eJournals Internationales Verkehrswesen 66/3

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0085
91
2014
663

KV-E-Chain – Vollelektrische Lieferkette im Kombinierten Verkehr

91
2014
Philip Michalk
Klaus-Günter Lichtfuß
Herbert Sonntag
Der intermodale Transport durch den Kombinierten Verkehr mit den Verkehrsträgern Schiene-Straße gilt als eine der zukunftsweisenden und umweltfreundlichen Formen des Güterverkehrs. Aufgrund der begrenzten Flächenerschließung durch den Schienenverkehr bestehen diese Lieferketten auf der letzten Meile aus einem meist dieselgetriebenen Vor- oder Nachlauf auf der Straße. Das Projekt KV-E-Chain als Teil des Programms „Schaufenster Elektromobilität“ der Bundesregierung will das nun ändern.
iv6630066
Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 66 Bild 1: Der Terberg YT202-EV im Berliner Westhafen (Foto: TH Wildau) KV-E-Chain - Vollelektrische Lieferkette im Kombinierten Verkehr Der intermodale Transport durch den Kombinierten Verkehr mit den Verkehrsträgern Schiene-Straße gilt als eine der zukunftsweisenden und umweltfreundlichen Formen des Güterverkehrs. Aufgrund der begrenzten Flächenerschließung durch den Schienenverkehr bestehen diese Lieferketten auf der letzten Meile aus einem meist dieselgetriebenen Vor- oder Nachlauf auf der Straße. Das Projekt KV-E-Chain als Teil des Programms „Schaufenster Elektromobilität“ der Bundesregierung will das nun ändern. Die Autoren: Philip Michalk, Klaus-Günter Lichtfuß, Herbert Sonntag H auptziel des Projekts „KV-E- Chain“ ist die Demonstration einer voll-elektrifizierten, Lieferkette im Kombinierte Verkehr. Die Elektrifizierung soll dabei auf allen Stufen der Lieferkette umgesetzt werden: Transport im Zentrallager oder Umschlagknoten beim Versender, Umschlag des Containers auf die Bahn, Transport durch die Bahn im Hauptlauf, Umschlag im Zielterminal und Transport im Nachlauf zum Empfänger. Das Projekt besteht aus vier Partnern: der Forschungsgruppe Verkehrslogistik der Technischen Hochschule Wildau, die das Projekt initiiert hat, es koordiniert und die wissenschaftliche Begleitung verantwortet; der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (kurz BEHALA), die einen elektrischen LKW für den Straßen- Nachlauf betreibt und außerdem Betreiberin des Berliner Westhafens und damit des größten KV-Terminals in der Hauptstadtregion ist; der DHL, die den Schienenhauptlauf verantwortet und deren Kunden durch den elektrisch angetriebenen LKW der BEHALA beliefert werden; und der Berliner Energieagentur, die eine Solaranlage im Westhafen betreibt. Die Solaranlage soll im Laufe des Projektes zumindest einen Teil des Ladestroms für den eingesetzten LKW bereitstellen. Das spektakulärste Element der vollelektrischen Lieferkette besteht sicher aus dem eingesetzten Elektro-LKW, der im Schienennachlauf des Kombinierten Verkehrs eine zulässige Gesamtmasse von 44 t erreicht. Während die Elektrifizierung des Schienenhauptlaufs der Transportkette fast schon selbstverständlich ist und der Umschlag mit einem elektrischen Portalkran erfolgt, stellte der Einsatz eines für den Kombinierten Verkehr geeigneten LKW eine besondere Herausforderung dar: Der eingesetzte Terberg YT202-EV (Bild 1) wurde ursprünglich als Terminaltraktor konzipiert. Im Rahmen des Projektes KV-E- Chain erhielt das Fahrzeug aber eine Straßenzulassung und kann nun im Güternahverkehr eingesetzt werden. Der LKW ist mit einem Siemens-Gleichstrommotor ausgestattet, der eine Leistung von 140 kW LOGISTIK Elektrifizierung Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 67 Elektriizierung LOGISTIK bei- einem maximalen Drehmoment von 720- Nm erbringt. Die Energieversorgung wird durch zwei Lithium-Ionen-Akkumulatorpakete mit einer Kapazität von insgesamt 112 kWh sichergestellt. Das Fahrzeug ist seit Juni 2014 im Demonstrationseinsatz vom Standort Westhafen aus. Kosten und Kostenstrukturen elektrischer Nutzfahrzeuge Die Forschungsgruppe Verkehrslogistik hat im Rahmen des Projektes KV-E-Chain die Beschafung- und Betriebskosten einer Reihe elektrischer Nutzfahrzeuge analysiert. Generell lässt sich feststellen, dass elektrische Nutzfahrzeuge derzeit in der Beschafung etwa um den Faktor 2 bis 3 teurer sind als ihre jeweiligen konventionell angetriebenen Pendants. Während Beschafungskosten recht einfach über die Hersteller zu recherchieren sind, existieren noch zu wenige Erfahrungswerte, um eine zuverlässige Abschätzung der Betriebskosten zu erlauben. Basierend auf Herstellerangaben und Erfahrungen aus Projekten mit kleineren Fahrzeugen, kann dennoch eine „typische“ Kostenstruktur für ein Elektrofahrzeug in diesem Nutzfahrzeugbereich generiert werden. In Bild 2 wurden die drei wichtigsten Kostenkomponenten „Wartung“, „Energie/ Diesel“ und „Abschreibung“ für zwei iktive Nutzfahrzeuge ( jeweils mit Diesel und mit Elektroantrieb) einander gegenübergestellt. Der Rechnung liegen ein Strompreis von 0,15 EUR und ein Dieselpreis von 1,40 EUR zugrunde. Die Abschreibungsdauer beträgt in beiden Fällen fünf Jahre und es wurde eine jährliche Preissteigerung der Strombzw. Dieselkosten von 10 % angenommen. Im Beispiel ist das Elektrofahrzeug in der Anschafung etwa dreimal so teuer wie das entsprechende Dieselfahrzeug. Durch die geringeren Wartungs- und Energiekosten, relativiert sich der Kostenüberhang gegenüber dem Dieselfahrzeug allerdings auf nur noch 30 %. Batterien sind nach wie vor eine der kostspieligen Komponenten eines Elektrofahrzeugs. Die Preise für Batterien unterscheiden sich nach verwendeter Technik und Hersteller, aber für Lithium-Ionen Akkus kann ein typischer Endpreis von ca. 400 EUR bis 500 EUR pro kWh angenommen werden [1]. Zwar wird die erwartete erhebliche Reduktion dieser Kosten entscheidend zur Wirtschaftlichkeit beitragen, ergänzend spielt die Batterielebensdauer eine signiikante Rolle für die Höhe der Betriebskosten eines elektrischen Nutzfahrzeugs. Die Batterielebensdauer hängt stark von der sogenannten „Depth of Discharge“ DoD ab, also der Entladung bei Gebrauch, gemessen in Prozent der Kapazität. Die Lebensdauer, gemessen in möglichen Ladezyklen, nimmt bei hohen DoD-Werten überproportional stark ab. So kann eine Verdoppelung der Batterielebensdauer alleine dadurch erreicht werden, dass die Batterien statt nach einer Entladungstiefe von 70 %, bereits nach einer Entladungstiefe von 45 % geladen werden [2]. Diese Besonderheiten elektrischer Nutzfahrzeuge machen neue, stärker an den Betriebsprozessen orientierte, Kalkulationsmodelle notwendig. Die Entwicklung entsprechender Kostenoptimierungsmodelle ist dabei nur eines der Forschungsziele des Projektes. Neue Möglichkeiten im praktischen Einsatz Eine wichtige Projektkomponente ist die Erprobung der Möglichkeiten der Elektromobilität als Teil einer Transportkette. Neben den ofensichtlichen Vorteilen für Mensch und Umwelt eröfnen die geringen Geräuschemissionen und der Wegfall von Schadstofemissionen des Fahrzeugs neue Einsatzzwecke. Die nächtliche Belieferung, beispielsweise von Warenhäusern und Einkaufszentren, wird durch die geringe Geräuschentwicklung des Fahrzeugs auch in Wohngebieten denkbar. Eine interessante Möglichkeit bietet sich dadurch zum Beispiel bei der Entlastung von Anlieferungsrampen durch die Nutzung erweiterter Lieferfenster. Der Wegfall von Abgasen erschließt neue Möglichkeiten in der Gestaltung von Logistikprozessen, wenn beispielsweise ein Fahrzeug zur Be- und Entladung direkt in eine Halle einfahren kann, die Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren versperrt bliebe. Dabei kommt der Einsatz im Nahbereich eines City-Terminals auch den besonderen Eigenschaften eines Elektrofahrzeugs entgegen: Eine hohe Reichweite wird zu einem nachrangigen Einsatzkriterium. Das ermöglicht den Einbau kleinerer Batterien und damit eine Verringerung der Beschafungskosten. Geringere Tourenlängen und der Pendelverkehr zwischen Terminal und Zielort ermöglichen außerdem ein häuiges Nachladen und damit tendenziell geringere Entladungstiefen der Batterien, die sich positiv auf die Batterielebensdauer und damit auf die Betriebskosten auswirken. ■ QUELLEN: [1] Russell et al (2012): “Battery technology charges ahead.”, MCKinsey - Sustainability & Resource Productivity. Detroit. [2] Hartmann, Richard (2008): “Aging Model for Lithium-Ion Cells.” Akron. Klaus-Günter Lichtfuß, Dipl.-Ing. Leiter Abteilung Logistik, BEHALA - Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH, Berlin k.lichtfuss@behala.de Herbert Sonntag, Prof. Dr.-Ing. Leiter der Forschungsgruppe Verkehrslogistik, TH Wildau herbert.sonntag@th-wildau.de Philip Michalk, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Verkehrslogistik, TH Wildau philip.michalk@th-wildau.de Bild 2: Kostenstrukturvergleich der wichtigsten Kostentreiber zwischen Elektro- und Dieselfahrzeug (Dieselfahrzeug = 100 %) (Quelle: TH Wildau - Werte wurden aus Interviewantworten von Herstellern und Nutzern generiert)