eJournals Internationales Verkehrswesen 67/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0007
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Brüsseler Finanz-Zauberei

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Werner Balsen
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Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 23 K aum im Amt, präsentierte die EU- Kommission im vergangenen Herbst ihr Meisterstück: den „Investitionsplan für Europa“. Das Vorhaben, nach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch kurz Juncker-Plan genannt, will in einer Art Finanz-Zauberei mit geringem Einsatz öffentlicher Mittel 315 Mrd. EUR an privatem Kapital mobilisieren. Das Geld der Anleger soll in überfällige Investitionen für den Ausbau der Breitband-, Energie- und auch der Transportnetze fließen. Ausbau und Modernisierung dieser Netzwerke werden indirekt für Beschäftigung und damit für den sehnlichst erwarteten Aufschwung in der EU sorgen. Schon auf den ersten Blick ist der Juncker- Plan bemerkenswert: Die EU setzt zum ersten Mal seit langem nicht auf Haushaltssanierung und Sparen, um die Voraussetzungen für eine stärkere wirtschaftliche Dynamik zu schaffen. Sie will Geld in die Hand nehmen und ausgeben. Von Haushaltsdisziplin ist nicht mehr viel die Rede. Im Gegenteil sollen Mitgliedstaaten, die mit Mitteln aus ihren Etats zum Juncker-Plan beitragen wollen, ihre Geldspritze nicht auf ihr Budgetdefizit anrechnen müssen. Ein Fonds für strategische Investitionen (Efsi), der bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtet wird, ist Kernstück des Plans. In diesen Topf bringt die EU Garantien in Höhe von 16-Mrd. EUR ein. Die EIB, ihre „Hausbank“, schießt 5 Mrd. EUR zu. Mit diesem Einsatz von öffentlichem Geld in Höhe von 21 Mrd.-EUR als Garantiesumme will die Union das Risiko von privaten Investitionen mindern. Zu Beginn des Jahres hat die EU-Kommission einen Gesetzentwurf für den Efsi vorgelegt und den Fonds flugs als Wunderwerk gepriesen. Er werde „Investitionen in jenen Ländern und Wirtschaftszweigen anschieben, in denen Arbeitsplätze und Wachstum am dringendsten benötigt werden“. Von der EU-Garantie in Höhe von 16 Mrd. EUR liegt nur die Hälfte konkret auf dem Tisch. Und auch diese 8 Mrd. EUR sind kein „frisches Geld“. Denn der Juncker-Plan greift auf vorhandene EU- Mittel zurück. 2,7 Mrd. EUR stammen aus dem für den Verkehr vorgesehenen Teil der Connecting Europe Facility (CEF). Für EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc ist das kein Problem. Sie lässt keine Gelegenheit verstreichen, die enormen Chancen des Juncker-Plans gerade für die Verkehrsinfrastruktur zu betonen. Das ist im Europäischen Parlament (EP) anders. Dort blicken viele Abgeordnete eher skeptisch auf die Finanz-Alchemie von Kommission und EIB. Die Transportpolitiker unter ihnen müssen feststellen, dass aus dem gut 26 Mrd. EUR schweren CEF-Verkehrsteil mehr als 5 Mrd. EUR in den Efsi fließen sollen. Denn die vorgesehenen 2,7 Mrd. EUR werden - zusätzlich zu den ohnehin für neue Finanzinstrumente und damit einer Zielsetzung wie im Juncker-Plan vorgesehenen rund 2,6 Mrd. EUR - aus der CEF abgezogen. Hinzu kommt: 10 Mrd. EUR der CEF-Mittel für Verkehr kommen aus dem EU-Kohäsionsfonds. Das bedeutet, dieser Betrag darf nur den mittel- und osteuropäischen EU-(Kohäsions-) Staaten zur Verfügung gestellt werden. Das reduziert den Betrag für alle Länder auf rund 16- Mrd. EUR. Davon geht mit 5 Mrd. fast ein Drittel in den Juncker-Plan. Das hat Konsequenzen: Die Mittel verlieren ihre streng definierte Zweckbindung, auf die die Planer der Transeuropäischen Verkehrsnetze und ihres Finanzierungsinstruments CEF so stolz waren. Stichworte: Lückenschluss an den Grenzen, Infrastrukturprojekte mit europäischem Mehrwert, mehr in Bahn und Binnenschifffahrt als in die Straße. Die Abgeordneten befürchten zu Recht, dass die im Efsi-Gesetzentwurf vorgesehenen Instanzen - ein Lenkungsrat und ein Investitionsausschuss -, die über die Verwendung der Fonds-Mittel bestimmen sollen, das Geld auch anders einsetzen werden. Es könnte in alle möglichen Vorhaben fließen, auch Energie- und Breitband- Projekte. Und wenn es im Verkehr eingesetzt würde, käme es möglicherweise eher dem Autobahnals dem Eisenbahn-Ausbau zugute. Denn bei all jenen, die sich mit Privatinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur beschäftigen, ist es kein Geheimnis, dass Anleger im Autoverkehr eher ein profitables Geschäftsmodell ausmachen können als im Bahnbetrieb. Es dürfte die Skepsis der Transportpolitiker im EP noch vergrößern, dass die Pressemitteilung der EU-Kommission über den Efsi gar keine Verkehrsprojekte mehr erwähnt, sondern nur noch von der Förderung „strategischer Investitionen, zum Beispiel in Breitband- und Energienetze“ sowie für „kleinere Unternehmen“ spricht. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Brüsseler Finanz-Zauberei