eJournals Internationales Verkehrswesen 66/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0105
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2014
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2014: Kein gutes Jahr für den Logistikstandort Deutschland

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2014
Gerd Aberle
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Internationales Verkehrswesen (66) 4 | 2014 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH 2014: Kein gutes Jahr für den Logistikstandort Deutschland U nabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland hat die Transportwirtschaft im Personen- und Güterverkehr mit einer Vielzahl von Risikoelementen zu kämpfen, die ihre Leistungsfähigkeit bedrohen. Eine seit Jahrzehnten nicht vorstellbare Streikmassierung im Luft- und Eisenbahnverkehr hat zu einer bislang nicht bekannten Unzuverlässigkeit im Personen- und Güterverkehr geführt. Partikularinteressen relativ kleiner Gruppen werden über Wochen rücksichtslos durchgekämpft. Hinzu kommt die Dauerkrise in der deutschen Verkehrspolitik, die durch die Finanzierungsdeckelungen für die Erhaltung der Verkehrsinfrastrukturen im Koalitionsvertrag entscheidend gefördert wurde. Eine unsägliche PKW-Mautdiskussion belastet seit einem Jahr dringend erforderliche alternative Finanzierungsüberlegungen. So konnte kein hinreichendes Finanzierungskonzept für die Sanierung der 25 besonders maroden Autobahnbrücken gefunden werden; 1,3 Mrd. EUR zusätzliche Bundesmittel reichen gerade für drei bis vier Brücken. Ähnlich kritisch ist die Situation im öfentlichen Personennahverkehr. Das Bundesinanzministerium geht derzeit davon aus, dass entsprechend den Vorgaben des Regionalisierungsgesetzes 2014 die bisherige Dynamisierung von 1,5 % ausläuft und 2015 der gleiche Betrag wie 2014 (7,3 Mrd. EUR) zur Verfügung gestellt wird. Zur Erinnerung: Die Länder als Aufgabenträger hatten eine Basiserhöhung auf 8,5 Mrd. EUR p.a. und eine Dynamisierungsrate von 2,8 % gefordert. Außerdem haben sie sich nach jahrelangen unergiebigen Verhandlungen vor wenigen Wochen auf einen neuen Verteilungsschlüssel geeinigt, der starke Ungerechtigkeiten bei den Mittelzuweisungen mildern soll (sog. Kieler Schlüssel). Diese Einigung soll allerdings nur bei einer Erfüllung der Länderforderungen gelten. Folglich steht er dicht an der Kippe. Besonders unerfreulich in diesem Zusammenhang: Der Bund beabsichtigt, seine Zahlungen im Rahmen des früheren Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetzes (GVG) ab 2020 einzustellen - also die Finanzmittel, die für Nahverkehrsinvestitionen zentrale Bedeutung besitzen. Die Folge sind Planungsunsicherheiten und Investitionszurückhaltung. Sehr unbefriedigend und unverständlich sind auch die eingeführten Zusatzbelastungen für elektrisch betriebene Bahnen im Erneuerbare Energien-Gesetz. Obwohl sie die umweltfreundlichsten Verkehrsmittel sind, werden sie mit erheblichen Jahresbeträgen zusätzlich belegt. Die mit Dieselöl fahrenden Verkehrsmittel sind ausgenommen, obwohl ihre Umweltbilanz fundamental anders aussieht. Allein die DB AG muss 2015 rd. 160 Mio. EUR zahlen und damit 60 Mio. mehr als 2014. Hinzu kommen dann noch die Stromsteuer und die Kosten des Emissionshandels für die benötigten Zertiikate. Davon proitiert auch der massiv wachsende Fernbusverkehr, der überwiegend gezielt gegen ICE-Strecken fährt und der Bahn erhebliche Umsatzverluste beschert. Ruinöse Preiskämpfe kennzeichnen die Situation; wöchentlich gibt es etwa 7000 Abfahrten von 320 Linien. Die Verkehrspolitik huldigt ofensichtlich dem Slogan: freie Fahrt den Fernbussen. Denn anders ist es nicht nachvollziehbar, dass sie sich konstant weigert, den Fernbus in das Mautsystem für LKW einzubeziehen, obwohl die gleichen Schädigungsfaktoren relevant sind. Noch unverständlicher ist es, dass das noch teilweise im Bundesbesitz beindliche Unternehmen Deutsche Post diesen Fernbusverkehr gegen die im Bundeseigentum stehende DB AG betreibt. Die Verkehrspolitik schweigt. Die von der Wirtschaft und zur Sicherung des Hamburger Hafens gewünschte Elbevertiefung seewärts von Hamburg ist durch die Anrufung des EUGH durch das Bundesverwaltungsgericht auf einmal noch unsicherer geworden. Die konkurrierenden Westhäfen können zufrieden sein. Und auch aus Brüssel kommen unerfreuliche Nachrichten bei der Besetzung der Position des Verkehrskommissars. Der zunächst nominierte und sehr positive Eindrücke bei der Vorstellungsrunde hinterlassende Slowake Maros Sefcovics soll im Rahmen einer Rochade gegen die umstrittene Slowenin Violetta Bulc ausgewechselt werden. Sie hat weder politische Erfahrung noch verkehrspolitische Kenntnisse. EU-Verkehrspolitiker fühlen sich desavouiert. Aber es gibt auch eine positive Meldung: Die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB hinsichtlich der Ersatzinvestitionen konnte mit einer Erhöhung von 2,75 auf 4 Mrd. EUR und einer Eigenbeteiligung der DB AG von 1,6 Mrd. EUR p.a. abgeschlossen werden. Sonstige Positivmeldungen: nicht bekannt. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche