eJournals Internationales Verkehrswesen 67/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0032
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2015
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ÖPNV-Finanzierung politisch gefährdet

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2015
Gerd Aberle
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Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH ÖPNV-Finanzierung politisch-gefährdet D ie für 2020 geplante Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern stellt die erfolgreiche Finanzierung des kommunalen ÖPNV und Straßenbaus nach dem 1967 geschafenen Gemeindeverkehrsinanzierungsgesetz (GVFG) für die nahe Zukunft infrage. Bereits gegenwärtig herrschen aufgrund der bereits vorgenommenen Entlechtung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern erhebliche Unsicherheiten über die zukünftigen Finanzierungsmöglichkeiten für die ÖPNV-Infrastrukturinvestitionen. Dies führt zum zwangsläuigen Verzicht auf notwendige Maßnahmenplanungen und Ausschreibungsvorbereitungen. Die Situation der Engpässe und des Verfalls bei den ÖPNV-Anlagen spitzt sich Monat für Monat zu. Das Bundesinanzministerium (BMF) verweist stereotyp auf die bis 2019 festzulegenden generellen neuen Finanzierungsreglungen zwischen Bund und Ländern. Als wären die GVFG-Unsicherheiten für den ÖPNV nicht schon dramatisch genug versucht das BMF seit November 2014, auch die Regionalisierungsmittel in die Verhandlungen über den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich einzubeziehen. Damit würde der spezielle Finanzierungstopf verschwinden und der Bund sympathisiert mit einer Erhöhung der Länderzuweisungen um einen Umsatzsteuerpunkt. Die Annahme, dass das für Verkehr zuständige Bundesministerium die existenziellen Interessen des allgemeinen ÖPNV und insbesondere des SPNV ofensiv und nachhaltig vertreten würde, erweist sich ofensichtlich als Irrtum. Anfang März dieses Jahres identiizierte sich der Parl. Staatssekretär Ferlemann aus dem BMVI öfentlich mit den Absichten des Bundesinanzministeriums. Dies jedoch wäre eine entscheidende Abkehr von einem grundlegenden und für den Erfolg der Bahnreform von 1994 essentiellen Element der Regionalisierung des ÖPNV und insbesondere des SPNV in Deutschland. Denn die mit der anvisierten Neuregelung verbundene Beseitigung der Zweckbindung der Regionalisierungsmittel, die übrigens 1996 durch eine entsprechende Erhöhung der Mineralölsteuer gegeninanziert wurden, würde zur Zerstörung der Finanzierungsgrundlage der Regionalisierung und damit zur generellen Infragestellung dieser Daseinsvorsorgeaufgabe führen. Denn ein leistungsfähiger, energetisch fortschrittlicher und den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechender ÖPNV müsste in 16 Bundesländern jeweils von den dortigen Finanzministern im Wettbewerb mit einer Vielzahl sonstiger Länderausgaben erkämpft werden. Damit wird auch einer der erfolgreichsten Pfeiler der Bahnreform von 1994 politisch ausgehöhlt. Der elektrisch betriebene Schienenverkehr erlebt nach den speziellen Belastungen durch die Stromsteuer, die Erhöhung der EEG-Umlage und den staatlich geförderten Fernbusverkehr eine weitere Existenzerschwerung. Die Politik erbaut sich seit Jahren und Jahrzehnten an ihren Forderungen „Mehr Verkehr auf die Schiene“ und „Vorrang für den öfentlichen Verkehr“. In der letzten Zeit jedoch hat sich die Umsetzungsrealität dieser Forderungen zu einem Trauerspiel entwickelt, bei dem erfolgreiche Regelungen und Entwicklungen durch nicht durchdachte Umstrukturierungen zerschlagen werden. Wenn schon der Bund die ofensichtlichen Gefahren der geplanten Veränderungen in der ÖPNV-Finanzierung nicht erkennt oder erkennen will, sollten die Länder die notwendigen Korrekturen durchsetzen. Überzeugende Gründe hierfür sind vorhanden. Und es wäre eine breite Anerkennung indende Bewährungsprobe für den Förderalismus in Deutschland. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Wenn schon der Bund die Gefahren der geplanten Veränderungen der ÖPNV-Finanzierung nicht erkennt oder erkennen will, sollten die Länder die notwendigen Korrekturen durchsetzen.