eJournals Internationales Verkehrswesen 67/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0053
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2015
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LNG als Diesel-Alternative im Nutzfahrzeugbereich

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Manfred Kuchlmayr
E-Mobility ist mittelfristig für den schweren Güterverkehr mit seinen speziellen Rahmenbedingungen nicht geeignet – die hohen Fahrzeuggewichte und die idealerweise konstanten Geschwindigkeiten sind ungeeignete Voraussetzungen. Hier greift Erdgas als saubere und leise Antriebsalternative, die zudem einen volkswirtschaftlichen Vorteil hat: Jedes verbrauchte Kilogramm Erdgas substituiert einen Liter Diesel und nimmt somit Druck vom Rohölpreis. Neben den makroökonomischen Vorteilen gelten für den Unternehmer aber auch mikroökonomische Vorteile: Die Technik muß sich im Einsatz auch inanziell lohnen.
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Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015 72 TECHNOLOGIE Kombinierter Verkehr Mehr Güter auf die Schiene? Railrunner-System mit bi-modaler Technologie ermöglicht Zuwachs trotz fehlender Schienenkapazität Schienengüterverkehr, bi-modal, Interoperabilität Der US-amerikanische Schienenfahrzeughersteller Railrunner will seine bi-modale Technik auch in Europa starten. Das System setzt auf hohe Flexibilität, geringe Kosten für Umschlaginfrastruktur und höhere Umweltverträglichkeit. Die Autoren: Wolfgang Graaf, Gerhard Oswald D er Kombinierte Verkehr Straße/ Schiene hat in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte gemacht. Um noch weiter voranzukommen, müssen die Anbieter von KV- Lösungen Antworten auf die logistischen Herausforderungen ihrer Kunden und geänderte Rahmenbedingungen schafen. Gefragt sind Kundennähe, Flexibilität, größere Wirtschaftlichkeit - aber auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Diese Herausforderung will das US-Unternehmen Railrunner mit der im Januar 2015 gegründeten Railrunner Europe GmbH annehmen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll die Weiterentwicklung der bi-modalen Railrunner-Technologie, die im Osten und Nordosten der USA seit neun Jahren ohne technische Störungen im Streckennetz mehrerer Bahnen eingesetzt wird, auf Pilot-Relationen installiert werden. Für den Markterfolg innovativer Lösungen im Schienengüterverkehr müssen folgende Grundbedingungen erfüllt werden: • Erhöhung der Eizienz und Interoperabilität • Nennenswerter Beitrag zur Nachhaltigkeit (Energieeinsparung, Reduzierung der CO 2 -Emission) • Nennenswerte Reduzierung von Lärm- Emission • Förderung der Kooperation zwischen Schiene und Straße Schiene-Straße-Innovationen der letzten 40 Jahre in bi-modale Systeme haben gemeinsam, dass • Investitionen in Terminals bis zu 80 % sinken, • bei gleicher Länge und Zuggewicht mehr Trailer mit höherer Nutzlast in einem Zug transportiert werden können, • der Energieverbrauch reduziert wird und • die Länge der Sattelanhänger oder Chassis für das System völlig neutral ist und sich lediglich am Lichtraumproil und dem Abstand zwischen den Achsen- und Drehgestellen bezogen auf den Kurvenverlauf orientieren muss. Für den bi-modalen Railrunner-Sattelanhänger ist eine „Light“-Version im Einsatz, ein Containerchassis oder Sattelanhänger ohne kostspieligen Aubau. Dieser Sattelanhänger entspricht einem normalen Straßenfahrzeug bzw. Containerchassis, das lediglich in Längsrichtung verstärkt ist, zum Kuppeln nur noch eine spezielle Tasche aufweist sowie mit der Zugbremsleitung ausgestattet ist (Bild 1). Allerdings bleibt gegenüber herkömmlichen Straßenfahrzeugen ein Gewichtsnachteil: Wegen der im Zugverkehr üblichen Zug- und Druckkräfte sind diese Fahrzeuge stabiler gebaut, damit auch etwas schwerer und teurer. Sichergestellt ist aber, dass die so ausgerüsteten Sattelanhänger auch problemlos im normalen Straßenverkehr oder, mit Greikanten ausgestattet, im Huckepack-Verkehr eingesetzt werden können. Herzstück der Railrunner-Technologie ist das Güterwagendrehgestell, das die wesentlichen Komponenten der bi-modalen Technik enthält (Bild 2): • Zwei untere Rahmen sind per Gelenk miteinander verbunden und weisen somit selbsteinstellende und lenkende Achsen auf. • Ein oberer Rahmen nimmt Stoß- und Zugkräfte auf. • Das weltweit erste Güterwagendrehgestell mit Luftfederung ermöglicht zusammen mit den selbsteinstellenden Achsen eine Lärmreduktion um 6 dB und schont stoßempindliche Waren. • Statt der im Güterwagen neuerdings eingebauten K-Sohle haben Railrunner- Bild 2: Das Güterwagendrehgestell enthält alle wesentlichen Komponenten der bi-modalen Technik. Bild 1: Ein spezielles Auflieger-Chassis ist in Längsrichtung verstärkt, weist zum Kuppeln eine zusätzliche Tasche auf und ist mit einer durchgängigen Zugbremsleitung ausgestattet. Internationales Verkehrswesen (67) 2 | 2015 73 Kombinierter Verkehr Technologie Drehgestelle als Standard-Scheibenbremsen, die einen deutlich geringeren Verschleiß und damit die Reduzierung des Unterhaltungsaufwandes um bis zu 30 % ermöglichen. • Sechs Stoßdämpfer in Ergänzung zu den selbsteinstellenden und lenkenden Achsen ermöglichen einen sehr lachen Sinuslauf und damit besonders bei kurvenreichen Strecken eine signiikante Reduzierung des Materialverschleißes am Radkranz und am Gleis. • Gegenüber früheren Modellen beindet sich die Kupplungstechnik nun ebenfalls im Drehgestell und nicht im Aulieger beziehungsweise Chassis. Eine Aufahrrampe zentriert das Chassis beim Ankuppeln und hebt es gleichzeitig an. • Gabelstaplertaschen erlauben ein Herausheben des Drehgestells aus dem Gleis, so dass bei Nichtgebrauch keine Abstellgebühren anfallen. Die Sattelanhänger sind speziell für den Straßen- und den Schienenverkehr ausgelegt und verfügen über drei Liftachsen, die während der Schienenfahrt komplett angehoben werden. Dies ermöglicht auch den Transport von Megatrailern mit einer Innenhöhe von 3,00 m. Die Aulieger müssen die im Zugverband üblichen Druck- und Zugkräfte aufnehmen können und längsseitig mit einer Zugbremsleitung, die durch den gesamten Zugverband führt, ausgerüstet sein. Dies macht das Straßenfahrzeug je nach Ausführung und Typ etwa 1000 bis 1600 kg schwerer. Dafür ist das System sehr einfach aufgebaut und kann über 20 % mehr Ladeeinheiten pro vergleichbarer Zuglänge transportieren, was unter dem Strich zu einem um rund 10 % geringeren Zuggewicht führt. Weil die Drehgestelle ebenso wie das Straßenfahrzeug mit Luftfederung ausgestattet sind, ist ein schonender Schienentransport ohne Gefahr von Ladungsverschiebungen möglich. Energieersparnis, geringere Umweltverschmutzung sowie erheblich geringerer Zuglärm sind die umweltbeeinlussenden Merkmale der Technologie. Die operativen Vorteile: Die bi-modalen Techniken ermöglichen intermodale Lösungen auch dort, wo kein aufwendiges Terminal mit mit Portalkran oder Reachstacker für den Vertikalumschlag von Ladeeinheiten zur Verfügung steht - oder wo man beispielsweise nur von Normalspur auf eine Breitspur wechseln will. Im Grunde genügt ein Schienenstrang (Abstell- oder Industriegleis), der so in den Untergrund eingebettet ist, dass ein Straßenfahrzeug ihn ohne Probleme überfahren kann. Auf diesem Gleis stehen die speziellen Drehgestelle, die jeweils zwischen zwei Sattelanhänger gekuppelt werden und somit das System schienentauglich machen (Bild 3). Somit kann man mit bi-modalen Systemen praktisch überall ohne große Investition und zu niedrigsten Kosten ein intermodales Angebot darstellen. Ein weiterer Aspekt ist die Planungssicherheit. Immer wieder wird die Verkehrspolitik in Deutschland und Europa dazu gedrängt, längere und höhere Straßenfahrzeuge zuzulassen. Für die Investition in Tragwagen des kombinierten Verkehrs wären die meisten dieser Änderungen verheerend. Während das System Straße seine Wettbewerbsfähigkeit mit Lang-LKW ausbaut, müssten die Betreiber Kombinierter Verkehre davon ausgehen, dass der größte Teil ihres Waggonbestandes massiv entwertet wird, weil er auf die neuen Abmessungen nicht zugeschnitten ist. Beim Railrunner- System ist dies nicht der Fall: Erlaubt der Gesetzgeber einen Sattelanhänger beispielsweise mit größerer Länge, stehen die Drehgestelle im bi-modalen Zug einfach in einem etwas größeren Abstand. Das System ist also anpassungsfähiger als jedes andere Wagensystem im kombinierten Verkehr. Die Flexibilität des Systems wichtig auch organisatorisch zunehmend interessant: Der Verkehr Straße/ Schiene wird zunehmend konfrontiert mit Engpässen im Schienennetz Mitteleuropas. Schon in der Diomis-Studie des Internationalen Eisenbahnverbandes UIC 1 wurden erhebliche Engpässe sowohl im Schiennetz als auch bei den Kombi-Terminals prognostiziert: Bis zum Jahre 2017 werden Umschlagkapazitäten für weitere 3,4 Mio. Ladeeinheiten pro Jahr benötigt. Bei den Verkehrsachsen Hamburg - Rhein/ Main, Köln - Rhein/ Main und Saarbrücken - Stuttgart kann es zu erheblichen Engpässen kommen. DB Netz und die Kombi-Gesellschaften bemühen sich zwar um betriebliche Konzepte mit längeren Zügen, um pro Slot im Schienennetz mehr Ladung transportieren zu können. Allerdings erfordert dies beispielsweise längere Überholgleise und ist mit erheblichen Investitionen in die Infrastruktur verbunden. Hier können bi-modale Systeme wie etwa der Railrunner zur Problemlösung beitragen, da Ganzzüge im Railrunner-System rund 20 % mehr Sattelanhänger aufnehmen können als Huckepack-Züge mit konventionellen Taschen- oder auch Tragwagen (Bild 4). Noch fehlt die Eisenbahn-Zulassung in Europa für dieses System. Diese soll gemäß der „Technical Speciications for Interoperability (TSI)“ erfolgen und zeitlich so abgeschlossen sein, dass noch in zwei Jahren die ersten Pilotverkehre starten können. ■ 1 http: / / diomis.uic.org Wolfgang graaf Chief Engineer, Railrunner NA Inc, Waltham (MA) USA wolfgang.graaf@railrunner.com gerhard oswald Geschäftsführer, Railrunner Europe GmbH, Hamburg gerhard.oswald@railrunner.com Bild 4: Ganzzüge im Railrunner-System können bei gleicher Länge rund 20 % mehr Sattelanhänger aufnehmen als Huckepack-Züge mit konventionellen Taschen- oder auch Tragwagen. Bild 3: Die Drehgestelle werden jeweils zwischen zwei Sattelanhänger gekuppelt und machen das System schienentauglich.