Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0065
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Wie man ein Verkehrsministerium ins Abseits stellt.
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Gerd Aberle
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Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Wenn man ein Ministerium im politischen Gewicht und in der Öfentlichkeitsbeurteilung nachdrücklich negativ beeinlussen will, bedarf es nur-weniger-Spielzüge. Wie man ein Verkehrsministerium ins Abseits stellt. D as deutsche Bundesverkehrsministerium war nie eine erste Adresse für sich als ministrabel haltende Politiker, wohl aber in vielen Legislaturperioden ein Hort fachkompetenter und auch engagierter Mitarbeiter. Die Verkehrs- und Logistikbranche hat die politische Schwäche des Ministeriums viel beklagt und auch darunter gelitten. Immerhin leitete es in der vorigen Legislatur ein sehr aktiver Minister, der sich fachliche Kompetenz erarbeitete und die Ressortbelange im Rahmen seiner Möglichkeiten öfentlich und auch in der damaligen Regierungskoalition nachdrücklich vertrat, was jedoch nicht folgenlos für ihn blieb. Wenn man ein Ministerium im politischen Gewicht und in der Öfentlichkeitsbeurteilung nachdrücklich negativ beeinlussen will, bedarf es nur weniger, aber besonders wirksamer Spielzüge. Etwa: Man schließe einen Koalitionsvertrag, der die dringenden Finanzmittel, die zur existenziell unabdingbaren Substanzerhaltung der Verkehrsinfrastruktur erforderlich und durch zahlreiche Untersuchungen belegt sind, auf das politisch noch als tragbar angesehene, aber völlig unzulängliche Volumen reduziert. Man lasse sich vor der Regierungsbildung auf ein EU-rechtlich unzulässiges, jedoch höchst umstrittenes und in den Koalitionsvertrag aufgenommenes Mautmodell mit einer Belastung nur für ausländische PKW ein, das die notwendigen Finanzmittel nicht erbringt, jedoch einen hohen Bürokratieaufwand erfordert und zu heftigen Reaktionen der Nachbarstaaten führt. Und man lasse durch eine lange und verfahrende Mautdiskussion zu, dass das Verkehrsministerium von Politik, Medien und einer wachsenden Öfentlichkeit mehr als Inkompetenzzentrum denn als leistungsfähige Fachbehörde beurteilt wird. Man entscheide, dass der aktive frühere Minister durch einen Parteifreund ersetzt wird, der weder Fachkompetenz noch die notwendige Kommunikationserfahrung mitbringt und zudem mehr politisch eingeengt wird als seine Vorgänger. Man lasse vom Verkehrsministerium in dieser kritischen Lage einen Bundesverkehrswegeplan bis 2030 aufstellen, für den die Länder trotz der ihnen bekannten Mittelengpässe und entsprechender Ministeriumshinweise, also wider besseres Wissen, Neubaumaßnahmen im Umfang von über 100 Mrd. EUR für den Bundesfernstraßenbereich angemeldet haben. Es stehen aber für Neu- und Ausbau nur maximal 50 Mrd. EUR zur Verfügung, da der Hauptteil der Mittel in die dringenden Ersatzinvestitionen einließt, ergänzt durch die Mittelbindungen für im Bau beindliche Projekte. Für das Ministerium eine weitere Konliktlage. Im Bundesverkehrsministerium ist mehr Sachverstand vorhanden, als die Politik es wahrnehmen will. Aber dieser Sachverstand ist politisch eingefangen, wird nicht wie möglich genutzt oder als politisch inopportun übergangen. Das öfentliche Ansehen des Ministeriums wird durch Politikstrategien weiter belastet. Und was hört diese Öfentlichkeit sonst noch aus dem Ministerium? Ende Juli die Information, dass ein Gesetzentwurf zur Einführung der Gurtanschnallplicht für Taxifahrer fertig gestellt wurde. Beeindruckend. Ein nicht im Abseits stehendes Ministerium hätte möglicherweise eine bessere Finanzmittelausstattung für die Verkehrsinfrastruktur, eine Verhinderung der erheblichen Zusatzbelastung des elektrisch betriebenen Schienenverkehrs durch das neue EEG, eine zukunftsfähige und dringend benötigte Finanzmittel erbringende PKW-Maut und eine Einbeziehung der mit inzwischen wöchentlich 6500 Fernbusfahrten bedeutenden Bahnkonkurrenten in eine Mautregelung bewirken oder zumindest in eine breite Sachdiskussion führen können. Möglicherweise sind die entsprechenden Sachunterlagen im Ministerium vorhanden. Wahrscheinlich in verschlossenen Schränken. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche
