eJournals Internationales Verkehrswesen 67/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0065
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Unten Tunnel – oben grün

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Ralf Schiller
Der Tunnelbau am südwestlichen Mittleren Ring war die größte Baustelle der bayerischen Landeshauptstadt München in jüngster Zeit. Der Bau verlagert einen großen Teil des Verkehrs unter die Erde, um Lärm und andere Emissionen zu verringern. Gleichzeitig entstehen an der Oberfläche mit zusätzlichen Grünflächen und einer familienfreundlichen Parkanlage neue Erholungszonen für die Anwohner.
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Internationales Verkehrswesen (67) 3 | 2015 37 Verkehrslenkung INFRASTRUKTUR Unten Tunnel - oben grün Das Großprojekt Luise-Kiesselbach-Tunnel am Mittleren-Ring Südwest in München Tunnelbau, Straßenführung, Verkehrsführung, Großprojekte Der Tunnelbau am südwestlichen Mittleren Ring war die größte Baustelle der bayerischen Landeshauptstadt München in jüngster Zeit. Der Bau verlagert einen großen Teil des Verkehrs unter die Erde, um Lärm und andere Emissionen zu verringern. Gleichzeitig entstehen an der Oberfläche mit zusätzlichen Grünflächen und einer familienfreundlichen Parkanlage neue Erholungszonen für die Anwohner. Der Autor: Ralf Schiller B ereits im Jahre 1927 wurde im Generalbaulinienplan für den Großraum München ein Straßenring zur Entlastung dokumentiert, der in etwa dem Verlauf des heutigen Mittleren Rings entspricht. Mit der Realisierung des Projektes wurde Anfang der 1950er-Jahre mit einzelnen Teilabschnitten begonnen. Ein zusammenhängender Straßenzug konnte mit Beginn der Olympischen Sommerspiele in München im Jahr 1972 erstmals befahren werden [1]. In den folgenden Jahrzehnten wurden mehrere Tunnelbauwerke realisiert. Der Petueltunnel wurde dem Verkehr im Juli 2002 übergeben, die Herstellungskosten beliefen sich auf etwa 200 Mio. EUR. Im Jahr 2009 wurde für etwa 321 Mio. EUR der Abschnitt Richard-Strauss-Tunnel eröfnet. Nun wurde im Juli 2015 der Tunnel am Luise-Kiesselbach-Platz im Südwesten des Mittleren Rings freigegeben (Bild 1). Der neue Tunnel im Südwesten Der Startschuss für die Tunnel- und Straßenbauarbeiten am Mittleren Ring in der bayerischen Landeshauptstadt iel nach europaweiter Ausschreibung im Jahre 2009, mit den ersten Sparten- und Kanalverlegungen war schon Ende 2007 begonnen worden. Der technische Innenausbau startete abschnittsweise Ende 2013. Inzwischen sind die Tunnel fertiggestellt [2]. In den letzten fünf Jahren wurden rund 241 000 m 3 Beton und etwa 31 000 t Bewehrungsstahl verbaut, dreimal so viel wie beim Pariser Eifelturm. Insgesamt 10 091 Bohr- Bild 1: Fernstraßennetz in und um München Quelle: Maximilian Dörrbecker/ Wikipedia Quelle: Landeshauptstadt München/ Baureferat Internationales Verkehrswesen (67) 3 | 2015 38 INFRASTRUKTUR Verkehrslenkung pfähle wurden seit August 2009 in das Erdreich gedreht - hintereinandergereiht hätten sie eine Gesamtlänge von 110 km. Die Baustelle erstreckte sich von der Garmischer Straße über den Luise-Kiesselbach-Platz bis hin zur Heckenstallerstraße. Es handelt sich hier um eine zweiröhrige Tunnellösung (Bild- 2) aus einem durchgehenden Haupttunnel und mehreren Ein- und Ausfahrtsrampen mit zugehörigen Seitentunneln. Daneben gibt es vier Betriebsstationen und 15 Notausgänge mit Fluchttreppen an die Oberläche (Bild 3). Während der gesamten Bauzeit musste der Verkehr auf zwei jeweils dreistreiigen Fahrbahnen um das teils in ofener Bauweise, teils in Deckelbauweise erstellte Tunnelbauwerk herumgeführt werden (Bild 4). In der Heckenstallerstraße wurde mit der Tieferlegung des Mittleren Rings auf Tunnelniveau und durch zusätzliche Schallschutzwände eine Verbesserung der Lärmsituation erreicht. Zusätzliche Schutzmaßnahmen wie der Einbau von Schallschutzfenstern wurden überall dort vorgesehen, wo Grenzwerte überschritten wurden. Außerdem wurden an allen Tunnelein- und -ausfahrten schallabsorbierende Wandverkleidungen angebracht. Für die gesamte Objektplanung, Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen am Mittleren Ring Südwest zeichnet die Arbeitsgemeinschaft von Dorsch International Consultants, ISP Scholz Beratende Ingenieure und Ingenieurbüro Rüdiger Schönenberg verantwortlich. Die Federführung der Planungsgemeinschaft Mittlerer Ring Südwest lag bei Dorsch International. Zum Umfang der Leistungen zählen neben der Objektplanung der Ingenieurbauwerke mit zwei Tunnelbauwerken, einem Trogbauwerk und Brücken, Teile der Tunnelausstattung wie zum Beispiel Feuerlöschtechnik und Tunnelwandverkleidung sowie die vollständige Planung der Verkehrsanlagen im Tunnel als auch an der neu gestalteten Oberläche. Die Gesamtprojektkosten des Ausbaus Mittlerer Ring Südwest betragen knapp 400 Mio. EUR. Die Straßenbauer stellten im Frühjahr 2015 die Anschlüsse der Oberlächenfahrbahnen an den Tunnel her. Die Rückverlegung der Sparten wie Gas, Strom, Wasser und Telemedien aus den privaten Grundstücken in den öfentlichen Raum wurde begonnen. Und seit 27. Juli 2015 ist das neue Verkehrsbauwerk oiziell eröfnet (Bild 5). Das Verkehrsaukommen in der Garmischer Straße lag vor der Tunneleröfnung bei etwa 100 000 Fahrzeugen pro Tag. Der Verkehr an der Oberläche wird sich hier zwischen Preßburger Straße/ Hinterbärenbadstraße und Waldfriedhofstraße um rund A 96 A 95 Luise- Kiesselbach- Platz e ß a r t S r e h c s i m r a G Murnauer Straße Krüner Straße Preßburger Straße Hinterbärenbadstraße Treffauerstraße Ehrwalder Straße Waldfriedhofstraße Heckenstallerstraße Höglwörther Straße Friedrich-Hebbel-Straße Albert- Roßhaupter- Straße Passauerstraße Tunnelrampe Tunnel Lärmschutzwand Tunnel in Tieflage Bild 2: Fahrbahnarbeiten im Haupttunnel Foto: Dorsch International Bild 3: Neuer Straßenverlauf am Mittleren Ring mit Tunnel Heckenstaller- und Garmischer Straße Quelle: Landeshauptstadt München/ Baureferat Bild 4: Verkehrsführung am Luise-Kiesselbach-Platz im April 2011 Foto: rent-a-drone Internationales Verkehrswesen (67) 3 | 2015 39 Verkehrslenkung INFRASTRUKTUR 95 % auf bis zu 5000 Fahrzeuge pro Tag verringern. Der Verkehrsknoten Luise-Kiesselbach- Platz wurde bisher von rund 120 000 Fahrzeugen pro Tag befahren. Hier soll das Verkehrsaukommen an der Oberläche auf etwa 40 000 Fahrzeuge pro Tag zurückgehen. Auf der ofen auf Tunnelniveau geführten Heckenstallerstraße fahren künftig 107 000 Fahrzeuge pro Tag gegenüber bisher 90 000. Die Tunneloberläche zwischen Friedrich-Hebbel-Straße und Passauerstraße ist dafür nun verkehrsfrei. Durch die Tunnel werden die Autoabgase umverteilt. Falls die geltenden Grenzwerte zukünftig überschritten werden sollten, wurden bereits im Vorfeld bauliche Vorkehrungen getrofen, um gegebenenfalls mögliche Nachrüstungen von Abluftbauwerken vorzunehmen. Die neue Verkehrsführung entlastet Münchens Hauptschlagader auf einer Länge von mehr als 2,5 Kilometern spürbar und schaft an der Oberläche neue Aufenthaltsqualitäten: Nun erfolgt bis etwa Ende 2017 die Wiederherstellung der Oberläche einschließlich einer komplett neu gestalteten Grünanlage, dem insgesamt 28 000 m 2 großen Heckenstallerpark (großes Bild Seite 37). Geplant sind etwa 450 Bäume wie Zierkirschen und Platanen sowie verschiedene Spielangebote für Kinder und Jugendliche, beispielsweise ein Streetball-Platz und eine Boulderwand. Spazierwege und Bänke werden ebenfalls fester Bestandteil im Park [3]. Der Mittelstreifen in der Garmischer Straße mit einer Breite von über zehn Meter wird als Promenade zum Spazieren und Verweilen gestaltet. ■ QUELLEN [1] https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Bundesstraße_2_R [2] https: / / www.muenchen.de/ rathaus/ Stadtverwaltung/ baureferat/ projekte/ mittlerer-ring-suedwest.html [3] https: / / www.muenchen.de/ rathaus/ dms/ Home/ Stadtverwaltung/ Baureferat/ mittlerer-ring-suedwest/ pdf/ mrsw_2015-2017.pdf Ralf Schiller Leitung Verkehr bei Dorsch in Wiesbaden ralf.schiller@dorsch.de Bild 5: Luise-Kiesselbach-Tunnel im fertigen Zustand Quelle: Landeshauptstadt München/ Baureferat