eJournals Internationales Verkehrswesen 67/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0090
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2015
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Die Digitalisierung der Mobilität

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Markus Häuser
Die Digitalisierung der Mobilität war das beherrschende Thema auf der diesjährigen Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Doch die rechtlichen Fragen, die sich durch die Vernetzung des Automobils und beim (teil-)autonomen Fahren stellen, sind großteils noch unbeantwortet. Ein Kommentar von Markus Häuser.
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POLITIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 18 Die Digitalisierung der Mobilität D as Fortschreiten der Digitalisierung des Autofahrens ist unauhaltbar. Die Vorteile von computergesteuerten Fahrten liegen dabei auf der Hand: Neben vielen Komfortaspekten dürfte vor allem die erheblich gesteigerte Sicherheit den Markt von den neuen Technologien überzeugen. Mehr als vier von fünf Unfällen beruhen derzeit noch auf menschlichem Versagen, der Anteil von technischen Versagen liegt hingegen unter einem Prozent. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie viel sicherer der Verkehr werden könnte. Hierauf wies auch Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der IAA-Eröfnungsfeier in Frankfurt noch einmal besonders hin. Gleichzeitig erklärte Wissmann aber auch, dass die rasante technische Entwicklung die Politik vor die große und wichtige Aufgabe stelle, möglichst rasch den rechtlichen Rahmen anzupassen, und dass auch ein Schulterschluss mit der nationalen und internationalen Politik notwendig sei. Wissmann hat mit diesen Aussagen den Finger in die Wunde gelegt: Ob das geltende Recht alles richtig erfasst, kann stark bezweifelt werden. So sind derzeit alle vollautonomen Fahrten in Deutschland reine Testfahrten, welche die Gesetze unter strengen Aulagen und in engen Grenzen zulassen. Doch wie sieht die rechtliche Lage für den Betrieb eigentlich aus? Die Einführung eines vollautonomen Fahrzeugs wäre nach derzeitiger Rechtslage zunächst nur sehr schwer mit der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu vereinbaren. In dieser wird an vielen Stellen an das Verhalten des Fahrzeugführers angeknüpft, was bei autonomen Fahrzeugen entweder unmöglich ist oder aber keinen Sinn macht. Nur in Teilen wird auf die Bewegung des Fahrzeugs im Raum abgestellt - insoweit lassen sich die Ge- und Verbote auch auf autonome Fahrzeuge übertragen. Die StVO müsste also angepasst werden, um auch bei autonomen Fahrzeugen den Sicherheitsstandard zu bieten, der sonst gilt. Auch das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 war jedenfalls noch bis vor kurzem die höchste aller recht lichen Hürden. Nach diesem musste der Fahrer das Fahrzeug „ständig beherrschen“. Diese absolute Formulierung sorgte für eine schwierige Rechtslage schon bei einfachen Assistenzsystemen. Hier wurde aber im letzten Jahr eine Klärung auf den Weg gebracht, nach der die Assistenzsysteme zulässig sind, wenn sie jederzeit vom Fahrer übersteuert oder ausgeschaltet werden können. Dies sollte jedenfalls für viele Fahrassistenzsysteme einen sicheren Rechtsraum bieten. Das völlig autonome Fahren wird jedoch weiterhin ein rechtlicher Problemfall bleiben. Im Zulassungsrecht für Fahrzeuge müssten wohl auch neue Regeln gefunden werden. Denn auch die ECE-Regeln für die EG-Typengenehmigung setzen voraus, dass der Fahrer das Fahrzeug jederzeit „durch einen bewussten Eingrif übersteuern kann“. Große Herausforderungen stellen sich aber auch im Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit. In diesem Zusammenhang wies Wissmann auf der IAA darauf hin, dass auch bei Datensicherheit und Datenschutz international harmonisierte Standards notwendig sein werden. Dabei betonte er, dass die Automobilindustrie in diesem Bereich ihre verantwortungsvolle Rolle sehr ernst nehme. Klar ist: Mit dem autonomen Fahren werden die Fahrzeuge erheblich mehr Daten generieren können (und müssen). Diese Daten werden dann teils auch von den Herstellern zentral verarbeitet werden. Neben Fragen zur Zulässigkeit der Datenerhebungen, also typisch datenschutzrechtlichen Fragen, stellt sich dabei dann auch die Frage, wem diese Daten eigentlich gehören. Dass neben dem Datenschutz auch die Datensicherheit bei fortschreitender Digitalisierung des Fahrens ein großes Thema ist, liegt auf der Hand. Hacker dürfen die Fahrzeuge keinesfalls in ihre Gewalt bringen oder manipulieren können. Die Einführung internationaler Standards zur Cybersecurity im automobilen Bereich erscheint in diesem Kontext unabdingbar. Ein besonders großes Thema im Bereich des autonomen Fahrens ist die Haftung bei den (dann selteneren) Unfällen. Nach dem geltenden Recht haftet in erster Linie der Halter eines Fahrzeugs. Diesem wird, je autonomer ein Fahrzeug fährt, jedoch zunehmend eine Abwälzung der Haftung auf den Hersteller gelingen. Ein rechtlicher „Deal-Breaker“ wäre diese Haftung zwar nicht. Eine vorwiegende Haftung der Hersteller widerspricht aber der Risikozuweisung, die der Halterhaftung eigentlich zugrunde liegt. Dies würde letztlich zwar die Versicherungsbeiträge senken, könnte den Kaufpreis der Fahrzeuge aber in die Höhe treiben und wäre deshalb kontraproduktiv. Wenn der volkswirtschaftliche Nutzen einer niedrigeren Unfallrate tatsächlich gezogen werden soll, ist also der europäische Gesetzgeber gefragt und es müssen Änderungen beim Produkthaftungsrecht her. Im Fazit ist festzuhalten, dass die Digitalisierung des Automobils zahlreiche rechtliche Herausforderungen mit sich bringt. Dies gilt besonders mit Hinblick auf das vollautonome Fahren, das in Deutschland weiterhin nicht mit den geltenden Gesetzen zu vereinbaren ist. Das soll und wird die Technologie jedoch nicht auhalten. Ihr Nutzen ist so groß, dass es sich lohnt, weitere notwendige und sinnvolle Gesetzesänderungen vorzunehmen und den Schritt in die Zukunft zu wagen. Bei Ihrer Eröfnungsrede auf der diesjährigen IAA unterstützte die Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsche Autoindustrie auf ihrem digitalen Kurs und erklärte, man nähere sich Schritt für Schritt dem automatisierten Fahren. Das hört sich zwar nicht nach berauschender Geschwindigkeit an, deutet aber zumindest darauf hin, dass ein politischer Wille zur Lösung auch der rechtlichen Probleme vorhanden ist. ■ Dr. Markus Häuser, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltssozietät CMS Hasche Sigle, Experte für Rechtsfragen der digitalen Wirtschaft. markus.haeuser@cms-hs.com Die Digitalisierung der Mobilität war das beherrschende Thema auf der diesjährigen Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main. Doch die rechtlichen Fragen, die sich durch die Vernetzung des Automobils und beim (teil-)autonomen Fahren stellen, sind großteils noch unbeantwortet. Ein Kommentar von Markus Häuser.