Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0027
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2015
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Zum Gedenken an Hans-Georg Retzko
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Manfred Boltze
Am 19. November 2014 starb Professor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Hans-Georg Retzko im Alter von 85 Jahren.
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FORUM Nachruf Internationales Verkehrswesen (67) 1 | 2015 82 Zum Gedenken an Hans-Georg Retzko Am 19. November 2014 starb Professor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Hans-Georg Retzko im Alter von 85 Jahren. H ans-Georg Retzko wurde in Hagen/ Westfalen geboren und gehörte zu der Generation, die den Krieg noch als Luftwaffenhelfer miterleben musste. Nach Abitur und Studium des Bauingenieurwesens war Hans-Georg Retzko wissenschaftlicher Assistent von Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Johannes Schlums an der damaligen Technischen Hochschule Hannover. Er promovierte in der Straßenverkehrstechnik. Seine fachlichen Kenntnisse wurden wesentlich verbreitert und mit praktischen Erfahrungen ergänzt durch seine Tätigkeiten als städtischer Baurat und Oberbaurat im Stadtplanungsamt Nürnberg sowie als Oberregierungsbaurat im Niedersächsischen Sozialministerium in Hannover. Im Alter von nur 37 Jahren wurde er 1966 auf den neu geschaffenen ordentlichen Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Hochschule Darmstadt berufen. Hier wirkte er bis 1997 in Forschung, Lehre und Praxis. Die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Retzko waren die systematische Erforschung des Verkehrsablaufs an Straßenverkehrsknotenpunkten ohne Lichtsignalanlage, grundlegende Untersuchungen zur Signalprogrammberechnung für Knotenpunkte mit Lichtsignalanlage, Untersuchungen über den Prozess der städtischen und regionalen Verkehrsplanung sowie interdisziplinäre Untersuchungen über Probleme des städtischen und regionalen Verkehrs. Insbesondere über das Planungsbüro Retzko+Topp hat er sein Fachwissen in die Praxis eingebracht, die Verkehrsentwicklung in zahlreichen in- und ausländischen Städten geprägt und wertvolle Erfahrungen daraus in seinen Vorlesungen weitergegeben. Viele Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten von Hans-Georg Retzko gingen in die einschlägigen Technischen Regelwerke ein. Zum Beispiel entstanden die ersten Technischen Regelwerke der FGSV über Lichtsignalanlagen und über die städtische und regionale Verkehrsplanung unter seiner Leitung. Neben der FGSV gehörte Hans-Georg Retzko zahlreichen weiteren Organisationen an, zum Beispiel der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung und der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Die Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Hessen hat er 1967 mit gegründet. Sein fachliches Wirken ist in über 200 Veröffentlichungen dokumentiert und wurde mehrfach hoch anerkannt. Besonders erwähnenswert ist, dass ihm im Jahr 1996 die Ehrendoktorwürde durch die Technische Universität Dresden verliehen wurde. Auch in der Lehre war Hans-Georg Retzko äußerst erfolgreich. Neben ungezählten Diplomanden betreute er 37 Promotionen als Referent und weitere 43 als Korreferent, hinzu kommen 2 Habilitationen. Zahlreiche seiner Doktoranden wurden Professoren. Er war drei Mal Dekan seines Fachbereichs und hat erheblich zur interdisziplinären Entwicklung seiner Universität beigetragen. Für seine besonderen Verdienste um die Technische Hochschule Darmstadt wurde ihm im Jahr 1995 die Erasmus-Kittler- Medaille verliehen. Hans-Georg Retzko hat sein Land in zahlreichen internationalen Fachgremien vertreten und häufig auch an ausländischen Universitäten unterrichtet. Vor allem in China, Japan und Vietnam hatte er sehr gute Kontakte. Der Ungarische Verkehrswissenschaftliche Verein verlieh ihm das „Abzeichen mit dem goldenen Kranz“ und ernannte ihn zum Ehrenmitglied. Die Sozialistische Republik Vietnam verlieh ihm die Medaille „Für Verdienste im Bildungswesen“, und die Tongji University Shanghai (China) ernannte ihn 2006 zum Advisory Professor und verlieh ihm 2011 den Preis „Tongji Special Award for International Cooperation“. Alle Auszeichnungen und Ehrungen sind nicht allein mit dem exzellenten Fachwissen von Hans-Georg Retzko zu erklären. Hierzu gehörte auch eine Persönlichkeit, die von den Menschen in seinem Umfeld sehr geschätzt und gemocht wurde. Hans- Georg Retzko hat dabei in vielfältiger Weise auch politisch gewirkt. Bei allem in ihm verankerten Wunsch, Konflikte zu vermeiden, hat er sich immer konsequent für freien Meinungsaustausch und Demokratie eingesetzt. So wurde ihm für seine ganz besonderen Verdienste um den Austausch zwischen Ost und West in der Zeit der Teilung Deutschlands im Jahr 2002 das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1997 hat Hans-Georg Retzko weiter gern und viel gearbeitet. Noch über fast 15 Jahre war er nahezu täglich in seinem Büro in der Universität, danach leider immer seltener. Es gibt sehr viel, was von seinem Wirken bleibt. Seine Schüler haben seine Gedanken und fachlichen Kenntnisse aufgegriffen und tragen sie weiter. Viele seiner Forschungsergebnisse sind heute die Grundlage unserer Arbeit. Und viele Verkehrsprojekte, die er mit geplant hat, sind umgesetzt worden und werden von den Menschen genutzt. Er hat aber auch den Menschen in seinem Umfeld mit seiner Achtung und Menschlichkeit immer sehr viel gegeben. Hans-Georg Retzko hatte ein großes, erfülltes Leben, und er hat bis zuletzt bekundet, dass er damit sehr glücklich sei. Wir sollten ihn so zufrieden und positiv in Erinnerung behalten. Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze, Technische Universität Darmstadt, Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Foto: Ralf Schäfer
