eJournals Internationales Verkehrswesen 67/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2015-0106
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2015
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Intelligente Ladesteuerung von Fahrzeugpools

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2015
Jakob Wohlers
Ulrich Schuster
Sven Gräbener
Dietmar Göhlich
Die Energiewende und der Markthochlauf der Elektromobilität stellen die Elektrizitätsversorgung in Deutschland vor neue Herausforderungen. Durch eine Anpassung der Nachfrage von Elektrofahrzeugen an die aktuelle Situation im Stromnetz ermöglicht es die intelligente Ladesteuerung, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Untersuchung verschiedener Geschäftsmodelle zeigt, dass aktuelle Rahmenbedingungen einem rentablen Einsatz der Ladesteuerung jedoch entgegenstehen. Das politische Ziel, Flexibilität am zukünftigen Strommarkt stärker zu belohnen, könnte dies allerdings ändern.
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Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 81 Wissenschaft TECHNOLOGIE Intelligente Ladesteuerung von Fahrzeugpools Eine technisch-wirtschaftliche Bewertung auf-Grundlage des aktuellen Strommarktes in Deutschland Ladesteuerung, Elektromobilität, Energiewirtschaft Die Energiewende und der Markthochlauf der Elektromobilität stellen die Elektrizitätsversorgung in Deutschland vor neue Herausforderungen. Durch eine Anpassung der Nachfrage von Elektrofahrzeugen an die aktuelle Situation im Stromnetz ermöglicht es die intelligente Ladesteuerung, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Untersuchung verschiedener Geschäftsmodelle zeigt, dass aktuelle Rahmenbedingungen einem rentablen Einsatz der Ladesteuerung jedoch entgegenstehen. Das politische Ziel, Flexibilität am zukünftigen Strommarkt stärker zu belohnen, könnte dies allerdings ändern. Die Autoren: Jakob Wohlers, Ulrich Schuster, Sven Gräbener, Dietmar Göhlich D ie Elektrizitätsversorgung in Deutschland beindet sich im Wandel. Die zentrale und bedarfsgerechte Erzeugung konventioneller Großkraftwerke wird zunehmend durch die dezentrale und wetterabhängige Einspeisung aus erneuerbaren Energien abgelöst. Als Folge daraus gewinnt die lexible Anpassung an die volatile Erzeugung erneuerbarer Energien für eine sichere und kostengünstige Versorgung immer mehr an Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellen steuernde Eingrife in die Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen eine Flexibilitätsoption der Elektrizitätsnachfrage dar. [1, 2] Bereits heute besteht ein Geschäftsmodell für die Ladesteuerung darin, Ladevorgänge auf die Produktion heimischer Photovoltaikanlagen abzustimmen. Die Ladung der Traktionsbatterie mit eigenerzeugter Elektrizität verringert den Strombezug aus dem Netz und hilft dem Eigentümer, Kosten einzusparen [3]. Darüber hinaus ermöglicht es ein angepasstes Ladeverhalten, Stromnetze, die durch den fortschreitenden Ausbau dezentraler Erzeugungsanlagen und durch den anstehenden Markthochlauf der Elektromobilität immer häuiger an ihre Belastungsgrenzen stoßen werden, zu entlasten [4]. Im Folgenden wird allerdings nur das technisch-wirtschaftliche Potential von Geschäftsmodellen betrachtet, die aus der notwendigen Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt hervorgehen. Vereinfacht dargestellt, lässt sich der Strommarkt in- zwei Bereiche unterteilen - den Stromhandel und den Bereich sogenannter Regelleistung. Die Aufgabe der Stromhandelsmärkte besteht in der Abwicklung des- Kaufs und Verkaufs von Strommengen. Die Notwendigkeit von Regelleistungsmärkten resultiert hingegen aus der Tatsache, dass elektrische Energie im Stromnetz nicht gespeichert werden kann. Das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch muss daher für die Systemstabilität durch die Bereitstellung von Regelleistung aufrechterhalten werden. Wie Tabelle- 1 zeigt, lassen sich beide Bereiche in weitere Teilmärkte untergliedern. Die Marktteilnahme der Ladesteuerung stellt dabei jeweils ein potentielles Geschäftsmodell dar. Stromhandel Regelenergiemarkt Terminmarkt Markt für Minutenreserve Day-Ahead-Markt Markt für Sekundärregelleistung Intradaymarkt Markt für Primärregelleistung Tabelle 1: Übersicht der Teilmärkte für mögliche Geschäftsmodelle Anforderungen der Strommärkte Die Leistung und Kapazität einzelner Fahrzeuge ist nicht ausreichend, um den Anforderungen der Teilmärkte und damit möglicher Geschäftsmodelle gerecht zu werden. Daher ist eine Aggregation von Einzelfahrzeugen zu einem Fahrzeugpool erforderlich. Koordiniert und gesteuert wird der Pool durch einen Aggregator, aus dessen Perspektive die Geschäftsmodelle bewertet werden. Grundlage für die Beurteilung sind die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen der Teilmärkte. Da-sich die Rahmenbedingungen für den Einsatz der Ladesteuerung auf den Teilmärkten unterscheiden, muss PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 20.07.2015 Endfassung: 05.10.2015 Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 82 TECHNOLOGIE Wissenschaft getrennt beurteilt werden, ob sich unter heutigen Bedingungen Geschäftsmodelle ergeben. Aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen ist eine detaillierte Darstellung der Wirtschaftlichkeitsberechnung im Folgenden zu umfangreich. Generell zielen Geschäftsmodelle im Bereich des Stromhandels darauf ab, die zeitlichen Schwankungen des Strompreises an den Handelsmärkten für eine Minimierung der Strombezugskosten zu nutzen. Hierfür wird die Elektrizitätsnachfrage in Zeiten niedriger Preise so weit wie möglich erhöht. Im Gegenzug werden überschüssige Strommengen zu möglichst hohen Preisen verkauft. An den Terminmärkten werden Lieferverträge mit großem zeitlichen Vorlauf abgeschlossen, um sich langfristig gegen das Risiko von Preisänderungen abzusichern. Die Preise werden dabei nur in zwei Zeiträumen unterschieden. Dementsprechend kann die Nachfrage nur von teureren Peakin günstigere Of-Peak-Zeiten verschoben werden. Im Gegensatz dazu wird der Strompreis am Day-Ahead-Markt für einzelne Stunden bestimmt. Handelsgeschäfte sind bis zum Vortag der Lieferung möglich. Für eine optimale Ausnutzung zeitlicher Preisunterschiede am Day-Ahead-Markt sollte das Ladeverhalten daher täglich angepasst werden. Eine noch kurzfristigere Anpassung bis zu 15 min vor der physikalischen Lieferung macht die Teilnahme am Intradaymarkt möglich. Der Preis wird dabei für Viertelstundenblöcke vorgegeben. Die Teilnahme am Intradaymarkt setzt somit eine schnelle Anpassung des Ladeverhaltens an häuige und kurzfristige Preisänderungen voraus. Zusammenfassend minimiert die Teilnahme am langfristigen Handel die Häuigkeit von notwendigen Steuerungseingrifen und damit verbundenen Kommunikationskosten. Die Teilnahme am kurzfristigen Handel ermöglicht hingegen eine häuigere Verlagerung von Preisspitzen in Preistäler (Bild 1). [5, 6] Nach Abschluss aller Handelsgeschäfte übernehmen die Übertragungsnetzbetreiber die Verantwortung für den Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch. Ein Ungleichgewicht würde zu einer Abweichung von der Netzsollfrequenz von 50 Hz (Bild 2) und im Extremfall zum Zusammenbruch der Elektrizitätsversorgung führen. Als Systemdienstleistung wird von den Übertragungsnetzbetreibern daher Regelleistung ausgeschrieben. Im Falle einer Abweichung wird das System schrittweise durch den Einsatz von drei verschiedenen Arten von Regelleistung in den Sollzustand zurückgeführt. Am Markt für Primärregelleistung können Anlagen teilnehmen, die ihre Leistung innerhalb von 30 Sekunden vollständig an Leistungsänderungen im Netz anpassen können [7]. Fließend übergehend abgelöst wird die Primärregelleistung im Laufe von fünf Minuten durch die Sekundärregelleistung, die nach 15 Minuten ebenfalls ließend durch die Minutenreserve unterstützt wird (Bild 2). An den Märkten für Sekundärregelleistung und Minutenreserven können getrennte Angebote für positive und negative Regelleistungen abgegeben werden. Außerdem lässt sich die Bereitstellung von Regelleistung auf bestimmte Tageszeiten beschränken. Festgeschrieben sind diese und weitere Regelungen in den sogenannten Präqualiikationsanforderungen, die sich zwischen den Regelleistungsmärkten unterscheiden. In besonderem Maße entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Ladesteuerung sind die Anforderungen an die Leistung und Kapazität, die ein Fahrzeugpool bereithalten muss. Hierbei gilt, je höher die Anforderungen desto mehr Fahrzeuge werden benötigt und je mehr Fahrzeuge benötigt werden, desto niedriger der Anteil des einzelnen Fahrzeuges an der Regelleistungsvergütung. Die Erlöse für die Sekundärregelleistung und die Minutenreserve setzen sich aus drei Bestandteilen zusammen - einer festen Leistungsvergütung, einer Vergütung der erbrachten Arbeit und Einsparungen beziehungsweise Mehrausgaben für einen veränderten Strombezug. Am Markt für Primärregelleistung wird hingegen nur die Leistung vergütet. Außerdem wird angenommen, dass die Veränderung des Strombezugs langfristig aufgrund des symmetrischen Angebots von positiver und negativer Leistung keinen Einluss auf den Erlös hat. [8, 9] Aufgaben und Ausgestaltungsmöglichkeiten der intelligenten Ladesteuerung Sowohl die Leistung als auch die Kapazität, die dem Aggregator für die Ladesteuerung zur Verfügung stehen, sind vom Nutzerverhalten und damit von der Tageszeit abhängig. Die in Bild 3 dargestellte durchschnittliche maximale Ladeleistung [11] eines Poolfahrzeuges erreicht ihren Höhepunkt daher nachts, wenn die meisten Fahrzeuge geparkt und an das Stromnetz angeschlossen sind. Im Bezug auf den Stromhandel ist die maximale €/ MWh 50 0 08: 00 16: 00 24: 00 04: 00 12: 00 20: 00 Intradaymarkt Day-Ahead-Markt Terminmarkt Bild 1: Schematische Preisverläufe an den Stromhandelsmärkten (eigene Darstellung) Bild 2: Zusammenspiel der Regelungsarten (eigene Darstellung entsprechend [10]) Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 83 Wissenschaft TECHNOLOGIE Ladeleistung entscheidend dafür, wie viel Energie innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlagert werden kann. Im Bereich der Regelleistung kann mit der maximalen Ladeleistung bestimmt werden, wie viele Fahrzeuge für die Bereitstellung der erforderlichen Mindestleistung von beispielsweise einem Megawatt benötigt werden. Neben der Ladeleistung ist die gespeicherte Energie in der Traktionsbatterie für steuernde Eingrife entscheidend. Da der Primärzweck der Traktionsbatterie die Bereitstellung von Antriebsenergie ist [2], muss dem Aggregator bekannt sein, wie viel der Energie verlagert werden kann, ohne anstehende Fahrten zu verhindern. Die Mobilitätsbedürfnisse der Fahrzeugnutzer stellen somit eine bindende Nebenbedingung für die Ladesteuerung dar. Um die verfügbare Energie zu bestimmen, wurde mit Hilfe des VEnCo-Models [11] der durchschnittliche Beladungsspielraum (Bild 4) eines Fahrzeugs des Pools ermittelt. Der Beladungsspielraum ( ∆ SOC) ist die Diferenz zwischen dem maximal möglichen und dem minimal nötigen Ladezustand und gibt daher an, welche Kapazität für steuernde Eingrife zur Verfügung steht. Der maximal mögliche Ladezustand gibt den zeitlichen Verlauf des Ladezustandes an, der erreicht wird, wenn die Fahrzeugbatterie bei jeder Gelegenheit soweit wie möglich geladen wird. Die für anstehende Fahrten mindestens benötigte Energie bestimmt hingegen den minimal nötigen Ladezustand. Für Geschäftsmodelle an den Stromhandelsmärkten ist der Beladungspielraum entscheidend, da er die Verlagerung von Energiemengen begrenzt. Bei der Bereitstellung von Regelleistung ist die verfügbare Kapazität entscheidend für die Anzahl von Fahrzeugen, die benötigt werden, um die angebotene Leistung über einen vorgeschriebenen Angebotszeitraum bereitzuhalten. Wegen des zeitlichen Verlaufs des Beladungsspielraums variiert die Anzahl der Fahrzeuge, die für das Angebot von Sekundärregelleistung und Minutenreserve benötigt werden in Abhängigkeit von der Tageszeit. Die Folge sind unterschiedliche Erlöserwartungen je nach Angebotszeitraum. Während Nutzerbedürfnisse eine bindende Nebenbedingung darstellen, richtet sich die optimale Ausgestaltung der Ladesteuerung nach den Zielen der Geschäftsmodelle. So unterscheiden sich Steuerungsansätze, die die Verlagerung der Nachfrage in Zeiten niedriger Preise zum Ziel haben von solchen, die schnelle Reaktionen bei Regelleistungsbedarf ermöglichen. Freiheiten für die Ausgestaltung von Steuerungsansätzen bieten sich in vier Bereichen - bei der Energieübertragung zwischen Stromnetz und Elektrofahrzeug, der Steuerung des Pools, dem dafür benötigten Informationsbedarf und bei den Kommunikationsmöglichkeiten für die Informationsübertragung. Im Bereich der Steuerung stellt sich beispielsweise die Frage, ob steuernde Eingrife direkt durch den Aggregator durchgeführt werden oder die Übermittlung von Preissignalen ausreicht, um Fahrzeugnutzer selber zu Eingrifen zu motivieren und somit die Nachfrage indirekt zu steuern. Für die Energieübertragung muss hingegen untersucht werden, ob die Abweichung von einem im Voraus deinierten Ladeplan durch die Variation der Ladeleistung ausreicht oder ob zusätzliche Investitionen für die Möglichkeit Energie in das Stromnetz zurückspeisen zu können wirtschaftliche Vorteile bringen. Die Ausarbeitung von Steuerungsansätzen, d. h. die Kombination der am besten geeigneten Ausgestaltungsmöglichkeiten, wurde für jedes Geschäftsmodell individuell mit einer morphologischen Analyse durchgeführt. Dazu wurden sämtliche Teilfunktionen, wie die genannte Unterscheidung in eine direkte und indirekte Steuerung des Pools, in den Lösungsraum eines morphologischen Kastens überführt (Bild 5). Danach wurde systematisch durch die Berücksichtigung technischer Anforderungen (rote Flächen) und durch den Abgleich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (gelbe Flächen) der Lösungsraum (weiße Flächen) des morphologischen Kastens eingeschränkt. Das Ergebnis war eine Reduktion der Kombinationsmöglichkeiten innerhalb des Lösungsraums. Auf eine detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise wird an dieser Stelle zugunsten der Ergebnisdiskussion verzichtet. In diesem Zusammenhang stellt Bild 5 beispielhaft dar, wie für die Teilnahme am Primärregelleistungsmarkt ein Steuerungsansatz (blaue Linien) innerhalb des Lösungsraums aus den verbleibenden Ausgestaltungsmöglichkeiten kombiniert wird. Dabei ist die Auswahl von mindestens einer Ausprägung je Merkmal erforderlich. Steuerungsansätze bringen zum Ausdruck, über welche Eigenschaften die Ladesteuerung verfügen muss, um einerseits den technischen Anforderungen zu genügen und um andererseits den derzeit bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen. Die Wirtschaftlichkeit wird dabei durch einen Vergleich der Kosten und Nutzen alternativer Kombinationsmöglichkeiten bestimmt. Da die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen jedes Teilmarktes unterschiedlich sind, wurde die Ausarbeitung von Steuerungsansätzen für jedes Geschäftsmodell einzeln durchgeführt. Bild 3: Durchschnittliche maximale Ladeleistung eines Poolfahrzeugs (eigene Darstellung entsprechend [11]) 0 1 2 3 4 5 0: 00 3: 00 6: 00 9: 00 12: 00 15: 00 18: 00 21: 00 P max [kW] Uhrzeit 0 1 2 3 4 5 6 7 0: 00 3: 00 6: 00 9: 00 12: 00 15: 00 18: 00 21: 00 SOC Pool [kWh] Uhrzeit Bild 4: Beladungsspielraums eines Poolfahrzeugs Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 84 Technologie Wissenschaft Technisches und wirtschaftliches Potential der-intelligenten ladesteuerung im aktuellen deutschen Strommarkt Die Durchführung der beschriebenen Analyse zeigt, dass sich für alle sechs Geschäftsmodelle Steuerungsansätze erarbeiten lassen. Daher kann festgehalten werden, dass die intelligente Ladesteuerung rein technisch betrachtet das Potential hat, um in der Energiewirtschaft eingesetzt zu werden. Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsanalyse in Tabelle 2 zeigen hingegen, dass sich unter heutigen Bedingungen und den getrofenen Annahmen keine oder nur unwesentliche Gewinne erzielen lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die angegebenen Kosten keine Anreizzahlungen an die Fahrzeugnutzer enthalten, die notwendig sind, um diese zur Teilnahme zu motivieren. Bei der Bestimmung der Kosten, die für die erforderliche Kommunikation zwischen dem Aggregator und dem Pool anfallen, wurde von privaten Ladestationen ausgegangen, die 2020 rund 85 % der Ladeinfrastruktur ausmachen werden [12] und eine Abrechnung über vorhandene Stromzähler ermöglichen. Da unter heutigen Bedingungen keine intelligenten und kommunikationsfähigen Stromzähler vorhanden sind, muss für die Ladesteuerung annahmegemäß eine Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut werden. Daher ergeben sich in Abhängigkeit von den technischen Anforderungen ixe Kommunikationskosten von 18 - 150 EUR [13] pro Jahr und Fahrzeug. Kosten während des Betriebs spielen hingegen eine untergeordnete Rolle und fallen insbesondere bei drahtlosen Kommunikationstechnologien an. Zusätzlich zur Kommunikation entstehen Kosten für Personal und Wartung sowie für Investitionen in Server von rund 22 EUR [14]. Die Erlöserwartungen einer langfristig kostenoptimierten Beschafung am Terminmarkt sind relativ gering, da die Preise für Peak- und Of-Peak-Zeiten den Durchschnittspreis für den jeweiligen Zeitraum widerspiegeln. Auswirkungen eines schwankenden Angebots können sich daher innerhalb der Zeitblöcke ausgleichen. Die niedrigen Erlöse im Bereich der Minutenreserve und der Sekundärregelleistung sind vor allem auf geringe Anteile einzelner Fahrzeuge an der Regelleistungsbereitstellung und der damit einhergehenden Vergütung zurückzuführen. Prinzipiell ist es möglich, an unterschiedlichen Teilmärkten gleichzeitig teilzunehmen, so dass mehrere Geschäftsmodelle kombiniert werden können. Im wirtschaftlichen Optimalfall würden sich die Erlöse durch die Teilnahme an verschiedenen Teilmärkten aufsummieren, während die Fixkosten für die Kommunikation unverändert blieben. In der Realität ist allerdings zu erwarten, dass die Geschäftsmodelle teilweise widersprüchliche Optimierungsziele aufweisen. Eine abschließende Beurteilung des gesamten Erlöspotentials erfordert daher genaue Untersuchungen der Wechselwirkungen. Darüber hinaus haben Investitionen in die notwendige Kommunikationstechnologie einen entscheidenden Einluss auf die Gewinnerwartungen der Geschäftsmodelle. Werden in Zukunft Smart Meter eingesetzt oder setzen sich Ladeinfrastrukturkonzepte durch, die bereits eine Kommunikationsinfrastruktur beinhalten, entfallen diese Investitionskosten, da die vorhandene Infrastruktur genutzt werden kann. Zukünftige Entwicklungen haben dementsprechend einen erheblichen Einluss auf die Wirtschaftlichkeit der Ladesteuerung. Ausblick Durch den fortschreitenden Wandel der Elektrizitätsversorgung wird sich auch das Strommarktdesign ändern müssen. Aubauend auf das veröfentlichte Weißbuch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), soll daher im Frühjahr 2016 das Gesetzgebungsverfahren für einen „Strommarkt 2.0“ abgeschlossen werden. Ziel ist es, ein Stromsystem zu schaffen, in dem unter anderem lexible Verbraucher wie Elektrofahrzeuge verstärkt auf die volatile Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie reagieren. Dafür sollen unter anderem Markteintrittsbarrieren für Aggregatoren abgebaut und die Angebotszeiträume für die Bereitstellung der Regelleistung verkürzt werden. Eine Verkürzung der Zeiträume, über die Regelleistung bereitgehalten werden muss, reduziert die Anforderungen an die vorzuhaltende Kapazität. Da unter heutigen Bedingungen die Kapazitätsanforderungen ausschlaggebend für die notwendige Größe eines Bild 5: Morphologischer Kasten für Primärregelleistung. EV = Elektrofahrzeug; EVSE = Ladeeinheit/ -station geschäftsmodell erlös Kommunikationskosten Sonstige Poolkoordination gewinn/ Verlust Min. Max. Min. Max. Min. Max. Terminmarkt 19 18 22 -21 Day-Ahead-Markt 45 18 22 1 5 Intradaymarkt 72 18 22 28 32 Minutenreserve 1 15 150 -171 -157 Sekundärregelleistung 11 46 150 -161 -126 Primärregelleistung 111 22 67 Tabelle 2: Ergebnisübersicht, alle Angaben in EUR/ a/ EV. Internationales Verkehrswesen (67) 4 | 2015 85 Wissenschaft TECHNOLOGIE Fahrzeugpools sind, würde sich der Anteil einzelner Fahrzeuge an der Vergütung und damit der Gewinn, den ein Aggregator pro Elektrofahrzeug erzielen kann, erhöhen. Unabhängig von Änderungen regulatorischer Rahmenbedingungen werden der fortschreitende Ausbau erneuerbarer Energien und der Abbau vorhandener Überkapazitäten zu stärkeren und häufigeren Preisschwankungen an den Stromhandelsmärkten führen. Voraussichtlich werden die Erlösmöglichkeiten für die Marktteilnahme an den kurzfristigen Day-Ahead- und Intradaymärkten daher zunehmen. Laut dem BMWi soll die Flexibilität von Elektrofahrzeugen in Zukunft an den Strommärkten nutzbar gemacht werden. Ob sich die intelligente Ladesteuerung gegenüber anderen Flexibilitätsoptionen durchsetzten kann, wird allerdings der Wettbewerb entscheiden [15]. Ansätze zur Integration von Elektrofahrzeugen verschiedener Fahrzeugtypen in intelligente Netze werden u.a. im BMBF-geförderten Forschungscampus Mobility2Grid auf dem Berliner EUREF-Areal untersucht und demonstriert [16]. ■ QUELLEN [1] Mattes, Katharina; Lerch, Christian; Schröter, Marcus; Pan, Kim-Anh: Anwendungsfelder mobiler Energiespeicher. Eine Bestandsaufnahme und Perspektiven für die Konzeption aussichtsreicher Geschäftsmodelle für Elektrofahrzeuge. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe, 2011 [2] Reinke, Justus: Bereitstellung öfentlicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Eine institutionenökonomische Analyse. Technische Universität Berlin, Berlin, 2014 [3] Kaschub, Thomas; Jochem, Patrick; Fichtner, Wolf: Steigerung des Elektrizitätseigenverbrauchs von Heim-Fotovoltaikanlagen durch Elektrofahrzeuge. Karlsruher Institut für Technologie (IKT), Karlsruhe, 2013 [4] Rolink, Johannes; Horenkamp, Willi; Rehtanz, Christian: Ladeinfrastruktur für die Netzintegration von Elektrofahrzeugen. at - Automatisierungstechnik, Berlin und Boston, 2012 [5] Graeber, Dietmar Richard: Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien. Springer Gabler, Wiesbaden, 2014 [6] Götz, Philipp; Henkel, Johannes; Lenck, Thorsten; Lenz, Konstantin; Energy Brainpool GmbH & Co. KG: Negative Strompreise: Ursache und Wirkung. Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen - und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz. Agora Energiewende, Berlin, 2014 [7] Deutsche Übertragungsnetzbetreiber: Eckpunkte und Freiheitsgrade bei Erbringung von Primärregelleistung Leitfaden für Anbieter von Primärregelleistung. 2014 [8] Consentec GmbH: Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt. Aachen, 2014 [9] Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (efzn): Studie Eignung von Speichertechnologien zum Erhalt der Systemsicherheit. Goslar, 2014 [10] Konstantin, Panos: Praxisbuch Energiewirtschaft. Energieumwandlung, -transport und -beschafung im liberalisierten Markt. Springer Vieweg, Berlin und Heidelberg, 2006 [11] De Tena Costales, Diego Luca: Large Scale Renewable Power Integration with Electric Vehicles. Long term analysis for Germany with a renwable based power supply. Universität Stuttgart, Stuttgart, 2014 [12] Nationale Plattform Elektromobilität (NPE): Fortschrittsbericht 2014. Bilanz der Marktvorbereitung. München, 2014 [13] Ernst & Young: Kosten-Nutzen-Analyse für einen lächendeckenden Einsatz intelligenter Zähler. Düsseldorf und München, 2013 [14] Wickert, Manuel; Herhard, Norman; Trost, Tobias; Prior, Johannes; Cacilo, Andrej; Hartwig, Matthias; Reinhardt, Alexander; Münzing, Heike: Wissenschaftliche Unterstützung bei der Erstellung von fahrzeugbezogenen Analysen zur Netzintegration von Elektrofahrzeugen unter Nutzung erneuerbarer Energien - Endbericht zum Vorhaben FKZ UM 11 96 107. Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES), Kassel und Bremerhaven, 2013 [15] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Ein Strommarkt für die Energiewende. Ergebnispapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Weißbuch). Berlin, 2015 [16] Kaiser, Franziska: Forschungscampus Mobility2Grid. Die Herausforderung: Energiewende und Verkehr zusammen denken! www.mobility2grid.de, Berlin, 2015 Ulrich Schuster, Dr. Senior Systems Architect, ubitricity Gesellschaft für-verteilte Energiesysteme mbH, Berlin ulrich. schuster@ubitricity.com Sven Gräbener Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachgebiet für-Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik, TU Berlin sven.graebener@tu-berlin.de Jakob Wohlers Absolvent, TU Berlin jakob.gc.wohlers@campus.tu-berlin.de Dietmar Göhlich, Prof. Dr. Leiter des Fachgebiets für Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik der TU Berlin dietmar.goehlich@tu-berlin.de Brief und Siegel für Wissenschafts-Beiträge Peer Review - sichtbares Qualitätsinstrument für Autoren und Leserschaft P eer-Review-Verfahren sind weltweit anerkannt als Instrument zur Qualitätssicherung: Sie dienen der konstruktivkritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen, wissenschaftlichen Argumentationen und technischen Entwicklungen des Faches und sollen sicherstellen, dass die Wissenschaftsbeiträge unserer Zeitschrift hohen Standards genügen. Herausgeber und Redaktion laden daher Forscher und Entwickler im Verkehrswesen, Wissenschaftler, Ingenieure und Studierende sehr herzlich dazu ein, geeignete Manuskripte für die Rubrik Wissenschaft mit entsprechendem Vermerk bei der Redaktion einzureichen. Die Beiträge müssen „Originalbeiträge“ sein, die in dieser Form und Zusammenstellung erstmals publiziert werden sollen. Sie durchlaufen nach formaler redaktioneller Prüfung ein standardisiertes Begutachtungsverfahren. Eberhard Buhl KONTAKT Eberhard Buhl, M.A. Redaktionsleiter Internationales Verkehrswesen Tel.: (040) 23714-223 eberhard.buhl@dvvmedia.com