eJournals Internationales Verkehrswesen 68/1

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0014
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2016
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Effizienter Container-Umschlag durch Digitalisierung

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Holger Bochow
Henrik Hanke
Der Kombinierte Verkehr wird als umweltfreundliche Alternative zum reinen Straßentransport vom Bundesministerium für Verkehr gefördert. Doch um die Akzeptanz des Transports mit mehreren Verkehrsträgern bei den Verladern zu erhöhen, müssen neben der Nachhaltigkeit auch der Preis, die Transportdauer und die Zuverlässigkeit stimmen. Die Wettbewerbsfähigkeit hängt nicht nur vom Tempo des Verkehrsmittels ab, sondern auch von der Umschlagsgeschwindigkeit an den Schnittstellen der Transportkette. Deshalb setzt das Container-Hinterlandlogistik-Netzwerk Contargo an den Terminals auf Digitalisierung. Eigens entwickelte IT-Lösungen verringern dabei Warte- und Abfertigungszeiten deutlich.
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Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 39 Kombinierter Verkehr LOGISTIK Effizienter Container-Umschlag durch Digitalisierung IT macht Kombinierten Verkehr schneller Digitalisierung, App, Kombinierter Verkehr, Containerumschlag, Hinterlandverkehr Der Kombinierte Verkehr wird als umweltfreundliche Alternative zum reinen Straßentransport vom Bundesministerium für Verkehr gefördert. Doch um die Akzeptanz des Transports mit mehreren Verkehrsträgern bei den Verladern zu erhöhen, müssen neben der Nachhaltigkeit auch der Preis, die Transportdauer und die Zuverlässigkeit stimmen. Die Wettbewerbsfähigkeit hängt nicht nur vom Tempo des Verkehrsmittels ab, sondern auch von der Umschlagsgeschwindigkeit an den Schnittstellen der Transportkette. Deshalb setzt das Container-Hinterlandlogistik-Netzwerk Contargo an den Terminals auf Digitalisierung. Eigens entwickelte IT-Lösungen verringern dabei Warte- und Abfertigungszeiten deutlich. Autoren: Holger Bochow, Henrik Hanke R und 62 % der in Deutschland zurückgelegten Tonnenkilometer entfallen auf die Straße. Angesichts der aktuellen Verkehrsprognosen im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung, die ein Wachstum des Güterverkehrs von fast 40 % bis 2030 vorhersagen, ist davon auszugehen, dass dieser hohe LKW-Anteil die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung ausbremsen kann. Fachleute aus Wirtschaft und Politik betrachten daher den Kombinierten Verkehr als wesentliches Element des Klimaschutzes im Güterverkehr. Denn in mehrgliedrigen Transportketten kann jeder Verkehrsträger seine besonderen Vorteile zur Geltung bringen. Den Flaschenhals des Kombinierten Verkehrs bilden die Terminals als Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern. Jeder LKW durchläuft am Terminal einen Abfertigungsprozess, der aus Anmeldung, Prüfung der Ladeeinheiten, Dokumentation, Ein- oder Ausfahrtskontrolle und Umschlag besteht. Im Normalfall dauert das 30 Minuten, doch in Stoßzeiten kann es zu Wartezeiten und Rückstaus kommen. Wenn dann noch ein technisches Problem auftritt, zum Beispiel eine defekte Krananlage, kann das dazu führen, dass der vorgegebene Ladetermin nicht eingehalten wird. Schlimmstenfalls erreicht der Container seinen nächsten Anschlusstermin im Terminal oder Seehafen nicht. Eine App für Trucker Contargo organisiert Containerverkehre zwischen den Westhäfen, den deutschen Nordseehäfen und dem europäischen Hinterland, dort verfügt das Unternehmen über 25 eigene Terminals. Am Terminal der Contargo Süd am Standort Basel können sich LKW-Fahrer seit einigen Monaten lange Wartezeiten sparen: Im Online-Anmeldesystem des Terminals (STAR) sehen sie nicht nur freie Slots, sondern können diese bei Bedarf auch gleich selbst buchen. Durch die sequenzierte, vorangemeldete Slot-Vergabe für einfahrende LKW konnte Contargo in Basel die Umschlagsgeschwindigkeit per LKW reduzieren und den Durchsatz somit erhöhen. Bereits seit einiger Zeit wurde in der Contargo-Gruppe über die Einführung eines Slot-Managements an den Terminals diskutiert. Im Jahr 2013 spitzte sich die Lage am Terminal in Basel zu, die Warteschlange wurde immer länger. Insbesondere im Export zwölf bis vier Stunden vor Abfahrt der Binnenschiffe gab es Engpässe bei der LKW-Abfertigung, denn jedes LKW- Unternehmen disponierte frei und unabhängig von den verfügbaren Umschlagskapazitäten am Basler Terminal. So kam es zu Wartezeiten von bis zu sechs Stunden. Häufig entstanden den LKW-Unternehmen dadurch Mehrkosten, die von ihren Auftraggebern nicht übernommen wurden. Zudem gingen die Wartezeiten von den Lenkzeiten der Fahrer ab. Aber auch für Contargo war die Situation nachteilig, denn die vorhandenen Kran-und Umschlagsgeräte konnten unter diesen Umständen nicht gleichmäßig und damit optimal genutzt werden. Zunächst machte Contargo die LKW- Unternehmen in der Schweiz auf die regelmäßigen Wartezeiten aufmerksam und bat um umsichtigeres Disponieren. Als das nicht fruchtete, machten sich Management und IT-Abteilung im Frühsommer 2013 auf die Suche nach einer Lösung. Schnell kristallisierte sich heraus, dass eine Web-Applikation zur Online-Terminvergabe selbst entwickelt werden sollte. Als Vorbild dienten Slot-Managementsysteme, wie sie bereits ähnlich bei Verladern genutzt werden. Aus der Praxis für die Praxis Für das Projekt gründete sich innerhalb des Unternehmens eine eigene Arbeitsgruppe. Sie bestand aus Mitarbeitern des Terminals, die sich mit den operativen Abläufen vor Ort auskannten, und Mitarbeitern der IT- Abteilung. Zunächst mussten die Herausforderungen analysiert und in sogenannten Anwendungsfällen (Use cases) abgebildet werden. Daraus entstanden dann User Storys, die sich daran orientierten, was welche Person warum durchführt. Diese User Storys wurden dem Terminal-Alltag entnommen, sind also keine bloße Theorie. Die erarbeiteten Anforderungen wurden nicht als Lösung beschrieben, sondern als Problemstellung bzw. Prozess. So konnten sie optimal in einen Gesamtprozess eingepasst werden. Auf dieser Grundlage wurde ermittelt, welche Funktionalitäten eine erste Version des Programms bieten sollte. Diese wurden in der Pilotversion untergebracht, die im Zuge der Nutzung seither kontinuierlich weiter entwickelt wird. Aus der täglichen Arbeit sowie sich ändernden Rahmenbedingungen ergeben sich laufend neue Ideen Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 40 LOGISTIK Kombinierter Verkehr und Anpassungen. Diese Vorgehensweise entspricht dem sogenannten SCRUM-Ansatz. Dieser sieht eine schrittweise Entwicklung und Umsetzung vor. Deshalb ist es auch schwer zu sagen, wie lange die Entwicklung des Programms gedauert hat: Die eigentliche Entwicklung bis zur Pilotphase (Live Test) dauerte knapp drei Monate. In der Pilotphase wurde das Programm zunächst mit einem, später mit zwei Unternehmen getestet. In dieser Zeit konnte Contargo selbst Sicherheit im Umgang mit dem neuen Prozess gewinnen und erste Erfahrungen aus dem Alltag einfließen lassen. Die positive Resonanz der beiden Testpartner motivierte das Team. Im Mai 2015 wurde die Applikation allen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Richtig fertig wird so eine App jedoch nie, denn sie muss ständig an die dynamische Realität angepasst werden. Slot-Management reduziert Wartezeiten Aktuell sieht es so aus, dass sich LKW-Fahrer gegen eine geringe Gebühr in das Anmeldesystem einloggen können. STAR steht als Web-Applikation zur Verfügung (Bild 1). Die Anwendung reagiert responsiv und ist daher frei von gerätspezifischen Barrieren. Eine mobile App steht ebenfalls im Google Play Store für Android-Systeme zur Verfügung. Die Applikation basiert auf einer vereinfachten Tagesdarstellung wie in einem Kalender, die jeden Slot innerhalb der Geschäftszeiten mit einer farblich gekennzeichneten verfügbaren Kapazität darstellt. Die LKW-Unternehmen melden ihre Container verbindlich zum Umschlag an. Dafür geben sie verschiedene container- und transportrelevante Informationen ein. Der Slot-Manager bei Contargo kann anhand der Anmeldeinformationen die Auftragsprüfung im Vorfeld durchführen und damit wiederum Wartezeiten im Gatevorgang verkürzen, die Anfrage bestätigen oder auch verschieben. Der Kunde kann in seinem eigenen Bereich, dem „Partner Cockpit“, erkennen, ob der Container, den er abholen oder bringen möchte, bei Contargo bereits als Auftrag bekannt ist (Bild 2). Je länger die Applikation in Gebrauch ist, umso mehr nehmen die regelmäßigen Wartezeiten ab. Die LKW-Unternehmen können ihre Fahrzeuge jetzt „gezielter“ fahren lassen. Zwar müssen sie dafür auf einen Teil ihrer Dispositionsfreiheit verzichten, jedoch ermöglichen die verkürzten Wartezeiten eine bessere Planbarkeit und sparen zudem durch die schnellere Abfertigung auch noch Zeit und Geld. Positiver Nebeneffekt: Feinstaub, Lärm und klimaschädigende CO 2 -Emissionen können verringert werden. Diese guten Ergebnisse haben Contargo dazu veranlasst, aktuell weitere User Storys aus der Contargo-Gruppe aufzunehmen, um die App mittelfristig auch an anderen Terminals einführen zu können. OCR-Technik für Binnenterminals Neben der App in Basel diskutiert Contargo weitere Maßnahmen, um die Abfertigung an den Terminals zu beschleunigen. Eine davon ist die Installation sogenannter OCR- Gates. OCR (Optical Character Recognition) ermöglicht während der Fahrt durch das Gate das automatische Lesen der Kennzeichen von Ladeeinheiten, Waggons oder LKW. Über eine Bild-Kontrolle können sogar Containerzustand und das Vorhandensein des Container-Siegels überprüft werden. Zur weiteren Beschleunigung werden automatische Schranken, Self-Check-in und die automatische Fahrzeugleitung zu einem bestimmten Stellplatz gehören. Diese moderne Prozesskette soll die Durchlaufzeiten der Fahrzeuge an dem Terminal optimieren. Im nordrhein-westfälischen Voerde baut Contargo seit November 2015 ein neues trimodales Terminal aus. Contargo wird dort an 300 Metern Kailänge und zwei Gleisen mit je 315 Metern Länge voraussichtlich jährlich etwa 85 000 TEU umschlagen. Voerde-Emmelsum wird das erste Terminal im Netzwerk der Contargo sein, an dem OCR- Gates zum Einsatz kommen, und ist somit eine Art Pilotprojekt. In den Seehäfen ist die OCR-Technik zwar schon weit verbreitet, aber im Hinterland wird sie bisher nur vereinzelt genutzt. Planungssoftware gegen Congestion Für die Binnenschifffahrt stellen wiederum die Wartezeiten in den Seehäfen ein großes Hindernis dar. Die Congestion betraf in den letzten Jahren insbesondere den Hafen Rotterdam. Aus unterschiedlichen Gründen kommt es dort an einigen Terminals regelmäßig zu Verzögerungen bei der Abfertigung von Binnenschiffen. Die in den Häfen wartenden Schiffe bedeuten für Contargo nicht nur erheblichen Organisationsaufwand, sondern auch Kosten für zusätzlich zu charternden Schiffsraum, Überstunden an einigen Terminals und schnelleres Fahren der Schiffe. Hinzu kommen unzufriedene Kunden, weil Anschlüsse nicht erreicht werden oder ein Zuschlag pro Container (Congestion Surcharge) erhoben werden muss. Im Hafen von Rotterdam suchen seit einigen Jahren alle Beteiligten im Programm „Nextlogic“ gemeinsam nach einer Lösung für dieses Problem. Auch Contargo gehört dazu. Die Planungssoftware „BREIN“ soll die Wartezeiten für Binnenschiffe verringern helfen. Anfang 2017 soll die Software zur Supply-Chain-Optimierung in einen Praxistest in großem Maßstab starten. Dann sollen beispielsweise Terminal- und Depot-Slots neutral zugewiesen und aktuelle Änderungen berücksichtigt werden. Logistiker sind für reibungslose Kommunikation verantwortlich Alle diese Beispiele zeigen, dass die verschiedenen Partner im Kombinierten Verkehr reibungslos miteinander kommunizieren müssen und der Schlüssel dafür die IT ist. Da sich Contargo nicht nur als Logistiker für Container, sondern auch für Informationen sieht, richtet das Unternehmen ein besonderes Augenmerk auf digitale Lösungen. Das begann bereits vor fast 20 Jahren mit dem von Contargo entwickelten Tarifinformationssystem IMTIS. Das Programm wurde seither von Jahr zu Jahr weiter entwickelt und ist inzwischen ein webbasiertes System, das jeder kostenlos über die Contargo-Webseite erreichen kann. Die Nutzer können mit ihm nicht nur die Dauer, die Gesamt- und Mautdistanz sowie den Preis eines Transports im Kombinierten Verkehr berechnen, sondern auch die dabei entstehenden CO 2 -Emissionen. Aus diesem Programm entstand eine weitere branchenspezifische Anwendung: Das Intermodale Routing Informations System (IRIS). Seit einigen Monaten ist diese Software, die Streckenführung, Gesamtkilometer, Mautkilometer, Planfahrzeiten und CO 2 -Ausstoß berechnen kann, als Open- Source-Software frei zugänglich. IRIS kann unter der OpenSource-Lizenz AGPLv3 auf GitHub heruntergeladen und den eigenen Ansprüchen entsprechend weiterentwickelt werden. Optimierte Schnittstellen und Transparenz machen den Kombinierten Verkehr zukunftsfähig. Indem die IT dazu beiträgt, Logistikprozesse zu standardisieren, werden sie verständlicher und preiswerter. Gleichzeitig sollte sie den Dienstleistern immer so viel Flexibilität lassen, dass individuelle Kundenwünsche berücksichtigt und kurzfristig auf Marktschwankungen oder andere Veränderungen der Rahmenbedingungen reagiert werden kann. An den Terminals trägt sie dazu bei, die vorhandenen Kapazitäten bestmöglich auszulasten, um die Wertschöpfung zu verbessern und den Kunden einen guten Service zu bieten. Zusammengefasst: Bei immer komplexeren Abläufen und weiter steigenden Umschlagsmengen tragen intelligente IT-Lösung entscheidend zum Erfolg des Kombinierten Verkehrs bei. ■ Holger Bochow Geschäftsführer Contargo AG, Basel hbochow@contargo.net Henrik Hanke IT-Manager Contargo GmbH & Co. KG, Duisburg hhanke@contargo.net 02-16 (gewerbliche Endverbraucher) Energiesparen inklusive: Sectionaltore SPU Thermo • 67-mm dicke Lamellen mit bester Wärmedämmung: U-Wert bis zu 0,33-W/ (m²·K) • thermisch getrennte Schlupftür mit extraflacher Edelstahl-Schwelle • günstige Antriebslösung mit dem WA 300 Sehen Sie den Kurzfilm zum WA-300 unter: www.hoermann.com/ videos * Industrie-Sectionaltor SPU-67 Thermo im Vergleich zum SPU-42 Industrietorantrieb WA-300