eJournals Internationales Verkehrswesen 67/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0089
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2015
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Mobile Breitbanddienste für Verkehrsunternehmen

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Bernhard Klinger
Die Verfügbarkeit internationaler Standards für die drahtlose Übertragung großer Datenmengen eröfnet Betreibern kritischer Infrastrukturen – und somit auch Unternehmen des Verkehrssektors – eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Mobilität, Flexibilität und als Alternative zu kabel gebundenen Lösungen. Als Beispiele für datenintensive Anwendungen seien die VideoÜbertragung zur Erhöhung der Fahrgastsicherheit im ÖPNV, die industrielle Prozesssteuerung und Prozessautomatisie rung, sowie die Herausforderungen der Energiewende (Smart Metering/Smart Grid) für Energieversorger genannt. Hierzu bedarf es leistungsfähiger Technologien und Kommunikationssysteme des Professionel len Mobilfunks (PMR), die den individuellen Anforderungen der Unternehmen gerecht werden.
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Politik Professioneller Mobilfunk Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 16 Mobile Breitbanddienste für-Verkehrsunternehmen Steigende Datenkommunikation in kritischen Infrastrukturen sichern und mehr PMR-Frequenzen für die Betreiber bereitstellen Mobilfunk, Kommunikationssysteme, nichtöfentliche Netze, mobile Datennetze Die Verfügbarkeit internationaler Standards für die drahtlose Übertragung großer Datenmengen eröfnet Betreibern kritischer Infrastrukturen - und somit auch Unternehmen des Verkehrssektors - eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Mobilität, Flexibilität und als Alternative zu kabelgebundenen Lösungen. Als Beispiele für datenintensive Anwendungen seien die Video-Übertragung zur Erhöhung der Fahrgastsicherheit im ÖPNV, die industrielle Prozesssteuerung und Prozessautomatisierung, sowie die Herausforderungen der Energiewende (Smart Metering/ Smart Grid) für Energieversorger genannt. Hierzu bedarf es leistungsfähiger Technologien und Kommunikationssysteme des Professionellen Mobilfunks (PMR), die den individuellen Anforderungen der Unternehmen gerecht werden. Der Autor: Bernhard Klinger N eben wirtschaftlichen Lösungen auf Basis von Technologien des Professionellen Mobilfunks (PMR) ist die Verfügbarkeit eines geeigneten Frequenzspektrums die Grundvoraussetzung. Frequenzen sind - physikalisch bedingt - eine endliche Ressource. Das erweist sich vor allem in Großstädten und den Ballungsgebieten an Rhein, Main und Ruhr als Problem. So müssen beispielsweise Unternehmen des öfentlichen Nahverkehrs, deren Fahrer jederzeit erreichbar sein müssen, jahrelang auf Frequenzzuteilungen warten, weil nicht genügend Funkkanäle verfügbar sind. Solche Situationen dürften zur Regel werden, wenn der Bedarf an PMR - insbesondere für die Übertragung mobiler Datendienste - zunimmt. Und genau das lässt sich aus einer repräsentativen Befragung schlussfolgern, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa auf Veranlassung des Bundesverbandes Professioneller Mobilfunk e. V. (PMeV) 1 und mit Unterstützung der Bundesnetzagentur durchgeführt hat: Die Betreiber kritischer Infrastrukturen müssen künftig per Digitalfunk verstärkt Daten übertragen. Außerdem erweitern Innovationen in kritischen Infrastrukturen die Einsatzgebiete des PMR. Beides wird den Bedarf an Frequenzen in den kommenden Jahren erhöhen. Frequenzspektrum als Schlüsselressource Ohne zusätzliche Frequenzen werden Nutzer mobiler professioneller Kommunikationssysteme ihre Aufgaben angesichts der sich ändernden Anforderungen wie z. B. die zunehmende Übertragung visueller Informationen nicht mehr erfüllen können. Der PMeV sieht heute einen zusätzlichen lizenzierbaren Bedarf von mindestens 2 x 10- MHz allein für breitbandige mobile Datendienste der Unternehmen des Transport- und Versorgungs-Sektors sowie der Industrie. Hinzu kommt der Bedarf der Sicherheitsbehörden, die ebenfalls Ansprüche geltend machen. Die Unternehmen stehen somit einerseits im Wettbewerb zu den Sicherheitsbehörden um Ressourcen, andererseits ergeben sich aber auch Kooperationsmöglichkeiten, die sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus operativ-taktischen Erwägungen sinnvoll wären und daher in Betracht gezogen werden sollten. Das Frequenzspektrum sollte - zumindest bei Flächennutzungen - unterhalb von 1 GHz liegen. Je niedriger die Frequenz, desto günstiger sind die Ausbreitungsbedingungen. In Anbetracht der Entwicklungen bei Sicherheitsbehörden in den USA, die sich für den 700 MHz-Frequenzbereich entschieden und bereits Projekte realisiert haben, sowie aufgrund der Nähe dieses Frequenzbereichs zu dem öfentlicher Breitbandsysteme, sind für Produkte im 700-MHz-Bereich Skalenefekte zu erwarten, die signiikante Kostenvorteile versprechen. Aus diesem Grund empiehlt der PMeV den 700-MHz-Bereich und fordert eine entsprechende Zuweisung von Frequenzressourcen seitens des Regulierers. Öfentliche oder nichtöfentliche Netze Kritische Infrastrukturen sind zunehmend bedroht, sowohl durch Extremwetterereignisse als auch durch terroristische Gewalt. Aufgrund ihrer hohen Bedeutung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit müssen Kommunikationssysteme, die dem Schutz kritischer Infrastrukturen dienen, besonders sicher sein. Für Einschränkungen oder Ausfälle öfentlicher Kommunikationssysteme bedarf es nicht einmal eines großen Vorfalls. Es genügt die falsche Zeit (Silvester, 24.00 Uhr), der falsche Ort (Oktoberfest, München) oder eine ungünstige Situation (Autobahnstau zur Hauptverkehrszeit), die zu überlasteten oder gar ausfallenden Mobiltelefonsystemen führt. Gerade zu jener Zeit, an jenem Ort und in jener Situation werden mobile Sprach- und Datenkommunikationssysteme, die den reibungslosen Betrieb kritischer Infrastrukturen oder betriebskritischer Unternehmensprozesse sicher stellen, aber besonders dringend benötigt. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 17 Öfentliche Kommunikationssysteme werden vornehmlich nach kommerziellen Gesichtspunkten errichtet. Ihre geograische Abdeckung ist ebenso eingeschränkt wie ihre Überlebensdauer bei Stromausfall. Technische Ausfälle, Naturkatastrophen oder terroristische Anschläge sind jedoch überall möglich. Letztere können sogar die Ursache von Ausfällen unzureichend geschützter öfentlicher Kommunikationssysteme sein. Im Falle des Ausfalls eines öfentlichen Mobiltelefonnetzes wird dessen Betreiber nur geringe inanzielle Einbußen zu verzeichnen haben. Störungen im Betriebsablauf von Unternehmen des Verkehrs- und Versorgungs-Sektors sowie der Industrie sind dagegen viel weitreichender. Sie haben neben der betriebswirtschaftlichen auch eine volkswirtschaftliche und eine sicherheitsstrategische Komponente. Systeme, die dem Schutz kritischer Infrastrukturen oder dem Schutz betriebskritischer Unternehmensprozesse dienen, müssen deshalb einen deutlich höheren Sicherheitsstandard aufweisen als öfentliche Mobiltelefonnetze. Dieser hohe Sicherheitsstandard kann nur mit auf den Bedarf des jeweiligen Unternehmens zugeschnittenen, professionellen Mobilfunksystemen erreicht werden. Das gilt für die Breitbanddatennetze ebenso wie für die Sprachnetze. Diese Kommunikationsnetze können sowohl durch die nutzenden Unternehmen als auch durch Betreiber professioneller Funknetze bereitgestellt und betrieben werden. Technischer Standard Die derzeit vornehmlich für einsatzbzw.- geschäftskritische Sprachkommunikation genutzten Schmalbandsysteme (z. B. TETRA oder DMR) werden auf nicht absehbare Zeit, mindestens jedoch noch die nächsten 15 bis 20 Jahre, unverzichtbar sein. Für breitbandige Datenkommunikation im öfentlichen Bereich ist heute LTE der weltweit führende Standard. Im Zuge seiner Weiterentwicklung entsteht mit LTE der globale Standard für Breitbandkommunikation, sowohl für kommerzielle als auch für professionelle Anwender. So entwickelt sich ein weltweit harmonisierter Markt, der sich durch gesunden Wettbewerb unter zahlreichen Anbietern, eine große Angebotsvielfalt, Kostenvorteile durch Skaleneffekte infolge sehr großer Produktionsvolumina sowie Investitionsschutz und Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern aufgrund von Interoperabilität auszeichnet. Gesetzlicher Standard Eine ausfallsichere, jederzeit verfügbare mobile Kommunikation ist für Betreiber kritischer Infrastrukturen wichtiger denn je. Das spricht zwar für PMR-Lösungen, doch gesetzlich eindeutig vorgeschrieben sind sie nicht. Der Gesetzgeber sollte hier für klare Verhältnisse sorgen und den PMR in der Daseinsvorsorge zur Plicht erklären. Ein klarer gesetzlicher Rahmen ist ein wesentlicher Schritt zur Lösung künftiger Herausforderungen. ■ 1 Der Bundesverband Professioneller Mobilfunk e.V. (PMeV) ist ein Zusammenschluss führender Anbieter und Anwender von Kommunikationssystemen für den mobilen professionellen Einsatz. Seine Mitglieder sind Hersteller, System- und Applikationshäuser, Netzbetreiber und Nutzer wie etwa Verkehrsunternehmen. Ziel des PMeV ist es, den Markt des Professionellen Mobilfunks (PMR) in Deutschland weiter zu entwickeln. Er bietet zu diesem Zweck ein Forum für einen neutralen, herstellerunabhängigen und partnerschaftlichen Dialog mit den Marktpartnern, fördert Standards und wirkt an deren Weiterentwicklung im Sinne der Anforderungen des deutschen Marktes aktiv mit. Bernhard Klinger Vice President Business Development, Hytera Mobilfunk; Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes und Leiter des Fachbereiches Breitband im Bundesverband Professioneller Mobilfunk e.V. (PMeV) breitband@pmev.de Foto: Airbus Defense and Space Professioneller Mobilfunk POLITIK