Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0047
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2014
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Russlands Seetransport- und Hafenentwicklung im Ostseeraum
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Christian Wenske
Karl-Heinz Breitzmann
Russische Exporte und Importe prägen die Güterströme im maritimen Ostseeverkehr. Um den Außenhandel in nationalen Häfen abwickeln zu können, wurden diese besonders seit 2000 massiv ausgebaut. Sie führen heute mit Abstand die Liste der umschlagstärksten Ostseehäfen an.
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Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 48 LOGISTIK Ostseeverkehre Russlands Seetransportund-Hafenentwicklung im Ostseeraum Russische Exporte und Importe prägen die Güterströme im maritimen Ostseeverkehr. Um den Außenhandel in nationalen Häfen abwickeln zu können, wurden diese besonders seit 2000 massiv ausgebaut. Sie führen heute mit Abstand die Liste der umschlagstärksten Ostseehäfen an. Die Autoren: Christian Wenske, Karl-Heinz Breitzmann R usslands Position in der Weltwirtschaft folgt einem einseitigen Modell - im Export dominieren Energieträger, andere Rohstoffe sowie Metalle, während vor allem Investitions- und Konsumgüter importiert werden. Diese einseitige Ausrichtung der Außenwirtschaft stellt eine der Hauptschwächen der russischen Volkswirtschaft und ein Risiko für die weitere Entwicklung dar. Der russische Außenhandel entwickelte sich ab 2003 sehr dynamisch (Bild 1). Trotz des krisenbedingten Einbruchs 2009 stiegen die Exporte 2000 bis 2012 im Jahresmittel um 15 % und die Importe um 17 %. Die Importe erreichen heute zwei Drittel des Exportwertes. Russland liegt inzwischen auf Platz 8 der Rangliste der Exporteure mit 2,9 % Anteil am Weltexport (2000: Platz 17 mit 1,6 %) und auf Rang 17 der Importeure mit 1,8 %. 1 Im Export dominieren Brennstoffe (70,3% des Gesamtexports 2012), darunter Rohöl und Ölprodukte 54 %, Erdgas 13 % und Kohle 2,6 %. Einen zweiten Block bilden Metalle - Eisen und Stahl mit 4,4 % und NE-Metalle mit 3,3 %. Mit weitem Abstand folgen chemische Produkte (4,7 %), landwirtschaftliche Erzeugnisse (4,6 %) sowie Maschinen und Ausrüstungen (2,7 %). Gegenüber dem Jahr 2000 ist der Anteil des Primärsektors an den Exporten um 15 Prozentpunkte gestiegen, während der Anteil verarbeiteter Erzeugnisse um 10 % abnahm. Das Gegenstück zu der einseitigen Warenstruktur der Exporte ist ihre starke geografische Streuung. Die führende Position der Niederlande (14,4 %) beruht auf der Rolle Rotterdams in Erdölhandel und -verarbeitung. An Gewicht gewonnen hat China (6,4 %), gefolgt von Italien (5,3 %) und Deutschland (4,5 %), während Partner aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 10,7 % der Exporte aufnehmen (2000: -13,4 %). Nahezu spiegelbildlich bilden verarbeitete Erzeugnisse 81% des Imports, v.a. Maschinen und Fahrzeuge (44,0 %), die seit 2000 um 21 % jährlich zunahmen (Bild 2). Mittel- und hochgradig technologieintensive Produkte machen zusammen 60,3 % des Importvolumens aus. Chinas Anteil stieg von 4,4 % 2000 auf 11,3 % im Jahr 2012 (Platz 1). Deutschland ist nun mit 13,9 % auf dem zweiten Platz, gefolgt von der Ukraine (6 %) und Belarus (4,8 %). Weitere wichtige Lieferanten mit mehr als 3 % Anteil sind Italien, die USA, Frankreich, Japan und Südkorea. Der Anteil der GUS-Länder insgesamt ging von 28,8 % auf 14,2 % zurück. Die Europäische Union als Abnehmer von 45 % der Exporte und Lieferant von 46 % der Importe ist der wichtigste Wirtschaftraum für den russischen Außenhandel. Wertmäßig stieg der EU-Handel mit- Russland bis 2008 (Bild 3) auf ein Niveau, das nach der Krise erst 2011 wieder- überschritten wurde. Mengenmäßig erreichten die EU-Import bereits 2006 den- größten Umfang, während die Exportmenge bereits 2010 auf einen neuen Höchstwert anstieg. In der Darstellung werden die wert- und besonders mengenmäßigen Überschüsse der aus Russland ausgehenden Warenströme deutlich. Mengenmäßig betragen die EU-Importe das 13-fache der Exporte. 2 Während die EU-Importe zu 81 % (2000: 61 %) aus Brennstoffen bestehen, dominieren im Export ebenso deutlich Maschinen, Fahrzeuge und verarbeitete Erzeugnisse mit 71 %. (2000: 66 %). Diese einseitige Struktur des Handels hat sich vertieft. Bild 1: Entwicklung und Warenstruktur des russischen Exports, in Mrd. USD Bild 2: Entwicklung und Warenstruktur des russischen Imports Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 49 Ostseeverkehre LOGISTIK Rolle des Seetransports und der-Seehäfen für den russischen Außenhandel Die Rolle des Seeverkehrs soll anhand des Modal Splits im Außenhandel mit der EU beleuchtet werden (Tabelle 1). Der hohe Anteil der Seeschifffahrt am Import der EU aus Russland ist darin begründet, dass feste und flüssige Brennstoffe, die überwiegend auf dem Seewege befördert werden, zusammen 86 % der Importtonnage ausmachen. In allen Gütergruppen mit Ausnahme der verarbeiteten Erzeugnisse ist das Seeschiff wichtigstes Transportmittel. Der Anteil der Schiene ist doppelt so hoch wie der der Straße, während die Binnenschifffahrt nur eine marginale Rolle spielt. Im Zeitablauf stiegen beim Import aus Russland Anteil und absolute Menge des Seeverkehrs bis 2007 deutlich, während die Mengen im Rohrleitungstransport seit dem Höhepunkt 2005 sanken und somit auch der Anteil rückläufig war (Bild-4). Im Export nach Russland stellen Maschinen, Fahrzeuge und andere verarbeitete Erzeugnisse ein Drittel des Volumens. Mehr als die Hälfte der Güter wird auf der Straße befördert. Der Anteil der Schifffahrt ist mit 31 % durchaus hoch. Der Bahnanteil von 12 % besteht v.a. aus Baustoffen. Im Trend steigt der Anteil des Straßenverkehrs. Der 2010/ 11 wieder steigende Anteil des Seeverkehrs ist auf einen höheren Anteil der seeverkehrsaffinen Baumaterialien und Metalle am Handelsvolumen zurückzuführen (Bild 5). Dynamisches Wachstum der russischen Ostseehäfen Die Ostseehäfen schlagen 36 % des gesamten russischen Seehandels um, darunter bei Flüssiggütern 42 %. Das mittlere jährliche Wachstumstempo des Güterumschlags von 11% zwischen 2000 und 2013 wurde im Wesentlichen von den neuen Häfen getragen, zunächst ab 2002 von Primorsk und seit 2011 von Ust-Luga (Bilder 6 und 7). Mio. t See (%) Pipeline (%) Bahn (%) Straße (%) EU-Import gesamt darunter: 358,1 60 25 7 3 2 Feste Brennstoffe 56,3 83 - 12 - 3 Erdöl + -produkte 250,2 57 36 1 1 5 Metalle 15,9 62 - 18 15 8 Chemische Erz. 5,3 40 3 43 12 9 Masch., Fahrzg., verarb. Erz. 4,7 33 - 17 38 EU-Export gesamt darunter: 28,9 31 - 12 55 0 Landw. Erz. 3,3 19 - 1 80 1 Nahrungsmittel 4,0 33 - 5 62 6 Baumaterial 3,8 51 - 34 15 8 Chemische Erz. 5,2 29 - 11 59 9 Masch., Fahrzg., verarb. Erz. 9,7 21 - 10 66 Quelle: Ostseeinstitut nach EUROSTAT Tabelle 1: Modal Split im Handel Europäische Union - Russland 2012 Bild 3: Entwicklung des Handels Europäische Union - Russland nach Wert und Volumen Bild 4: Modal Split im Import der Europäischen Union aus Russland Bild 5: Modal Split im Export der Europäischen Union nach Russland Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 50 LOGISTIK Ostseeverkehre Eine besondere Bedeutung haben die Ostseehäfen für den Umschlag hochwertiger Güter. Auf sie entfallen 58 % des Containerumschlags, 44 % der NE-Metalle und 73 % der Kühlgüter aller russischen Häfen. Weiterhin bedeutendster Seehafen ist der Großhafen St. Petersburg („Welikiij port“, Big Port), auch wenn 2013 der Hafen mit 58 Mio. t erst den dritten Platz einnimmt. Er liegt am östlichen Ende des Finnischen Meerbusens in der Newa-Mündung und ist ein Universalhafen mit breiter Gutarten-Palette. Der Großraum St. Petersburg mit 6,7 Mio. Einwohnern bildet das unmittelbare Hinterland und einen bedeutenden Loco-Markt für Hafenleistungen. Der Hafen liegt an einem bedeutenden Verkehrsknoten und hat Anschluss an die Wolga- Don-Wasserstraße und über den Weißmeer- Kanal an das Nordmeer. Die Umschlagmenge stieg in den 1990er Jahren, als St. Petersburg nach dem Zerfall der Sowjetunion praktisch der einzige russische Ostseehafen war, stark an. Mit ca. 60- Mio. t wurde ab 2005 eine Phase der mengenmäßigen Stabilisierung erreicht. Seit 2000 hat sich eine bemerkenswerte Wandlung in der Gutarten-Struktur vollzogen: Während 2000 Massengüter und Massenstückgüter noch 78 % des Gesamtumschlags ausmachten, betrug ihr Anteil 2012 nur noch 34 %. Andererseits stieg der Anteil der Containerladung von 11% auf 40 % und St. Petersburg wurde mit einem jährlichen Wachstum 2000-2012 von 16,6 % zum bedeutendsten Containerhafen in der Ostsee mit 2,5-Mio.-TEU 2013. Zahlreiche Feederdienste bieten täglich mehrere Abfahrten zu den Containerhubs in Westeuropa und zu anderen Ostseehäfen. Wichtigster Hub für den Containerverkehr mit den russischen Ostseehäfen ist Hamburg mit einem gegenwärtigen Anteil von 25 %. Containerumschlag findet an fünf Terminals statt, wobei an den drei Terminals von Global Ports 85 % des Umschlags erbracht wurden: • First Container Terminal 2012: 1 058 000 TEU; Eigner Global Ports London (seit Ende 2013); größtes Containerterminal in der Ostsee Geplanter Ausbau auf 1,6 Mio. TEU/ a • PetroLes Port 2012: 827 000 TEU (+30 %); Ausbaupläne auf 2,3 Mio. TEU • Container Terminal St. Petersburg 2012: 326 000 TEU (in Betrieb seit 2011) • Moby Dick (auf der Insel Kotlin) 2012: 226 000 TEU (±0 %) • Neva Metall Terminal 2012: 49 000 TEU (+63 %) Probleme für die künftige Entwicklung des Hafens rühren aus seiner Lage innerhalb des Stadtgebiets mit allen daraus folgenden Schwierigkeiten für Ausbau und Betrieb sowie Straßen- und Bahnanbindungen. Mit dem südlichen Abschnitt der Westlichen Schnellverkehrstangente erhielt der Hafen 2013 einen direkten Anschluss an die Ringautobahn. Die Kapazität der Bahnanbindung des städtischen Hafenbereichs wird mit 35 Mio. t angegeben, sodass erhebliche Gütermengen auf der Straße befördert werden müssen. Nach einem Beschluss des Petersburger Stadtparlaments vollzieht sich der weitere Ausbau des Hafens überwiegend außerhalb der Stadt („äußere Entwicklung“). Größtes aktuell laufendes Vorhaben ist der unmittelbar an der Ringautobahn gelegene Hafen Bronka für den Umschlag von Containern und Ro-Ro-Gütern. Fünf Containerliegeplätze und vier Ro-Ro-Rampen mit einer Kapazität von 1,45 Mio. TEU und 260 000 Ro-Ro-Einheiten sollen in der 1. Ausbaustufe 2015 den Betrieb aufnehmen. 2022 sollen im Endausbau 3 Mio. TEU Umschlagkapazität verfügbar sein und Panamax-Containerschiffe und Fähren der Finnstar-Klasse Bild 6: Russische Ostseehäfen - Lage und Güterumschlag Bild 7: Entwicklung des Güterumschlags der russischen Ostseehäfen 2000-2013 Bild 8: Entwicklung der seewärtigen Außenhandelstransporte Russlands Quelle Daten: http: / / www.morinfocenter.ru/ analit_port.asp Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 51 Ostseeverkehre LOGISTIK abgefertigt werden. Das Projekt ist Teil des Föderalen Zielprogramms. Auch in den stadtnahen Hafenbezirken sind umfangreiche Modernisierungs- und Ausbauarbeiten geplant sowie die Vertiefung des Hafenkanals auf 13,5 m. Der Hafen Ust-Luga, 120 km westlich von St. Petersburg, ist ein kompletter Neubau, der einige der in St- Petersburg bestehenden Probleme lösen soll. Vorteile sind die Wassertiefe von bis zu 17,5 m, die kurze (3,7 km) und einfache Ansteuerung und die verhältnismäßig kurze Eisperiode. Die Hafengesellschaft Ust-Luga wurde 1992 gegründet, Aktionäre sind vier Finanzierungsgesellschaften, das Leningrader Gebiet (25 % +1) sowie die Bahngesellschaft RZD. Weitere Investoren halten Anteile an den Tochtergesellschaften, so die deutsche Eurogate 20 % der Baltic Container Terminal (BCT). Baubeginn war 1997, 2003 wurde der erste Abschnitt des Kohleterminals in Betrieb genommen. Die Umschlagmengen entwickelten sich seit 2011 äußerst dynamisch dank der Inbetriebnahme neuer Umschlagfazilitäten und der wieder anziehenden Konjunktur. Von den 62,6 Mio. t Gesamtumschlag entfielen 2013 39,7 Mio. t auf Erdöl und -produkte, 20,0 Mio. t auf Schüttgut, davon Kohle 18,0- Mio. t. Außerdem werden Metalle, Ro- Ro-Ladung, Holz und Container umgeschlagen. Der Hinterlandverkehr erfolgt v. a. über die Bahn. Für den Erdölexport ist Ust-Luga an das Pipelinesystem BSP-2 angeschlossen. Die Straßenanbindung lässt noch zu wünschen übrig. Ein Logistikzentrum im Hafenhinterland mit 115ha wurde 2010 fertiggestellt. Vom damaligen Ministerpräsiden Putin wurde die Entwicklung des Hafens Ust-Luga mit einem Logistik- und Industrie-Cluster 2011 als zentrales Infrastrukturprojekt im russischen Nordwesten bezeichnet mit einem möglichen Umschlagvolumen von 180-Mio. t bereits 2018. Das Entwicklungspotenzial Ust Lugas wird v. a. in der Verfügbarkeit großer Flächen in Kainähe gesehen. Im Hafen sind weitere Terminals geplant für den Umschlag von Metallen, Getreide, Düngemitteln, Stück- und Massenstückgütern. Der Hafen Primorsk, 120 km nordwestlich von St. Petersburg, nahm 2004 den Umschlag von Rohöl auf. Er wird betrieben von einer Tochtergesellschaft von OAO Novorossiysk Commercial Sea Port. Heute verfügt der Hafen über vier Liegeplätze für den Rohölversand mit Schiffen von ca. 150 000-tdw, den größten Schiffen, die die dänischen Meerengen passieren, sowie einen Produkteterminal mit 2 Liegeplätzen. 2013 wurden in Primorsk 54,5 Mio. t Rohöl und 9,3 Mio. t Mineralölprodukte verschifft, insgesamt 63,8 Mio. t. Der Rückgang beim Rohölexport resultiert aus Verlagerungen nach Ust-Luga. Im Hafen enden drei Leitungen des Baltischen Pipelinesystems von Ölfeldern in Nordwest-Russland und Westsibirien. Wysozk liegt in der Wyborger Bucht nahe der finnischen Grenze auf einer vorgelagerten Insel. 2013 wurden 16,2 Mio. t umgeschlagen, davon 11,3-Mio. t Mineralölprodukte und 4,9-Mio. t Kohle. Am Kohleterminal können seit 2012 Panamax-Schiffe von ca. 85 000 tdw mit bis zu 11,9 m Tiefgang abgefertigt werden. 2003 nahm die Ölgesellschaft Lukoil ein Terminal für Mineralölprodukte in Betrieb als zentralen Umschlagplatz für Exporte nach Europa. Die Anlieferung erfolgt auf dem Schienenweg. Kleinster russischer Ostseehafen ist Wyborg mit 1,5 Mio. t (2013) verschiedener Schütt- und Stückgüter, gelegen nahe der finnischen Grenze an der Fernstraße und der Bahnlinie von St. Petersburg nach Finnland. Über den Saimaa-Kanal besteht Anschluss an die finnischen Binnenwasserstraßen. Kaliningrad, das frühere Königsberg, ist der am weitesten westlich gelegene Hafen. Das Vorkrisenniveau von 2007 konnte auch 2013 mit 13,7 Mio. t, darunter 325 259 TEU, noch nicht wieder erreicht werden. Auch hier überwiegt der Export. Importgüter machen hier aber rund ein Viertel aus und die Kabotage hat aufgrund der Exklavensituation einen erheblichen Anteil. Erdöl und Mineralölprodukte bilden mit 45 % die größte Position, vorwiegend aus der örtlichen Verarbeitung offshore geförderten Öls. Bedeutsam ist der Export von Metallen mit 8 %. Containerladungen bringen 12 % des Gesamtumschlags mit einem ausgeprägten Übergewicht des Ladungseingangs (Daten-2012). Der Hafen gilt als einziger eisfreier russischer Ostseehafen. Die 40 km lange Zufahrt ist 10,5-8 m tief und nur einschiffig befahrbar, ein Ausbau auf 10,5-m auf 27-km bis zum Lukoil-Terminal für Mineralölprodukte ist geplant. In Baltijsk am Eingang zur Kaliningrader Bucht besteht ein Fähr- und Ro/ Ro- Terminal, entstanden aus dem Umbau von Teilen der Marinebasis. Wichtigste Probleme für die weitere Hafenentwicklung sind der Ausbau des Seekanals und die Einrichtung von Ausweichstellen sowie die Hinterlandanbindung. Das Projekt eines Tiefwasser-Containerhafens in Baltijsk wurde aufgegeben. Das Transportministerium sieht die Zukunft des Hafens nunmehr nicht als Transithafen, sondern als Industriehafen. Die navigatorischen Probleme für die Schifffahrt im Finnischen Meerbusen führten in der Sowjetunion zum vorrangigen Ausbau der Häfen in den baltischen Republiken, sodass die Russische Föderation nach 1990 in hohem Maße auf den Transit über die Häfen der nun unabhängig gewordenen Länder und Finnlands angewiesen war. Die Transitkosten wurden zur Belastung und mögliche Eingriffe als Beschränkung der nationalen Souveränität begriffen. Der Umschlag in ausländischen Häfen stieg bis 2007 auf 117 Mio. t (18 % des seewärtigen Außenhandels), ging jedoch in den Folgejahren bis auf 95 Mio. t in 2012 (13 %) zurück (Bild 8). Für die Transithäfen sind die Leistungen für den russischen Außenhandel ein wichtiges Element. In Tallinn machte russische Ladung 2012 54 % des Umschlags aus nach 63 % in 2011. In den lettischen Häfen beträgt der Transitanteil insgesamt 81 %, im litauischen Klaipeda über 40 % und in den finnischen Häfen insgesamt 7,5 %. Russlands Position im wachsenden Ostseeverkehr Im Jahre 2012 wurden ca. 607 Mio. t Güter über die Ostsee transportiert, wobei flüssige Güter mit 44 % dominieren gefolgt von Schüttgütern (25 %), Container- und Ro/ Ro- Gütern ( jeweils 11 %) sowie Massenstück- und sonstigen Stückgütern (4 %). Tabelle 2 weist zugleich aus, dass hierbei Transporte zwischen dem Ostseeraum und Häfen außerhalb der Ostsee (ostsee-extern) mehr als 70 % der beförderten Mengen ausmachen. Gütergruppe Gesamttransport (Mio. t) Anteil (%) Ostseeexterner Transport (Mio. t) Anteil (%) Ostseeinterner Transport (Mio. t) Anteil (%) Flüssiggüer 265 43,7 200 75,5 65 24,5 Schüttgüter 153 25,2 117 76,5 36 23,5 Ro-Ro-Güter 68 11,2 12 17,6 55 80,9 Containergüter 68 11,2 62 91,2 6 8,8 Massenstückgut/ anderes Stückgut 53 8,7 40 75,5 13 24,5 Total 607 100 431 71,0 175 28,8 Quelle: Autoren nach EUROSTAT und russischen Hafenangaben Tabelle 2: Struktur des maritimen Ostseetransports 2012 Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 52 LOGISTIK Ostseeverkehre Transporte innerhalb des Ostseeraum (ostsee-interner Verkehr) liegen mit 29 % weit darunter. Rechnet man zum Umschlag der russischen Häfen (ohne Transitgüter aus Kasachstan u.a. Ländern) den Transit russischer Güter über Häfen in Lettland, Estland und Finnland hinzu, so kommt man zur Aussage, dass 290 Mio. t der über die Ostsee beförderten Güter aus russischen Ex- und Importen bestehen. Die umfangreichsten Güterströme verlaufen zwischen den russischen Ostseehäfen und den Niederlanden, Deutschland (Nordsee), Großbritannien, Finnland, Litauen, Schweden, Polen und Belgien. Der Anteil der russischen Ostseehäfen lag 2012 bei 26 % des Umschlags aller Ostseehäfen. Er erreichte bei flüssigen Gütern sogar 40 %, bei Containern 33 % und 27 % bei Massenstückgütern, jedoch nur 15 % bei Schüttgütern und knapp 3 % bei Ro/ Ro-Gütern. Der Anteil ostsee-externer Verkehre ist mit 77 % besonders hoch. Russland dominiert im Bereich der flüssigen Güter, wobei die Liefermengen von Rohöl und Ölprodukten in die Niederlande (Rotterdam) für die dortigen Raffinerien und zur Weiterleitung nach Übersee hervorstechen; es folgen Deutschland (Nordsee), Finnland, Litauen, Schweden und Großbritannien. Die neu errichteten Verladeanlagen in Primorsk und Ust-Luga sind inzwischen an die Spitze der Ölhäfen des Ostseeraumes gerückt. Mit hohen Zuwachsraten hat Russland die führende Position im Containerverkehr über die Ostsee erreicht. Wurden 2000 nur 10 % des Ostsee-Containerumschlags in russischen Häfen realisiert, so ist der Anteil bis 2012 auf 31 % hochgeschnellt (Bild 9). Hinzu kommt Transitumschlag in Finnland und Estland. Aufgrund der Außenhandelsstruktur Russlands werden beladene Container fast ausschließlich nach Russland befördert, Rückladungen stehen kaum zur Verfügung. Auch im Schüttguttransport auf der Ostsee spielen russische Kohle und Erze eine führende Rolle, die Lieferungen gehen z. B. nach Großbritannien, Finnland, in die Niederlande, nach Deutschland, Polen, Dänemark oder Schweden. Erhebliche Mengen werden im Transit über Lettland (Riga, Ventspils) geleitet, aber auch über Kokkola in Finnland. Im Unterschied zu den anderen Ostseerelationen spielen im Russland-Transport bisher Fähr- und Ro/ Ro-Verkehre nur eine geringe Rolle. Einer der Gründe dafür ist, dass verarbeitete Produkte nach Russland auch im innereuropäischen Verkehr im Container befördert werden. Erhebliche Teile der PKW-Importe Russlands, die 800-900 Tausend Einheiten pro Jahr im Umfang von 25 %-30 % der Verkaufsmenge ausmachen 3 , werden über Ostseehäfen ins Land gebracht. Dabei spielen Transithäfen in Finnland (z. B. Hanko, Hamina Kotka) oder in Estland (Sillamäe), in steigendem Maße aber Terminals in St. Petersburg und Ust-Luga die Hauptrolle. Seit dem Jahr 2000 haben sich im maritimen Ostseeverkehr erhebliche regionale Verschiebungen vollzogen. Die neuen Marktwirtschaften (Russland, Polen und drei baltische Republiken) konnten ihren Anteil am Güterumschlag der Ostseehäfen im Vergleich zu den traditionellen Marktwirtschaften Dänemark, Schweden, Finnland und Deutschland von 33 % auf 50 % erhöhen, dabei ist der Hauptteil der Steigerung auf Russland zurückzuführen (Bild-10). Russland hat insgesamt eine beeindruckende quantitative Entwicklung des Ostseetransports vollzogen, wobei jedoch in qualitativer Hinsicht deutliche Defizite bestehen. Die russische Wirtschaft steht vor- der existentiellen Aufgabe der Modernisierung und Diversifizierung. Nur damit könnte auch die starke Einseitigkeit des russischen Seetransports reduziert werden. ■ 1 Wenn nicht anders angegeben: Alle Zahlen in diesem Abschnitt nach Daten von http: / / unctadstat.unctad.org 2 nach Daten von Eurostat, abgerufen von http: / / epp.eurostat.ec.europa.eu am 22.11.2013 3 Gopkalo, O.; Goloviziniu, A.: The Russian market keeps growing, Baltic Transport Journal No. 5/ 2013 Christian Wenske, Dr. Ostseeinstitut für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität Rostock christian.wenske@uni-rostock.de Karl-Heinz Breitzmann, Prof. Dr. Geschäftsführender Direktor, Ostseeinstitut für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität Rostock ostseeinstitut@uni-rostock.de 4,3 29,3 24,4 21,4 7,2 8,9 4,4 10,1 26,4 30,3 16,1 7,6 6,7 2,7 26,2 18,7 20,9 10,6 10,3 9,6 3,8 24,5 20,7 19,1 10,7 11,2 10,6 3,2 31,2 15,9 12,7 10,1 17,7 10,4 2,0 0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 Anteil (%) 1995 2000 2007 2009 2012 Bild 9: Länderanteile am Containerumschlag im Ostseeraum Bild 10: Anteile im Güterumschlag der Ostseehäfen nach Ländergruppen
