eJournals Internationales Verkehrswesen 67/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0058
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2015
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Deutsche Bahn: Potenziale fördern als konfliktreiche Aufgabe

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Gerd Aberle
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Internationales Verkehrswesen (67) 3 | 2015 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Deutsche Bahn: Potenziale fördern als konliktreiche Aufgabe M an hatte sich daran gewöhnt, dass die DB AG seit 2000 bis 2012 durchweg steigende Gewinne auswies; erst seit 2013 sinken sie, lagen aber 2014 immer noch knapp unter einer Milliarde Euro. Vergessen sind die vielen Jahre vor der Bahnreform 1994 mit jährlich steigenden hohen Verlusten trotz erheblicher Bundeszuweisungen. Übersehen wird in vielen Kommentaren auch, dass das Bahngeschäft, vor allem das in Deutschland, besonders schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt ist, die aus politischen Vorgaben und komplexen Marktbedingungen resultieren und aktuell die niedrigeren Gewinnerwartungen für 2015 wesentlich mitbestimmen. Wenn über die Notwendigkeit struktureller Veränderungen in den Geschäftsprozessen und organisatorischen Strukturen im Unternehmen DB AG diskutiert wird, dürfen diese Rahmenbedingungen nicht übersehen werden. Sie wirken vor allem kostensteigernd im intermodalen Wettbewerb, belasten aber auch die Marktfähigkeit des Bahnsektors im Personen- und Güterverkehr generell. So müssen elektrische Bahnen, trotz ihres umweltspeziischen Vorteils, Abgaben wie die Stromsteuer und EEG-Ausgleichszahlungen leisten, welche die Wettbewerber im Landverkehr nicht tragen. 2015 wird die DB AG hierdurch mit über 300 Mio. EUR belastet. Durch die häuigen Streiks der Lokführer wurde nicht nur das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs erschüttert, sondern eine Ergebnisbelastung bei der DB allein für 2015 von weiteren 300 Mio. EUR bewirkt. Durch die in diesem gewaltigen Umfang nicht erwartete - und von keiner fachkundigen Institution entsprechend prognostizierte - Expansion des Buslinienfernverkehrs mit extremen Preiskämpfen wird der Schienenpersonenfernverkehr im preissensitiven Nachfragesegment fühlbar getrofen. Die äußerst niedrigen Buspreise werden in diesem Segment zum Referenzpreis, den der Schienenverkehr aufgrund seiner Kostensituation, die durch Nachfrageverluste und sinkende Kapazitätsauslastung noch verschlechtert wird, generell nicht erreichen kann. Hinzu kommt eine staatliche Unterstützung durch Nichtanlastung einer Maut, die beim LKW mit vergleichbaren Gewichten erhoben wird. Die niedrigen Treibstofpreise fördern den Straßenverkehr, ebenso die abgesenkten LKW-Mautsätze aufgrund neuer Wegekostenberechnungen bei den Zinsen. So kann es niemanden überraschen, dass die wirtschaftlichen Ergebnisse der DB AG unter Druck stehen. Dieser Druck wird durch die Vorgabe des Bundes nach Zahlung einer Dividende von (2015) 700 und (2016) 850 Mio. EUR verschärft, zumal diese Zahlungen wesentlich höher sind als der zu erwartende free cash low. Aufällig sind auch die weit über den Produktivitätsanstieg hinausgehenden Lohnkostensteigerungen bei der DB in den vergangenen Jahren. Nicht zu übersehen sind die für DB Regio deutlich erschwerten Marktbedingungen. Wichtige Nahverkehrsmärkte wurden im Wettbewerb der letzten Monate verloren, wie etwa der Raum Nürnberg und insbesondere der Rhein-Ruhr-Bereich in NRW. Zusätzlich belastet die DB eine Strategie der Aufgabenträger im SPNV, bei den Ausschreibungen eine starke Segmentierung der Leistungen (Produktion, Fahrzeugwartung, Fahrzeugbeschafung, Vertrieb, Finanzierung) vorzunehmen, was den Leistungsvollanbieter DB Regio im Unterschied zu vielen Wettbewerbern benachteiligt. Dies reduziert die Einnahmen bei gleichzeigen Kostenerhöhungen durch frei werdende, aber nur sehr begrenzt alternativ nutzbare oder abbaubare Kapazitäten. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, zur Sicherung der Marktfähigkeit im Schienenverkehr Milliardeninvestitionen im Fahrzeugbereich vorzunehmen. Diese reduzieren den ROCE weiter, der bei den eingesetzten Eigenmitteln bereits deutlich unter 5 % liegt. Die langfristigen Finanzschulden beliefen sich 2014 bereits auf 19,2 Mrd. EUR. So stellt sich das Erfordernis, die Kostensituation durch Veränderung der Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen nachhaltig zu verbessern und gleichzeitig die Marktfähigkeit der Produkte zu steigern. Im Prinzip geht es um die Herstellung einer Balance zwischen den Nutzenvorstellungen der Schienenverkehrsnachfrager und den Kostenvolumina - eine schwierige Aufgabe auch angesichts der Herausforderungen einer digital aufgestellten Gesellschaft, einer durch hohe Kapitalintensität gekennzeichneten Angebotsstruktur sowie einer sehr starken Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft im Unternehmen. Eisenbahnpolitik war in Deutschland und ist in allen europäischen Ländern stets ein schwieriges Feld. Vor allem geht es darum, bei den früher guten Ergebnissen der DB vernachlässigte Anpassungs- und Veränderungsstrategien entsprechend den Umfeldveränderungen vorzunehmen. Sie werden allerdings auch konliktär sein. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche