eJournals Internationales Verkehrswesen 66/2

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0048
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2014
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Transportoptimierung im und durch Kombinierten Verkehr

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2014
Robert Breuhahn
Der Kombinierte Verkehr (KV) leistet heute bereits erhebliche Beiträge zur Optimierung von Logistikketten. Er hat sein Potenzial aber noch längst nicht ausgeschöpft. Der vorliegende Beitrag zum KV behandelt ausschließlich den Unbegleiteten Kombinierten Verkehr, bei dem nur die auf der Straße genutzten Ladegefäße (Sattelauflieger, Container, Wechselbrücken) auf der Schiene transportiert werden, nicht aber komplette Lastzüge inklusive Fahrer. Er zeigt, worin die Optimierungsleistung des KV besteht, wie hoch sie zu beziffern ist und wie Transportoptimierung im KV selbst erfolgen kann: Er schildert, mit welchen Methoden und Techniken eine weitere Effizienzsteigerung im KV erzielt werden kann.
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Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 53 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Transportoptimierung im und durch Kombinierten Verkehr Der Kombinierte Verkehr (KV) leistet heute bereits erhebliche Beiträge zur Optimierung von Logistikketten. Er hat sein Potenzial aber noch längst nicht ausgeschöpft. Der vorliegende Beitrag zum KV behandelt ausschließlich den Unbegleiteten Kombinierten Verkehr, bei dem nur die auf der Straße genutzten Ladegefäße (Sattelauflieger, Container, Wechselbrücken) auf der Schiene transportiert werden, nicht aber komplette Lastzüge inklusive Fahrer. Er zeigt, worin die Optimierungsleistung des KV besteht, wie hoch sie zu beziffern ist und wie Transportoptimierung im KV selbst erfolgen kann: Er schildert, mit welchen Methoden und Techniken eine weitere Effizienzsteigerung im KV erzielt werden kann. Der Autor: Robert Breuhahn K ombinierter Verkehr (KV) ist weder Selbstzweck noch eine Güterbeschaffungsmaßnahme für unterausgelastete Schienenstrecken. Der wesentliche Grund für KV, aber auch seine bleibende Daseinsberechtigung ist die Optimierung von Logistikketten. Denn multimodale Transporte stehen im Wettbewerb zu den anderen, reinen Transportformen auf Straße, Schiene und Wasser. 1 Und weil es einfacher ist, einen Transport monomodal statt multimodal zu organisieren, muss die Kombination unterschiedlicher Verkehrsträger im Ergebnis wirtschaftlicher, umweltfreundlicher oder aus anderen Gründen vorteilhafter sein als die ausschließliche Nutzung eines Verkehrsträgers. Das gilt umso mehr, als KV stets ein weiteres Handicap wett machen muss: die Zeit und die zusätzlichen Kosten, die durch den Wechsel der Verkehrsträger entstehen (Bild 1). Aus diesen Gründen bildet schon die tatsächliche Nutzung des KV ein Indiz für die Optimierungspotenziale, die er bietet. Ein paar Zahlen: Nach Angaben des europäischen KV-Verbandes UIRR wurden 2012 rund 5 Mio. TEU im KV befördert. Dabei wurde eine Transportleistung von fast 41 Mio. tkm erzielt. Knapp 27 % dieser Transportmenge entfiel auf nationale, der Rest auf internationale Transporte. 2 Wie KV Logistikketten optimiert Kein Verkehrsträger ist für alle Transportaufgaben gleichermaßen gut geeignet. Erst durch Berücksichtigung der individuellen Stärken jedes Verkehrsträgers kann die gesamte Transportkette optimal gestaltet werden. Diese scheinbar banale Einsicht ist der eigentliche Grund für KV. Sie soll an einer trimodalen internationalen Verbindung veranschaulicht werden, die das Unternehmen Kombiverkehr für Transporte zwischen Deutschland und der Türkei entwickelt hat. Ihr Transportablauf gliedert sich in vier Teilstrecken: • LKW holen Ladungen regional ab und bringen sie zu den Kombibahnhöfen nach Frankfurt oder Ludwigshafen. • Die Container, Wechselbehälter oder Sattelauflieger fahren auf der Schiene von Frankfurt oder Ludwigshafen nach Triest. • Der Zug endet direkt im Hafen von Triest. Die Sendungen werden dort auf eine Fähre umgeladen, die Tekirdag (Westtürkei) und Pendig (östlicher Teil von Istanbul) anläuft. • Vom Zielhafen gelangen die Sendungen per LKW zum Empfänger. Obwohl die Transportkette bei dieser Transportarchitektur dreimal gebrochen wird, ist die Nachfrage so groß, dass Kombiverkehr das Angebot schon nach drei Monaten durch einen weiteren Zug zwischen München und Triest erweitert hat. Bei beiden Verbindungen schlagen spezifische Vorteile der Verkehrsträger zu Buche. • Die Flexibilität und Effizienz des LKW im Vor- und Nachlauf, die auf dem Verkehrsträger Straße selbst beruht. Auf ihr kann fast jederzeit an jedem Ort ausgewichen und überholt werden, die Teilnehmer steuern den Verkehr auf Basis einfacher Regeln (StVO) weitgehend selbst, unabhängig davon, ob es sich um Individualverkehr, gemeinschaftlichen Personenverkehr oder Gütertransporte handelt. Das ermöglicht Flexibilität und Effizienz in der regionalen und lokalen Beschaffung oder Distribution, die eine spurgebundene Eisenbahn nicht erreichen kann. • Der Nachteil der Spurgebundenheit wird auf langen Strecken zum Vorteil. Hier wirkt sich prinzipiell der geringere Reibungswiderstand des Verkehrsträgers Schiene aus (Eisen/ Eisen bei Rad/ Schiene gegenüber Gummi/ Stein bei Reifen/ Bild 1: Terminal in Ludwigshafen Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 54 LOGISTIK Kombinierter Verkehr Straße), was zu einem geringeren Energieaufwand führt. Verstärkt wird dieser Effekt durch Größenvorteile aufgrund von Länge und Gewicht der Züge (Bild 2). • Die Fähre hat gegenüber dem LKW - ähnlich wie die Bahn - Größenvorteile, die zu einer Stückkostendegression führen. Mit einer im Beispiel eingesetzten Ro-Ro-Fähre können mehr als 250 Trailer transportiert werden. 3 Zusätzlich kann die Fähre gegenüber der Schiene mit einem weiteren Spezifikum punkten: Sie wird unterwegs nicht von Länder- oder Systemgrenzen ausgebremst, sondern kann durchfahren. Das bringt unterm Strich trotz niedrigerer Grundgeschwindigkeit eine relativ schnelle Transportlaufzeit in Verbindung mit niedrigen Kosten pro Ladeeinheit. Wie stark Logistikketten durch die Kombination spezifischer Vorteile der einzelnen Verkehrsträger optimierbar sind, ist anhand verschiedener Effekte des KV direkt und indirekt ablesbar. Ohne die Neutralität eines KV-Operateurs zu verletzen, kann dabei hinsichtlich der wirtschaftlichen Optimierung gesagt werden: Die größten Nutzer des KV gehören zu den führenden und erfolgreichsten Logistikunternehmen Deutschlands und Europas. 4 Fast alle setzten nicht ausschließlich auf KV, sondern nutzen parallel reine LKW-Transporte. Die Nutzung des KV geschieht gezielt dort, wo sich aus den Kombinationsmöglichkeiten eine Optimierung der gesamten Logistikkette ergibt, die nicht zuletzt auch Kostenvorteile mit sich bringt. Evident werden diese Kostenvorteile durch die 44-t-Regelung: Bei Transporten im KV dürfen LKW im Vor- und Nachlauf auf der Straße in Deutschland und vielen anderen EU-Ländern ein zulässiges Gesamtgewicht von 44 t aufweisen. Das bedeutet gegenüber reinen Straßentransporten einen Nutzlastvorteil von 4 t, beziehungsweise rund 15 % 5 . Drei weitere wesentliche Effekte der Logistikoptimierung durch KV sind: • Verlagerung von Transporten, Entlastung für Straßen: Unternehmen, die Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern, schaffen auf der Straße Platz für Verkehr, der nicht verlagert werden kann, und sichern sich somit selbst die Voraussetzungen für ihr Geschäft von morgen. Außerdem gilt: Wenn stets derjenige Verkehrsträger genutzt wird, der für eine Transportaufgabe am besten geeignet ist, dann - und nur dann! - wird die vorhandene Infrastruktur optimal genutzt. • Minimierung transportbedingter Emissionen: Der transportbedingte Ausstoß von Luftschadstoffen liegt im KV mehr als zwei Drittel unter dem des reinen Güterverkehrs. 6 Die im Langstreckenverkehr genutzte E-Traktion bedeutet außerdem, dass sogar Emissionsfreiheit in Bezug auf den Klimaschutz nicht erst über Kompensationsprojekte erreicht wird. Vielmehr können Ladungen im KV zwischen den Kombiterminals heute schon komplett ohne transportbedingte Emission von Luftschadstoffen befördert werden. Das bietet beispielsweise Kombiverkehr über das Produkt „de.net eco+“ an. Die für den Transport notwendige Energie stammt hierbei ausschließlich aus regenerativen Quellen. • Bekämpfung des Fahrermangels: Der Mangel an LKW-Fahrern avanciert zu einem der drängendsten Probleme der Transportbranche. Der KV kann es mildern. Denn im KV-Einsatz werden Fahrer regional im Vor- und Nachlauf eingesetzt. Aufgrund der Berechenbarkeit der Transporte setzen viele Unternehmen Fahrer in festen Schichten ein. Durch heimatnahen Einsatz zu festen Zeiten steigt die Zufriedenheit der Fahrer. Zusätzlich ist die Konzentration auf Zustellung und Abholung mit einer höheren Effizienz verbunden (mehr Ortskenntnis, mehr Routine, mehr Einsätze). Wie der KV weitere Optimierungspotenziale heben kann Im KV führen steigende Mengen zu höherer Attraktivität und es setzt eine kontinuierliche Wechselwirkung ein: Mengenwachstum erhöht die Attraktivität, höhere Attraktivität zieht mehr Menge nach sich usw. Im Folgenden einige Beispiele, die eine solche Optimierungsspirale auslösen können. a Betriebliche Effizienzgewinne • Längere Züge. Während in den USA Güterzüge teilweise mehrere Kilometer lang sind, beträgt die maximale Regelzuglänge in Deutschland 740 m. Selbst wenn man im Blick auf die USA berücksichtigt, dass dort niedrigere Geschwindigkeiten gefahren werden und die Kupplungen höhere Hakenlasten ermöglichen, dann zeigt der Vergleich zumindest, was technisch machbar ist. Und auch in Deutschland hat es schon erfolgreiche Tests mit 1000-m-Güterzügen gegeben; 2013 wurden seit Jahren in Skandinavien vorhandene Trassen für bis zu 835 m lange Züge über Padborg bis Hamburg-Maschen verlängert; langfristig strebt die Deutsche Bahn AG auch hierzulande 1500 m lange Güterzüge an. 7 Die Effizienzgewinne einer annähernden Verdoppelung der Zuglänge brauchen nicht näher erläutert zu werden. • Schwerere Züge. Das maximale Regelzuggewicht von 1600 t in Deutschland ist historisch gewachsen und überholt. Schon heute fahren spezielle Erzzüge auch in Deutschland mit bis zu 6000 t Gewicht. 8 Mit Standardwagen und -kupplungen fährt Kombiverkehr Züge mit 2000 t in Deutschland und bis zu 2200 t in Benelux. Weitere Strecken wären denkbar. International ist im Rahmen des EU-Projekts Marathon bereits belegt worden, dass Züge mit 1500 m Länge und 3500 t gefahren werden können. Solche Züge sollen auf ausgewählten Strecken ab 2016 in den Regelbetrieb übergehen. • Kombination von Direktverkehren und Gateway. Shuttlezüge sind die wirtschaftlichste, schnellste und umweltfreundlichste Produktionsart auf der Schiene. Aber sie verknüpfen lediglich zwei Punkte miteinander. Durch die Kombination verschiedener Direktzüge, die an zentralen Knotenpunkten enden oder beginnen, kann hingegen auf wirtschaftliche Weise eine Netzwirkung erzielt werden. Sendungen können so zwischen Direktzügen umsteigen und die Nutzer haben eine größere Streckenauswahl. Bei Kombiverkehr wird diese Strategie konsequent umgesetzt. So ermöglichen die mehr als 170 Bild 2: KV-Transport zwischen Schwaz und Innsbruck Internationales Verkehrswesen (66) 2 | 2014 55 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Zugabfahrten, die das Unternehmen täglich im Durchschnitt anbietet, mehr als 15 000 realistische Verbindungen. 9 • Vereinfachte Administration im Terminal. Eine schnellere Abwicklung der Sendungen in den Kombiterminals erhöht beispielsweise die Zahl der möglichen Umläufe, die ein Fahrer in seiner Schicht erreichen kann. Ein Beispiel für solche Optimierung ist die Kennzeichnung von Ladeeinheiten mit dem ILU-Code, die am 1. Juli 2014 verpflichtend wird (Bild-3). Der scanbare Code identifiziert jeden Behälter eindeutig und weist auf seinen Eigentümer, das separate Kodifizierungsschild auf die Behältermaße hin. Durch die digitale Erkennung können die Behälter schneller erfasst und verladen und 95 % aller Fehler vermieden werden, die bisher bei manueller Erfassung oder durch Übertragungsfehler entstanden. 10 b Technische Innovation • Taschenwagen für Megatrailer. Im Straßentransport gibt es seit Jahren einen Trend hin zum Sattelauflieger, während die Nutzung der hierzulande vorherrschenden Wechselbrückensysteme zurückgeht. Im KV werden Transportmöglichkeiten für Auflieger zunehmend nachgefragt. Vor allem bei Megatrailern mit ihrem größeren Hüllraumprofil war das bis vor wenigen Jahren ein nahezu unlösbares Problem. Die Volumentrailer waren für die vorhandenen Waggons schlicht zu groß. Mit neuen Taschenwagen wie dem mit Beteiligung von Kombiverkehr entwickelten Modell T3000 können Megatrailer sogar ohne klappbaren Heckunterfahrschutz verladen werden (Bild-4). Neben der generellen Tauglichkeit für Megatrailer ermöglicht der T3000 beispielsweise auch den Transport von Spezialtrailern für Glas: Glas-Innenlader befördern so Flachglas sicher auf der Schiene. • Kühltrailer im KV. Auch Trailer mit Kraftstofftanks für den autarken Betrieb von Kühlanlagen während des Schienentransports erschließen dem KV neue Marktsegmente. Vorher scheiterte der Transport temperatursensibler Güter im KV an der fehlenden Energieversorgung auf der Schiene. • Energierückgewinnung. Was in der Formel-1 unter dem Namen Kers bekannt wurde (kinetische Energierückgewinnungs-Systeme) funktioniert auch im KV. Loks gewinnen beim Bremsen Energie zurück. Sie können die Energie entweder selbst speichern oder ins Netz zurückspeisen. In jedem Fall sinken Energieeinsatz, Betriebskosten und Emissionen. Fazit Der KV hat eindeutig das Potenzial, Logistikketten künftig noch stärker zu optimieren, indem er sie beschleunigt, Kosten und Emissionen senkt, den Fahrermangel lindert, Straßen entlastet und hilft, die vorhandene Infrastruktur bestmöglich zu nutzen. Dies wird dann gelingen, wenn eine Attraktivitätsspirale in Gang kommt, die mehr Menge, besseren Service und wettbewerbsfähige Transportpreise mit sich bringt. Dazu haben die KV-Beteiligten schon Vieles aus eigener Kraft auf den Weg gebracht. Politische Unterstützung brauchen sie überall dort, wo technisch und wirtschaftlich machbare Fortschritte durch mangelhaften Infrastrukturausbau oder veraltete Regularien ausgebremst werden, etwa bei Zuglängen oder Zuggewichten. ■  1 Die Kombination Schienen- und Lufttransport spielt in der Praxis eine untergeordnete Rolle und wird deshalb hier vernachlässigt.  2 Jahresbericht 2012/ 13, S.19: http: / / www.uirr.com/ en/ med i a c e n t r e / a n n u a l r e p o r t s / a n n u a l r e p o r t s / mediacentre/ 575-annual-report-2012-13.html  3 vgl. http: / / www.unroro.com.tr/ EN/ FLEETS/ fleet.asp? fid=2  4 Neben Speditionen und Transportunternehmen nutzen auch Reeder oder Firmen mit Werkverkehr den KV.  5 Schwere LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen haben in der Regel eine Nutzlast zwischen 25 und 28 Tonnen. Vier Tonnen mehr bedeuten dann einen Nutzlastvorteil zwischen 16 und 14 Prozent.  6 Oftmals sind die Vorteile im KV noch höher. Die genauen Vergleiche ermöglichen verschiedene CO 2 -Rechner, die auf wissenschaftlichen Methoden des Heidelberger IFEU und des Freiburger Öko-Instituts beruhen. Beispiele für Online- Rechner sind www.ecotransit.org oder die Fahrplanauskunft unter www.kombiverkehr.de.  7 Vgl. zu den Angaben dieses Abschnitts: http: / / www.faz. net/ aktuell/ technik-motor/ deutsche-bahn-1500-meterlange-gueterzuege-12010131.html  8 Vgl. http: / / www.forschungsinformationssystem.de/ servlet/ is/ 324625/  9 Die theoretisch mögliche Zahl der Kombinationen ist wesentlich höher. Als realistisch betrachtet werden aber nur solche, bei denen beispielsweise keine nennenswerten Umwege gefahren werden. 10 Vgl. UIRR Jahresbericht 2012/ 13, S.18: http: / / www.uirr.com/ en/ media-centre/ a nnu al-reports/ annual-report s/ mediacentre/ 575-annual-report-2012-13.html Robert Breuhahn, Geschäftsführer, Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr mbH & Co. KG, Frankfurt info@kombiverkehr.de Bild 4: Taschenwagen Modell T3000 für Megatrailer Bild 3: Ab 1. Juli 2014 vorgeschriebener ILU-Code zur Kennzeichnung von Ladeeinheiten