Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0116
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Dunkle Schatten über Hongkongs Hafen
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Dirk Ruppik
Asien entwickelt sich zusehends zum Zentrum für den Containerhandel zur See. Schon inden rund 30 % des weltweiten Containerumschlags in chinesischen Häfen statt – mit steigender Tendenz. Nicht alle Umschlagplätze proitieren gleichermaßen von diesem Boom. Während der Hafen in Shenzhen, der Hafen Guangzhou in der Nachbarprovinz Guangdong sowie Häfen in der Republik Taiwan an Bedeutung gewinnen, verliert Hongkongs Hafen immer mehr an Bedeutung – und sucht bereits nach neuen Betätigungsfeldern.
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Internationales Verkehrswesen (66) 4 | 2014 40 Dunkle Schatten über Hongkongs Hafen Asien entwickelt sich zusehends zum Zentrum für den Containerhandel zur See. Schon inden rund 30 % des weltweiten Containerumschlags in chinesischen Häfen statt - mit steigender Tendenz. Nicht alle Umschlagplätze proitieren gleichermaßen von diesem Boom. Während der Hafen in Shenzhen, der Hafen-Guangzhou in der Nachbarprovinz Guangdong sowie Häfen in der Republik Taiwan an Bedeutung gewinnen, verliert Hongkongs Hafen immer mehr an Bedeutung - und sucht bereits nach neuen Betätigungsfeldern. Der Autor: Dirk Ruppik N ach einer Studie der Londoner Agentur Drewry könnten asiatische Containerhäfen bis zum Jahr 2020 zwei Drittel des globalen Containerverkehrs umschlagen - und doch proitiert die Sonderverwaltungszone (SVZ) Hongkong mit ihrem „Hafen der Düfte“ von diesem Zuwachs kaum. Das deutsche Statistik-Portal Statista 1 vermerkt, dass Hongkong mit einem Umschlag von 22,3-Mio. TEU im Jahr 2013 auf Platz 4 zurückgefallen ist, hinter Shenzhen mit 23,3-Mio. TEU. „Der Hongkonger Hafen ragt unter den zehn Häfen mit sinkendem Containervolumen durch den Verlust an rivalisierende Häfen heraus“, beschreibt Neil Davidson von der Londoner Drewry‘s Maritime Research 2 die Situation. „Er erfährt aufgrund der geringeren Kosten Shenzhens eine starke Konkurrenz.“ Und weiter: „Hongkong war schon immer ein Hafen mit sehr teuren Land-Ressourcen und ein enorm teurer Hafen - allerdings bei hoher Qualität. Shenzhen besitzt geringere Land- und Arbeitskosten und damit niedrigere Tarife.“ Zudem sind die Hongkonger Kapazitäten fragmentiert, mit der Folge, dass eine große Zahl Container zwischen den verschiedenen Terminals hin- und hertransportiert werden müssen (Bild 1). In Hongkong sind 60 % der Warentransporte Transhipments, während in Shenzhen und dem benachbarten Guangzhou - mit 15,3 Mio. TEU immerhin auf Platz 8 weltweit - überwiegend nur Be- und Entladen nötig ist. Um den Allianzen mit ihren Megaschifen gerecht zu werden, würde Hongkong von der Zusammenlegung des Terminaleigentums, besser angrenzenden Kai-Linien und der Möglichkeit, ohne Zwischentransfer nur an einem Terminal anzulegen, stark proitieren. Fraglich ist daher, ob ein geplantes zehntes Containerterminal in Tsing Yi noch umgesetzt wird. Bislang proitierte Hongkong von seiner Rolle als internationales Finanz- und Schiffahrtszentrum, heute gilt jedoch die Zehn- Millionen-Stadt Shenzhen als einer der be- LOGISTIK Containerhäfen Bild 1: Hongkongs Container-Kapazitäten sind stark fragmentiert, der Hafen ist auf Platz 4 hinter Shanghai, Singapur und Shenzen zurückgefallen. Foto: Dreamstime (2012) Internationales Verkehrswesen (66) 4 | 2014 41 Containerhäfen Logistik deutendsten Plätze für ausländische Investitionen - dies aufgrund ihres Status als Sonderwirtschaftszone - und ist eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt. Sie soll durch eine sogenannte „Kooperation“ mit Hongkong auf den Gebieten Finanzen und Logistik internationalisiert werden. In China zeichnen sich auch wirtschaftsgeographische Veränderungen ab. Da in Südchina die Arbeitskosten zunehmend anziehen, wandern herstellende Betriebe immer häuiger in den billigeren Norden ab. Davon proitieren die Häfen in der Bohai- Region nördlich von Qingdao (Bild 2). Die Perlluss-Region in Guangdong könnte ihren hohen Status als Exportregion laut Neil Davidson künftig verlieren, da die Fertigung zu Niedriglöhnen immer häuiger nach Vietnam, Bangladesch und Kambodscha verlagert wird. Zudem wandert die Elektronikfertigung zunehmend in die Inlandsprovinzen ab, in Städte wie Chongqing in Westchina und Chengdu. Auch in Guangdong ändert sich also die Wirtschaftsstruktur, was negative Auswirkungen auf den „Dufthafen“ haben wird. Produktionsbetriebe, die weiter in Küstennähe bleiben wollen, wandern ins westliche Perllussdelta ab und verschifen dort eher über Nansha als über Hongkong. Da sich viele Betriebe mehr und mehr dem chinesischen Binnenmarkt zuwenden, verlieren Ausfuhren an Bedeutung. Zunehmend werden auch hochwertigere und kleinere Güter transportiert, die auch per Luftfracht versendet werden können. Wächst die chinesische Mittelschicht weiter und wird der Yuan härter, ist allerdings mit vermehrten Importen zu rechnen. Bislang wurde Hongkong hauptsächlich als Tor für die Versorgung Südchinas gesehen. Nun denkt man dort an die Entwicklung eines islamischen Finanzzentrums, die Schafung eines Hubs für den Weinhandel und Subventionen für ein Kreuzfahrtterminal. Das taiwan-Projekt: Potentes-Hafennetzwerk Die chinesische Republik Taiwan besitzt große Finanzinstitutionen, eine starke Währung, eine diversiizierte Unternehmenslandschaft, eine aktive Börse, großes Fachwissen in vielen Bereichen und exzellente Hafenanlagen. Es könnte sich künftig als Hauptgeschäftsstelle von vielen Firmen für „Greater China“ anbieten. Allerdings müssten hierzu der Servicesektor liberalisiert und Arbeitsgenehmigungen für Ausländer einfacher vergeben werden. Seit einiger Zeit wurde bereits der Warenverkehr zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan etabliert. Künftig könnten nun auch mehr Fabriken auf das Bild 3: Der taiwanesische Hafen Kaohsiung steht im harten Wettbewerb mit Hongkong. Foto: TIPC Bild 2: Die Sonderverwaltungszone Hongkong und ihr Hafen könnten international, aber auch national Bedeutung verlieren. Bild 4: Der Hafen von Keelung im Jahre 2005 Foto: Kamakura/ Wikipedia Internationales Verkehrswesen (66) 4 | 2014 42 LOGISTIK Containerhäfen chinesische Festland emigrieren. Falls nun die Finanz- und Handelsströme genauso einfach ließen könnten, wie zwischen Hongkong und dem Festland, sollte die chinesische Republik ungeahnte neue Möglichkeiten erhalten. Hongkongs Rolle als Eingangstor nach China würde dadurch unausweichlich geschwächt. Taiwan könnte unabhängiger von Peking agieren, als die SVZ Hongkong. Zudem ist es näher zu Schanghai gelegen. Allerdings mangelt es an einem international anerkannten Rechtssystem und englischer Sprachkompetenz. Im Rahmen des umfassenden Entwicklungsplans für internationale Häfen in Taiwan (2012-2016) sollen die Häfen Kaohsiung (Bild 3), mit 9,9 Mio. TEU auf Platz 14), Taichung, Keelung (Bild 4) und Hualien ausgebaut werden. Zur besseren Koordinierung wurde das Management der Häfen im Frühjahr 2012 in der Taiwan International Ports Corp. (TIPC) 3 zusammengefasst. TIPC ist seither verantwortlich für die Planung und Umsetzung des Hafenentwicklungsprogramms. Der Hafen Kaohsiung soll sich laut Plan in einen Containertranshipment-Hub, einen umfassenden wertschöpfenden Logistikhafen, ein Import-Export-Zentrum unter anderem für Energie, Schwerindustrie und Petroleum-Produkte sowie in einen Hafen für internationalen Tourismus und gewerbliche Dienste verwandeln. Über ihn wird der Hauptanteil (73 %) des Im- und Exports der Inselrepublik abgewickelt. Im „Port of Kaohsiung 2040 Master Plan Executive Summary“ der Hafenverwaltung von Kaohsiung sind die Ziele klar formuliert: „Taiwan entwickelt sich gerade von einer serviceorientierten zu einer wissensbasierten Industriewirtschaft. Es ist klar, dass Kaohsiung sich nicht weiter nur auf seine günstige Lage verlassen kann. Der Wandel ist der einzige efektive Ansatz, um in einem brutalen Wettbewerb gewinnen zu können … Kaohsiung muss eine aggressivere Rolle in der globalen Wirtschaft und im Markt spielen.“ Im Mai 2012 wurde deshalb die zweite Ausbauphase des Kaohsiung International Container Terminal oiziell begonnen. Hierfür sind bis 2019 Investitionen von rund 91 Mrd. Taiwan-Dollar (TWD; ca. 2,2- Mrd. EUR) vorgesehen. 19 Liegeplätze mit fünf Liegeplätzen für Containerschife bis 18 000 TEU sind im Aubau. Bis 2020 soll dadurch der Umschlag um 4 Mio. TEU erweitert werden. Für den zweitgrößten Hafen Taiwans, Taichung, liegt der Fokus auf der Erhöhung des Frachtumschlags. Als Durchgangshafen für Importautomobile und als Exportzentrum für die Maschinenbaubranche, die in Taichung konzentriert zu inden ist, spielt der Hafen eine große Rolle. Der Handel mit Festlandchina ist seit der Öfnung der Taiwanstraßen-Verbindungen im Dezember 2008 laut China Daily auf 197,2 Mrd. USD (145 Mrd. EUR) im Jahr 2013 gestiegen - das entspricht 16,7 % Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. ■ 1 www.statista.com 2 Drewry‘s Maritime Research; www.drewry.co.uk 3 Taiwan International Ports Corp. (TIPC); www.twport.com. tw/ en/ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist mit Büro in Thailand dirk.ruppik@gmx.de STANDPUNKT China - die neue maritime Deinitionsmacht Ein Kommentar von Heinz Schulte, Chefredakteur der griephan Briefe (Informationen zum Geschäftsfeld äußere & innere Sicherheit) Z wei Erkenntnisse liegen diesem Kommentar zugrunde: 90 % von allem geht über See, und wer Standards setzt, schafft Mä rkte. Das Reich der Mitte ist eine neue maritime Deinitionsmacht geworden. Dies wurde spätestens deutlich, als Beijing ein Veto eingelegt hat mit Blick auf „P3“, den geplanten Zusammenschluss führender international agierender Reedereien. Dieses Veto hat die bereits erteilte Zustimmung der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union ausgehebelt. Mit anderen Worten: Beijing ist auf Augenhöhe mit Washington und Brüssel! Von Astana bis Venedig und Duisburg-Ruhrort! Die politische Klasse in Deutschland reibt sich ungläubig die Augen: Die Chinesen haben eine langfristige (maritime) Strategie! Wir lesen auf Welt online unter dem Titel „Das Megareich greift nach der ganzen Welt“: Eine neue Politik soll nun Chinas Einfluss in der Welt systematisieren und schlagkräftiger gestalten. Die Leitlinie, die Staatschef Xi Jinping 2013 dazu der Nation vorgab, lässt sich mit „doppelter Seidenstraßen- Strategie“ übersetzen. Xi will die beiden traditionellen Handelswege der „Seidenstraße“ wiederbeleben. Die Landroute soll zur „Seidenstraße der Wirtschaftskorridore“, der Seeweg zur „Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ werden. 1 Die maritime Seidenstraße verlief von Südchinas Küste über das Südchinesische Meer nach Südasien, Iran bis nach Ostafrika. Arabische, persische, asiatische und europäische Händler brachten auf diesen Wegen ihre Waren nach China. Heute macht sich das Reich der Mitte selbst auf den Weg. Es ist das strategische Interesse der westlichen Welt, China in das internationale System der freien Warenströme und verantwortlichen Währungen einzubringen. Freier Handel setzt sichere Seerouten voraus sowie gemeinsame, nachprübare Standards zur Zertiizierung von Häfen und Zollabfertigung. Bleibt zum Schluss die Erkenntnis, dass Washington und die EU mit Beijing in einen maritimen Dialog treten müssen. ■ 1 Welt.de vom 7.7.2014; http: / / www.welt.de/ politik/ ausland/ article129853817/ Das-Megareich-greift-nach-der-ganzen-Welt.html
