eJournals Internationales Verkehrswesen 66/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2014-0124
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2014
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Hochvolt-Bordnetz - Nervensystem unter Spannung

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Alexander Eschwald
Elektrofahrzeuge stellen nicht nur Batteriehersteller vor besondere Entwicklungsaufgaben. Alle elektrischen Komponenten müssen besonderen Anforderungen genügen – bis hin zur Fertigung der Kabelbäume sind innovative Konzepte und Entwicklungen gefordert.
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Internationales Verkehrswesen (66) 4 | 2014 68 TECHNOLOGIE Elektromobilität Hochvolt-Bordnetz - Nervensystem unter Spannung Elektrofahrzeuge stellen nicht nur Batteriehersteller vor besondere Entwicklungsaufgaben. Alle elektrischen Komponenten müssen besonderen Anforderungen genügen - bis hin zur Fertigung der Kabelbäume sind innovative Konzepte und Entwicklungen gefordert. M ild-Hybrid, Vollhybrid oder reines E-Mobil, Range Extender mit Brennstofzelle oder Verbrennungsmotor - so vielfältig sich die Zukunft alternativer Antriebstechnik derzeit präsentiert, so ungewiss ist auch, welches Format die künftige elektrische und elektronische Architektur in solchen Fahrzeugen haben wird. Fest steht bereits, dass mit dem Übergang vom fossilen zum elektrischen Antrieb die Bedeutung des Bordnetzes deutlich steigt: Bei der Elektriizierung des Antriebsstrangs übernimmt die sogenannte E/ E-Architektur neben der Kommunikation und Signalverteilung auch immer größere Anteile des Powermanagements. Der Anteil von Kabelsatz, Steuergeräten und Batterien am gesamten Fahrzeuggewicht wird deshalb von etwa 6 % bei aktuellen Kraftfahrzeugen auf etwa ein Viertel steigen. Denn die Zahl bisher mechanisch, künftig aber elektrisch angetriebener Nebenaggregate wie etwa der Wasserpumpe wird zunehmen. Sie werden in das Hochvolt-Bordnetz integriert, um kleinere Leitungsquerschnitte zu erhalten und Wandlerverluste in Wechselrichtern zu vermeiden (Bild 1). Um die für den Antrieb und die Nebenaggregate benötigten Stromstärken bereit zu stellen, empiehlt sich eine hohe Bordnetzspannung von 300 bis 400 V oder mehr - und deutlich größere Leitungsquerschnitte. Überhaupt erfordern Elektroantriebe völlig neue Konzepte für das „Nervensystem Bordnetz“ (Bild 2). Gewicht und Komplexität einer modernen E/ E-Architektur können durch viele Faktoren beeinlusst und optimiert werden: genaue Auslegung des Antriebsstrangs, Zahl und Anordnung der Einzelkomponenten, Leitungsquerschnitte und vieles mehr. So hat es sich beispielsweise als günstig erwiesen, Hauptkomponenten wie die Batterie, das Steuergerät und den Elektroantrieb kompakt beieinander zu platzieren, um aufwendige und schwere Hochstrom-Verkabelungen zu vermeiden. Dazu kommt, dass sensible Assistenzsysteme wie Radios, Navigationssysteme oder Antennenverstärker und andere wohl auch weiterhin mit der niedrigeren Versorgungsspannung 12 V - beim LKW meist 24 V - betrieben werden. Beide Netze bleiben weitgehend separiert, so lange sich die Hochvolt-Anwendungen noch lokal auf den Antriebsstrang konzentrieren. Insgesamt wird also die Gesamtmasse der elektrischen Komponenten zunächst weiter wachsen. Dennoch können neu konzipierte Elektrofahrzeuge - ohne Getriebe und Antriebswellen - trotz schwerer Batterien und größerer Leitungsquerschnitte deutlich weniger wiegen als herkömmliche Autos. Sicherheitsaspekte gewinnen mehr Bedeutung Neben dem Gewichtsaspekt stehen zunehmend auch Fragen zur Sicherheit im Fokus der Entwickler - Hybrid- und Elektroantriebe erfordern wegen der hohen Betriebsspannung ein schlüssiges Sicherheitskonzept, um Insassen und Servicepersonal optimal zu schützen. So ist für Notfälle oder Servicearbeiten zum Beispiel ein manueller Batterie-Trennschalter, der den Batteriestromkreis öfnet, absolutes Muss. Als weiteres Sicherheitsfeature hat Delphi - weltweit tätiges Zulieferunternehmen für Fahrzeugelektrik und -elektronik und derzeit im Rahmen des Entwicklungsprojekts BOmobil der Initiative „Modellregion NRW“ an der Entwicklung eines serientauglichen Elektro-City-Transporters beteiligt - intelligente Sicherheits- Steckverbindungen entwickelt: Zum Abzie- Bild 1: Hochvolt-Kabelstrang mit Hoch- und Niedervoltleitungen Alle Fotos: Delphi Bild 2: Die „Nervenstränge“ eines Elektroautos Internationales Verkehrswesen (66) 4 | 2014 69 Elektromobilität TECHNOLOGIE hen des Steckers schaltet ein in den Ladestecker integrierter Niedervolt-Schaltkreis den Hochvolt-Stromkreis automatisch ab (Bild 3). Auch das Konzept der Wegfahrsperre lässt sich auf die Bedürfnisse von E-Fahrzeugen anpassen, um ein Losfahren bei versehentlich nicht abgezogenem Ladekabel zu verhindern. Die Leitungen selbst müssen wegen der hohen Spannungen aufwendig abgeschirmt werden, um ihre elektromagnetische Verträglichkeit zu gewährleisten. Das ist je nach Anwendung sowohl mit Einzeladern als auch einer umfassenden Abschirmung, beispielsweise einer Mantelschirmung per Rohr oder Gelecht, möglich. Dazu kommen erhöhte Anforderungen an die Gehäuse der Verbindungskomponenten, die in Sachen Isolation, Berührschutz und Abschirmung auf hohe Spannungen und starke Ströme ausgelegt sein müssen. Denn leider lassen sich die Geometrien üblicher 12-Volt-Steckkontakte nicht - einfach um den Faktor X vergrößert - auf Hochspannungs-Steckverbindungen übertragen. Bild 3: Beim An- und Abstecken der Ladeeinheit schaltet der Stecker den Hochvolt- Stromkreis automatisch spannungsfrei. Klar ist mittlerweile zwar, dass der Anschluss an die „Stromtankstelle“ standardisierte Stecker erfordert. Zu zahlreichen Teilaspekten der Bordelektrik im Elektroauto gibt es derzeit allerdings leider noch keine einheitlichen europäischen oder gar weltweiten Speziikationen. Es gibt also noch viel zu tun. ■ Alexander Eschwald Drei Fragen an … Dipl.-Ing. Edmund Erich, Entwicklungs- Manager für E-Mobilitätssysteme der Sparte E/ E-Architektur, EMEA, Delphi Deutschland, Wuppertal Herr Erich, Delphi hat die Produktion von Hochvolt Bordnetzen für ein deutsches Elektrofahrzeug aufgenommen. Wie unterscheidet sich die Fertigung von Leitungssätzen für Hochvolt-Antriebe von der üblicher 12-V-Netze? Die Unterschiede rühren von dem Produkt her, das sich im Aubau und Dimension völlig anders darstellt als eine übliche 12-Volt- Leitung. In unserem türkischen Werk in Izmir haben wir eine spezielle Montagelinie für Hochvolt-Bordnetze eingerichtet. Die Vorbereitungen dafür erfolgten an unserem Kunden-Technologie-Zentrum in Wuppertal, wo wir in direkter Nähe zur Entwicklung zunächst eine Testlinie eingerichtet haben, um praktische Erkenntnisse für die Serienfertigung zu sammeln. Aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen bei der Fertigung muss ja jedes Detail auf seine Auswirkung hin untersucht werden. Was genau verstehen Sie unter hohen Qualitätsanforderungen? Die Zahl der Leitungen ist größer, aber dennoch überschaubar - allerdings ist das Konfektionieren einzelner Leitungen zu einem Bordnetz viel schwieriger. Wird bei einem herkömmlichen Niedervolt-Leitungssatz eine Leitung falsch gesteckt, lässt sich das mit einem speziellen Werkzeug beheben. Bei einem Hochvolt-Leitungssatz geht das nicht. Hier sind die Kupferleiter viel größer dimensioniert und zusätzlich von einer Abschirmung umgeben wie ein Antennenkabel. Da kann nicht nachgearbeitet werden, jeder Fehlgrif bedeutet einen hohen Verlust- anders als bei den 12-Volt-Kabelsträngen und Kabelbäumen, die wir überall auf der Welt fertigen. Deshalb müssen Leiter und Abschirmung jedes Kabels sofort exakt, bündig und robust mit anderen Komponenten verbunden werden. Das erfordert mehrere sehr genau deinierte Arbeitsschritte, jeder Handgrif muss sitzen. Was bedeutet das für Ihre Mitarbeiter in der Fertigung? Die Mitarbeiter in Izmir sind speziell dafür ausgebildet. Neben der Präzision ist vor allem der sichere Umgang mit der hohen Spannung ganz wesentlich, schließlich werden die Fertigprodukte am Ende der Montagelinie unter Last geprüft. Bei den hohen Leistungen, die dabei übertragen werden, und bei Spannung bis zu 600 V ist das eine absolute Kernforderung. Anordnung und Gestaltung der Prübereiche müssen also auch maximale Sicherheit vor unsachgemäßer Berührung der unter Last stehenden Komponenten bieten. Den optimalen Produktionsablauf haben wir gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt. Aber auch die Maschinen sind auf die Bearbeitung größerer Leitungsquerschnitte und höhere Spannungen ausgelegt. Für das Abisolieren zum Beispiel haben wir eine maschinelle Lösung gefunden, die sicher, eizient und materialschonend zugleich ist. Da ist uns beinahe die Quadratur des Kreises gelungen. (ale) www.delphi.com © Rainer Sturm, pixelio.de IHR KUR ZE R DR AHT ZUM ANZEIGEN -T E AM Silke Härtel Anzeigenleitung Tel.: +49 (40) 23714-227 silke.haertel@dvvmedia.com Tim Feindt Anzeigenverkauf Tel.: +49 (40) 23714-220 tim.feindt@dvvmedia.com Telefax Anzeigen-Team: +49 (40) 23714-236