Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0084
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2015
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Sicherheit im Verkehr - objektiv fühlbar?
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2015
Hartmut Fricke
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Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 3 Hartmut Fricke EDITORIAL Sicherheit im-Verkehr --objektiv fühlbar? D er Verkehr und die damit verbundene Mobilität von Menschen, Maschinen und Ressourcen sind zum integralen Bestandteil unserer modernen Gesellschaft und ein wesentlicher Wohlstandsfaktor geworden. Im Kontext des stetig weiter steigenden Mobilitätsbedürfnisses stellt unsere Gesellschaft zunehmend die Frage, wie eine seit ca. 40 Jahren ungebrochen zwischen 3 % und 8 % p.a. wachsende Verkehrsnachfrage über alle Verkehrsträger mit den bestehenden Verkehrssystemen Luft, Schiene, Straße und zuletzt auch Binnenschiffahrt weiterhin akzeptabel sicher bedient werden kann. Aufgrund der sehr unterschiedlichen, historisch stark divergent gewachsenen Bedienkonzepte der einzelnen Verkehrssysteme wie Straße (betrieblicher Zugang für jedermann, systemisch innovativ), Schiene (nur langsame Öfnung des Zugangs, träge Innovation speziell im Frachtverkehr) und Luftverkehr (stark sich ändernder betrieblicher Zugang, Just-in-Time Erfordernis, Innovation als Muss für Wirtschaftlichkeit) werden um Größenordnungen abweichende Unfallraten zwischen 10 -7 (Luft) und 10 -4 (Straße) Unfälle pro Bewegung gesellschaftlich ofensichtlich gebilligt. Der erfolgte Übergang zur Wissens- und Informationsgesellschaft stellt hierbei die etablierten Risikogrenzwerte erneut zur öfentlichen Diskussion, denn die Medien informieren immer zeitnäher, präziser und eindringlicher über sicherheitsrelevante Vorkommnisse, so dass das Bewusstsein um die immanenten Gefahren der objektiv gesehen immer sicherer werdenden Verkehrssysteme signiikant ansteigt. Die Frage einer akzeptablen Sicherheit ist somit im Spannungsfeld zwischen • stetigem Verkehrswachstum, • objektiv inhomogenen Toleranzschwellen und • zunehmenden ökologischen und ökonomischen Anforderungen an die Transportmittel unter • ungleich kritischerer öfentlicher Beachtung zu betrachten. Zudem stellt sich die Frage nach innerer (Security) und äußerer Sicherheit (Safety) bei der Suche nach verkehrlicher Sicherheit, wie uns allen das Flugzeugunglück der Germanwings 4U9525 am 24. März dieses Jahres sehr deutlich machte. Schließlich werden unsere Verkehrssysteme absehbar teilautomatisiert verbleiben, trotz aller technischen Begeisterung für autonomes Fahren, Fliegen von Drohnen oder ferngesteuerte Flugplätze. Dies impliziert das Erfordernis, die Rolle von Mensch und Technik auch im Zeitalter der massiven Daten-Vernetzung sorgfältig im Auge zu behalten: Existierende Stress-, Aufmerksamkeits- und Entscheidungsmodelle aus den Lebenswissenschaften liefern noch zu unpräzise Bewertungen, um beantworten zu können, ob es einen optimalen Automatisierungsgrad in Bezug auf Sicherheit, Qualität und Komfort für alle Verkehrssysteme überhaupt gibt. Sehr geehrte Leserinnen und Leser, die vorliegende Ausgabe des IV lädt Sie auf eine spannende Reise über die Sicherheit im Verkehr und Handel ein, zeigt die verbleibenden Herausforderungen und macht letztlich deutlich, dass auch aus regulativer, legislativer Sicht der Frage nach dem zumutbaren Restrisiko in unserer Gesellschaft weiter nachgegangen werden muss. Herzlichst Ihr Hartmut Fricke Prof. Dr.-Ing. habil. Leiter der Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs, Dekan der Fakultät VW, TU Dresden.
