Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0028
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2014
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Der Mut, nein zu sagen
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2014
Ute Jasper
Ein Zwischenruf von Dr. Ute Jasper, Rechtsanwältin bei der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf
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Internationales Verkehrswesen (66) 1 | 2014 93 Meinung FORUM eher irreführende Behauptung zurückgenommen, diese Pannenstatistik sei repräsentativ. Angezweifelt wurden ADAC-Reifentests, -Raststättenbewertungen, -Gewässertests und vieles mehr. Über Jahre wurden die Zuschauerzahlen von ADAC-Veranstaltungen auf dem Nürburgring „getuned“ und die Mitgliedervoten zum Lieblingsauto der Deutschen systematisch sowohl in der Reihenfolge als auch in den absoluten Teilnehmerzahlen manipuliert. Unter dem System ADAC sind Dinge entstanden, die nicht zu Verbraucherschutzregeln passen, Unabhängigkeit vortäuschen und Kundenvertrauen über Provisionsgeschäfte mit Mineralölgesellschaften, Versicherungen, Reiseveranstaltern und Kreditkartenunternehmen missbrauchen. Dass der ADAC wenig engelhaft ist, zeigen die Verkaufsmethoden anlässlich der Mitgliederwerbeaktionen bei Fahrschulen oder Jugendlichen. Dass der ADAC die Maximierung der Umsatz- und Provisionseinnahmen bei seinen Mitgliedern als Hauptziel verfolgt, zeigen die zahlreich oferierten Zusatzprodukte mit ADAC-Aufschrift. Es ist nichts Unanständiges daran, Geld zu verdienen, aber bitte mit sauberen Spielregeln und ohne die merkwürdigen Interessenkonlikte - etwa mit Tankrabatten bei Shell und dem gleichzeitigen Aufruf, nur noch bei freien Tankstellen zu tanken. Ein solch kurioses System neigt dazu, in Probleme zu laufen. Die Gelben Engel der Straßenwacht sind höchst ehrenwerte Menschen, das System ADAC aber entwickelt die unkontrollierbare Eigendynamik durch die Wettbewerbsverzerrung und Verbrauchertäuschung. Man kann ein Wirtschaftsunternehmen mit zwei Milliarden Umsatz nicht wie einen Taubenzüchterverein ohne saubere Kontrollorgane führen. Das Vereinsrecht wurde nicht für Wirtschaftsunternehmen, sondern für Interessenvereinigungen geschafen. Der ADAC selbst kann und wird das System ADAC nicht ändern. Die bisherigen Maßnahmen, etwa ein mit Honoratioren besetzter Beirat, der nach den Statuten keinerlei Entscheidungsbefugnis hat, ist eher eine Marketingaktion statt eines Schrittes zum Neuanfang. Ähnlich ist einzustufen, dass der alte Geschäftsführer die Club-Erneuerung umsetzen soll und der bisherige Präsident als Regionalfürst am Niederrhein einem „Gau“ vorsteht. Das schnell vorgestellte „10-Punkte-Programm“ ist eine unverbindliche Aufzählung von Überschriften ohne nähere Erläuterungen. Transparenz und Neuanfang sehen anders aus. Auf keiner Internetseite sagt der ADAC Näheres zu seinen 14 Untergesellschaften der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH. Wer sich informieren will, muss wie bei der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH ins Handelsregister sehen. Auf der ADAC-Homepage werden zwar die Produkte der Töchter in Verkäufermanier oferiert, aber außer Verkaufsinfos ist nichts zu inden - jeder Mittelständler informiert auf seiner Homepage besser über sein Unternehmen. Alles was man erfährt, ist - unter dem Impressum der ADAC-Homepage - ein Anschriftenverzeichnis der 14 Töchter. Der angebliche Neuanfang mit alter Mannschaft erscheint wenig glaubhaft. Deshalb sind unsere hoheitlichen Organe gefragt. Deshalb muss sich das Kartellamt die Wettbewerbsbehinderungen anschauen, der Justizminister das Vereinsrecht und der Finanzminister die Steuerbefreiung. Die Lösung kann nur sein, alle wirtschaftlichen Aktivitäten - und das ist auch die Pannenhilfe - in einem richtigen Unternehmen zu bündeln. Das kann eine Aktiengesellschaft, aber auch eine Genossenschaft sein. Die konkrete Ausgestaltung soll der ADAC selbst entscheiden. Die wahren Mitglieder, vielleicht 100 000, können gerne im Vereinsstatus wirken, Oldtimerfahrten oder Sicherheitstrainings organisieren und Rennstrecken kaufen. Der einzige Weg, dies zu erreichen, ist, von außen allen Unternehmensaktivitäten den Vereinsstatus und Steuervorteil zu entziehen. Die gewählten Vertreter unserer Gesellschaft müssen das tun, sonst wird die sich selbst verstärkende Dynamik die unheimliche Steigerung der Machtfülle einer kleinen Minderheit weiterentwickeln. Nicht die Skandale um Hubschrauberlüge, gefälschte Teilnehmerzahlen und Villenbauten sind das Problem, sondern das System selbst. Der Club braucht den Neuanfang von innen und außen. ■ Der Mut, nein zu sagen D er EU-Kommissar Manuel Barroso kündigte im Oktober 2013 an, die europäischen Gesetze zu vereinfachen. Das ist zu schön, um wahr zu sein: Schaut man sich die Zahl der seither vorgeschlagenen und erlassenen Vorschriften an, bleibt allenfalls die gute Absicht. Auch das 4. Eisenbahnpaket der EU wird zwar manches verbessern, anderes aber in Detailregeln atomisieren. Und wir - Bürger, Betriebe, Berater? Wir schimpfen auf die Bürokratie in Brüssel und Berlin und fühlen uns klug, gut und unverstanden. Genügt das? Auch wir tragen jeden Tag zu unnötiger Komplexität bei, schreiben zu viel, regeln zu viel. Schauen Sie zum Beispiel einfach in die Compliance Codices der Unternehmen, die sich meist in einem einfachen „Haltet Euch an die Gesetze! “ zusammenfassen lassen. Wenn die Bürokraten den Blick für die wesentlichen Themen verlieren, wenn sie Freiheit und Unternehmergeist ersticken, dann hilft keine Klugreden in Klubs und Kongressen, dann hilft nur Widerspruch. Und zwar nicht der Widerspruch des Lobbyisten, der „seine Regelung“ zusätzlich in eine neue Richtlinie schieben will. Sondern der Mut, „Nein! “ zu sagen zu komplizierten und unnötigen Verträgen und Verordnungen. Das gilt für jeden von uns - mindestens an seinem eigenen Schreibtisch. ■ Dr. Ute Jasper, Rechtsanwältin bei der-Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf EIN ZWISCHENRUF VON
