eJournals Internationales Verkehrswesen 66/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0044
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Das ISL heute

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Leif Peters
Mit der Verbindung von Tradition und moderner Wissenschaft ist das ISL heute eines der europaweit führenden Institute für angewandte Forschung, praxisorientierte Beratung und Knowhow-Transfer auf den Gebieten Seeverkehrswirtschaft und Logistik
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ISL EXTRA Jubiläum Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 42 triebswirtschaft“, „Verkehr“ und „Telematik“ festgelegt. 1997 reagierte man nach mehreren Standortwechseln in Bremen - Schüsselkorb, Holler Allee (Bild 5), Werderstraße, Börsenhof/ Am Dom, Universitätsallee - auf die Anforderungen des Marktes mit der Gründung einer zweiten Geschäftsstelle in Bremerhaven, die bald zur vierten Abteilung des ISL wird (Bild 6). Im Jahr 2003 hießen die vier Abteilungen „Logistische Systeme“, „Maritime Wirtschaft und Verkehr“, „Informationslogistik“ und Planungs- und „Simulationssysteme“. Nach dem Umzug des Bremerhavener Büros in den t.i.m.e.Port II im Jahr 2006 wurden im Folgejahr die IT-bezogenen Aktivitäten an beiden Standorten in der erweiterten Abteilung Informationslogistik wieder gebündelt, womit die drei Abteilungen bis heute „Logistische Systeme“, „Maritime Wirtschaft und Verkehr“ und „Informationslogistik“ sind. Nach einem letzten Umzug des Bremer ISL im Jahr 2008 in neue Räumlichkeiten innerhalb der Universitätsallee (Bild 7) wurde zuletzt im Jahr 2010 die ISL Applications GmbH zur Unterstützung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Praxis gegründet. ■ QUELLEN [1] Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Instituts hat der damalige Mitarbeiter Dr. Heinrich Maas die Gründungsgeschichte des Instituts aufgearbeitet und gemeinsam mit dem Direktor dieser Zeit, Dr.-Hans Ludwig Beth, im Jahr 1979 publiziert: [2] Maas, H.; Beth, H.L.: 25 Jahre Institut für Seeverkehrswirtschaft, ISL Lectures and Contributions, No. 23, Bremen, 1979 [3] Beth, H.L.: Das Institut für Seeverkehrswirtschaft. In: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, Band XXVII, Bremen, 1983, S. 179-188 [4] Als weitere Quellen dienten interne Dokumente und Schriftstücke. Zuletzt haben viele Fundstücke aus dem Staatsarchiv Bremen, den institutseigenen Archiven sowie ISL InfoCenter/ Bibliothek zur Aufarbeitung der 60-jährigen Entwicklung beigetragen. Bild 6: Der Standort im Bremerhavener t.i.m.e.Port II Bild 7: Der aktuelle Sitz des Instituts in der Bremer Universitätsallee. Das ISL heute Mit der Verbindung von Tradition und moderner Wissenschaft ist das ISL heute eines der europaweit führenden Institute für angewandte Forschung, praxisorientierte Beratung und Knowhow-Transfer auf den-Gebieten Seeverkehrswirtschaft und Logistik. R und 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten im Auftrag öffentlicher sowie privatwirtschaftlicher Partner an zwei Standorten in Bremen und Bremerhaven weltweit Projekte zu komplexen maritimen Transportketten und deren Teilbereichen unter Einbeziehung logistischer Systeme, informationslogistischer Ansätze und Methoden des Operations Research. Der Forschungsbereich „Logistische Systeme“ greift dabei Fragestellungen zur Zukunft der Logistik auf, beispielsweise zu intermodalen Verkehren entlang der Supply Chain und regionalen Netzwerken wie GVZ und Logistikzentren. Auch werden neue Ansätze wie Mesologistik, Supply Chain Controlling, Green Logistics, Coopetition oder Multiagentensysteme entwickelt und in die Anwendung übertragen. Der Schwerpunkt „Maritime Wirtschaft und Verkehr“ berät Politik, Wirtschaft und Verwaltung in den Bereichen Schifffahrt, Häfen und Hinterland sowie Schiffbau. Die Grundlage dafür bilden Analysen von Einflussfaktoren und Wirkungszusammenhängen sowie die Entwicklung von Prognosen für die Märkte der maritimen Wirtschaft. Zusätzlich werden Fragestellungen aus dem Bereich Umwelt und Seeverkehr betrachtet. Zuletzt arbeitet die Abteilung „Informationslogistik“ an Informations- und Simulationstechnologien für die Transportwirtschaft, beispielsweise zur Vernetzung von IT-Systemen entlang der Transportkette, zum Einsatz quantitativer Methoden zur Optimierung logistischer Prozesse oder zur Planung und Überwachung intermodaler Transportketten durch ein aktives Supply Chain Event Management. Im Rahmen der Projekte ist das ISL stets darauf bedacht, dass diese im Rahmen von Kooperationen mit Unternehmen der Logistikbranche bereits im Stadium der Grundlagenforschung und der Entwicklung ihren Weg zur Anwendung in der Wirtschaft finden - beispielsweise bei Innovationen im Bereich der Informationstechnologien, die oftmals ihren Ursprung in der Forschung und Wissenschaft haben. Ein weiterer wichtiger Faktor der anwendungsorientierten Forschung ist es, aktuelle Entwicklungen und Rahmenbedingungen in die tägliche Arbeit einfließen zu lassen - wie etwa den Bereich der Sicherheitsforschung, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das Projekt ECSIT Ein Beispiel für eine solche aktuelle Entwicklung ist die in dem Projekt ECSIT - Erhöhung der Containersicherheit durch berührungslose Inspektion im Hafenterminal fokussierte House Resolution No.1 des US-amerikanischen Kongresses, die allgemein als 100 %-Scanning-Gesetz bezeichnet wird. Dieses Gesetz der US-Behörden themati- Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 43 Interview ISL EXTRA siert eine Röntgen- und Radioaktivitätsuntersuchung für alle Container, die in Richtung der USA exportiert werden sollen. Dieses zusätzliche Scanning im Abgangshafen bedeutet eine massive Aufstockung der bereits vorhandenen Kapazitäten zur Überprüfung der Seefracht. Mit Blick auf dieses Szenario wurde im Rahmen von ECSIT nun untersucht, wie neuartige Inspektionstechnologien zu einer Erhöhung der Sicherheit von Containern führen können und wie diese in ein übergreifendes Konzept unter Einbeziehung aller Beteiligter und Zuständigkeiten zu übertragen sind, ohne die Sicherheit und Performance des Hafenterminals zu beeinträchtigen. Parallel zu diesem Ansatz untersuchen andere Forschungsvorhaben alternative Ansätze, beispielsweise wie mit Hilfe von mehrstufigen Risikoanalysen für die gesamte Transportkette potenziell gefährliche Container auf Basis der verfügbaren und zwischen den Akteuren geteilten Daten identifiziert werden können. Das Projekt AMATRAK Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis stand auch im Vordergrund des Vorhabens AMATRAK - Künstliche Intelligenz zur Verkehrsreduzierung in Speditionen. Gemeinsam mit der STUTE Logistics (AG & Co.) KG als Praxispartner untersuchte das ISL in AMATRAK, wie mit Hilfe eines softwarebasierten, selbststeuernden Multiagentensystems die Kilometerleistungen einer Spedition verringert, die Auslastungen der LKW durch eine Versandbündelung erhöht und die Disponenten bei ihren Entscheidungen effektiv unterstützt werden können. Das IT-System ist in der Lage, die Routenplanung und Fahrzeugbelegung in Echtzeit dezentral zu planen und flexibel neue Vorschläge zu generieren. Dabei werden sich ändernde Kundenauftragsdaten und Fahrzeugzustände wie Staus oder Defekte dynamisch einbezogen. Kleine, lokale Störungen in der Planung führen nicht mehr unmittelbar zu globalen Störungen. Diese Flexibilität stellt die notwendige Voraussetzung für einen praktischen Einsatz in einer Spedition dar. Für die Spedition ergeben sich hieraus einerseits Kostenvorteile durch eine höhere Transporteffizienz, da die Kapazität des Fuhrparks sparsamer eingesetzt wird und die Disponenten bei der Tourenbildung zugunsten der Kundenbetreuung entlastet werden können. Andererseits werden aus gesellschaftlicher Sicht Fahrten durch Verringerung der Kilometerzahl und Konsolidierung von Teilladungen vermieden. Damit werden der Kraftstoffverbrauch, die Verkehrsbelastung sowie Emissionen (CO 2 , Lärm, Reifenabrieb) reduziert und es wird ein Beitrag zu einer nachhaltigeren, innovativen Logistik ermöglicht. Das Projekt PreparedNET Das Projekt PreparedNET - Agentenbasierter Schutz von sensiblen Logistikknoten hingegen entwickelte ein anderes ebenfalls auf der Multiagententechnologie basierendes IT- System für große Logistikknoten wie Güterverkehrszentren. Kern dieses Systems ist die Bereitstellung eines softwarebasierten Notfallkonzeptes zur Aufrechterhaltung der Warenflüsse nach unerwarteten Störungen innerhalb dieser logistischen Drehscheiben. Solche Störereignisse können beispielsweise Schäden an Gleisanlagen und Weichen, Ausfälle an KV-Anlagen oder Verkehrsunfälle auf wichtigen Zufahrtsstraßen sein. Mit Hilfe des neuen PreparedNET Management Portals sind Unternehmen hier nun in der Lage, die verbliebenen Transport-, Umschlags- und Handlingkapazitäten innerhalb der Logistikagglomeration dynamisch zu planen und zu steuern, um die Belieferung ihrer Kunden trotz Störung zu gewährleisten. An dem Projekt beteiligten sich viele Unternehmen wie die Emons Spedition GmbH, die ACOS Group oder die Heinrich Langhorst GmbH & Co. KG, als Anwendungsbeispiel diente unter anderem das Güterverkehrszentrum Bremen. ■ Leif Peters, Dipl.-Kfm. (FH) Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Koordinator Transfer und Kommunikation von Projektinhalten und -ergebnissen, Bremen peters@isl.org »Ökonomisches und IT-technisches Knowhow kombinieren« Ein Gespräch mit Prof. Dr. Frank Arendt Herr Prof. Arendt, wie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Marktbedingungen beim Seeverkehr verändert? Hierzu einige Schlagworte, die in letzter Zeit in aller Munde sind: Schifffahrtskrise, Megaschiffe, veränderte Hafenanlaufstrategien, Überkapazitäten und Verfall der Frachtraten sowie die Einführung von Sicherheitsregularien wie dem ISPS-Code. Eine der Kernkompetenzen des ISL ist es, diese Trends in den Schifffahrtsmärkten fortlaufend zu beobachten, und dies sowohl für die Nachfrageseite (Veränderungen in der Weltwirtschaft sowie deren Auswirkungen auf Güterströme) als auch für die Angebotsseite (Flottenstrukturen und Orderbücher). Auf dieser Basis werden im ISL sowohl Mittel- und Langfrist-Prognosen für die weitere Entwicklung der Schifffahrt für öffentliche und private Entscheidungsträger erstellt als auch die aktuelle Stimmungslage mit dem monatlich publizierten ISL/ RWI-Containerumschlag-Index erfasst. Für diesen Bereich entwickeln wir aktuell ein Güterverkehrsmodell, mit dem wir zukünftig verschiedenste makro- und mikrologistische Szenarien simulieren und Auswirkungen damit noch besser bewerten können. Der Schwerpunkt liegt hier also auf der Logistik-Optimierung? Neben den ökonomischen Aspekten bekommen auch die Umweltfragen zunehmende Bedeutung. Die von der IMO beschlossene Einführung von SECA-Gebieten (z. B. Ostsee), in denen nur noch Bunker mit 0,1 % Schwefelgehalt verbraucht werden darf, konterkariert die politische Strategie „from road to sea“, da hier aus Kostengründen eher eine Rückverlagerung auf die Straße erwartet wird. Wie bei allen Infrastrukturprojekten sind auch Hafenerweiterungen nur noch mit Lärm- und Umweltgutachten