Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0046
51
2014
662
Fährverbindung Ost-Timor
51
2014
Oliver Schwarz
Arnulf Hader
Harald Berger
Das Straßennetz zwischen dem Süden und Norden des Inselstaates in Südostasien ist unzureichend ausgebaut. Einzelne Strecken sind durch Gebirgsmassive oder starke Monsunregen nur eingeschränkt nutzbar. Eine Machbarkeitsstudie untersucht die wirtschaftlichen und technischen Randbedingungen für die Einrichtung einer Nord-Süd-Fährverbindung. Ist der maritime Transportweg im Vergleich zum kürzeren aber schlecht ausgebauten landseitigen Transportweg rentabel?
iv6620046
Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 46 ISL EXTRA Projekte Fährverbindung Ost-Timor Das Straßennetz zwischen dem Süden und Norden des Inselstaates in Südostasien ist unzureichend ausgebaut. Einzelne Strecken sind durch Gebirgsmassive oder starke Monsunregen nur eingeschränkt nutzbar. Eine Machbarkeitsstudie untersucht die wirtschaftlichen und technischen Randbedingungen für die Einrichtung einer Nord-Süd-Fährverbindung. Ist der maritime Transportweg im Vergleich zum kürzeren aber schlecht ausgebauten landseitigen Transportweg rentabel? Die Autoren: Oliver Schwarz, Arnulf Hader, Harald Berger D ie Demokratische Republik Timor-Leste, besser bekannt als Ost-Timor, ist ein Inselstaat in Südostasien. Er liegt auf dem östlichen Teil der Insel Timor. Die ehemalige portugiesische Kolonie wurde 1975 von- Indonesien annektiert und erlangte am 20.-Mai 2002 seine Unabhängigkeit. Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum ist Dili an der Nordküste. Die Infrastruktur des Landes wurde während der indonesischen Besatzungszeit und durch Unruhen in den ersten Jahren der Unabhängigkeit stark zerstört. Die Regierung hat 2012 einen nationalen Entwicklungsplan verabschiedet. Ein wichtiges Ziel ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für das weitere Wirtschaftswachstum. Im Rahmen der deutsch-timoresischen Partnerschaft im maritimen Sektor wurde auf Initiative des timoresischen Ministers für Transport die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für eine zusätzliche Fährverbindung ausgeschrieben. Ziel der neuen Fährverbindung ist es, die ökonomische Entwicklung von Timor-Leste zu fördern sowie die Lebensgrundlage der Bevölkerung zu verbessern. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde ergänzend zu der bereits bestehenden Fährverbindung, welche die Hauptstadt Dili mit der westlich gelegenen Enklave Oecussi und der vorgelagerten Insel Ataúro verbindet, ein Konzept für eine neue Anbindung zwischen der Nord- und Südküste entwickelt. Die Studie behandelt die technische und ökonomische Machbarkeit der Fährverbindung, das Herausarbeiten potentieller Fähranleger entlang der Route sowie die konzeptionelle Konstruktionsart der Fähre. Die Entwürfe für die Fähre wie auch für die Anleger basieren auf zuverlässigen und nachhaltigen Lösungen. Konsortium erstellt Machbarkeitsstudie Im Auftrag der KfW Bankengruppe wurde die Studie durch ein Konsortium erstellt, bestehend aus dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, der Technolog Services GmbH und der Inros Lackner AG. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik analysierte die aktuelle Transportsituation und den Bedarf, entwickelte das operative Fährkonzept sowie das Anforderungsprofil des Fährschiffes und stellte finanzielle und ökonomische Betrachtungen auf. Mit dem Fährdesign, der Grundrissentwicklung und der technischen Spezifikation sowie der Kostenermittlung beschäftigt sich die Technolog Services GmbH. Inros Lackner war für die konzeptionelle Planung der Fähranleger, die Baugrunduntersuchung, eine meteorologische und ozeanographische Desktop Studie, das Design für Anleger und Terminal sowie für die Ausschreibungskonzepte und Technische Spezifikation (BoQ) verantwortlich. Die aktuelle Situation zeigt, dass das Straßennetz aufgrund der bergigen Natur (bis 3000 m), schwieriger geologischer Verhältnisse, des Klimas und der jahrelang fehlenden Unterhaltung größere Probleme bereitet. Derzeit hat das Land nur je einen internationalen Flug- und Seehafen, beide in der Hauptstadt und dem Wirtschaftszentrum Dili. Die RoRo-Fähre „Berlin Nakroma“ verbindet Dili zweimal wöchentlich mit Oecussi und einmal mit Ataúro (Bild 1). Risiken und Chancen Die Untersuchungen der aktuellen Transportsituation haben unter anderem gezeigt, dass der seeseitige Transport im Vergleich zur landseitigen Verkehrsverbindung nur rentabel ist, wenn größere Mengen über eine längere Distanz befördert werden. Da die Entfernung zwischen der Nord- und Südküste über Land deutlich kürzer ist, rechnen sich daher nur größere Schiffe. Die Spezialisten für Schiffsdesign haben drei Varianten für eine Passagier-/ RoRo-Fähre für die raue See an der Südküste entwickelt. Die wesentlichen Merkmale aller drei Entwürfe stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Zum Beispiel haben die Fähren ein RoRo-Deck über fast die gesamte Schiffslänge. Der vordere Teil wird als Räumlichkeiten für die Mannschaft und Auszubildende genutzt. Die Decks sind höher als gewöhnlich und der achtern gelegene Teil ist verstärkt, mit dem Ziel, Schwer- und Großraumlastzüge laden zu können. Der hintere Teil des RoRo-Decks ist offen, aufgrund der Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter. Bild 2 der Fährschiffe im jeweils gleichen Maßstab zeigt, dass die größeren Schiffe mehr Kapazität bieten. Dies nicht nur wegen der zunehmenden Länge, sondern hauptsächlich wegen der unterschiedlichen Breite mit drei, vier oder fünf LKW-Fahrspuren. Das Hauptfrachtaufkommen wird aus landwirtschaftlichen Produkten und Konsumgütern bestehen. Dazu werden in den nächsten Jahren weitere Güter wie Baumaterialien und Baumaschinen oder Güter für die Öl- und Gasindustrie kommen. Den größten Teil des Pas- Bild 1: Derzeitige Verkehrsverbindungen und geplante Fährroute. Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 47 Projekte ISL EXTRA sagieraufkommens werden Farmer und Händler sowie Privatreisende ausmachen. Eine Fähre schafft im Normalfall eine Transportverbindung, wo keine Alternative (Landverbindung) vorhanden ist, wie z. B. zwischen Dili und Ataúro. Die küstenparallele Fährverbindung Dili - Oecussi existiert nur, weil die Landroute schwer befahrbar ist und die Visakosten höher als der Preis des Fährtickets sind. Die küstenparallele Route Dili - Beaço - Suai funktioniert nur so lange, wie der Straßentransport sehr schwierig und teuer ist (Bild 1). Im Normalfall ist ein Straßentransport schneller und weniger teuer. Wenn die Straßenentfernung weit niedriger ist, gilt dies umso mehr. Dazu kommt, dass es im Straßenverkehr nicht notwendig ist, auf die nächste Fährabfahrt zu warten, die nur zweimal wöchentlich erfolgen sollte. Folglich würde eine geeignete neue Straße für schwere LKWs den Großteil der Fährladung an sich ziehen. Der Seetransport ist nur kostengünstiger als Straßentransport, wenn große Volumina über lange Distanzen befördert werden. Im Falle von Timor-Leste sind Schiff und Mengen nicht groß genug, um solche Skaleneffekte zu erzeugen, dass ein Seetransport günstiger wird. Empfehlung und Schlussfolgerung Basierend auf der Ausgangslage, dass eine zuverlässige Straßenverbindung internationalen Standards zwischen dem Norden und Süden von Timor-Leste nicht zur Verfügung stehen würde, wurde die Fähre Typ 3 mit 85 m Länge und einer Kapazität von 400 Passagieren und 396 m Spurlänge/ 56 TEU empfohlen. Sie würde je Woche zweimal eine Rundreise Dili - Beaço - Suai - Beaço - Dili machen und eine Zwischenreise Dili - Oecussi - Dili. Die wesentlichen Gründe für diese Empfehlung sind: • Die Gesamtkosten sind am geringsten. • Die Einnahmen ermöglichen einen Beitrag zu den Fixkosten (Personal, Kapitalkosten). • Die Kosten erfordern die geringsten jährlichen Zuschüsse angesichts der berechneten Kosten und angenommenen Einnahmen. Die empfohlene Lösung kann jedoch die vollen Kapitalkosten nicht tragen. Der Fährdienst wäre vor allem eine Investition in die Infrastruktur zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des südlichen Landesteils, solange geeignete Straßenverbindungen zwischen Nord und Süd in den nächsten paar Jahren noch nicht erstellt werden können. Das wurde auch jüngst im neuen Fünfjahres-Plan der im Sommer 2012 gewählten Regierung festgestellt. Dieser Plan sieht jedoch den vordringlichen Bau einer neuen Nord-Süd-Verbindung zwischen Manatuto und Natarbora vor. Das aus dieser neuen Straßenverbindung hervorgehende Risiko für die empfohlene Fährverbindung ist, dass der größte Teil der Nachfrage für die Fähre von der Straße angezogen würde und die Auslastung der Fähre signifikant geringer als ursprünglich erwartet wäre. Die erwähnte Straße ist ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden, wie z. B. periodische Unterbrechungen im Zusammenhang mit den Regenzeiten. Eine Fertigstellung der Straße Manatuto - Natarbora vor oder zu Beginn der Fährverbindung würde deren Nutzung weiter reduzieren und damit das finanzielle Ergebnis verschlechtern und die Subventionen erhöhen. Für die Entwicklung der Südküste und der Region entlang des neuen Straßenkorridors wäre es die beste Lösung für Timor-Leste, die Kräfte auf das neue Fernstraßenprojekt zu konzentrieren und es durch einige Straßen 2. Ordnung und ländliche Fahrwege zu ergänzen. Sollte die Regierung von Timor- Leste dennoch die Durchführung des maritimen Projektes neben dem Straßenbau weiter verfolgen, bleibt die Wahl für die Fähre Typ 3. Für den Fall einer derartigen Entscheidung wurde die Untersuchung zusätzlicher und alternativer Nutzungen des Schiffes auf anderen Routen einschließlich der finanziellen Folgen empfohlen. ■ Die Autoren: Oliver Schwarz, Dipl.-Ing. Inros Lackner, Bremen oliver.schwarz@inros-lackner.de Arnulf Hader Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremen hader@isl.org Harald Berger TECHNOLOG services GmbH, Hamburg harald.berger@tlg-services.biz Bild 2: Das Design der verschiedenen Fährschiff-Typen
