Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0077
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2014
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Damit Deutschland vorne bleibt
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Eberhard Krummheuer
Wirtschaft und Wissenschaft sind sich seit langem einig: Deutschland fährt seine Verkehrsinfrastrukturen auf Verschleiß. Konsequenzen drohen für die individuelle Mobilität wie für den Wirtschaftsstandort. Doch die Politik will bislang nicht wahrhaben, wie groß der Nachholbedarf ist. Die Initiative „Damit Deutschland vorne bleibt“, eine breite Allianz aus Verbänden und Unternehmen, hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, mit sachlicher Aufklärungsarbeit die Öfentlichkeit für das Thema zu mobilisieren – mit dem weiter gehenden Ziel, angesichts der Dringlichkeit der Probleme mit dem Druck der Bürger für einen politischen Stimmungsumschwung zu sorgen.
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Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 44 INFRASTRUKTUR Länderinitiative Damit Deutschland vorne bleibt Länderinitiative engagiert sich zusammen mit Bürgern für-den Standort Deutschland Wirtschaft und Wissenschaft sind sich seit langem einig: Deutschland fährt seine Verkehrsinfrastrukturen auf Verschleiß. Konsequenzen drohen für die individuelle Mobilität wie für den Wirtschaftsstandort. Doch die Politik will bislang nicht wahrhaben, wie groß der Nachholbedarf ist. Die Initiative „Damit Deutschland vorne bleibt“, eine breite Allianz aus Verbänden und Unternehmen, hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, mit sachlicher Aufklärungsarbeit die Öfentlichkeit für das Thema zu mobilisieren - mit dem weiter gehenden Ziel, angesichts der Dringlichkeit der Probleme mit dem Druck der Bürger für einen politischen Stimmungsumschwung zu sorgen. Der Autor: Eberhard Krummheuer E in junger Schlaks im beige-braunen Anzug taucht in Video-Spots, auf Anzeigen-Seiten, Postern und Plakaten auf. Es ist Max. Max, der Mobilisator (Bild 1). Mal puttet er einen Minigolf-Ball in ein Straßenschlagloch, dann steht er in einer Brückenbaustelle, steigt in eine U-Bahn oder hält das Ohr schon mal an Flüsterasphalt. Dabei erzählt er stets etwas über Infrastruktur - wie wichtig sie für uns alle ist und warum wir sie in gutem Zustand erhalten sollten. Max, der Mobilisator, ist das freundliche Gesicht der Infrastruktur-Initiative. Jugendlich unbekümmert, mal ein bisschen frech, aber immer eindringlich informativ und plakativ. Über 50 Unternehmen und Organisationen haben sich im letzten Jahr nach und nach zur Initiative „Damit Deutschland vorne bleibt“ zusammengeschlossen. Zu den Mitgliedern gehören Industriekonzerne wie Alstom Deutschland, Verbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Automobilclubs ACE und ACV. Stark repräsentiert sind die Verkehrsunternehmen und die Bahnen - ging doch der Anstoß für die Initiative vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aus. Zu den Förderern zählt der Bundesverband der Deutschen Industrie, der sich immer wieder bei aktuellen Anlässen mit Sachverstand und seinen handelnden Personen einbringt. So entstand in kurzer Zeit und unter dem Druck der Ereignisse - erinnert sei nur an erste Brückensperrungen im Autobahnnetz - eine starke Gemeinschaft, die branchenübergreifend die Weichen für eine bessere Infrastruktur stellen will. Seit die Daehre- Kommission, benannt nach dem früheren Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Karl-Heinz Daehre (CDU), Ende 2012 einen alarmierenden Sanierungsstau feststellte und für 15- Jahre Investitionen von jährlich 7,2 Mrd. EUR für den Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserstraßen für notwendig erachtete, wächst auch in der öfentlichen Wahrnehmung das Bewusstsein: Leistungsfähige Infrastrukturen sind der Motor für eine erfolgreiche Wirtschaft und bilden die Grundlage für Lebensqualität, Sicherheit und Wohlstand. Sanierungs- und Ausbaubedarf werden jedoch oft zu spät erkannt. Das will die Infrastruktur-Initiative ändern. Ihr Ziel ist es, bei den Bürgerinnen und Bürgern ein neues Bewusstsein für den Stellenwert von Infrastruktur zu schafen. Hierzu setzt sie auf einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, der das Thema Infrastruktur in den Fokus rückt und dort nachhaltig verankert. Die Initiative versteht sich nicht als Lobby-Organisation. Sie sieht die über die Interessen ihrer Mitglieder hinaus gehende gesellschaftliche Verplichtung, Lebensqualitäten und Standortvorteile sowie die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu erhalten. Darüber will sie umfassend und sachlich informieren und bietet eine Plattform für den Austausch. Sie will die Politik in die Plicht nehmen, den nachhaltigen Erhalt der Infrastruktur nicht zu vernachlässigen und dafür Handlungsdruck über den Bürger, über Wählerinnen und Wähler auszulösen. Während der Monate des Bundestagswahlkampfs 2013 machte die Initiative erstmals öfentlich auf ihre Themen aufmerksam. Beispielsweise über die im Frühjahr verabredete Medienpartnerschaft mit dem Verlagshaus Springer. In den Publikationen der Welt-Gruppe wurden die Infrastrukturthemen anschaulich dem breiten Leser- Publikum dargestellt und auf einem „Infrastrukturgipfel“ im Berliner Verlagshaus vertieft. Auch mithilfe anderer Medien wurde das Anliegen der Initiative weithin und auf hohem Niveau publiziert, u. a. mit einer Beilage der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und einer Extra-Ausgabe des „Zeit Magazin“, in der sich namhafte Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft zum Thema äußerten. Mit dem „Deutschland-Tag des Nahverkehrs“ unterstützten 30 kommunale Verkehrsunternehmen, allesamt Mitglieder der Bild 1: Max der Mobilisator mit dem Hinweis auf die zentrale Website der Initiative Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 45 Länderinitiative INFRASTRUKTUR Initiative, Mitte September 2013 mit lokalen Informationsverstaltungen die Forderung „Damit Deutschland vorne bleibt“. Sichtbares Zeichen waren und sind Busse und Bahnen, die über mehrere Monate in den Farben und mit den Logos der Initiative im Linienverkehr unterwegs sind. Parallel dazu wurden die Ergebnisse der von den Länderverkehrsministern eingesetzten Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ unter Führung des früheren Verkehrsministers Kurt Bodewig (SPD) in Berlin unter Beteiligung von zahlreichen Landespolitikern präsentiert. Die Untersuchung bestätigte erneut den von der Daehre-Kommission ermittelten Nachholbedarf zum Erhalt der Infrastrukturen in der beschriebenen Tragweite und im inanziellen Umfang. Noch vor dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen empfahlen die Länderverkehrsminister den Regierungsparteien, entsprechende Umsetzungsstrategien in den Koalitionsvertrag aufzunehmen - was dann zur Enttäuschung aller Beteiligten allenfalls ansatzweise geschah. Für die Initiative, die mittlerweile in der Rechtsform einer GmbH unter dem Namen INFRA Dialog Deutschland mit Sitz in Berlin operiert, war das fehlende Verständnis der Regierungsparteien für die Bedeutung einer funktionalen, leistungsstarken Verkehrsinfrastruktur noch einmal Motivation, die begonnene Auklärungsarbeit mit zusätzlichem Engagement fortzusetzen - ohne Polemik, vielmehr sachlich, informativ, hintergründig. Der Zustand der Verkehrswege ist für viele Medie ein inzwischen immer wieder behandeltes Thema. Auch namhafte Branchenvertreter - beispielsweise sei hier der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Dr. Rüdiger Grube - und auch Landespolitiker verwiesen in Interviews auf die die bedrohliche Lage. Mit der Website „Damit Deutschland vorne bleibt“ baut die Initiative eine Sammlung mit Daten, Fakten, Meinungen zum Thema Verkehrsinfrastruktur auf - in Wort, Bild, Graik und Video. Über Suchfunktionen ist dieser Informationspool als Nachschlagewerk nutzbar, verlinkt zudem mit weiteren Quellen. Außerdem greift die Website aktuelle Entwicklungen zum Thema Infrastruktur auf; sie beobachtet den politischen Raum und berichtet von eigenen Veranstaltungen. Max, der Mobilisator, ist naturgemäß auf der Website auch vertreten, zudem plegt er seinen „Max-Blog“. Über ihn äußert sich die Initiative pointiert zu ihren Themen und entsprechenden Ereignissen - wie etwa im Juli zur Diskussion um die PKW-Maut. Gleichzeitig wirbt Max für Veranstaltungen der Initiative, wirbt bei Bürgern um aktive Beteiligung und/ oder Vorschläge. Dieses Angebot des Bürgerdialogs indet zunehmend Resonanz. Der bereits zitierte Blog zur Pkw-Maut lockte eine ganze Reihe von Lesern zu eigenen Kommentaren. Sachlichen Input liefert auch der monatlich produzierte Newsletter. Er berichtet von aktuellen Entwicklungen rund um das Thema. Über den gezielt angesprochenen Verteilerkreis aus Politik und Mitgliedern hinaus sind die Newsletter-Angebote auch in die Website für jedermann zugänglich integriert. Eine zusätzliche Breitenwirkung wird künftig dadurch erzielt, dass die Inhalte auch als „Themendienst“ an Redaktionen und Journalisten, die sich mit Verkehrsfragen beschäftigen, weiter gegeben werden. Die Auklärungsarbeit wird ergänzt durch öfentliche Veranstaltungen (Bild 2). Im laufenden Jahr wird mit „Länderkonferenzen“ in den einzelnen Bundesländern der Versuch unternommen, das Anliegen der Initiative aus dem politischen Berlin auf die regionalen Ebenen und in die Landespolitik zu tragen, letztlich, um das Angebot des Bürgerdialogs zu konkretisieren. Es handelt sich um verkehrspolitische Diskussionsrunden mit lokaler Färbung, in denen neben der Politik auch die Wirtschaft und die Mitglieder der Initiative zu Wort kommen und über Nutzen sowie Bedeutung exemplarischer Verkehrsinfrastrukturprojekte diskutieren. Zusätzlich ist über das Internet die Möglichkeit geschafen worden, den Bürger direkt anzusprechen und ihn nach seinen guten Ideen für eine bessere Infrastruktur vor Ort zu fragen. Über einen Medienpartner, jeweils eine große Regionalzeitung am Veranstaltungsort, wird im Vorfeld und der Nachbereitung eine hohe Breitenwirkung erzielt. Zu den weiteren öfentlichen Auftritten zählen im September 2014 ein weiterer Infrastrukturgipfel der „Welt“ und am folgenden Tag eine Sternfahrt von mehr als zwei Dutzend Bussen kommunaler Verkehrsunternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin. Gerade Aktivitäten wie diese Sternfahrt zeigen deutlich, dass Infrastruktur eben nicht nur ein politisches Thema im „fernen“ Berlin ist, sondern in seiner gesamten Tragweite vor Ort angekommen ist. Der Verschleiß der Infrastruktur, aber auch Engpässe durch fehlenden Ausbau tun vor Ort weh, nicht nur den Verkehrsunternehmen, sondern auch ihren Fahrgästen. Dafür gibt es unendlich viele weitere Beispiele, von Brückensperrungen aus Sicherheitsgründen in den Kommunen bis hin zu den verrottenden Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals. Schon heute zeichnet sich ab, dass der Standort Deutschland im internationalen Vergleich an Qualität und an Ranking verliert. Ob Weltbank oder Weltwirtschaftsforum - diese Institutionen registrieren erste Anzeichen dafür, dass der Verfall der Infrastruktur zu sinkender Attraktivität unseres Landes in der globalisierten Welt führt. Im Umkehrschluss lässt sich nur folgern: Eine Politik, die nicht beherzt den Verschleiß unserer Infrastrukturen bekämpft, ist letztlich eine Politik gegen den Standort Deutschland. Für diese nüchterne Erkenntnis will die Initiative die Bürger sensibilisieren. ■ Eberhard Krummheuer Kommunikations-Konzepte, Haan ekrummheuer@web.de Bild 2: Bürgerdialoge im Rahmen von Länderkonferenzen, wie hier in München, unterstreichen den Nutzen und die Bedeutung von Verkehrsinfrastruktur Projekten.
