eJournals Internationales Verkehrswesen 66/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0027
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2014
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ADAC: Ein Monopol pervertiert unsere Wirtschaftsordnung

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2014
Ferdinand Dudenhöffer
Ein Kommentar von Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts und Lehrstuhlinhaber an der Universität Duisburg-Essen
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Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 92 D ass der Finanzminister der Deutschen Bank Steuervorteile gegenüber der Commerzbank oder Uni Credit einräumt, kann sich niemand vorstellen. Auch nicht, dass die Allianz Steuervorteile gegenüber der AXA oder HUK Coburg erhält - und schon gar nicht etwa VW gegenüber BMW, Mercedes oder Renault. Unternehmen mit dominanter Marktstellung per Gesetz zusätzliche Wettbewerbsvorteile zu verschafen, würde unser Wirtschaftssystem pervertieren. Monopole berechnen den Kunden zu hohe Preise und nutzen ihre Einkaufsmacht gegenüber kleinen Zulieferern aus. Um dies zu vermeiden, leisten wir uns ein Bundeskartellamt. Mit knapp 19 Millionen Kunden hat der ADAC ein Monopol. Sein wichtigstes Produkt ist eine Versicherung, ein Schutzbrief, der geschickt kombiniert mit mobilen Automechanikern, gerne Gelbe Engel genannt, 19 Millionen Pannenhilfekunden besitzt. Der Marktanteil des ADAC dürfte hier mehr als 80 Prozent betragen. Das ADAC-Monopol schwächt die Konkurrenten durch ein zweites Phänomen: Es ist ein „natürliches“ Monopol. Steht eine Pannenschutz-Organisation erst mal, sind die Zusatzkosten für einen weiteren Kunden nahezu null. Damit haben es neue Wettbewerber besonders schwer, in dem Markt Fuß zu fassen. Das System ADAC verfügt aber noch über einen dritten Machthebel. Der ADAC verkauft seine Schutzbriefe nicht wie andere Versicherungs-Gesellschaften, sondern koppelt das Produkt an den Mitgliedszwang bei einem Verein. Diese Zwangsmitgliedschaft nutzt der ADAC in drei Richtungen aus. Zum einen baut er eine enorme politische Macht auf, denn kein Politiker wagt es, 19 Millionen Wählern etwas abzuschlagen. Zum zweiten verkauft er seine Kernleistung Pannenhilfe nicht als Einzelprodukt, sondern nur im Pakt mit anderen Leistungen, wie etwa dem Mitgliedermagazin Motorwelt oder der sogenannten Motorsportförderung oder dem Anspruch, eine Art Vermögensabgabe für den ADAC zu entrichten. Dieses - auch Bundling genannte - Verfahren erlaubt, die Monopolgewinne durch die Verplichtung, ein Dienstleistungs-Paket zu kaufen, zusätzlich zu steigern. Zum dritten gibt der ADAC vor, Idealverein zu sein, also gesellschaftliche Belange umzusetzen, und erhält damit Steuervorteile. Extremer kann man Wettbewerb nicht ad absurdum führen. Gemäß eines Dekrets des bayrischen Finanzministers aus dem Jahre 1981 muss der ADAC nur auf 10 Prozent seines Schutzbriefumsatzes Steuern zahlen. Von etwa einer Milliarde Euro Mitgliedsbeiträge werden nur 100 Millionen mit kleinem Sondersteuersatz versteuert. In anderen Worten: Unsere Gesellschaft inanziert ein natürliches Monopol, das auf fast schon sizilianische Art politische Macht aubaut. Das Kartellamt scheint blind zu sein oder schaut bewusst weg, Wenig interessiert ist auch der Bundesinanzminister, der auf Steuereinnahmen „freiwillig“ verzichtet. Und selbst das Justizministerium, das seit langem die periden Beugungen des Vereinsrechts durch den ADAC hätte bemerken müssen, erscheint ahnungslos. Der ADAC ist kein Verein. Mindestens 95 Prozent sind nur Mitglied im „Verein“, weil er ihnen einen „Schutzbrief mit kombinierter Pannenhilfe“ verkauft. Diese Binsenweisheit ist sowohl beim Kartellamt als auch in den Bundesministerien bekannt. Dass der ADAC es gar nicht so gut mit seinen Kunden meint, zeigt ein Preisvergleich bei Schutzbriefen. So kostet die Single-Mitgliedschaft beim ADAC mit Pannenhilfe nur in Deutschland 49- EUR, während etwa die HUK Coburg den Schutzbrief Europa für 6 bis 12 EUR anbietet oder die Allianz in Verbindung mit einer KFZ-Versicherung für einen ähnlichen Schutzbrief 9,79 EUR berechnet. Knapp 10 Prozent der Einnahmen aus Mitgliedschaften, sprich dem Verkauf von Schutzbriefen, verwendet der ADAC als Zuführung zum Vereinsvermögen. Ein Versicherer, der Policen als Monopolist verkauft und die Monopolpreise als Aubauhilfe für die Vermögensbildung des Unternehmens nutzt, vermittelt nicht gerade den Eindruck einer verbraucherorientierten Organisation. Im Jahr 2012 hat der ADAC weniger als 48 Prozent der Beitragseinnahmen für die Kostendeckung seiner Pannenhilfe aufgewendet. Ein Unternehmen, das mit seinen Produkten eine Umsatzrendite von über 50 Prozent erzielt, dürfte Seltenheitscharakter haben. Mit einem Bonussystem hat der ADAC dafür gesorgt, dass seine knapp 1700 „rollenden Werkstätten“ neben Mitgliedschaften auch Batterien verkaufen. Im Durchschnitt hat jeder Gelbe Engel im vergangenen Jahr 100 Varta-Batterien verkauft - und das eben auch zu Monopolpreisen. In den letzten Wochen sind viele Interessenkonlikte beim ADAC zu Tage getreten. Einerseits verkauft der Club Autobauern Pannenhilfe, gleichzeitig testet er mit der sogenannten Pannenstatistik deren Fahrzeug-Qualität. Erst vor kurzem hat der ADAC die FORUM Meinung ADAC: Ein Monopol pervertiert unsere Wirtschaftsordnung Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöfer, Direktor des CAR-Instituts und Lehrstuhlinhaber an der Universität Duisburg-Essen Ein KOMMEntaR vOn Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 93 Meinung FORUM eher irreführende Behauptung zurückgenommen, diese Pannenstatistik sei repräsentativ. Angezweifelt wurden ADAC-Reifentests, -Raststättenbewertungen, -Gewässertests und vieles mehr. Über Jahre wurden die Zuschauerzahlen von ADAC-Veranstaltungen auf dem Nürburgring „getuned“ und die Mitgliedervoten zum Lieblingsauto der Deutschen systematisch sowohl in der Reihenfolge als auch in den absoluten Teilnehmerzahlen manipuliert. Unter dem System ADAC sind Dinge entstanden, die nicht zu Verbraucherschutzregeln passen, Unabhängigkeit vortäuschen und Kundenvertrauen über Provisionsgeschäfte mit Mineralölgesellschaften, Versicherungen, Reiseveranstaltern und Kreditkartenunternehmen missbrauchen. Dass der ADAC wenig engelhaft ist, zeigen die Verkaufsmethoden anlässlich der Mitgliederwerbeaktionen bei Fahrschulen oder Jugendlichen. Dass der ADAC die Maximierung der Umsatz- und Provisionseinnahmen bei seinen Mitgliedern als Hauptziel verfolgt, zeigen die zahlreich oferierten Zusatzprodukte mit ADAC-Aufschrift. Es ist nichts Unanständiges daran, Geld zu verdienen, aber bitte mit sauberen Spielregeln und ohne die merkwürdigen Interessenkonlikte - etwa mit Tankrabatten bei Shell und dem gleichzeitigen Aufruf, nur noch bei freien Tankstellen zu tanken. Ein solch kurioses System neigt dazu, in Probleme zu laufen. Die Gelben Engel der Straßenwacht sind höchst ehrenwerte Menschen, das System ADAC aber entwickelt die unkontrollierbare Eigendynamik durch die Wettbewerbsverzerrung und Verbrauchertäuschung. Man kann ein Wirtschaftsunternehmen mit zwei Milliarden Umsatz nicht wie einen Taubenzüchterverein ohne saubere Kontrollorgane führen. Das Vereinsrecht wurde nicht für Wirtschaftsunternehmen, sondern für Interessenvereinigungen geschafen. Der ADAC selbst kann und wird das System ADAC nicht ändern. Die bisherigen Maßnahmen, etwa ein mit Honoratioren besetzter Beirat, der nach den Statuten keinerlei Entscheidungsbefugnis hat, ist eher eine Marketingaktion statt eines Schrittes zum Neuanfang. Ähnlich ist einzustufen, dass der alte Geschäftsführer die Club-Erneuerung umsetzen soll und der bisherige Präsident als Regionalfürst am Niederrhein einem „Gau“ vorsteht. Das schnell vorgestellte „10-Punkte-Programm“ ist eine unverbindliche Aufzählung von Überschriften ohne nähere Erläuterungen. Transparenz und Neuanfang sehen anders aus. Auf keiner Internetseite sagt der ADAC Näheres zu seinen 14 Untergesellschaften der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH. Wer sich informieren will, muss wie bei der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH ins Handelsregister sehen. Auf der ADAC-Homepage werden zwar die Produkte der Töchter in Verkäufermanier oferiert, aber außer Verkaufsinfos ist nichts zu inden - jeder Mittelständler informiert auf seiner Homepage besser über sein Unternehmen. Alles was man erfährt, ist - unter dem Impressum der ADAC-Homepage - ein Anschriftenverzeichnis der 14 Töchter. Der angebliche Neuanfang mit alter Mannschaft erscheint wenig glaubhaft. Deshalb sind unsere hoheitlichen Organe gefragt. Deshalb muss sich das Kartellamt die Wettbewerbsbehinderungen anschauen, der Justizminister das Vereinsrecht und der Finanzminister die Steuerbefreiung. Die Lösung kann nur sein, alle wirtschaftlichen Aktivitäten - und das ist auch die Pannenhilfe - in einem richtigen Unternehmen zu bündeln. Das kann eine Aktiengesellschaft, aber auch eine Genossenschaft sein. Die konkrete Ausgestaltung soll der ADAC selbst entscheiden. Die wahren Mitglieder, vielleicht 100 000, können gerne im Vereinsstatus wirken, Oldtimerfahrten oder Sicherheitstrainings organisieren und Rennstrecken kaufen. Der einzige Weg, dies zu erreichen, ist, von außen allen Unternehmensaktivitäten den Vereinsstatus und Steuervorteil zu entziehen. Die gewählten Vertreter unserer Gesellschaft müssen das tun, sonst wird die sich selbst verstärkende Dynamik die unheimliche Steigerung der Machtfülle einer kleinen Minderheit weiterentwickeln. Nicht die Skandale um Hubschrauberlüge, gefälschte Teilnehmerzahlen und Villenbauten sind das Problem, sondern das System selbst. Der Club braucht den Neuanfang von innen und außen. ■ Der Mut, nein zu sagen D er EU-Kommissar Manuel Barroso kündigte im Oktober 2013 an, die europäischen Gesetze zu vereinfachen. Das ist zu schön, um wahr zu sein: Schaut man sich die Zahl der seither vorgeschlagenen und erlassenen Vorschriften an, bleibt allenfalls die gute Absicht. Auch das 4. Eisenbahnpaket der EU wird zwar manches verbessern, anderes aber in Detailregeln atomisieren. Und wir - Bürger, Betriebe, Berater? Wir schimpfen auf die Bürokratie in Brüssel und Berlin und fühlen uns klug, gut und unverstanden. Genügt das? Auch wir tragen jeden Tag zu unnötiger Komplexität bei, schreiben zu viel, regeln zu viel. Schauen Sie zum Beispiel einfach in die Compliance Codices der Unternehmen, die sich meist in einem einfachen „Haltet Euch an die Gesetze! “ zusammenfassen lassen. Wenn die Bürokraten den Blick für die wesentlichen Themen verlieren, wenn sie Freiheit und Unternehmergeist ersticken, dann hilft keine Klugreden in Klubs und Kongressen, dann hilft nur Widerspruch. Und zwar nicht der Widerspruch des Lobbyisten, der „seine Regelung“ zusätzlich in eine neue Richtlinie schieben will. Sondern der Mut, „Nein! “ zu sagen zu komplizierten und unnötigen Verträgen und Verordnungen. Das gilt für jeden von uns - mindestens an seinem eigenen Schreibtisch. ■ Dr. Ute Jasper, Rechtsanwältin bei der-Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf EIN ZWISCHENRUF VON