eJournals Internationales Verkehrswesen 68/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0010
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2016
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Mobilität neu denken

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2016
Sandra Wappelhorst
Daniel Hinkeldein
Adrien Cochet-Weinandt
Der Verkehr hat in den Städten in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Überlastete Straßennetze, Staus, Schadstoffbelastungen in der Luft und Lärm sind nur einige negative Folgen dieser Entwicklung. Die Förderung innovativer Mobilitätansätze kann wesentlich zu einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten beitragen. Aus kommunaler Sicht erschweren allerdings häufig bestehende Rechtsrahmen, fehlende Finanzmittel oder mangelnder politischer Wille die Umsetzung innovativer Projekte. Dennoch haben Kommunen innerhalb dieser Spannungsfelder viele Spielräume, um neue Wege in Richtung einer nachhaltigen Mobilität zu gehen.
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Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 24 INFRASTRUKTUR Mobilitätszentren Mobilität neu denken Möglichkeiten der kommunalen Mobilitätssteuerung am-Beispiel der Städte Wolfsburg und Würzburg Mobilitätszentren, Mobilitätsstationen, Sharingsysteme, E-Sharing, Stellplatzsatzung Der Verkehr hat in den Städten in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Überlastete Straßennetze, Staus, Schadstoffbelastungen in der Luft und Lärm sind nur einige negative Folgen dieser Entwicklung. Die Förderung innovativer Mobilitätansätze kann wesentlich zu einer Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten beitragen. Aus kommunaler Sicht erschweren allerdings häufig bestehende Rechtsrahmen, fehlende Finanzmittel oder mangelnder politischer Wille die Umsetzung innovativer Projekte. Dennoch haben Kommunen innerhalb dieser Spannungsfelder viele Spielräume, um neue Wege in Richtung einer nachhaltigen Mobilität zu gehen. Autoren: Sandra Wappelhorst, Daniel Hinkeldein, Adrien Cochet-Weinandt A lternative Mobilitätsformen und -angebote haben sich seit einigen Jahren in den Großstädten als integraler Bestandteil einer nachhaltigen Mobilitätskultur etabliert. Kleinere Städte können von diesen Entwicklungen im Sinne eines Trickle-down- Effekts profitieren, wenn sie darauf vorbereitet sind und ihre kommunalpolitischen Möglichkeiten und Instrumente entsprechend einsetzen. Wie dies genau aussehen kann, zeigen innovative Ansätze in den Städten Wolfsburg und Würzburg: In der Stadt Wolfsburg bietet das kürzlich eröffnete Elektromobilitätszentrum E-Sharing-Angebote an und fördert als Mobilitätsplattform gleichzeitig aktiv den Austausch und die Gestaltung der Mobilität von morgen. In der Stadt Würzburg werden Sharing-Angebote in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft umgesetzt und neue planungsrechtliche Wege gegangen, um langfristig den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu reduzierenundgleichzeitigumweltfreundliche Verkehrsmittel zu fördern. Mobilität in der Stadt Wolfsburg Die Stadt Wolfsburg sieht sich seit vielen Jahren mit zunehmenden Verkehrszahlen und wachsenden Verkehrsproblemen konfrontiert. Ursächlich hierfür sind zum einen positive Bevölkerungszuwächse der vergangenen Jahre und zum anderen die anhaltende wirtschaftliche Dynamik mit kontinuierlich wachsenden Arbeitsplatzzahlen sowie innerstädtischer Verdichtung. Nicht zuletzt auch aufgrund des Stammwerks des Automobilkonzerns Volkswagen (VW) pendeln täglich viele Werktätige mit dem MIV in die Stadt. Aber auch der Binnenverkehr trägt insbesondere während der morgendlichen und abendlichen Pendlerspitzen maßgeblich zu den städtischen Verkehrsproblemen bei. Das Auto ist weiterhin das dominierende Verkehrsmittel, entsprechend hoch ist der Anteil des MIV am Modal Split in der Stadt Wolfsburg. Öffentliche Verleihsysteme ergänzen seit 2009 das Verkehrsangebot in der Stadt [1-5] (Bild 1). Um den wachsenden Verkehrszahlen zu begegnen ist es ein wesentliches Anliegen der Stadt, den Umstieg auf umweltverträgliche Verkehrsmittel zu stärken und den nicht vermeidbaren MIV möglichst effizient abzuwickeln. Dazu werden neue Wege gegangen und innovative Mobilitätsdienstleistungen getestet. Pilotprojekt eMobility Cube Wolfsburg Die Stadt Wolfsburg betreibt seit Oktober 2015 ein temporäres Elektromobilitätszent- Bild 1: Strukturelle Daten der Stadt Wolfsburg Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 25 Mobilitätszentren INFRASTRUKTUR rum in direkter Nachbarschaft zum Hauptbahnhof, den sogenannten eMobility Cube. Das Pilotprojekt wurde im Rahmen des vom Land Niedersachsen geförderten Schaufenster Elektromobilität der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen- Wolfsburg betrieben (Projektlaufzeit 01/ 2014 bis 12/ 2015). Seit Januar 2016 führt die Stadt Wolfsburg das Projekt in Eigenregie fort. Die Idee, die hinter dem Projekt steht, ist weltweit einzigartig: Verschiedene E-Sharingsysteme werden verbunden, auf einer Abrechnung angeboten, in Kombination mit herkömmlichen Verkehrsträgern wie dem ÖPNV als integraler Bestandteil des Systems Stadt verstanden und um zusätzliche Dienstleistungen (z. B. Information, Beratung, Austausch und Erprobung) und Services (z. B. Vermietung von Kurzzeitarbeitsplätzen und eines Konferenzraumes) erweitert. Ziel ist es, Menschen und Mobilität im Mikrokontext zu verbinden und als Ausgangspunkt für innovative gesamtstädtische und regionale Mobilitätslösungen der Zukunft zu nutzen. Darüber hinaus sollen neue Formen der Elektromobilität in Kombination mit Sharingsystemen für Bürger, Pendler und Besucher erfahrbar gemacht werden. Schließlich soll der eMobility Cube dazu beitragen, den Bereich um den Wolfsburger Hauptbahnhof zu einem zentralen Umsteigepunkt zwischen verschiedenen Fortbewegungsmitteln weiterzuentwickeln. Baustein Elektromobilitätszentrum Zentrale Anlaufstelle ist der eMobility Cube, der im Oktober 2015 eröffnet wurde. Er verfügt über eine Ausleihstation für E-Autos und Pedelecs und ermöglicht aufgrund seiner direkten Nachbarschaft zum Wolfsburger Hauptbahnhof eine barrierefreie, multimodale Anschlussmobilität (Bild 2). Zudem finden sich im eMobility Cube Kurzzeitarbeitsplätze, ein Konferenzraum sowie ein Ausstellungsraum, in dem regelmäßig Veranstaltungen zu stadt-, mobilitäts- und projektbezogenen Themen stattfinden. Am Informationsschalter stehen die Mitarbeiter des e-TEAMs sieben Tage die Woche für Fragen zur Verfügung. Baustein E-Carsharing und Pedelecsharing Das Projekt eMobility Cube baut auf einem Netz von derzeit fünf E-Carsharing-Fahrzeugen an drei Standorten im Stadtgebiet von Wolfsburg auf, die im Sinne des One- Way-Systems an einer dieser Stationen wieder abgestellt werden können. Darüber hinaus stehen 50 Pedelecs an zehn Stationen innerhalb Wolfsburgs zur Verfügung. Auch hierbei handelt es sich um ein One-Way- System, die Fahrräder können frei an jeder dieser Stationen wieder zurückgestellt werden. Weitere öffentliche Ladestationen finden sich über das Wolfsburger Stadtgebiet verteilt (Bild 3). Seit Mai 2015 wurde die Infrastruktur, d.h. das Sharingangebot mit E- Autos und Pedelecs sowie die Ladeinfrastrukturen, sukzessive in der Stadt Wolfsburg aufgebaut. Um die Fahrzeuge nutzen zu können, ist eine Anmeldung über die Homepage emobilitycube.de oder eine persönliche Anmeldung beim eTEAM im eMobility Cube notwendig [6]. Sowohl die kostenfreie App „eM- Cube“ als auch die Mobilitätskarte, die sogenannte eMobility Card, bieten Zugang zu den vollautomatisch ausleihbaren Fahrzeugen. Mit der App können über Smartphone die E-Fahrzeuge gesucht, spontan gebucht, geöffnet und genutzt werden und nach Ende der Fahrt an einer freien Ladestation zurückgegeben werden. Die Abrechnung erfolgt über eine integrierte Rechnung. Temporäre Arbeitsplätze können über die genannte Homepage gebucht werden. Alle drei Angebote werden über ein System gebucht und auf einer Rechnung gebündelt. Damit ist ein erster wichtiger Schritt vollzogen worden hin zur Vision „Ein einfacher Check-in mit dem Mobiltelefon erlaubt die unkomplizierte Benutzung von Bus & Bahn - die Rechnung kommt am Monatsende.“ [7] Das Interesse an den neuen Mobilitätsangeboten und Services seit Betriebsbeginn Ende Mai 2015 ist groß: So hat sich die Zahl der angemeldeten Kunden über die vergangenen Monate kontinuierlich erhöht und lag Ende Dezember 2015 bei knapp 900 (Bild 4). Die positive Entwicklung der Kundenzahlen geht einher mit hohen Ausleihzahlen im E-Carsharing und E-Bikesharing. Lediglich in den niedersächsischen Sommerferien (Kernmonat August) fiel die Zahl der gebuchten Fahrten geringer aus. Baustein Nutzerperspektive auf-das-System Neben dem Test der Angebotsbausteine spielt die Nutzerintegration eine wichtige Rolle, um Erfahrungen und Daten für weitere verkehrsplanerische Strategien für die Stadt Wolfsburg zu sammeln. Dazu wurden von Seiten des InnoZ-Telefoninterviews, Fokusgruppendiskussionen und Online-Befragungen mit über 700 Kunden durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gesamtzufriedenheit mit beiden Sharingsystemen unter den Nutzern hoch ausfällt. Umweltfreundlichkeit, Innovativität und Wirt-  Bild 2: Elektromobilitätszentrum eMobility Cube mit Ausleihstationen für E-Autos und Pedelecs Foto: InnoZ GmbH  Bild 3: E-Carsharing und Pedelecsharing am eMobility Cube Foto: InnoZ GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 26 INFRASTRUKTUR Mobilitätszentren schaftlichkeit sowie Praktikabilität und Fahrspaß der Elektrofahrzeuge werden sehr positiv bewertet. Weiterhin werden der gute Service des e-TEAMS, die One-Way- Option, der Sofortzugang rund um die Uhr und die einfache Zugänglichkeit als besonders attraktiv betrachtet. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass 78 % der E-Carsharing-Nutzer und 77 % der E-Bikesharing-Nutzer planen, die Sharingsysteme zukünftig weiterhin zu nutzen. Die Nutzer planen allerdings mehrheitlich nicht, den eigenen PKW zugunsten des Sharingsystems abzuschaffen. Das öffentliche Sharing kann aber dazu motivieren, zunächst kein (weiteres) Auto kaufen: • „Ich habe extra kein Auto mehr, weil ich dies nicht mehr in der Stadt benötige. Der Grund ist: Wenn ich mal eins brauche, gibt es die Möglichkeit, es bei Ihnen zu mieten und der Umwelt etwas Gutes zu tun.“ • „Bei Nicht-Besitz eines PKW hat man die Möglichkeit, kostengünstig eins für eine kurze Zeit zu nutzen bei Bedarf - spontane Buchung möglich.“ Die Untersuchungen haben ebenfalls ergeben, dass die Probanden es gerade in einer Autostadt wie Wolfsburg als wichtig erachten, sich von alten Mobilitätsgewohnheiten zu lösen und sich in Richtung neuer Mobilitätsangebote weiter zu entwickeln. Verbesserungsbedarf äußern die Probanden v. a. in den Bereichen Anzahl der Stationen, Systemstabilität und Erweiterung des Fahrzeugangebots auf weitere Modelle. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine Reduktion von MIV-Fahrten erkennbar ist: So hätten 20 % der E-Bikesharing-Nutzer ihren Weg mit dem MIV (PKW als Fahrer oder Taxi) zurückgelegt, wenn es das Sharingsystem nicht gegeben hätte; 26 % der E-Carsharing-Wege wäre sonst mit dem eigenen PKW, als Mitfahrer oder Taxi zurückgelegt worden. D. h. immerhin 1 / 5 bzw. 1 / 4 der MIV- Wege wird durch die Sharingsysteme ersetzt. Der öffentliche Verkehr wird hingegen kaum, wie häufig vermutet, kannibalisiert: Der Anteil der Personen, die anstelle des Sharings den ÖV genutzt hätten, liegt lediglich bei 2 % (E-Bikesharing-Nutzer) bzw. 7 % (E-Carsharing-Nutzer). Mobilität in der Stadt Würzburg Die Stadt Würzburg sieht sich ebenfalls zunehmenden Verkehrsproblemen ausgesetzt, die vor allem durch einen kontinuierlichen Anstieg des MIV verursacht werden. So ist auch hier der Anteil des MIV am Modal Split erwartungsgemäß hoch [3, 8, 9] (Bild 5). Wie in der Stadt Wolfsburg geht es auch in der Stadt Würzburg darum, die Verkehre möglichst nachhaltig abzuwickeln, beispielsweise durch die Ergänzung von Mobilitätsdienstleistungen um öffentliche Verleihsysteme [10, 11]. Auch im Rahmen des integrierten Klimaschutzkonzeptes aus dem Jahr 2012 wird innerhalb des Verkehrssektors das größte CO 2 -Einsparpotenzial gesehen [9]. Strukturelle Veränderungen in der jüngeren Vergangenheit haben in der Stadt Würzburg neue Perspektiven für innovative Mobilitätslösungen geschaffen. So war die Stadt lange Zeit eines von vier Verwaltungszentren der amerikanischen Streitkräfte in Süddeutschland. Infolge der organisatorischen Umstrukturierungen wurde der Standort Würzburg mit seinen etwa 6000 Soldaten sukzessive ab dem Jahr 2007 geschlossen. Die größte Konversionsfläche Würzburgs ist das sogenannte Leighton- Areal (Leighton-Barracks) im Stadtbezirk Frauenland, ca. 4 km östlich der Würzburger Innenstadt, mit einer Größe von etwa 134,5 ha (Bild 6). Rahmenplan Hubland Um die Liegenschaft zügig einer Nachnutzung zuführen zu können, wurde ab 2008 ein intensiver Planungsprozess gestartet. Bild 4: Anzahl registrierter Kunden und Buchungen Quelle: InnoZ GmbH Bild 5: Strukturelle Daten der Stadt Würzburg Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 27 Mobilitätszentren INFRASTRUKTUR Der städtebauliche Rahmenplan Hubland bildet die Grundlage für die darauf aufbauenden Bebauungspläne [12]. Im neuen Stadtteil Hubland sollen die Universitätserweiterung, universitätsaffines Gewerbe, eine große öffentliche Parkanlage (Landesgartenschau 2018), ein Stadtteilzentrum mit Nahversorgung und Wohnraum für ca. 4500-Menschen entstehen. Die Förderung stadtverträglicher Mobilität ist eines der Planungsziele, welches in den Bürgerplanwerkstätten erarbeitet und im Rahmenplan Hubland weiterentwickelt und beschlossen wurde. Durch einen bewussten und zeitgemäßen Umgang mit den Mobilitätsbedürfnissen der Bewohner soll die Entwicklung eines nachhaltigen Stadtteils mit einer angemessenen urbanen Dichte und einer hohen Qualität des öffentlichen Raums ermöglicht werden. Der nicht-motorisierte Verkehr soll in seiner Bedeutung gestärkt werden. Dazu gehören ein gut ausgebautes Fuß- und Radwegenetz und ein guter Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs durch eine neue Straßenbahnlinie und neue Buslinien. Baustein öffentliche Mobilstationen Aufbauend auf den Zielsetzungen in der Rahmenplanung wird als Baustein eines attraktiven Mobilitätskonzeptes für die Bürger im neuen Stadtteil Hubland ein Konzept von Mobilstationen umgesetzt (Bild 7). In den Mobilstationen werden nicht nur Bike & Ride-Plätze zum Umsteigen in die Fahrzeuge des ÖPNV angeboten, sondern auch Alternativen zum MIV in Form von Carsharing und Angeboten zur E-Mobilität (Pedelec, bzw. E-Bike-Ladestationen, Ladestationen für Elektroautos) bereitgestellt. Die Betreuung der Mobilstationen überträgt die Stadt im Rahmen des Parkraumbewirtschaftungsvertrages auf die Würzburger Stadtverkehrs-GmbH (SVG). Ein professionelles Carsharing-Angebot ermöglicht es Nutzern mit einem automatisierten Chipkartenzugang, Fahrzeuge unterschiedlicher Größe und Ausstattung stundenweise zu nutzen. Dafür fallen variable Kosten bei der jeweiligen Nutzung an, die zu einer Kostentransparenz führen. So hat der Bürger die Möglichkeit, auf die teure Anschaffung und Unterhaltung eines privaten PKWs zu verzichten, ohne jedoch auf die Vorzüge der Verfügbarkeit eines Autos in Ergänzung zur Nutzung des ÖPNV verzichten zu müssen. Durch dieses Konzept kann im Durchschnitt eine Reduzierung des mit dem Auto zurückgelegten Kilometeranteils um ca. 50 % erreicht werden, was den anderen Verkehrsträgern (ÖPNV, Fahrrad, Taxi) zugutekommt sowie die Attraktivität und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum durch ein geringeres Verkehrsaufkommen (Reduzierung des motorisierten individuellen ruhenden und fließenden Verkehrs) nachhaltig verbessert. Die Mobilstationen und ein professionelles Mobilitätsmanagement sollen demnach Bürger zur Nutzung der vielfältigen stadtverträglichen Mobilitätsangebote anstelle der privaten Kfz-Nutzung bewegen und so die Entwicklung eines nachhaltigen Stadtteils fördern. Baustein Stellplatzsatzung Im Art. 47 fordert die bayerische Bauordnung bei der Errichtung von Anlagen, bei denen ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, die Herstellung von Stellplätzen in ausreichender Zahl, Größe und Beschaffenheit [13]. Genaueres regelt die Stellplatzsatzung [14]. Diese lässt jedoch Möglichkeiten der Reduzierung des Stellplatzbedarfes durch Maßnahmen des Mobilitätsmanagements außer Acht. Aus diesem Grunde wurde, um die Zielsetzung aus der Rahmenplanung zu fördern und aufgrund der geplanten Mobilstationen mit Alternativen zum MIV, für den Stadtteil Hubland die Stellplatzsatzung geändert. Die Anforderungen an die Beschaffenheit von Fahrradstellplätzen wurden erhöht, während eine generelle, lagebedingte Ablösemöglichkeit für PKW- Stellplätze von bis zu 30 % der erforderlichen PKW-Stellplätze im Wohnungsbau gleichzeitig eingeführt wurde. Die bezahlten Ablösegelder fließen in das Stellplatzablösekonto, aus dem eine Refinanzierung des Baus der Mobilstationen ermöglicht werden kann. Baustein Kooperation mit der Wohnungswirtschaft Mit interessierten Bauträgern im Wohnungsbau in unmittelbarer Nähe zu geplanten Mobilstationen entwickelt die Stadt im Rahmen von Bebauungsplänen oder im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren Bild 6: Auszug Erläuterungsbericht Rahmenplanung Hubland Quelle: Stadt Würzburg 2010 Bild 7: Mobilstationen innerhalb des Rahmenplanes Hubland - Stele Mobilstation Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 28 INFRASTRUKTUR Mobilitätszentren (städtebauliche Verträge und Durchführungsverträge) in Kooperation ein Umsetzungskonzept zur Sicherung des Carsharings. Dabei wird im Prinzip die Zahlung der Ablöse für nicht hergestellte Stellplätze (maximal 30 % der erforderlichen Stellplätze) durch eine Verpflichtung zur Garantie der Aufrechterhaltung des Carsharings auf Zeit substituiert. Für den Fall, dass die ersetzende Maßnahme des Mobilitätsmanagements später eingestellt wird, sind entsprechende Ersatzklauseln vorgesehen. Der Kooperationspartner aus der Wohnungswirtschaft bedient sich in der Regel eines externen professionellen Dienstleisters, um die mit der Stadt vereinbarten Qualitätskriterien einhalten zu können. Für den Dienstleister garantiert der Kooperationspartner aus der Wohnungswirtschaft eine Grundauslastung, bzw. Grundmiete für die Fahrzeuge. Die Verknüpfung mit der Wohnungswirtschaft und dem ÖPNV ermöglicht eine integrierte Lösung für den Stadtteil. Dieses Modell wurde im Rahmen von Pilotprojekten bereits im Vorfeld der Entwicklung am Hubland in anderen Stadtteilen innerhalb der Stadt Würzburg erprobt. Fazit und Ausblick Sowohl die Ansätze in der Stadt Wolfsburg als auch in der Stadt Würzburg zeigen, dass von Seiten der Kommunen vielfältige Möglichkeiten bestehen, innovative Mobilitätslösungen zu fördern und umzusetzen, um langfristig eine nachhaltige Mobilitätskultur in kleineren Großstädten zu etablieren. Dazu bedarf es allerdings neben finanziellen Ressourcen auch den Mut und den Veränderungswillen insbesondere von Seiten der Kommunen, bestehende Mobilitätssysteme neu zu denken und die entsprechenden kommunalpolitischen Instrumente an die veränderten Bedürfnisse, Anforderungen und Rahmenbedingungen anzupassen. Die vorgestellten Maßnahmen bieten vor allem in kleinen Großstädten und Mittelstädten das Potenzial, um für neue Mobilitätsformen zu sensibilisieren und den Modal Split sukzessive in Richtung umweltverträglicher Verkehrsmittel zu verändern. Für Kommunen bieten die vorgestellten Maßnahmen einen praktischen Denkanstoß, neue Wege der Mobilität zu gehen und als wesentlichen Bestandteil einer integrierten Energie- und Verkehrsentwicklung einzubinden [15]. So können beispielsweise Sharingsysteme mit konventionellen und elektrischen Fahrzeugen an einfach zugänglichen Mobilitätsstationen und -zentren die Attraktivität des Mobilitätsangebotes im Bereich ÖPNV erhöhen und damit die Lebensqualität in der Stadt nachhaltig verbessern. Nur durch den Ausbau derartig emissionsarmer, Spaß bringender und verlässlicher Angebote lassen sich langfristig die Verkehrsprobleme in den Städten lösen. ■ QuEllEN [1] Stadt Wolfsburg (2015a): Bevölkerungsbericht 2015. Wolfsburg. [2] Stadt Wolfsburg (2015b): Arbeitsmarktbericht 2015. Wolfsburg. [3] Kraftfahrt-Bundesamt (2015): Fahrzeugzulassungen (FZ) - Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach Gemeinden 1. Januar 2015. Flensburg. [4] WVI - Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung Infrastrukturplanung GmbH (2013): Mobilitätsuntersuchung für den Großraum Braunschweig - Zusammenfassung der Ergebnisse zu Haushaltsbefragung, Fahrgasterhebung und Verkehrsmodellierung für Analyse und Prognose - Abschlussbericht. [5] Drive-Carsharing (2016): Kooperation mit der Wolfsburg AG ab Mai 2009. In: https: / / www.drive-carsharing.com/ news/ kooperationwolfsburg-ag/ . Stand 12.01.2016. [6] Stadt Wolfsburg (2015c): eMobilityCube In: http: / / microsite.stadt. wo l f s b u r g . d e / e m o b i l i t yc u b e / w p c o n t e n t / u p l o a d s / s i tes/ 16/ 2015/ 06/ 2015_05_28_emobilitycube_flyer_anleitung_ ecar_2_final.pdf. Stand 25.10.2015. [7] Canzler, Weert; Knie, Andreas (2011): Einfach aufladen. München. [8] Stadt Würzburg (2016): Würzburg in Zahlen. In: http: / / www.wuerzburg.de/ de/ buerger/ statistikstadtforschung/ index.html. Stand 05.01.2016. [9] B.A.U.M. Consult GmbH; Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Hochschule Amberg; Technische Universität München Fachgebiet für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung (2012): Integriertes Klimaschutzkonzept für die Stadt Würzburg [10] Scouter (2016): Carsharing in Würzburg. In: https: / / scouter.de/ wuerzburg/ . Stand 12.01.2016. [11] nextbike (2016): Fahrradverleih in Würzburg. In: http: / / www.nextbike.de/ de/ wuerzburg/ . Stand 12.01.2016. [12] Stadt Würzburg (2010): Erläuterungsbericht Rahmenplanung Hubland. Würzburg. [13] Freistaat Bayern (2007): Bayerische Bauordnung (BayBO) - Bekanntmachung der Neufassung der Bayerischen Bauordnung vom 14. August 2007. [14] Stadt Würzburg (2014): Stellplatzsatzung der Stadt Würzburg. Würzburg. [15] Canzler, Weert; Knie, Andreas (2013): Schlaue Netze: Wie die Energie- und Verkehrswende gelingt. München. daniel Hinkeldein, Dr.-Ing. Projektleiter, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin daniel.hinkeldein@innoz.de Adrien Cochet-Weinandt Stadtplaner, Fachbereich Stadtplanung, Projektgruppe Mobilstationen, Stadt Würzburg adrien.cochet-weinandt @stadt.wuerzburg.de Sandra Wappelhorst, Dr.-Ing. Senior Expertin, Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH, Berlin sandra.wappelhorst@innoz.de Bild 8: Mobilitätskonzept - Mobilitätsmanagement Hubland Quelle: Cochet-Weinandt 2015