Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0035
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2015
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Ausländermaut beschlossen
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2015
Andreas Kossak
Deutschlands Nachbarn staunen, mit welcher Beharrlichkeit Teile der Regierungskoalition die neue PKW-Maut im Bundestag durchgedrückt haben. Unsinn oder Geniestreich? Ein Kommentar von Andreas Kossak.
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Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015 17 Standpunkt POLITIK Ausländermaut beschlossen A m 27. März 2015 hat der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit der Koalitionsparteien das „Ausländermautgesetz“ verabschiedet. Die Mautplicht soll zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Selbst ohne Berücksichtigung der an Absurdität kaum zu übertrefenden Vorgeschichte seit Verankerung des Themas im Koalitionsvertrag als Folge der unverblümten Erpressung der Partner durch die CSU, war die parlamentarische Veranstaltung für den unabhängigen und einigermaßen mit der Materie vertrauten Beobachter nur schwer zu verkraften. Die entscheidenden Argumente des Bundesverkehrsministers sind bestenfalls nur begrenzt belastbar, überwiegend schlichtweg falsch. Die immerhin deutlich „zähneknirschend“ verpackte Zustimmung der SPD erfolgte (nach einigen marginalen Korrekturen des Entwurfs) ausdrücklich nicht der Sache wegen, sondern aus Koalitionsdisziplin im Gegenzug zur Zustimmung von CDU/ CSU zu Mindestlohn und Mütterrente, also Komplexen, die in keinerlei Zusammenhang mit der Maut stehen. Der Minister behauptet, die Maut wäre in vollem Umfang mit EU-Regeln vereinbar und versteigt sich sogar zu der Feststellung, es handele sich um ein „europäisches Projekt“. Tatsächlich ist die EU- Kompatibilität höchst fragwürdig. Die Zustimmung der SPD erfolgte mit einiger Wahrscheinlichkeit in der Hofnung, dass die Maut ohnehin von Europäischen Gerichten gekippt werde. Selbst wenn es mit juristischen Tricks gelingen sollte, eine formale Kompatibilität zu konstruieren, widerspricht das Projekt eindeutig dem Geist der Gemeinschaft. Das Kernargument des Ministers ist die Beseitigung einer angeblichen Gerechtigkeitslücke gegenüber den zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten, in denen PKW-Maut von Ausländern erhoben wird. Das entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage. In all diesen Staaten zahlen die Inländer die Maut-Gebühren ebenso wie die Ausländer, und sie zahlen auch in vollem Umfang KFZ-Steuern - teilweise sogar höhere als die Deutschen. Wiederholt hat der Minister von den „drei Säulen der Straßeninanzierung“ in Europa gesprochen: Mineralölsteuer, KFZ-Steuer und Nutzerinanzierung. Tatsächlich sind Mineralöl- und KFZ-Steuer in fast allen EU-Staaten (ebenso wie in Deutschland) allgemeine Steuern. Damit unterliegen sie dem so genannten „Non-Afektationsprinzip“. Eine Zweckbindung der Einnahmen daraus oder von Teilen davon für die Verkehrsinfrastruktur oder für andere Zwecke ist möglich, aber die absolute Ausnahme in Europa und im Übrigen nicht zugrifsicher. Im Verkehrsinanzgesetz von 1971 ist eine Zweckbindung von 50 % der Einnahmen aus der Mineralölsteuer für die Bundesfernstraßen verankert. Das wird seither Jahr für Jahr per Haushaltsgesetz außer Kraft gesetzt. Auch die vorgesehene Zweckbindung der Einnahmen aus der Zwangs-Vignette für deutsche PKW-Halter (Verrechnung mit der KFZ-Steuer) ist nicht zugrifsicher. Tatsächlich sind bisher also die allgemeinen Haushalte die Hauptsäule der Straßeninanzierung. Wiederholt nahm der Minister quasi für sich in Anspruch, mit der Ausländermaut den „Einstieg in die Nutzerinanzierung der Straßeninfrastruktur“ zu realisieren. Dazu bedarf es schon einer gehörigen Chuzpe. Tatsächlich erfolgte dieser in Deutschland mit der Einführung der Euro-Vignette für die Benutzung von Bundesautobahnen durch schwere LKW 1995. Im Jahr 2005 wurde die LKW- Maut auf entfernungs-/ belastungs-/ emissionsabhängige Berechnung umgestellt. Nicht zuletzt auf Empfehlung der Pällmann-Kommission wurde dafür eine technologische Koniguration gewählt, die eine schrittweise systematische Umstellung auf direkte verursachergerechte Nutzerinanzierung aller Straßen durch alle Motorfahrzeuge ermöglicht. Obschon die Einnahmen aus der Euro-Vignette, im Widerspruch zu den gültigen Regeln für die Verwendung von Gebühren, vom allgemeinen Haushalt vereinnahmt und die Einnahmen aus der entfernungsabhängigen LKW-Maut zunächst auch nur formal den Bundesfernstraßen zugewiesen wurden, handelte es sich dabei doch grundsätzlich bereits um direkte Nutzerinanzierung. Die Netto-Einnahmen aus der LKW-Maut betrugen in 2014 rund 4,5 Mrd. EUR; die Transaktionskosten sind vom Bundesverkehrsministerium mit rund 12 % der Gesamteinnahmen angegeben. Die Netto-Einnahmen aus der Ausländermaut sind von Verkehrsminister Dobrindt mit jährlich 500 Mio. EUR angesetzt. Diese Größenordnung wird sogar vom Bundesinanzministerium in Frage gestellt - selbst wenn sie wider Erwarten dennoch erreicht werden sollte, stehen die dafür erforderlichen Transaktionskosten in keinem auch nur annähernd akzeptablen Verhältnis dazu. Schließlich reklamiert der Bundesverkehrsminister für sein „Projekt“ eine beträchtliche ökologische Lenkungswirkung. Tatsächlich ist diese längst über die gültige Stafelung der KFZ-Steuer aktiviert. Der mögliche Beitrag ausländischer PKW wird demgegenüber bestenfalls marginal sein. Besonders stolz geriert sich der Minister bei seiner Behauptung, der Haushaltsansatz für die Bundesfernstraßen würde einschließlich Ausländermaut bis 2018 auf ein Niveau „hochgefahren“, das sogar höher sei, als „von Daehre und Bodewig gefordert“. Tatsächlich gilt die von der Daehre-Kommission benannte und von der Bodewig- Kommission übernommene Bedarfszahl ausdrücklich erstens in Verbindung mit dem Adjektiv „mindestens“, zweitens zu Kosten und Preisen von 2012 und drittens unter der Voraussetzung, dass das Finanzierungs-Niveau in vollem Umfang ab 2013 realisiert wird. Vor diesem Hintergrund wäre sehr zu wünschen, dass die Bundesregierung die Kraft indet, das unsinnige und in der Sache kontraproduktive Ausländermaut schnellstens aufzugeben und statt dessen die von der Pällmann-Kommission schon in 2000 empfohlene und von der Daehre-Kommission in 2012 in ihren „Instrumentenkasten“ aufgenommene umfassende Umstellung auf entfernungs-, belastungs- und emissionsabhängige direkte Nutzerinanzierung der Straßen einzuleiten bzw. fortzusetzen. Das wäre dann tatsächlich gerecht, eizient, ökologisch und jedenfalls EU-kompatibel. ■ Dr.-Ing. Andreas Kossak, Kossak Forschung und Beratung, Hamburg drkossak@aol.com Deutschlands Nachbarn staunen, mit welcher Beharrlichkeit Teile der Regierungskoalition die neue PKW-Maut im-Bundestag durchgedrückt haben. Unsinn oder Geniestreich? Ein Kommentar von Andreas Kossak.
