Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0048
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Weniger Staus, bessere Luftqualität
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Jörn Breiholz
Fast ein Drittel der Luftverschmutzung in chinesischen Großstädten geht auf das Konto des Straßenverkehrs. Um die Luft sauberer zu machen und die transportbedingten CO2-Emissionen zu reduzieren, kooperiert die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag der Bundesregierung mit chinesischen Verkehrsbehörden. Mit dem gemeinsam entwickelten Emissionsmodell HBEFA China können chinesische Städte nun erstmals ihre durch den Straßenverkehr verursachten Emissionen genauer erfassen – und Maßnahmen für eine bessere Luftqualität und weniger Treibhausgase einleiten.
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Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015 56 MOBILITÄT Luftverschmutzung Weniger Staus, bessere Luftqualität Emissionsmodell für chinesische Städte zur Reduktion transportbedingter CO 2 -Emissionen China, Verkehr, Luftqualität, GIZ, Feinstaub, CO 2 -Emissionen, Treibhausgase Fast ein Drittel der Luftverschmutzung in chinesischen Großstädten geht auf das Konto des Straßenverkehrs. Um die Luft sauberer zu machen und die transportbedingten CO 2 -Emissionen zu reduzieren, kooperiert die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag der Bundesregierung mit chinesischen Verkehrsbehörden. Mit dem gemeinsam entwickelten Emissionsmodell HBEFA China können chinesische Städte nun erstmals ihre durch den Straßenverkehr verursachten Emissionen genauer erfassen - und Maßnahmen für eine bessere Luftqualität und weniger Treibhausgase einleiten. Der Autor: Jörn Breiholz D ie Smog-App gehört längst zum Alltag der Bevölkerung Pekings. Zeigt der Luftqualitätsindex Werte ab 50 Punkte an, überschreiten die Feinstaubkonzentration bereits die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. In vielen chinesischen Großstädten wird diese Grenze häuig überschritten, an manchen Tagen bis um das Zehnfache. Gleichzeitig ist China der weltweit größte Produzent von Treibhausgasen. Hauptursache der krankmachenden Luft in Chinas Städten und des hohen Ausstoßes von Klimagasen sind die Kohlekraftwerke und die Industrie. Aber der Anteil der verkehrsbedingten Emissionen nimmt stark zu, in den Städten vor allem aufgrund des steigenden Individualverkehrs: 5,5 Mio. PKW zählt allein Peking, die Behörden haben daher die Neuzulassungen auf 150 000 zusätzliche PKW im Jahr begrenzt. Die schnelle Motorisierung geht einher mit einer überproportionalen Zunahme von Treibhausgasen. Doch wie kann man die verkehrsbedingten Emissionen reduzieren und mittelfristig das Leben dort wieder lebenswerter und vor allem gesünder machen (Bild 1)? HBEFA China: Verkehrsemissionsmodell für chinesische Städte Antworten darauf kann nur der inden, der die verkehrsbedingten Emissionen messen und genau bestimmen kann. Bis vor kurzem hatten Chinas Verkehrsplaner dazu kein passendes Instrumentarium. Mit HBEFA China haben die chinesischen Städte nun ein Emissionsmodell an der Hand, mit der sie die verkehrsbedingten Emissionen straßengenau ermitteln können. Entwickelt wurde HBEFA China von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH zusammen mit den Städten Peking, Shenzhen, Tianjin und Harbin sowie chinesischen Verkehrsforschungsinstituten und dem europäischen Forschungspartner Infras. „Mit HBEFA China haben Chinas Städte jetzt die Möglichkeit, Maßnahmen wie beispielsweise eine City- Maut oder räumliche und zeitliche Fahrverbote zu bewerten und diese dann efektiv und eizient umzusetzen“, sagt der Projektleiter der GIZ, Daniel Bongardt. HBEFA China enthält umfangreiche Daten zu Kraftstofverbrauch und Emissionen für typische Verkehrssituationen von PKW, LKW, Bussen und Motorrädern in chinesischen Städten. Es basiert auf dem Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA), dem Standardwerk für Emissionsfaktoren in Europa, das das Wissen aus 20 Jahren europäischer Forschungsarbeit enthält. „Nahezu jedes europäische Land speist seine Emissionsmessdaten in HBEFA ein“, sagt Martin Schmied vom Bild 1: Wie hier in Peking nimmt der Anteil der verkehrsbedingten Emissionen in vielen Städten Chinas stark zu. Foto: Manfred Breithaupt Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015 57 Luftverschmutzung Mobilität Schweizer Forschungs- und Beratungsinstitut Infras, das HBEFA koordiniert. „Diese einheitlichen und qualitätsgesicherten Daten stehen dann allen Ländern zur Verfügung. Ein Ansatz, der auch für China Zukunft hat.“ Da sich die Fahrzeuglotten in China und Europa stark ähneln, konnten die Projektpartner HBEFA als Grundlage für Chinas Städte nutzen. Ergänzt wurde die chinesische Variante um speziische chinesische Verkehrssituationen, die auf mehr als 2000 Stunden neu erhobener GPS-Verkehrsdaten aus Peking und Shenzhen beruhen. Eine chinesische Besonderheit sind die massiven chinesischen Berufsverkehre, die sich noch viel kräftiger stauen als beispielsweise in Europas Städten - und enorme Emissionen zur Folge haben. Mit HBEFA China können die chinesischen Städte nun ihre Verkehrsemissionen genau analysieren, um anschließend Minderungsmaßnahmen einzuleiten. HBEFA China stellt einheitliche Emissionsfaktoren für die Straßenfahrzeuge zur Verfügung und ermöglicht die Berechnung der Emissionen im Modell selbst. Das Software-Tool lässt sich per Schnittstelle mit Verkehrsmodellen kombinieren, die einige chinesische Städte bereits zur Berechnung ihres Verkehrsaufkommens nutzen. Diese Städte können nun ihre Verkehrsdaten mit den passenden Emissionsfaktoren verknüpfen, um so für jede Straße die Auswirkungen möglicher Minderungsmaßnahmen zu ermitteln. Chinesische Großstädte - Agglomerationen mit insgesamt etwa 80 Mio. Einwohnern - nutzen das neue Emissionsmodell bereits. So auch die Sieben-Millionen-Stadt Shenzhen im Süden Chinas: Sie stellt die mit Emissionsfaktoren aus HBEFA China generierten Daten ihren Bürgern per Internet zur Verfügung. Die können nun minuten- und straßengenau erkennen, wie hoch die Emissionen des Straßenverkehrs sind und vor allem, wo die Emissions-Hot-Spots sind. Die Städte Tianjin, Chengdu oder Harbin nutzen das Emissionsmodell im Kontext von Projekten der Weltbank, um mögliche Maßnahmen zu Treibhausgasreduktionen zu evaluieren oder die Wirkung der Maßnahmen im Rahmen eines regelmäßigen Monitorings zu überprüfen. im Fokus: City-Maut und Parkraumbewirtschaftung HBEFA China ist ein Ergebnis des Projektes „Transport Demand Management in Peking - Minderung von Emissionen im städtischen Verkehr“, das die GIZ mit Geldern der Internationalen Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) seit 2011 in Chinas Großstädten umsetzt. Weitere Arbeitsbereiche der deutsch-chinesischen Kooperation im Themenfeld Stadtverkehr sind die City-Maut, Parkraumbewirtschaftung und Elektromobilität: „Würde Peking beispielsweise innerhalb der fünften Ringstraße eine Maut für Autos von circa 25 Eurocent pro Kilometer einführen, würde dies die Emissionen des PKW-Verkehrs dort um 12,5 % reduzieren“, sagt Daniel Bongardt (Bild 2). Bei einem Pilotversuch Ende 2014 zur Einführung eines strikten Parkraummangements in Shenzhen sind während der Rush Hour Emissionreduktionen von etwa 4 % ermittelt worden. ■ NACHGEFRAGT „Anreize für umweltfreundliche Verkehrsträger schafen“ Drei Fragen an Guo Jifu, Direktor des Forschungszentrums der städtischen Verkehrskommission in Peking Herr Guo, der Individualverkehr in Peking wächst dramatisch an. Was bedeutet das für die Qualität der Luft in Peking? Jedes Jahr werden in Peking 150 000 neue Fahrzeuge angemeldet. Der Straßenverkehr ist für 30 % der Luftverschmutzung durch Feinstaubpartikel verantwortlich. Da im Stau mehr Emissionen verursacht werden, verschlechtert jedes neue Fahrzeug auf der Straße auch die Klima- und Umweltbilanz der bestehenden Fahrzeuglotte. Wie können Sie HBEFA China nutzen, um Maßnahmen für eine bessere Luftqualität in Peking einzuleiten? Wir haben gemeinsam mit der GIZ an zwei Maßnahmen zur Emissionsreduzierung gearbeitet: der Parkraumbewirtschaftung und der City Maut. Mit HBEFA können wir das Emissionsvermeidungs-Potenzial der beiden Maßnahmen quantiizieren. Dies ist besonders wichtig, um die Efektivität der Maßnahmen bereits vor der Implementierung zu beurteilen. PKW emittieren im Stau und beim Stop and Go besonders viele Schadstofe. Was können Sie als Verkehrsplaner tun, um Anzahl und Intensität dieser Situationen zu mindern? Wir versuchen, durch moderne Verkehrsplanung und -steuerung Anreize zu setzen, damit mehr Menschen auf umweltfreundliche Verkehrsträger umsteigen - restriktive Maßnahmen wie Parkraumbewirtschaftung und die City Maut erhöhen die Kosten der PKW-Nutzung. Diese Maßnahmen wirken jedoch nur, wenn wir attraktive Alternativen bereitstellen. In den nächsten zwei Jahren werden wir 124 km Busspuren bauen und markieren, so dass Busse auf den vielbefahrenen Ringstraßen im Schnitt mindestens 40 km/ h fahren können. Durch den gleichzeitigen Ausbau des U-Bahn-Netzes rechnen wir bis 2017 mit einem Modal Split des öfentlichen Personennahverkehrs von 52 %. Bild 2: Wirkung einer City Maut im Central Business District Pekings. Jörn breiholz Journalist, Journalisten-Agentur netzhammer & breiholz, Hamburg jb@netzhammerbreiholz.de
