Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0088
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2015
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Die Macht des Geldes
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Werner Balsen
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Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 15 E nde Mai trafen sich in der lettischen Hauptstadt Riga Verkehrspolitiker und -manager der EU und Chinas. Es ging um Landverkehre, vor allem per Eisenbahn, zwischen Mitteleuropa und dem Reich der Mitte. Dabei wurde eines sofort klar: Die Vertreter der EU redeten über das Thema und blieben völlig vage. Demgegenüber hatten die Repräsentanten Chinas einen Plan sowie eine konkrete Vorstellung, wie er zu verwirklichen und zu inanzieren sei. Bei der Finanzierung spielt die Asiatische Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) eine zentrale Rolle. Sie bewegt die Europäer immerhin so sehr, dass sich einige Studien mit ihrer Strategie beschäftigen: Das Europäische Politik Strategie Center (EPSC), ein bislang noch kaum wahrgenommener neuer Think Tank der EU-Kommission, widmet dem Thema genauso Aufmerksamkeit wie die Deutsche Bank oder der Verband der Europäischen Bahnindustrien. Die Gründung der AIIB kann als chinesische Reaktion auf die Unfähigkeit der USA und anderer westlicher Staaten verstanden werden, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank so zu reformieren, dass China dort einen seiner ökonomischen Bedeutung entsprechenden Einluss erhält. Nun hat Peking sich über die Gründung eines eigenen Instituts die Möglichkeit geschaffen, eine deutlich größere Rolle in der weltweiten Projektinanzierung zu spielen. Das betrift vor allem die Geldvergabe für Infrastrukturvorhaben, die im strategischen Interesse der Volksrepublik liegen. Dazu gehört, den Transport von Rohstofen (Öl) nach und produzierten Gütern aus China stärker auf den Landweg zu verlegen. Hier sind die Wiederbelebung der „Seidenstraße“ (Landbrücke via Russland nach Europa) und diverse Infrastrukturprojekte für eine eizientere See-Land-Verbindung in Richtung Persischer Golf zu nennen. Über diese Vorhaben verhandelt Peking bereits mit den jeweiligen Staaten - Russland und Kasachstan im Norden, Thailand, Malaysia und Myanmar im Süden - oder sie sind bereits im Bau. In Europa investieren die Chinesen schon in den Ausbau von Bahnverbindungen auf dem Balkan und in Ungarn. Sie sollen dem Weitertransport von im griechischen Piräus angelandeten Containern dienen. Die AIIB ist ein Instrument, diese Investitionen zu inanzieren. Mit einem Kapital von 100 Mrd. USD soll das Institut Ende des laufenden Jahres seine Tätigkeit aufnehmen. Die Kapitalbasis ist mehr als doppelt so hoch wie bei der Europäischen Bank für Wiederaubau und Entwicklung („Osteuropabank“) und entspricht rund einem Drittel der Europäischen Investitionsbank. Aus den Erfahrungen anderer Entwicklungsbanken lässt sich - in eher vorsichtiger Schätzung - ein Ausleihvolumen von rund 200 Mrd. USD ableiten. Das könnte allerdings vergrößert werden, wenn die AIIB und die Chinesische Entwicklungsbank ihr Kapital zusammenlegen. Die Letztgenannte investiert bereits in die Infrastruktur von Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan. Die AIIB hat ihren Sitz in Peking und ihr Generalsekretär ist der frühere stellvertretende chinesische Finanzminister und spätere Vizepräsident der Asiatischen Entwicklungsbank Jin Liqun. Zu den bislang 57 Nationen, die ihr Interesse als Gründungsmitglieder angemeldet haben, gehören 14 EU-Mitgliedstaaten. Das ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil die USA deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie eine Beteiligung ihrer engsten Partner an einer Bank, die ihren weltweiten inanzpolitischen Einluss schmälern wird, nicht wünschen. Dennoch sprangen zuerst Großbritannien, der engste US-Verbündete in Europa, und danach mit Deutschland weitere 13 EU-Länder auf den AIIB-Zug. Zum anderen zeigt die Hast einzelner Staaten, sich dem Institut anzuschließen, dass die EU in deren Hauptstädten nicht zählt: Ein koordiniertes Vorgehen gegenüber der Bank unter Leitung der EU- Kommission zog ofenbar niemand in Erwägung. Dabei läge ein Engagement Brüssels bei der AIIB nahe. Denn China hat bereits angekündigt, Geld in den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen zu pumpen, das Herzstück des „Investitionsplans für Europa“ der EU-Kommission. Um chinesisches Kapital bemühen sich die EU-Mitgliedstaaten schon länger. Anfang Juni etwa buhlten Vertreter von mehr als 20-europäischen Regionen - von der spanischen Extremadura über die polnische Region Lodz bis zur deutschen Hauptstadt Berlin - um das Interesse von chinesischen Bankern. Warum auch nicht, wenn das Kapital für notwendige Investitionen in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur sonst nicht aufzutreiben ist. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Die Macht des Geldes
