eJournals Internationales Verkehrswesen 67/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0002
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Pokern um Regionalisierungsmittel

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Gerd Aberle
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Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 6 Airbus- und Boeing-Geschäfte laufen gut B oeing oder Airbus: Wer ist der erfolgreichste Flugzeugbauer der Welt? Das ständige Duell der beiden Konkurrenten geht weiter. Sind die meisten Bestellungen, die meisten Auslieferungen, die größten Flieger oder die sparsamsten Maschinen maßgebend? So hat Airbus in 2014 mit 1456 Neubestellungen 24 Flugzeuge mehr verkauft als Boeing, kommt aber mit den 629 Auslieferungen im vergangenen Jahr nicht an die Zahl von Boeing (723) heran. Mit dem größten Flugzeug ist Airbus bisher nicht so weit vorn gelandet wie erwartet. Der A 380 kam verspätet, Kunden haben Bestellungen zurückgenommen, sparsamer könnte der Riese auch sein - zumindest weisen Wünsche der Airline Emirates nach einer Neuauflage mit sparsameren Triebwerken darauf hin. Dabei soll der Treibstoffverbrauch des A 380 bei weniger als 3 l pro Passagier auf 100 km liegen. Eine der Kernfragen: Wollen die Menschen künftig mit großen Jets zwischen internationalen Hubs fliegen und Zubringerflüge in Kauf nehmen, oder möchten sie lieber Direktverbindungen mit kleineren Einheiten? Das entscheidet - neben dem jeweiligen Flugpreis - über die Auslastung der Maschinen. Boeing bietet mit dem Dreamliner (Boeing 787) ein neues Modell für diese zweite Variante auf der Langstrecke: 250 bis 300 Sitze statt bis zu 853 Plätze wie im A 380. Doch Probleme hatten die US- Amerikaner ebenfalls: verspätete Auslieferung und Schwierigkeiten mit den Bordakkus beispielsweise. Airbus ist mit der Neuauflage des Mittelstreckenjets A 320 laut Auftragsbuch mit bisher 1321 Bestellungen erfolgreich. Er soll ab Ende 2015 ausgeliefert werden und etwa 20 % weniger Energie benötigen als sein Vorgänger. Da der größte Kostenblock der Fluggesellschaften der Treibstoff ist, ein gutes Verkaufsargument. Wie es mit dem A- 350 XWB als neuem Großraumflugzeug mit mittlerer Passagierkapazität für Langstrecken laufen wird, ist abzuwarten. Rumpf und Flügel sind aus Kohlefaserverbundwerkstoffen, modernste Triebwerke von Rolls Royce kommen zum Einsatz, die Aerodynamik entspricht den neuesten Forschungsergebnissen. Alles zusammen sorgt laut Hersteller für einen deutlich reduzierten Treibstoffverbrauch gegenüber vergleichbaren Größen. Die erste Maschine ist Ende Dezember 2014 ausgeliefert worden. Auch der mittlerweile zwanzig Jahre alte Langstreckenflieger A 330 soll ein „Neo“ werden, mit sparsameren Triebwerken und einer verbesserten Aerodynamik. Er startet voraussichtlich ab 2016. Boeing hat bereits im Jahr 2004 mit dem Modell 777-300ER ein Flugzeug mit weniger als 3 l Verbrauch pro Passagier auf 100 km herausgebracht und plant für das nächste Jahrzehnt einen noch sparsameren Nachfolger. Wer auch immer das Rennen gewinnt: Die Auftragsbücher sind bei beiden gut gefüllt. Zudem spricht der internationale Luftfahrtverband Iata von weiterhin steigenden Passagierzahlen und damit auch von einem weiter steigenden Flugzeugbedarf. (zp) Den ersten A 350 XWB hat Airbus an Qatar Airways übergeben. Foto: Airbus IM FOKUS Virtueller Seeverkehr erleichtert Planung I n einem Seegebiet fahren viele Schiffe - in diesem Fall allerdings waren einige von ihnen virtuell unterwegs: Während eines einwöchigen Testlaufs im Rahmen des EU- Projekts „Monalisa 2.0“, bei dem mit EMSN ein Netzwerk europäischer Schiffssimulatoren errichtet wird, fuhren im Dezember 2014 im Kattegat bis zu 14 Schiffe, die durch Simulatoren beispielsweise in Spanien, Finnland, Schweden und Deutschland gesteuert wurden. Über jeden an das Netzwerk angeschlossenen Simulator steuerten die Forscher von einer Brücke aus ein Schiff in einer alltäglichen Verkehrssituation. Sie konnten die anderen simulierten Einheiten erkennen, mit den jeweiligen Besatzungen per Funk kommunizieren und auf die Bewegungen der anderen reagieren. Nach diesem gelungenen Versuch sollen nun weitere Simulatoren an das Netzwerk angeschlossen werden, um komplexe maritime Verkehrssituationen durchzuspielen. Das Teilprojekt soll helfen, ein EU-weites Seeverkehrsmanagementsystem zu entwickeln. Ziel ist es, Effizienz, Kapazität, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit von maritimen Transporten zu stärken. Beispielsweise kann das Zusammenspiel von Küstenstaaten, bemannten Frachtern und autonomen Schiffen vorab untersucht werden. Im Projekt „Monalisa 2.0“ arbeiten 38- europäische Partner aus zehn Ländern bis Ende 2015 zusammen. Im Teilprojekt EMSN unterstützt das Hamburger Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML die Partner bei der Entwicklung eines europaweiten Simulationsnetzwerks und eines Seeverkehrsmanagmentplans. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 7 IM FOKUS Car Sharing ist keine Gefahr für Autohandel und Hersteller W ie wird sich das Autoteilen in den nächsten Jahren entwickeln? Wird der PKW-Absatz durch Car Sharing zurückgehen? Es könnte im Jahr 2020 bis zu 3 Mio. Nutzer von Car-Sharing-Angeboten geben, doch der eigene Wagen wird nicht zum Auslaufmodell. Das geht aus einer im Januar vorgestellten Studie des Tüv Rheinland, der FSP Fahrzeug-Sicherheitsprüfung GmbH & Co. KG und der Beratung BBE Automotive GmbH mit dem Titel „CarSharing in Deutschland - Modeerscheinung oder Herausforderung für die Branche? “ hervor. Nach ihren Untersuchungen wird Car Sharing künftig ein fester Bestandteil zeitgemäßer Mobilität sein und 2020 nur dann mehr als 2 Mio. Nutzer und mehr als 26 000 Fahrzeuge umfassen, wenn die Angebote von der Politik begünstigt werden, einen festen Platz in Mobilitätsportalen haben, unterschiedliche Anbieter miteinander vernetzt sind und auch Firmenfuhrparks für die jeweiligen Mitarbeiter einbezogen werden. Umfragen haben ergeben, dass sich derzeit lediglich 16 % der rund 45 Mio. Autofahrer in Deutschland vorstellen können, den eigenen Wagen abzuschaffen und nur noch Car Sharing zu nutzen. Gleichzeitig erwartet BBE Automotive einen weiterhin steigenden Fahrzeugbestand. Ende 2014 waren rund 1 Mio. Menschen bei Car-Sharing-Anbietern registriert. Mehr als 50 % der Nutzer fahren maximal einmal pro Monat mit einem gemieteten Auto. 28 % der Kunden sind bei mehreren Anbietern angemeldet. 51 % haben kein Auto im Haushalt. Besonders beliebt sind Free-Floating- Angebote, bei denen die Fahrzeuge nicht an festen Stationen gemietet und zurückgegeben werden müssen. Generell kann Mobilität jedoch nicht garantiert werden und setzt eine Flexibilität des Nutzers voraus. Zudem sind die Nutzungsmöglichkeiten von Car Sharing in ländlichen Regionen eingeschränkt. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Angebot für Berufspendler aus Kostengründen nicht geeignet ist. Vorteilhaft ist, dass für den Verbraucher beispielsweise die Anschaffung des Autos inklusive teurer Folgekosten wie Inspektionen und Reparaturen entfällt. Zudem sind die Leihwagen meist auf einem aktuellen technischen Stand. Laut Studie wollen die Menschen trotzdem und auch in Ballungsräumen, in denen der ÖPNV gut ausgebaut ist, ein eigenes Auto besitzen, obwohl der eigene PKW für jüngere Verbraucher nicht mehr den Stellenwert wie in der Vergangenheit hat. Wenn auch zeitverzögert, werden junge Menschen spätestens mit der Familiengründung weiterhin zum eigenen Wagen tendieren, sind die Experten überzeugt. Entsprechend seien keine gravierenden Marktveränderungen zu erwarten. Car-Sharing-Modelle böten stattdessen den Herstellern und Händlern die Möglichkeit, potenzielle Kunden an ihre Produkte heranzuführen. (zp) Extra-Parkplatz für ein Car-Sharing-Auto in Hannover Foto: Dirk Hillbrecht Bahn allein reicht nicht - vernetzte Mobilität muss sein D ie Manager europäischer Bahnen wollen ihre Unternehmen profitabler machen, künftig eine bessere Servicequalität bieten und Wachstum erreichen. Das geht aus der Ende 2014 präsentierten Studie „Executive Rail Radar 2014“ des Beratungshauses Roland Berger hervor. Für 52 % der Befragten ist vernetzte Mobilität der Haupttrend. Die immer stärkere Verbreitung von innovativen Kommunikationstechnologien verändert die Mobilitätswelt. Bahnkunden wollen nicht nur schnell ein Ticket kaufen und ihren Zielbahnhof pünktlich und komfortabel erreichen, sie wollen wissen, wie sie vom Bahnhof aus zügig und kostengünstig zu ihrem Ziel kommen und wo sie für welchen Betrag das nächste Verkehrsmittel finden. Dies öffnet den europäischen Bahnbetreibern neue Geschäftsmöglichkeiten, setzt aber auch voraus, dass sich Bahngesellschaften an die neuen Kundenwünsche anpassen und entsprechende Dienstleistungen bieten können, geht aus der Studie hervor. Darüber hinaus seien Wachstumsstrategien für Schienenverkehrsbetreiber deutlich wichtiger geworden als in den Jahren zuvor. Nach Meinung der Berater liegt die Herausforderung darin, die richtigen Wachstumsfelder zu identifizieren und bei Bedarf gezielt sinnvolle Partnerschaften zur Ausschöpfung der Möglichkeiten einzugehen. Die Herausforderungen sehen die Bahngesellschaften vor allem im Dienstleistungsbereich aufgrund des dortigen Wandels durch innovative Kommunikationstechnologien. Beispielsweise geht ein Viertel der Befragten davon aus, dass vor allem intermodale Applikationen für Smartphones zunehmend gefragt sein werden. Ebenso müssten elektronische Tickets besonders in Osteuropa weiter vorangetrieben werden, und Konzepte für Mobilitätskarten, die die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel wie Bahn, Car Sharing, Ride Sharing oder Taxi zu günstigen Tarifen ermöglichten, seien umzusetzen. Die Anbieter müssten ihre Kunden allerdings sehr gut kennen, um ihre Angebote nicht am Markt vorbei zu entwickeln, merken die Berater an. Gleichzeitig müssten die IT-Systeme der Bahnen in der Lage sein, moderne Mobilitätsangebote verarbeiten und anbieten zu können. Fast 40 % der Befragten plädieren für Kooperationen mit weiteren Unternehmen, mehr als 30 % wollen es allein schaffen. Fakt ist, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen immer stärker auf den Mobilitätsmarkt drängen, etwa IT- und Telekommunikationsanbieter sowie Finanzinstitute. Auf diese Marktveränderungen sollten sich Bahngesellschaften schon heute vorbereiten. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 8 IM FOKUS Emissionen, Effizienz und Schiffsgröße bleiben Themen M ethanol treibt ab Ende März eine Ro- Pax-Fähre der schwedischen Reederei Stena Line an. Ende Januar startete der von der EU-Initiative „Motorways of the Seas“ geförderte Umbau in Kooperation mit dem Motorenhersteller Wärtsilä, dem Hafen Göteborg, dem Seehafen Kiel und dem Methanol-Produzenten Methanex. Methanol als Treibstoff erfüllt alle Auflagen, die zum 1. Januar 2015 im Schwefelemissionsschutzgebiet (Seca) Ostsee in Kraft getreten sind. Von Mai an wird die neue Helgolandfähre der Reederei Cassen Eils mit LNG als Treibstoff ihren Dienst aufnehmen. Auch LNG ist für die Abgaskontrollgebiete geeignet, die auch in Nordamerika und der Karibik eingeführt worden sind. Der zulässige Schwefelgehalt von Schiffsbrennstoffen darf dort statt einem Prozent nur noch 0,1 % betragen. Wer seine Schiffe in den genannten Fahrtgebieten noch nicht auf einen anderen Treibstoff umgerüstet hat, fährt entweder zunächst mit Marinediesel statt Schweröl oder setzt Abgasreinigungssysteme, so genannte Scrubber, ein. Neben Schiffstreibstoffen ist weiterhin die Energieeffizienz ein großes Thema für die Reedereien. Je weniger Energie die Schiffe verbrauchen, desto kostengünstiger für die Reeder. Entsprechend wird von der Rumpfform über die Ruderkonstruktion bis hin zum Antriebsstrang mit Motor, Welle und Propeller optimiert. Die Motoren werden beispielsweise gedrosselt. So ist in dem derzeit größten fahrenden Containerschiff, der „CSCL Globe“ von China Shipping, ein MAN-Zweitaktmotor mit zwölf Zylindern verbaut, der knapp 95 000 PS haben könnte, aber auf 77 200 PS heruntergeregelt wurde. Derzeit fahren die meisten Containerschiffe mit einer Kapazität von 14 000 bis 19 000 20-Fuß-Containereinheiten (TEU) mit einer Marschgeschwindigkeit von 14 bis 20-Knoten. Mehr verbraucht deutlich mehr Brennstoff. Wenn ein neuer Containerriese auf den Markt kommt, kommt auch sofort die Frage auf, wie groß die Frachter noch werden können. Thomas Knudsen, Senior Vice President und Leiter des Zweitakt-Geschäfts bei MAN Diesel & Turbo, sieht bei Bau und Betrieb kaum Beschränkungen und geht davon aus, dass bald Schiffe mit mehr als 20 000 TEU fahren werden. Auch eine Annäherung an 30 000 TEU hält er für denkbar. Beschränkend sei vor allem der Zugang zu den wichtigsten Schifffahrtsstraßen wie dem Suezkanal, dem Panamakanal oder der Straße von Malacca - oder eben zu Häfen. Die „CSCL Globe“ lief mit ihren 400 m Länge und 59 m Breite im Januar in Hamburg ein, allerdings nicht voll beladen. Bei dieser Größe kann das Wendemanöver am Waltershofer Hafen noch gelingen. Neben der Anpassung der Elbfahrrinne in Tiefe und Breite muss auch dort gebaggert werden, um den Wendekreis von 500 auf 600 m Durchmesser für noch größere Schiffe zu erweitern. Eine weitere Restriktion ergibt sich an den Terminals: Eurogate in Hamburg etwa darf maximal mit acht Containerlagen an Deck angelaufen werden, mehr Höhe lassen die Containerbrücken nicht zu. Die „CSCL Globe“ kann aber mit bis zu neun Deckslagen fahren. (zp) Schlepper drehen die „CSCL Globe“ im Waltershofer Hafen. Foto: HHM, Dietmar Hasenpusch Deutsche Flughäfen im Aufwind, europäische Airlines nicht M ehr Passagiere, mehr Fracht, mehr Flugbewegungen: Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen sieht positiv in die Zukunft ihrer Mitglieder. Für 2015 erwartet sie etwa 212,8 Mio. Passagiere, gegenüber 207 Mio. Passagieren 2014 eine Steigerung um 2,8 %. Die Fracht soll um 2,7 % auf 4,565 Mio. t wachsen. Bei den Flugbewegungen wird 2015 erstmals seit drei Jahren wieder mit einer erfreulichen Entwicklung gerechnet, plus 1,4 % auf 2 253 573 Starts und Landungen. In den vergangenen Jahren hat sich der Zuwachs bei den Passagieren auf diese Zahl nicht ausgewirkt, da größere Flugzeuge eingesetzt wurden. Die ADV ist aufgrund der schwierigen Marktlage und der hemmenden ordnungspolitischen Rahmenbedingungen positiv überrascht über das erfolgreiche Jahr 2014 und schaut entsprechend optimistisch in die Zukunft. Der Verband rechnet weiterhin mit reiselustigen Deutschen und einer wachsenden Zahl internationaler Gäste. Bei der Fracht wirkten sich das hohe Exportvolumen der deutschen Unternehmen und die deutlich wachsenden Importe auf dem Luftweg weiterhin positiv aus. Für die europäischen und besonders die deutschen Fluggesellschaften blickt der internationale Luftfahrtverband Iata dagegen auf Probleme: harter Wettbewerb auch durch arabische Konkurrenten, ineffiziente Infrastruktur, hohe Verwaltungskosten und spezielle Steuern. Laut Iata-Prognose bleibt Europa der schwierigste Markt auf dem Globus. Zwar soll der Gewinn der europäischen Airlines von 2,7 Mrd. USD in 2014 auf 4,0 Mrd. USD steigen. Doch vom weltweiten Durchschnitts-Nettogewinn von 7 USD pro Passagier bleiben die Europäer mit 4,27 USD trotz sehr hoher Auslastung ihrer Maschinen laut Iata weit entfernt. Dafür geht die Iata von guten Zeiten für die Luftverkehrsindustrie weltweit aus: 7 % mehr Passagiere, eine stabile Weltwirtschaft und dauerhaft billiges Kerosin sollen die Gewinne der Fluggesellschaften 2015 um mehr als ein Viertel auf 25 Mrd. USD (2014: 19,9 Mrd. USD) steigen lassen. Für das Jahr 2035 erwartet die Iata mit 7,3 Mrd. Passagieren weltweit doppelt so viele wie in 2014. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 9 IM FOKUS 28 Milliarden Euro für zukunftssicheren Schienenverkehr U m einen leistungsstarken und zukunftssicheren Bahnverkehr in Deutschland sicherzustellen, fließen in den nächsten fünf Jahren rund 28 Mrd. EUR in die bestehende Schieneninfrastruktur zur Modernisierung des Schienennetzes. Die Mittel im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung LuFV II sollen unter anderem reichen, um mindestens 875 Brücken voll oder teilweise zu erneuern. Hierfür werden 3 Mrd. EUR veranschlagt, für Tunnel 1 Mrd. EUR. In den Oberbau fließen 12 Mrd. EUR für z. B. 17 000 km Schienen und 8700 Weichen. Die Sanierung und Erneuerung der Leit- und Sicherungstechnik soll 4 Mrd. EUR kosten. Die Deutsche Bahn (DB AG) geht von bis zu 850 Baustellen pro Tag aus und will 1700 Mitarbeiter zusätzlich einstellen. Der Bund hat die Mittel für Ersatzinvestitionen von diesem Jahr an auf 4 Mrd. EUR jährlich erhöht. Zu den Haushaltsmitteln kommen die Dividendenzahlungen der DB AG, die vollständig für die Finanzierung der Ersatzinvestitionen zur Verfügung stehen. Die Deutsche Bahn stellt darüber hinaus pro Jahr etwa 1,6 Mrd. EUR aus Eigenmitteln für die Instandhaltung zur Verfügung, insgesamt also 8 Mrd. EUR bis 2019 und 50-% mehr als bisher. (zp) Baustelle bei Unterleiterbach: Die vielen geplanten Baustellen werden in den nächsten Jahren zu Verzögerungen und Fahrplanänderungen führen. Foto: DB AG, Frank Kniestedt Start-ups engagieren sich für smarte Mobilitätskonzepte D ie Mobilität in Städten smarter und nachhaltiger zu gestalten sowie die Verkehrsinfrastruktur durch Softwarelösungen zu verändern, sind die Ziele einiger Start-ups, die kürzlich die Fachgruppe Future Mobility im Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS) gegründet haben. Initiatoren waren Allryder, Vimcar, Plugsurfing und Lufthansa Systems. Sie wollen helfen, die Entwicklung von Geschäftsmodellen zwischen Start-ups und etablierten IT- oder Industrieunternehmen aus den Bereichen Automotive, öffentlicher Verkehr sowie Logistik zu stärken. Während Lufthansa Systems eine etablierte IT-Beratung für die Verkehrswirtschaft ist und seit 2014 als Fördermitglied zum BVDS gehört, ist Allryder Anbieter einer mobilen App, die ihren Nutzern einen Überblick über diverse Mobilitätsoptionen bietet, inklusive Routen- und Verspätungsinformationen. Plugsurfing ist eine App, die alle verfügbaren E-Ladestationen in Europa anzeigt und es ermöglicht, trotz verschiedener Stromanbieter über eine Rechnung zu bezahlen. Vimcar stellt Fahrzeugdaten herstellerunabhängig und modellübergreifend zur Verfügung. (zp) Deutschland weder Leitmarkt noch -anbieter für Batterien B isher kaufen deutsche Unternehmen benötigte Batteriezellen für Elektromobile in Asien ein. Obwohl Deutschland über alle Kompetenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum Aufbau einer Zellfertigung verfügt, hat sich bisher keine international wettbewerbsfähige Zellfertigung in Deutschland etabliert. In Kamenz in Sachsen wird das Tochterunternehmen Li-Tec der Daimler AG Ende 2015 geschlossen. Die Li-Tec-Zellen gelten zwar als sehr gut, sind aber bei den derzeitigen Produktionszahlen viel zu teuer. Dafür erhält die Daimler-Tochter Deutsche Accumotive für 100 Mio. EUR eine neue Produktionshalle für Batterien, die Mitte 2015 fertig sein soll. Sie sitzt ebenfalls in Kamenz. Zellen zu produzieren und weiterzuentwickeln ist aber das zentrale Thema, um den Hightech-Standort Deutschland zur Leitanbieterschaft zu führen. Das hat kürzlich das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLIB) erneut unterstrichen und wird darin vom Fortschrittsbericht 2014 der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) sowie den Aussagen der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, und dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, bestärkt. Noch gelingt es Deutschland nicht, den mittlerweile deutlich verkürzten Wissensabstand von Industrie und Forschung zu den Konkurrenten in Japan und Korea in größerem Maßstab in eine inländische Zellproduktion umzusetzen. Hier fehlen einerseits etwa der Rohstoffzugang und andererseits Erfahrungen in der industriellen Produktionsprozesstechnologie. Das geht aus einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI hervor. Weder ist Deutschland Leitmarkt mit einer entsprechenden Nachfrage, noch Leitanbieter mit Produktion, erfolgreichem Export und dadurch hoher inländischer Wertschöpfung. Die Leitmärkte sind die USA und Japan mit der mit Abstand größten Elektrofahrzeugproduktion und beachtlichem inländischem Absatz, gestützt durch finanzielle Kaufanreize. Aktuell führender Leitanbieter ist Japan, der mehr als 60 % seiner im Land hergestellten Batteriezellen exportiert und die komplette Wertschöpfungskette der Fahrzeugbatterien abdeckt. Dabei kommen aus Deutschland immer wieder sehr positive Nachrichten: Im Januar haben beispielsweise Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) veröffentlicht, dass es ihnen gelungen ist, die Geschwindigkeit der Herstellung von Elektrodenfolien mit absatzweiser Beschichtung zu verdreifachen auf 100 m pro Minute. So ließen sich die Produktionskosten für Lithium-Ionen-Batterien beträchtlich senken. Die Folien sind die eigentlichen Energiespeicher. Nach Angaben des Instituts könnte in Kombination mit der ebenfalls am KIT entwickelten und zum Patent angemeldeten Helix-Technologie für gewickelte Lithium-Ionen-Batterien die Kostenführerschaft erreicht werden. Die Studie „Energiespeicher für die Elektromobilität - Deutschland auf dem Weg zum Leitmarkt und Leitanbieter? “ kann unter http: / / www.emotor.isi-projekt. de/ emotor-wAssets/ docs/ privat/ EMOTOR_ Leitmarkt-und-Leitanbieter_Fraunhofer- ISI_web.pdf heruntergeladen werden. (zp) Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 10 IM FOKUS Flugroboter zählen Lagerbestand I nventuren in großen Lagerhallen könnten künftig Flugroboter übernehmen. Ihr Einsatz könnte dafür sorgen, dass kaum noch Mitarbeiter mit dem Zählen von Beständen beschäftigt wären und der Lagerbetrieb überwiegend ungestört weiterlaufen könnte. Die Forscher im Projekt „InventAIRy“ am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund arbeiten an einem dynamisch bewegten Erfassungssystem. Anders als bei einem Tor mit fest installierten Antennen, die die RFID-Chips an den Waren automatisch über Funksensoren erfassen und auslesen, wenn die Waren das Tor passieren, bewegen sich bei Inventairy die Antennen, nicht die Chips. Das Prinzip ist bereits von fahrerlosen Transportsystemen bekannt und wird nun auf die dritte Dimension übertragen. Die Flugroboter sollen in der Luft eigenständig navigieren und Inventuren durchführen oder Artikel finden. Die Erfassung von Barcodes soll über optische Sensoren möglich sein. Die Service-Roboter erhalten zudem Bewegungs- und Ultraschallsensoren, 3-D-Kameras und Laserscanner sowie entsprechende Software zur Orientierung im Lager. Eine lokale Infrastruktur ist nicht erforderlich. Die Forscher arbeiten auch an smarten Schnittstellen, die die Inventurdaten oder regelmäßig die Lagerbestände nahtlos in bestehende Systeme übermitteln. Mitte 2015 soll ein erster teilautomatisierter Roboter zu Testzwecken starten. (zp) Autonome Flugroboter sollen künftig eigenständig navigieren und Inventuren durchführen oder Materialengpässe im Lager melden. Grafik: Fraunhofer IML Ein Cent je Liter Treibstoff für die Elektromobilität D ie Auswahl an Elektro-PKW ist groß und wächst weiter, die Fahrzeuge sind ausgereift und ihre Alltagstauglichkeit - mit den bekannten Grenzen bei der Reichweite - ist zumindest für Wenigfahrer akzeptabel. Aber die Technik ist zu teuer, finanzielle Förderungen für Käufer gibt es bisher nicht. Darum hinkt die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Das war einheitlicher Tenor einer Diskussionsrunde zur Elektromobilität, die an der Universität Duisburg-Essen (UDE) auf Einladung des Centers of Automotive Research (CAR) im Dezember 2014 stattfand. Die Kosten spielen eine größere Rolle als ein gutes Gewissen, weiß Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG. Wie viel eine staatliche Förderung bewirken kann, zeigt sich für ihn unter anderem in den Niederlanden, wo der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen aufgrund hoher Subventionen für gewerbliche Kunden bei rund 4 % liege. Privilegien und Anreizsysteme sind auch für Bernhard Mattes, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, entscheidend, damit sich die Anschaffung eines E-Autos für den Käufer rechnet. Thomas Hausch, Managing Director Nissan Center Europe GmbH, appelliert an die Stromversorger, die Ladeinfrastruktur zu verbessern und E-Autos umsonst tanken zu lassen. Einen konkreten Vorschlag machte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Automobilwirtschaftsexperte der Universität Duisburg- Essen (UDE): Er möchte einen E-Auto-Soli einführen, um der elektrischen Mobilität den dringend benötigten Anschub zu geben. Drei Jahre lang soll pro Liter Kraftstoff ein Eurocent Extra-Steuer erhoben werden. Das ergebe ein Steueraufkommen von 650-Mio. EUR pro Jahr und eine Belastung pro Kraftfahrzeug inklusive Krafträder von im Durchschnitt 12,30 EUR an zusätzlichen Steuern für Kraftstoff pro Jahr. Werde der Abstimmungsprozess für die Abwrackprämie als Referenz genommen, sei das Modell im parlamentarischen Berlin innerhalb von drei Monaten umzusetzen, so der Wissenschaftler. Die Einnahmen sollen 200 000 privaten E-Auto-Käufern als Anschaffungsprämie von je 4000 EUR zugutekommen. Zu den- förderwürdigen Fahrzeugen zählt Dudenhöffer auch Plug-in-Hybride. Weitere 850- Mio. EUR sollen in die Verbesserung der Ladeinfrastruktur in den 60 größten deutschen Städten investiert werden. Gleichzeitig seien kostenloser Strom und kostenloses Parken für drei Jahre zu gewährleisten. Und 200 Mio. EUR sieht er für den Ausbau von E-Car-Sharing-Angeboten vor. Zusammen mit erforderlichen Verwaltungskosten beliefe sich der benötigte Betrag auf 1,85 Mrd. EUR. So könne Deutschland den Rückstand gegenüber anderen Ländern nicht nur abbauen, sondern sich sogar in eine Vorreiterrolle katapultieren, ist Dudenhöffer überzeugt. Firmenfahrzeuge sind in sein Modell nicht integriert, da er davon ausgeht, dass die derzeit diskutierte 50 %-Sonderabschreibung auf gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge von der Bundesregierung umgesetzt wird. (zp) Ein Eurocent mehr pro Liter: Mit dem Kauf von Benzin oder Diesel könnte die Elektromobilität gefördert werden. Foto: Rainer Sturm/ pixelio.de