eJournals Internationales Verkehrswesen 68/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0005
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2016
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Bundesfernstraßengesellschaft umsetzen, Planungssicherheit herstellen

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2016
Thomas Hailer
Der Bund wird nach Jahrzehnten der Stagnation endlich mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Ein Kommentar des Geschäftsführers Deutsches Verkehrsforum, Thomas Hailer.
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Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 15 Standpunkt POLITIK Bundesfernstraßengesellschaft umsetzen, Planungssicherheit herstellen M arode Brücken, bröckelnde Straßen, veraltete Schleusen und Stellwerke und zu viele Engpässe sind in der langen Zeit der Vernachlässigung entstanden. Jetzt heißt es, vordringlich in den Erhalt zu investieren und vor allem die knappen Gelder an den richtigen Stellen einzusetzen. Von rund 10,8 Mrd. EUR im Jahr 2015 steigen die Investitionen des Bundes auf 13,4 Mrd. in 2018 für Straße, Schiene und Wasserstraße. Der Zuwachs um 30 % entbindet aber nicht von der Pflicht, die Gelder noch effizienter als bisher zu verbauen. Dazu bedarf es weitergehender Reformen. Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) hat hierzu in seinem „Zukunftsprogramm Verkehrsinfrastruktur“ den notwendigen Rahmen vorgezeichnet. Einige Maßnahmen wurden bereits angestoßen. So nimmt der Bund nun mehr Geld in die Hand und lässt eine Überjährigkeit des Verkehrshaushaltes zu. Auch die Bewirtschaftung aller Bundesfernstraßen durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft VIFG sowie die Nutzung der Planungs- und Projektmanagementexpertise der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH DEGES seitens der Bundesländer sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Die zwischen Bund und Ländern aufgeteilte Verantwortung im Bereich der Bundesfernstraßen für die Finanzierung einerseits und die Planung und Realisierung andererseits hat zu Ineffizienzen geführt, so dass eine bundesweit einheitliche Weiterentwicklung und Modernisierung gefährdet ist. Darüber hinaus sind ein effektives Controlling und nötige Transparenz bei der Planung, Finanzierung und Realisierung der Bundesfernstraßen für den Bund selten oder unzulänglich gegeben. Um diese Defizite zu adressieren, muss im Konsens zwischen Bund und Ländern eine Bundesfernstraßengesellschaft etabliert werden, die • sich im vollständigen staatlichen Eigentum befindet, • privatrechtlich agiert und organisiert ist, • für Bundesautobahnen - mittelfristig ggfs. auch für Bundesstraßen - zuständig ist, • eine Steuerungs- und Koordinierungsfunktion gegenüber den Auftragsverwaltungen der Bundesländer ausübt, • damit für Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb und Erhalt aus einer Hand verantwortlich zeichnet, • ihre Mittel effizient und mehrjährig zur Durchfinanzierung von Projekten einsetzt, • auf Nutzerentgelte, Steuermittel und kurzfristige begrenzte Kredite zurückgreift, • und privates Kapital auf Projektebene mobilisiert. Die Bundesländer müssen auf diesem Weg mitgenommen werden, denn trotz der Reform der Auftragsverwaltung und der stärkeren Zentralisierung liegt die Kompetenz vor Ort bei den Ländern und Kommunen. Eine weitere Voraussetzung für den Aufbau ist die Änderung des § 90 GG hinsichtlich der Organisation der Auftragsverwaltung. Erfreulich ist, dass schon intensiv fraktions- und ressortübergreifend sowohl auf Bundesals auch auf Landesebene ergebnisoffen über die Struktur und Realisierung einer Bundesfernstraßengesellschaft diskutiert wird. Viele Fehlentwicklungen bei der Verkehrsinfrastruktur liegen jedoch nicht nur in einer mangelnden zentralen und übergeordneten Steuerung und Koordinierung begründet, sondern auch in einer unzureichenden Planungssicherheit für alle Akteure. Ursachen dafür sind eine unstetige Finanzierung und eine aktuell immer noch nicht realisierte Priorisierung der Infrastrukturprojekte. Die Maßnahme der Einrichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft darf daher nicht alleine stehen, sondern muss vor allem von folgenden Reformen begleitet werden: • eine echte Priorisierung der Finanzmittel ausgerichtet an Projekten mit übergeordneter Bedeutung, • eine bedarfsgerechte über- und mehrjährige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, • eine ausreichende Bereitstellung von Geldern für die Planung, • eine Effizienzsteigerung und Optimierung der verbliebenden Aufgabenbereiche der Auftragsverwaltung der Länder vor Ort verbunden mit einem Benchmarking der Auftragsverwaltungen untereinander und • die stärkere Einbindung von privatem Know-How und Kapital auf der Projektebene (Stichwort: ÖPP). Dieses Ansetzen mehrerer Hebel ist der einzige Weg, der langfristig bei den Bundesfernstraßen zu mehr Effizienz, niedrigeren Lebenszykluskosten und beschleunigtem Bau und Erhalt führt. Die Grundsteine für eine solche ganzheitliche Reform müssen noch in dieser Legislaturperiode gelegt werden. Im Rahmen ihrer gemeinsamen politischen und volkswirtschaftlichen Verantwortung zur Daseinsvorsorge sind die Bundesländer ebenso wie der Bund in der Pflicht, hierzu zügig ein schlüssiges Konzept vorzulegen. ■ Thomas Hailer, Geschäftsführer Deutsches Verkehrsforum, Berlin hailer@verkehrsforum.de Der Bund wird nach Jahrzehnten der Stagnation endlich mehr Geld in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Ein Kommentar des Geschäftsführers Deutsches Verkehrsforum, Thomas Hailer.