eJournals Internationales Verkehrswesen 66/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0012
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2014
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Kasachstans Entwicklung zum euro-asiatischen Logistik-Hub

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2014
Günter Teßmann
Kasachstan hat ehrgeizige Ziele. Mit milliardenschweren Investitionen soll die logistische Brückenfunktion zwischen Asien und Europa, die das Land auf Grund seiner natürlichen Lage und seiner wirtschaftlichen Ressourcen hat, ausgebaut werden. Der Entwicklung des Eisenbahntransports kommt dabei aufgrund einer Reihe von Faktoren eine besondere Rolle zu. In den letzten Jahren gab es bereits bemerkenswerte Erfolge.
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Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 37 Eurasische Landbrücke INFRASTRUKTUR Kasachstans Entwicklung zum euro-asiatischen Logistik-Hub Kasachstan hat ehrgeizige Ziele. Mit milliardenschweren Investitionen soll die logistische Brückenfunktion zwischen Asien und Europa, die das Land auf Grund seiner natürlichen Lage und seiner wirtschaftlichen Ressourcen hat, ausgebaut werden. Der Entwicklung des Eisenbahntransports kommt dabei aufgrund einer Reihe von Faktoren eine besondere Rolle zu. In den letzten Jahren gab es bereits bemerkenswerte Erfolge. Der Autor: Günter Teßmann D ie dynamische Entwicklung Kasachstans der letzten Jahre bestätigte das Weltwirtschaftsforum mit dem jüngsten Ranking „Global Competitiveness Index 2012- 2013“. Unter den 144 Ländern nimmt Kasachstan Platz 51 ein und hat sich damit gegenüber dem Ranking 2011-2012 um 21- Plätze verbessert. Bemerkenswert ist, dass Kasachstan bei dem Indikator Qualität der gesamten Infrastruktur zwar Rang 78, bei der Schieneninfrastruktur aber Rang 29 belegt. Das deutet auf die hervorragenden Eisenbahnressourcen hin, die das Land beim Ausbau seiner Brückenfunktion in die Waagschale werfen kann. Gemessen an der Fläche ist Kasachstan der neuntgrößte Staat der Erde mit einer Fläche von 2 724 900 km 2 . Vergleichsweise hat Deutschland eine Ausdehnung von 357 121 km 2 . Das Land liegt überwiegend in Zentralasien, aber ein kleinerer Teil von rund 5,4 % der Landesläche wird dem äußersten Osteuropa zugerechnet. Es hat keinen Zugang zum ofenen Meer. Der weltweit zunehmenden Beachtung Kasachstans als Beschaffungsmarkt für Rohstofe und Halbmaterialien stehen beträchtliche Entfernungen zwischen den bedeutenden Wirtschaftszentren innerhalb der Republik gegenüber [1]. Am landesweiten Frachtumschlag hat die Eisenbahn einen Anteil von drei Fünftel, ohne Berücksichtigung des Pipelinetransports von drei Viertel. Das Streckennetz der Eisenbahn hat eine Gesamtlänge von 15 100 km, darunter rund 5000 km zweigleisige und 4000 km elektriizierte Strecken. Kasachstan ist für Deutschland mit einem bilateralen Handelsvolumen von 5,93- Mrd. EUR im Jahr 2012 der mit Abstand wichtigste Handelspartner in Zentralasien. Das Land hat wie in den Jahren davor gegenüber Deutschland einen deutlichen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaftet. Wichtigste deutsche Exportprodukte sind Maschinen, elektrische Ausrüstungen, chemische Produkte, Kraftfahrzeuge und pharmazeutische Erzeugnisse mit insgesamt 1,98 Mrd. EUR. Kasachstan exportiert vor allem Erdöl, Eisen und Stahlerzeugnisse sowie chemische Produkte im Wert von insgesamt 3,95 Mrd. EUR. Eine besondere Bedeutung hat Kasachstan für Deutschland als viertgrößter Öllieferant. Die wichtigsten deutschen Direktinvestitionen in Kasachstan liegen im Bereich Baustofproduktion und Einzelhandel [2]. Kasachstans historische Transitfunktion Die Rolle Kasachstans als Transitland zwischen Asien und Europa hat eine historische Dimension. Die bedeutendste Handelsstraße aller Zeiten, die „Große Seidenstraße“, verlief auf einem ihrer nördlichen Zweige in einer Länge von ca. 1700 km über das Territorium des heutigen Kasachstan. Auf der historischen Seidenstraße, welche Asien mit dem Mittelmeerraum verband, wurden Gold, Edelsteine und vor allem Glas in asiatische Richtung transportiert, während Pelze, Keramik, Jade, Bronze, Lacke und Eisen in westliche Richtung befördert wurden. War zu damaliger Zeit der Landweg die Haupt-Handelsverbindung zwischen Asien und Europa, werden heute rund 95 % des Güterverkehrs zwischen Asien und Europa über den Seeweg abgewickelt. Anfang September 2013 hatte der chinesiche Staatspräsident Xi Jinping bei seinem Staatsbesuch in Kasachstan das Konzept der „Wirtschaftsregion Seidenstraße“ entwickelt, einer Region, in der rund drei Milliarden Menschen leben, fast die Hälfte der Weltbevölkerung also. Das Konzept erregte in Asien, Europa und weltweit große Aufmerksamkeit. Der Aubau der „Neuen Seidenstraße“ stand auch auf der Tagesordnung des jüngsten Gipfeltrefens der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) Mitte September 2013 in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Die SCO ist eine ständige zwischenstaatliche internationale Organisation, die im Jahr 2001 in Shanghai von den sechs Nationen Kasachstan, China, Kirgisien, Russland, Tadschikistan und Usbekistan gegründet wurde. Die Organisation hat das Ziel, die Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel und Gewerbe zu fördern. Die Staatschefs der sechs Mitgliedsländer berieten in Bischkek über Fragen wie die Entwicklung eines Verkehrs- und Kommunikationsnetzes in der Region, die Förderung des Handels durch ein „Kreditfenster“ der SCO und die Einrichtung einer SCO- Entwicklungsbank für Infrastrukturprojekte und Handel. Alle sechs beteiligten Länder liegen an der alten historischen Seidenstraße. Die Zollabfertigung wurde auf einem großen Teil der eurasischen Landbrücke zwischen China und Europa durch die seit Januar 2012 vollständig in Kraft getretene Zollunion Belarus-Kasachstan-Russland vereinfacht. Gegenwärtig bereiten diese drei CES-Länder (Common Economic Space) die Gründung der „Vereinigten transportlogistischen Partnerschaft“ vor. Damit soll ein wichtiger Schritt getan werden, das logistische Dienstleistungsniveau der drei Länder mit einheitlichen Standards zu verbessern und Maßnahmen zur Lieferzeitverkürzung und Gewährleistung der Gütersicherheit durchzusetzen. Die kasachische Regierung hat 2013 ein komplexes Programm „Kasachstan - Neue Seidenstraße“ für den Zeitraum bis 2016 beschlossen. Gegenstand sind: • Die Bildung von Transportkorridoren, mit denen Europa und Asien verbundenn werden • Der Abbau von Infrastrukturbeschränkungen • Die Erhöhung des logistischen Niveaus • Die Erleichterung der Prozesse an den Grenzübergängen Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 38 INFRASTRUKTUR Eurasische Landbrücke • Der Masterplan der Verkehrslogistik • Die Gründung nationaler Transport- Logistik-Unternehmen. Rolle der Go-West-Strategie Chinas Großen Einluss auf die Entwicklung der eurasischen Landbrücke hat die Go-West- Strategie Chinas. Die chinesische Regierung bemüht sich mit ihrer Go-West-Strategie seit mehr als zehn Jahren, die ökonomischen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung Westchinas zu verbessern. Die dynamische Wirtschaftsentwicklung Westchinas stärkt die Transitpotenziale der euroasiatischen Landbrücke, indem die Entfernungen verkürzt werden und der Seeweg durch die längeren Vorlaufentfernungen zu den Seehäfen an der Ostküste relativ verlängert wird. So dauert allein das Überführen der Container von Chongqing zu einem chinesischen Seehafen etwa drei Tage. Ein Zeitraum, in dem der Zug Richtung Duisburg bereits die Hälfte seines Laufweges durch China hinter sich hat. Wachsende Transportmengen im Schienengüterverkehr Das gesamte Transportvolumen der Transitgüter durch Kasachstan über Schiene, Straße und Wasser betrug im Jahr 2012 17,8-Mio. t. Im Vergleich zum Jahr 2011 mit 16,3 Mio. t bedeutete das eine Steigerung um 9 %. Die Mehrheit der Transitgüter wurde im Jahr 2012 über die Schiene befördert und betrug 16,3 Mio. t oder 91,5 % Auf die Straße entielen 8,4 % und auf die Wasserstraßen 0,1 %. Obwohl der Schienenverkehr zwischen China und Europa über Kasachstan nur 15 Tage benötigt - gegenüber 35 Tagen bei der Seeschiffahrt - sind die Kosten über den Landweg noch relativ hoch, da der Transportumfang über diese Route trotz beachtenswerter Zuwächse immer noch vergleichsweise niedrig ist. Besondere Bedeutung im Wettbewerb mit dem Seetransport hat der Containertransport über die Landbrücke. Im Containertransit durch Kasachstan wurden von Januar bis September 2013 ca. 90 000 TEU transportiert. Die Zunahme betrug 7 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 2012 (84 000 TEU). Das Transitgütervolumen mit geschlossenen Containerzügen aus China nach Europa durch Kasachstan hat im Zeitraum Januar bis September 2013 mit einem Anstieg von 2410 TEU auf 3918 TEU um 62% im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2012 zugenommen. Die Prognose des Containertransports durch Kasachstan in der Relation China - Europa für das Jahr 2020 geht von 1 bis 1,5 Mio. TEU aus [3]. Ein Beispiel für die Attraktivität der Landstrecke durch Kasachstan und die weiteren CES-Länder Russland und Weißrussland ist die Eisenbahnverbindung Chongqing (China) - Dostyk - Duisburg (Deutschland). Die Strecke mit einer Länge von 11 000 km wird in 15 bis 16 Tagen zurückgelegt. Von Januar bis September 2013 wurden mit 28 Containerzügen 2444 TEU befördert. Zum Vergleich: Von Januar bis September 2012 waren es 27 Containerzüge mit 2.410 TEU. Mit Vorteilen wie hoher Sicherheit, Eizienz und Schnelligkeit ist der Trans-Eurasia-Express ein neuer strategischer Korridor des Gütertransports von China nach Europa geworden. Das Ganzzugkonzept über die sogenannte Südroute wurde gemeinsam mit Hewlett-Packart (HP) in Kooperation mit DB Schenker Rail und Trans Eurasia Logistics, einem 2008 gegründeten Joint Venture der DB AG und der russischen Eisenbahnen RZD, als Alternative zur viel befahrenen Nordroute über die transsibirische Eisenbahn entwickelt. Insgesamt betrug die durchschnittliche Geschwindigkeit der Containerzüge auf dem Territorium Kasachstans 840 km/ Tag im Jahre 2013, noch 2012 waren es nur 769 km/ Tag. Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur Bis 2020 ist die Verdopplung des Transitaukommens von heute ca. 18 Mio. t auf ca. 36 Mio. t geplant. Dafür soll für die Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur ein Gesamtinvestitionsvolumen bis 2020 von ca. 8,8 Mrd. EUR realisiert werden. Eine Reihe von Schieneninfrastrukturprojekten wurden bzw. werden realisiert, um das Transitpotenzial des Landes weiter zu entwickeln. Das betraf zum Beispiel im Jahr 2011 den Bau der Bahnlinie Zhetygen- Korgas (293 km). Die Strecke hat eine wichtige strategische Bedeutung. Mit ihr wurde die Einführung des zweiten Eisenbahnkorridors zwischen Kasachstan und China abgeschlossen. Die neue chinesisch-kasachische Verkehrsachse wird die wirtschaftlichen Beziehungen Chinas und der Länder Südostasiens mit den Ländern Zentralasiens und des eurasischen Kontinents fördern. Die Strecke verkürzt die Entfernung von der Grenze zu China zu den südlichen Regionen Kasachstans und den zentralasiatischen Ländern um 550 km. Zu den Modernisierungs- und Ausbauplänen der Bahn gehören weiterhin eine Generalüberholung von ca. 4200 km sowie der Neubau von rund 1600- km und die Elektriizierung von etwa 2700 km Gleis. Unter den Strecken, die bis etwa 2018 elektriiziert werden sollen, stehen die Trassen Almaty - Aktogai (559 km; Kosten ca. 750 Mio. EUR), Mointy - Aktogai (521 km; ca. 520 Mio. EUR), Makat - Kandagatsch (392 km; ca. 300 Mio. EUR) und Aktogai - Dostyk (312 km; ca. 370 Mio. EUR). Der Bau neuer Strecken konzentriert sich künftig auf Bahnverbindungen Arkalyk - Schalkar (620 km; ca. 520 Mio. EUR), Sheskasgan - Saksaulskaja (520 km; ca. 445 Mio. EUR) sowie Sheskasgan - Kysylorda (419 km; ca. 150 Mio. Euro) [4]. Höchste Priorität bei der Entwicklung der Logistik-Performance Kasachstans hat die Entwicklung der Sonderwirtschaftszone „Horgas - Osttor“ an der kasachisch-chinesischen Grenze mit dem Ziel, einen Hochleistungs-Logistik-Hub für die Transporte auf der Relation Südostasien - China - Zentralasien - Europa zu schafen. Den Investoren werden vorteilhafte Wirtschafts- und Handelsbedingungen mit Steuer- und Zoll- Bild 1: Transportrouten Nord - Süd: Gegenüber der in der Vergangenheit vorrangig genutzten Nordroute hat die Südroute von Chogqing nach Duisburg einen Entfernungsvorteil von ca. 2600-km. Teildistanzen der Südroute sind China 3777 km, Kasachstan 3025 km, Russland/ Weißrussland 2667 km. (Bild: DB Schenker) Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 39 Eurasische Landbrücke INFRASTRUKTUR präferenzen gewährt. Horgas bietet Logistikkunden die gesamte multimodale Dienstleistungsbreite für die eurasische Lieferkette [5]. Von großer Bedeutung ist weiterhin die von den Präsidenten Chinas und Kasachstans Anfang September 2013 unterschriebene Vereinbarung zur Gründung eines Joint Ventures zum gemeinsamen Betrieb des chinesischen Hafens Lianyungang einschließlich des Ausbaus eines neuen Hafenterminals, beginnend im 1. Halbjahr 2014. Die Weltgeschichte des 21. Jahrhunderts wird maßgeblich durch die Entwicklung Eurasiens bestimmt werden. Kasachstan spielt wirtschaftlich auf Grund seiner Ressourcen eine mitbestimmende Rolle in diesem Prozess. Das Land hat auf Grund seiner geografischen Lage an der Schnittstelle Europas und Asiens und auf Grund seiner leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur eine logistische Schlüsselfunktion, um die euroasiatische Wirtschaftsverflechtung zu beschleunigen. ■ LITERATUR [1] Lampe, Kerstin; Stölzle Wolfgang: Transportwege für den Handel zwischen Asien und Europa: Für die Zukunft gerüstet? In Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 9-2012, S. 31f., Bern [2] Auswärtiges Amt, Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland, Stand: Oktober 2013 [3] Lt. Aussagen von Kanat K. Alpysbayev, Vizepräsident für Logistik der Staatsbahn Kasachstan Temir Zholy (KTZ) im Rahmen eines Interviews mit dem Autor im Oktober 2013 [4] Strohbach, Uwe: Kasachstans Staatsbahn verfolgt ambitiöses Investitionsprogramm. In: Germany Trade & Invest, Online-News, Nr. 14 vom 02.08.2011 [5] Kulke-Fiedler, Christine: Kasachstan auf dem Weg zum Hub zwischen China und Europa. In: Ost-West-Contact 10/ 2012, S.70, OWC- Verlag für Außenwirtschaft GmbH, Münster Günter Teßmann, Dr. oec. habil. Freier Fachjournalist, Eichwalde guenter.tessmann@t-online.de Bild 2: Zeremonie im Dezember 2013 beim Lückenschluss der 493 km langen Strecke Shalkar - Beyneu im westlichen Abschnitt der 988 km langen Trans-Kasachstan- Route. (Foto: Kasachstan Temir Scholy KTZ) Oliver Kraft Geschäftsführer, House of Logistics and Mobility (HOLM), Frankfurt am Main Prof. Knut Ringat Sprecher der Geschäftsführung, Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV), Hofheim am Taunus; Präsident, Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft, Berlin Klaus-Peter Siegloch Präsident, Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Berlin Dr. Klaus Vornhusen Konzernbevollmächtigter für das Land Hessen und die Region Mitte, Deutsche Bahn AG, Frankfurt am Main Tag der Infrastruktur Dienstag, 20. Mai 2014, Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main Konferenzthemen Zukunft und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Rhein-Main-Gebiet Zukunft des Flughafens Frankfurt/ Main unter der neuen Landesregierung Verkehr und Logistik der Zukunft Unter den Sprechern sind IV_#1-14 www.frankfurt-gbw.com info@frankfurt-gbw.com Ein Projekt der Mitveranstalter Sponsor Konferenzpartner Medienpartner Volker Bouffier, MdL Ministerpräsident des Landes Hessen, Wiesbaden Unter der Schirmherrschaft von Jetzt anmelden!