Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0100
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2014
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Strategien und Perspektiven zur Senkung des Verkehrslärms
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2014
Andreas Oetting
Sören Griese
Anna-Katharina Keck
Melanie Kraus
Rückblick: Bericht und Ergebnisse eines verkehrsmittelübergreifenden Experten-Workshops im Rahmen des DVWG-Fachforums „Verkehrslärm – Zwischen Mobilitätsbedürfnis und Ablehnung in der Öffentlichkeit“ am 25./26. März 2014 in Darmstadt.
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Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 117 Veranstaltungen FORUM Strategien und Perspektiven zur Senkung des Verkehrslärms Rückblick: Bericht und Ergebnisse eines verkehrsmittelübergreifenden Experten-Workshops im Rahmen des DVWG-Fachforums „Verkehrslärm - Zwischen Mobilitätsbedürfnis und Ablehnung in der Öfentlichkeit“ am 25./ 26. März 2014 in Darmstadt. D er kontinuierliche Anstieg des Verkehrsaukommens erzeugt eine wachsende Lärmbelastung bei allen Verkehrsträgern. Gleichrangig wächst die Sensibilität gegenüber den Schallimmissionen. Somit rückt der Lärm zunehmend in den Fokus der Öfentlichkeit sowie der Unternehmen und führt zu erheblichen Anstrengungen, um beim Schutz vor Lärm weitere Fortschritte zu erzielen. Das gemeinsam zu erreichende Ziel ist klar deiniert, aber der Weg zu leiserem Verkehr birgt aktuell eine Vielzahl an Herausforderungen. Diese wurden während des zweitägigen Fachforums in Bezug auf Lärmentstehung, -wahrnehmung und -beeinlussung dargestellt und diskutiert. Neben der Bedeutung von Technologie und Innovation wurde oft die Wichtigkeit der Kommunikation und Information beim Umgang mit dem Thema hervorgehoben. Die Meinung aller Referenten war, dass die Lärmreduzierung und deren Entwicklung in den letzten Jahren durchaus positiv zu bewerten ist, aber noch lange kein ausreichender Fortschritt erzielt wurde. Motivation Für die Betrofenen haben sich die ergrifenen Lärmschutzmaßnahmen bisher als nicht grundsätzlich umfassend genug erwiesen, da die Beeinlussung der Anwohner gerade bei ausschließlichem Einsatz von passiven Maßnahmen im Außenraum ihrer Häuser weiterhin besteht. Somit bleibt es zukünftig das Ziel, den Lärm möglichst an der Quelle und auf dem Ausbreitungsweg mit den entsprechenden Maßnahmen zu begegnen. Ziel und mögliche Maßnahmen Das Ziel muss sein, einen gemeinsamen Konsens im Zielkonlikt zwischen Verkehrsbedarf und dem dadurch entstehenden Lärm zu inden. Dies kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten gemeinsam weiter an dem Thema arbeiten, und die Beschäftigung mit dieser Thematik auch in- der Öfentlichkeit wahrnehmbar und spürbar ist. Durch weitreichende Kommunikation und Information kann die Transparenz hinsichtlich der Aktivitäten, deren Inhalten und vor allem auch über die erzielten Fortschritte erreicht werden. Eine Dokumentation der Fortschritte ermöglicht es jederzeit die erreichten Veränderungen aufzeigen. Die reine Erfassung und Mitteilung von Messwerten trägt aber nicht zwangsläuig zur Zufriedenheit in der Öfentlichkeit bei. Aufgrund der logarithmischen Beschreibung von Schall ist es schwer darzustellen, dass die z. B. für die Schiene aktuell anvisierten Werte einer Lärmminderung von zehn dB eine Halbierung des Lärms bedeuten. Die Experten waren überwiegend der Einschätzung, dass an der Vermittlung der Information gearbeitet werden muss, um die objektiven Messwerte mit dem subjektiven Empinden zu vereinen. Dies stärke auch die Glaubwürdigkeit aller Beteiligten. Dazu gehöre es auch, kritische Gebiete zu benennen und die Grenzen der technischen Möglichkeiten aufzuzeigen. Methode/ Vorgehen Im Rahmen eines Workshops mit der Leitfrage „Wo steht die Diskussion zum Thema Verkehrslärm im Jahr 2025? “ wurden aus Problem- und Zielstellung folgende Thesen abgeleitet: 1. Die Verantwortlichkeiten sind klar verortet und werden gelebt. 2. Die externen Kosten sind bei allen Verkehrsträgern internalisiert. 3. Es werden Pull-Maßnahmen gefördert. 4. Neue Technologien wurden für Fahrweg und Fahrzeug entwickelt und werden eingesetzt. 5. Der Lärmschutz ist in der gesellschaftlichen Bedeutung dem Naturschutz gleichgestellt. 6. Es erfolgt eine intensive Bürgerbeteiligung. Diese Thesen beschreiben, aus Sicht der Teilnehmer des Workshops, die Idealzustände im Jahr 2025, um im Rahmen der Reduzierung des Verkehrslärms wesentliche Fortschritte zu erzielen. 1. Die Verantwortlichkeiten sind klar verortet und werden gelebt Die Klärung der Verantwortlichkeiten ist abgeschlossen. Es existieren einheitliche und klare Verantwortlichkeiten und die einzelnen Akteure von öfentlicher Hand (z. B. Kommunen, Länder, Bund) bis zur Privatwirtschaft (z. B. EVU, EIU, Hersteller) sind vollständig handlungsfähig. Dies bezieht sich zum Beispiel auf rechtliche Verbindlichkeiten, die Erstellung von Lärmaktionsplänen und deren weitere Verwendung im Rahmen der Lärmsanierung. 2. Die externen Kosten sind internalisiert Die Kosten, die durch den Lärm und seine Bekämpfung bzw. Eindämmung entstehen, werden bzw. sind den Verursachern angelastet. Es besteht ein Bewertungsschema für die Lärmverursachung und ein Konzept zur Verteilung der bisher externalisierten Kosten. Die so gewonnenen Einnahmen werden u. a. zur Lärmvorsorge und -sanierung eingesetzt. 3. Es werden Pull-Maßnahmen gefördert Gegenüber der Internalisierung der Kosten sind neben Pushinsbesondere Pull-Maßnahmen umgesetzt. Diese beinhalten „weiche“ Maßnahmen, die Anreize zur Lärmvermeidung beinhalten. Dies ist zum Beispiel ein lärmabhängiges Mautsystem. Des Weiteren existieren europaweit einheitliche, rechtlich verbindliche Vorgaben zum Umgang mit Lärm und dessen Behandlung. 4. Neue Technologien wurden für Fahrweg und Fahrzeug entwickelt und sind realisiert Im Jahr 2025 sind neue Technologien am Fahrweg und an den Fahrzeugen umgesetzt. Es ist ein ausreichender Kenntnisstand erreicht, um optimale Kombinationen aktiver und passiver Maßnahmen inklusive neuartiger Betriebskonzepte für unterschiedliche örtliche Gegebenheiten auszuwählen. Des Weiteren ist die Lärmsanierung lächendeckend untersucht und umgesetzt, wo dies sinnvoll möglich ist. Die Umrüstung der Güterwagen auf leise FORUM Veranstaltungen Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 118 Bremssohlen ist bereits abgeschlossen. Die Lärmsanierung wurde weitgehend untersucht und umgesetzt, wo dies sinnvoll möglich ist - bis 2030 wird diese lächendeckend abgeschlossen sein. 5. Der Lärmschutz ist in der gesellschaftlichen Bedeutung dem Naturschutz gleichgestellt Im betrachteten Jahr weist der Lärm und der Umgang mit diesem mindestens denselben Stellenwert wie der Naturschutz auf. Damit ist sichergestellt, dass rechtliche, inanzielle und organisatorische Mittel mindestens gleichwertig für beide Bereiche eingesetzt werden. 6. Es erfolgt eine intensive Bürgerbeteiligung Wie bereits oben erwähnt, ist es sehr wichtig die Bürger in die Bekämpfung von Lärm mit einzubinden, da Lärm ein wichtiges Kriterium für Wohnqualität ist. Es liegen gemeinsame, abgestimmte Strategien zur Lärmbekämpfung zwischen den Beteiligten vor. Die Abstimmung der einzelnen Bestandteile einer Strategie erfolgt anhand der Wünsche und Bedürfnisse beider Seiten. Die heutige drohende Radikalisierung der Diskussion wurde abgewendet. Die Lärmsanierung ist aber noch nicht vollendet: ein Teil der heute betrofenen Bürger ist weiterhin betrofen, jedoch - aufgrund leiserer Fahrzeuge und leiserem Fahrweg - weniger als heute. ■ Univ.-Prof. Dr.-Ing. Andreas Oetting, Leiter des Fachgebiets Bahnsysteme und Bahntechnik der TU Darmstadt; oetting@verkehr.tu-darmstadt.de Dipl.-Ing. Sören Griese, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Bahnsysteme und Bahntechnik der TU Darmstadt; griese@verkehr.tu-darmstadt.de Anna-Katharina Keck, M.Sc., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Bahnsysteme und Bahntechnik der TU Darmstadt; keck@verkehr.tu-darmstadt.de Dipl.-Wi.-Ing. Melanie Kraus, Referentin Programmcontrolling, DB Netz AG; melanie.kraus@deutschebahn.com Verkehr für eine Welt im Wandel Rückblick: Das 7. Weltverkehrsforum fand vom 21.-23. Mai im Congress Center Leipzig statt D eutschland war vom 21.-23. Mai 2014 zum siebten Mal in Folge Gastgeber des Weltverkehrsforums. Auf der Konferenz diskutierten die Verkehrsminister der 54 Mitgliedstaaten, die Minister weiterer 16-Gaststaaten sowie hochrangige Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft zum diesjährigen Thema „Verkehr für eine Welt im Wandel“. Insgesamt waren mehr als 1000 hochrangige Teilnehmer angemeldet. Gastgeberland Deutschland war durch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sowie die beiden Parlamentarischen Staatssekretärinnen Katherina Reiche und Dorothee Bär vor Ort vertreten. Deutsche Schwerpunktthemen beim diesjährigen Weltverkehrsforum waren die Digitalisierung und klimafreundlicher Verkehr. Das umfangreiche Programm umfasste 20 Plenarsitzungen, Runde Tischen und Workshops, zahlreiche Me d i e n v e r a n s t a l tungen, technische und kulturelle Exkursionen sowie weitere Events. Ein Auswahl: • Wie man Städte für Menschen entwirft • Big Data im Verkehrsbereich: Anwendungen, Folgen, Grenzen • Transport Outlook: Szenarien bis 2050 • Entwicklungen weiterdenken - Lösungen gestalten • Neue Autos für eine neue Gesellschaft • Die Lieferketten der Zukunft: Wie der Wandel der Weltwirtschaft den Verkehr verändert • Klimawandel und Extremereignisse: Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Netze in einer Welt im Wandel Die Präsentationen sowie Kurzfassungen, Interviews, Fotoübersichten und weitere Informationen können im Internet abgerufen werden unter: www.internationaltransportforum.org/ 2014 Auch Termin und Thema des nächsten Weltverkehrsforums in Leipzig stehen schon fest: Das International Transport Forum 2015 wird von 27. bis 29. Mai 2015 stattinden und das Thema „Verkehr, Handel und Tourismus“ tragen. ■ HINTERGRUND Das Weltverkehrsforum (englisch: International Transport Forum - ITF) als Sonderorganisation im Geschäftsbereich der OECD ist eine weltweit aktive Kommunikationsplattform. Es wurde am 17. Mai 2006 in Dublin geschafen und geht auf die am 17. Oktober 1953 gegründete Europäische Verkehrsministerkonferenz zurück. Das Weltverkehrsforum tagt seit 2008 einmal jährlich in Leipzig. Es ist zugleich auch Trefen der Verkehrsminister aus 54 Mitgliedstaaten, die in diesem Rahmen den globalen und verkehrsträgerübergreifenden Dialog und Erfahrungsaustausch zwischen Regierungsvertretern und Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft suchen. Im Rahmen der Konferenz mit zahlreichen bi- und multilaterale Terminen werden auch internationele Absprachen getrofen. Bild 1: ITF-Generalsekretär José Viegas (links) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt begrüßen sich in Leipzig. Quelle: ITF
