten nutzen, die durch Nordrhein- Westfalen führen, wo bundesweit die meisten Staus vorkommen. Schienenverkehr: Belastungsschwerpunkt in Bayern Im Schienenverkehr zeigt sich eine deutlich anders gelagerte regionale Belastungsverteilung. Die größten Beeinträchtigungen werden von Unternehmen aus Bayern gemeldet. Dort sehen sich 24 % der Unternehmen durch Mängel beim Schienenverkehr regelmäßig beeinträchtigt, davon 7 % in hohem Maße. Eine Rolle dürfte der in Bayern relativ hohe Besatz mit exportstarken Großbetrieben, wie etwa Automobilwerken gespielt haben. Dies gilt umso mehr, da auch Baden-Württemberg eine erhöhte Beeinträchtigung meldet, dessen Unternehmen ebenso wie die bayrischen von Engpässen entlang der extrem stark genutzten Rheinschiene betrofen sind, wenn sie Exportgüter zu den großen Seehäfen schafen oder Rohstofe von dort importieren wollen. Dagegen sehen nur 16 % der ostdeutschen Unternehmen einen Grund zur Klage über die Schieneninfrastruktur. Zusammenfassend kann festgehalten werden: In Deutschland werden die Unternehmen derzeit mehrheitlich und in allen Wirtschaftsbereichen durch Infrastrukturmängel beeinträchtigt. Die größten Beeinträchtigungen bestehen im Straßenverkehr, wobei die stärksten Belastungen in Baden-Württemberg zu verzeichnen sind. Nach Branchen diferenziert, liegt der Belastungsschwerpunkt in der Bauindustrie, die stark vom Zustand der nachgeordneten Straßennetze betrofen ist. Im Schienenverkehr kommen die meisten Beeinträchtigungsmeldungen hingegen aus Bayern. Weitergehende Informationen auch zu den anderen Infrastruktur-Bereichen inden sich in der im Februar 2014 veröfentlichten IW-Studie zum Engpassfaktor Infrastruktur. [3] ■ LITERATUR [1] Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.), 2013, Industrielle Standortqualität - Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich? , Köln [2] Weltbank, 2012, Logistics Performance Index 2012, http: / / lpi.worldbank.org [3] Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.), 2014, Infrastruktur zwischen Standortvorteil und Investitionsbedarf, URL: http: / / www. iwkoeln.de/ de/ studien/ gutachten/ beitrag/ hubertus-bardt-estherchrischilles-manuel-fritsch-michael-groemling-thomas-pulsklaus-heiner-roehl-infrastruktur-zwischen-standortvorteil-undinvestitionsbedarf-145760 Michael Grömling, Prof. Dr. rer. pol. Leiter der Forschungsgruppe Konjunktur, Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Internationale Hochschule Bad Honnef/ Bonn groemling@iwkoeln.de Thomas Puls, Dipl. Vw. Senior Economist Verkehr und Umwelt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln puls@iwkoeln.de 4 1 2 1 1 1 1 1 2 3 3 3 6 4 3 5 7 5 27 22 20 31 19 18 14 9 9 8 9 7 10 13 15 9 16 9 14 16 16 18 17 11 43 41 39 40 39 44 0 10 20 30 40 50 60 70 80 6 5 4 3 2 1 6 5 4 3 2 1 6 5 4 3 2 1 6 5 4 3 2 1 Schiffsverkehr Luftverkehr Schienenverkehr Straßenverkehr deutliche Beeinträchtigung geringe Beeinträchtigung Bild 3: Infrastrukturmängel im Bundesländer-Vergleich - Regelmäßige Beeinträchtigung der Geschäftsabläufe von Unternehmen im Herbst 2013 durch Infrastrukturmängel; Angaben nach Infrastrukturbereichen und Regionen in Prozent der Unternehmen, Rest zu 100 % ohne Beeinträchtigung. Klassifizierung der Bundesländer: 1 Ostdeutschland; 2 Bayern; 3 Baden-Württemberg; 4 Hessen, Rheinland- Pfalz, Saarland; 5 Nordrhein-Westfalen; 6 Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2013)
