Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0093
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Erneuerbar unterwegs
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Klaus Bonhoff
The case study of motorcycle taxis and minibuses in N’Djamena, the capital of Chad Das Energiesystem in Deutschland steht vor einem Umbruch, weg von fossilen Kraftstofen, hin zu Erneuerbaren Energien. Die Wasserstof-, Brennstofzellen- und Batterietechnologien sind Schlüsseltechnologien, um Erneuerbare Energien in den Energiesektor und als strombasierte Kraftstofe in den Verkehrsbereich zu integrieren. Sie bieten große Potentiale, Emissionen zu senken, die Eizienz zu steigern und können so einen wesentlichen Beitrag zum 2-Grad-Szenario der internationalen Gemeinschaft leisten. Bund und Industrie investieren gemeinsam in strategischer Partnerschaft seit 2006 in die Erprobung der Technologien im Alltag und die Marktvorbereitung von entsprechenden Produkten. Koordiniert wird die Zusammenarbeit von der NOW Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie.
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Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 21 Erneuerbare Energien Infrastruktur Erneuerbar unterwegs Mobil mit Batterie und Brennstofzelle in die Zukunft Brennstofzelle, Wasserstof, Batterie, Marktvorbereitung Das Energiesystem in Deutschland steht vor einem Umbruch, weg von fossilen Kraftstofen, hin zu Erneuerbaren Energien. Die Wasserstof-, Brennstofzellen- und Batterietechnologien sind Schlüsseltechnologien, um Erneuerbare Energien in den Energiesektor und als strombasierte Kraftstofe in den Verkehrsbereich zu integrieren. Sie bieten große Potentiale, Emissionen zu senken, die Eizienz zu steigern und können so einen wesentlichen Beitrag zum 2-Grad-Szenario der internationalen Gemeinschaft leisten. Bund und Industrie investieren gemeinsam in strategischer Partnerschaft seit 2006 in die Erprobung der Technologien im Alltag und die Marktvorbereitung von entsprechenden Produkten. Koordiniert wird die Zusammenarbeit von der NOW Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie. Der Autor: Klaus Bonhof A ls Kraftstof im Verkehr und als Speichermedium für Erneuerbare Energie hat die strategische Bedeutung der Wasserstoftechnologie in den vergangenen Jahren zugenommen. Sie ermöglicht, Treibhausgase substantiell zu reduzieren und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Im Verkehrsbereich sind Brennstofzellenfahrzeuge insbesondere deshalb attraktiv, weil sie innerhalb weniger Minuten mit gasförmigem Wasserstof vollgetankt werden können und über eine Reichweite von bis zu 700 km verfügen, sich also aus Kundensicht wenig von heutigen Gewohnheiten unterscheiden. Hersteller aus Korea und Japan sind bereits mit ersten Modellen auf den Markt gegangen. Deutsche Hersteller haben den Markteintritt für die kommenden Jahre angekündigt. Marktvorbereitung seit 2006 - nationales Innovationsprogramm Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie Die Marktvorbereitung der Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie betreiben Bund, Industrie und Wissenschaft seit 2006-gemeinsam im Rahmen des gleichnamigen Nationalen Innovationsprogramms (NIP). Das Programm mit den Schwerpunkten auf angewandter FuE und Demonstrationsvorhaben läuft in seiner jetzigen Form bis 2016. Zum Gesamtvolumen des Programms von 1,4 Mrd. EUR tragen öfentliche Hand und Industrie je die Hälfte bei. Auf Seiten des Bundes tragen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 500- Mio. EUR, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 200 Mio. EUR bei. Das NIP ist in vier Programmbereiche unterteilt, um den verschiedenen Produkt- und Anwendungsmöglichkeiten der Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie gleichermaßen gerecht zu werden. Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie Demonstrationsprojekte können so je nach Anwendungsgebiet in den Bereichen Verkehr und Infrastruktur, Wasserstobereitstellung, Stationäre Anwendungen oder Spezielle Märkte gefördert werden. Das BMVI wird die Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie bis 2018 mit 161 Mio. EUR weiter fördern. Zur ganzheitlichen Koordinierung des Programms wurde 2008 die NOW gegründet (siehe Infobox Seite 23). Im Bereich Verkehr wurden seither rund 250 FuE-Vorhaben mit einem Fördervolumen von fast 300 Mio. EUR bzw. einem gesamten Investitionsvolumen von über 600-Mio. EUR durchgeführt. Rund ein Drittel der Mittel entiel auf die Alltagserprobung der Technologie in der Clean Energy Partnership (CEP) - einem Zusammenschluss der Unternehmen Air Liquide, BMW, Bohlen & Doyen, Daimler, EnBW, Ford, GM/ Opel, Hamburger Hochbahn, Honda, Hyundai, Linde, Shell, Siemens, die Stuttgarter Straßenbahnen SSB, Total, Toyota, OMV, Volkswagen und Westfalen - speziell zur Erprobung und Marktvorbereitung der Mobilität mit Wasserstof. In der CEP kamen bis dato 110 Brennstofzellen-PKW in Kundenhand und mehrere Brennstofzellen-Busse im ÖPNV in Berlin, Hamburg und Stuttgart zum Einsatz im Alltagsbetrieb. Innerhalb des NIP gelang es fahrzeugseitig unter anderem die Systemkosten für die Brennstofzellentechnik um 75 Prozent zu reduzieren und eine Voll- Bild 1: Ein Brennstofzellenfahrzeug kann innerhalb weniger Minuten mit gasförmigem Wasserstof vollgetankt werden - und hat dann wieder eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 22 INFRASTRUKTUR Erneuerbare Energien betankung mit gasförmigem Wasserstof in wenigen Minuten sicherzustellen (Bild 1). Maßgebend war die CEP auch bei der Festlegung des weltweiten Standards für den Betankungsdruck von 700 bar. Die Partner der CEP zeichnen zudem verantwortlich für den unter FuE-Gesichtspunkten erfolgten Aubau und Betrieb von derzeit 19 öffentlich zugänglichen Wasserstoftankstellen in Deutschland. Dabei verlief die Entwicklung vom mobilen Tankanhänger vor einigen Jahren zur heute vollintegrierten Tankstelle. Die Erprobung der Technologie in der CEP unter Einbeziehung aller relevanten Branchen (Fahrzeug, H 2 -Betankung, H 2 -Herstellung/ Distribution) war damit die wesentliche Voraussetzung, dass Deutschland heute als Startmarkt für Wasserstof und Brennstofzelle bestens gerüstet ist. Nächster Schritt - Aufbau einer flächendeckenden Betankungsinfrastruktur Im Übergang von der Marktvorbereitung zum Markthochlauf wurde noch als Teil des NIP der Bau von 50 Wasserstoftankstellen bis 2016 in Deutschland initiiert, die eine erste so genannte bedarfsgerechte Versorgung in den Metropolregionen sowie entlang der Verbindungsstrecken gewährleisten sollen. Diese Grundversorgung ist zur Flankierung des Markteintritts der ersten Fahrzeugmodelle notwendig. Das 50-Tankstellen-Programm an sich ist ein großer Erfolg. Mit ihm gehen die Aktivitäten weit über die ursprüngliche Planung hinaus. Denn zu Beginn des NIP ging es nur darum, einzelne Tankstellen und ihre Technologien zu erproben. Der Plan und die Umsetzung der 50 Tankstellen verdeutlichen sehr anschaulich, dass innerhalb des Förderrahmens NIP lexibel auf veränderte Bedarfe reagiert werden kann (Bild 2). Der weitere Aubau hin zu insgesamt 400 Wasserstoftankstellen bis zum Jahr 2023 wird in enger Abstimmung zwischen Fahrzeug- und Infrastrukturindustrie erfolgen. Umsetzender Akteur auf Seiten der Industrie wird das von Daimler, Linde, Air- Liquide, Total, Shell und OMV 2015 gegründete Unternehmen H2Mobility sein. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat seine Unterstützung für den weiteren Netzausbau angekündigt. Fortsetzung des NIP nach 2016 Nach der erfolgreichen ersten Phase des NIP zur Marktvorbereitung von 2006 bis 2016, stehen die Zeichen auf Fortführung der gemeinsamen Anstrengungen von öffentlicher Hand und Industrie. Das Ziel ist es für die anstehende Phase des Markthochlaufs erneut einen verlässlichen Rahmen zu schafen, damit die Innovationen aus dem Bereich Wasserstof und Brennstofzelle in ihrer Einführungsphase im Markt bestehen können. Klar ist aber auch, dass Forschung und Entwicklung sowie Vorhaben zur Demonstration der Technologie im Alltag fortgeführt werden müssen, um auch künftig eine breite technologische Basis zu haben. Sie ist notwendig, um weitere Innovationen an den Markt heranzuführen, Lücken in der Wertschöpfungskette zu schließen und kleine und mittlere Unternehmen in die Technologieentwicklung einzubinden. Konkrete Arbeitsschwerpunkte im FuE-Bereich werden künftig nicht zuletzt die Themen Wasserstofproduktion und Wasserstof als Speicher sein. So liegen u. a. in der Elektrolysetechnik noch hohe Potentiale zur Kostenreduzierung. Modellregionen Elektromobilität - Nullemissionen mit Batteriefahrzeugen Elektromobilität heißt nicht nur Brennstofzelle, sondern in der öfentlichen Wahrnehmung vor allem Batterie. Der Bund fördert die Technologie in umfassenden Praxistests (Fahrzeugbetrieb, Infrastruktur, Begleitforschung) seit 2009. Es gibt derzeit vier so genannte Modellregionen Elektromobilität des BMVI (Hamburg, Bremen/ HINTERGRUND Wasserstof und Brennstofzelle - die Schwerpunkte der Marktaktivierung • Aufbau einer angebotsorientierten Was serstof-Betankungsinfrastruktur und der damit verbundenen nachhaltigen Wasser stoferzeugung und seiner systematischen Verknüpfung mit dem Energiesystem • Brennstofzellensysteme für den Einsatz in der nachhaltigen und klimaschonenden Mobilität • Stationäre Brennstofzellen für Haushalte und Industrie als Kraft-Wärme-Kopplung sowie sichere Stromversorgung sicher heitskritischer Anlagen und Systeme • Speziische Maßnahmen zur Stärkung der deutschen Zulieferindustrie Bild 2: 50 Wasserstoftankstellen bis 2016 - Innerhalb der Laufzeit des NIP werden 50 Wasser stoftankstellen in Deutschland gebaut. Danach übernimmt das Industrie Gemeinschaftsunter nehmen H2Mobility den weiteren Ausbau. Interaktive Karte auf http: / / www.now-gmbh.de/ Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 23 Erneuerbare Energien Infrastruktur Oldenburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main), vier Schaufenster der Bundesregionen (Berlin, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern/ Sachsen) sowie drei Modellprojekte des BMVI in ländlichen Regionen (Mecklenburg-Vorpommern, Mitteldeutschland, Saarland). Nicht zuletzt aufgrund der Förderaktivitäten des Bundes ist Deutschland im globalen Vergleich heute in einer guten Position beim Thema Elektromobilität: Alle deutschen Automobilhersteller bieten batteriebetriebene PKW kommerziell an; über 5000 Ladepunkte (bzw. 2500 Ladestationen) ermöglichen schon heute in mehreren Regionen eine bedarfsgerechte Versorgung (Bild-3). neue förderrichtlinie Elektromobilität Es muss im nächsten Schritt gelingen, verstärkt Fahrzeuge in die Anwendung zu bekommen. Darum hat das BMVI zu neuen Bewerbungen im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität aufgerufen. Gefördert werden die Beschafung von Elektrofahrzeugen und die für den Betrieb notwendige Ladeinfrastruktur in Kommunen. Als weiteren Schwerpunkt fördert das BMVI die Erarbeitung von kommunalen Elektromobilitätskonzepten. Denn Kommunen sind die zentralen Akteure für den Erfolg der Elektromobilität in der Breite. Sie verfügen über umfassende strategische und operative Gestaltungsmöglichkeiten: Von Klima-, Verkehrs- und stadtplanerischen Konzepten über die Genehmigung von Ladeinfrastruktur im öfentlichen Raum bis hin zur Nutzung von Elektrofahrzeugen im eigenen Flottenbetrieb (inkl. kommunale Betriebe) und im ÖPNV. Für den weiteren Aubau von Ladeinfrastruktur muss im Vordergrund stehen, die Aktivitäten sowohl auf nationaler Ebene als auch die Anbindung an europäische Strategien aus einer Hand heraus zu koordinieren. Ein- Schwerpunkt muss dabei auf einem Netzwerk von Schnelllade-Möglichkeiten liegen. Es geht nur mit Batterie und Brennstofzelle Alternative Kraftstofe, die emissionsarm bzw. -frei sind, in Kombination mit eizienten Antrieben wie Elektromotoren werden künftig eine normale Erscheinung im Verkehrsbereich sein. Der Rahmen für diese Entwicklung wurde vom Gesetzgeber vorgezeichnet (95 g CO 2 / km bis 2021, weitere Zielmarken für 2025 bzw. 2030 sind in Diskussion). Gleichzeitig haben Politik und Wirtschaft, alle beteiligten Akteure einbindend, einen Prozess in Gang gesetzt, der geeignet ist, um diese Ziele zu erreichen und am Ende Deutschland als Wirtschafts- und Technologiestandort zu stärken. International indet Deutschland eine hohe Beachtung bzgl. seines Ansatzes Wasserstof, Brennstofzelle und Batterie langfristig, ressortübergreifend, technologieoffen und die Bedürfnisse von Politik und Industrie einbeziehend zu fördern. In diesem Kontext ist die NOW meines Erachtens ein gutes Beispiel für eizientes Innovationsmanagement von öfentlich geförderter Forschung und Entwicklung. ■ HINTERGRUND NOW - Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie Kernaufgabe der NOW ist es, zwei Marktvorbereitungsprogramme des Bundes umzusetzen: das Nationale Innovationsprogramm Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie (NIP) sowie die Modellregionen Elektromobilität des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Die NOW versteht sich dabei als neutrale und ofene Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Sie initiiert, bewertet und begleitet konkrete Projekte; moderiert die strategische Ausrichtung der Programme und dient als Plattform für die Bildung von Industrieallianzen zu speziischen Themen (z. B. http: / / h2-mobility.de/ , http: / / www.performing-energy.de/ ). Die NOW sorgt auch für die Verwertung und Verbreitung von Erkenntnissen aus der Projektarbeit bzw. der begleitenden wissenschaftlichen Forschung und forciert die internationale Zusammenarbeit. Seit 2015 ist die NOW zudem durch das BMVI mit der Erarbeitung nationaler Strategiepläne im Rahmen des EU-Maßnahmenpakets Clean Power for Transport beauftragt. Modellregionen Elektromobilität Seit 2009 koordiniert die NOW in bislang über 480 Einzelvorhaben die Projektarbeit und Begleitforschung im Rahmen der Modellregionen Elektromobilität des BMVI. Der Förderansatz unterstützt eine übergreifende Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und öfentlicher Hand, um die Verankerung der Elektromobilität im Alltag voranzutreiben. Mit seiner aktuellen Förderrichtlinie fördert das BMVI den Markthochlauf von Fahrzeugen mit elektrischen Antrieben insbesondere in Kommunen inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur (http: / / www. now-gmbh.de/ de/ foerderrichtlinie_elektromobilitaet.html). Starterset Elektromobilität von BMVI und NOW Das Starterset Elektromobilität (http: / / starterset-elektromobilitaet.de) soll Kommunen in die Lage versetzen, besser und einfacher in das Thema starten zu können. Es enthält praktische Handlungsempfehlungen für Kommunen, die im Rahmen des Förderprogramms Modellregionen Elektromobilität BMVI erarbeitet wurden. Eingelossen sind Ergebnisse und Erfahrungen, die das NOW gemeinsam mit seinen Projektpartnern (Automobilhersteller, Energieversorgungsunternehmen, Kommunen, Verkehrsbetriebe, wissenschaftliche Einrichtungen und weitere) in den vergangenen Jahren beim Aufbau von Elektromobilität gemacht haben. klaus Bonhof, Dr. Geschäftsführer (Sprecher), NOW Nationale Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie, Berlin klaus.bonhof@now-gmbh.de Bild 3: In Deutschland gibt es rund 2500 Ladestationen. Rund 1500 aller zugelassenen Batteriefahrzeuge sind Teil der Modellregionen Elektromobilität.
