eJournals Internationales Verkehrswesen 68/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0019
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Digitalisierung kommt bei den Verkehrsteilnehmern an

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Florian Eck
Die Bürger werden künftig weniger auf ein Verkehrsmittel fixiert sein. Denn sie haben eine zunehmend größere Auswahl an alternativen Mobilitätsangeboten, wie Anruf-Sammeltaxi, Leihfahrräder oder Car-Sharing. Damit steigt jedoch auch die Komplexität der Verkehrsmittelwahl und der Mobilität an sich. Mobile Dienste zur Information oder auch zur Abrechnung und zum Ticketing werden daher in Zukunft immer wichtiger. Neue Erkenntnisse hierzu liefert eine Repräsentativbefragung von Infas im Auftrag des Deutschen Verkehrsforums (DVF)
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Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 54 MOBILITÄT Digitale Dienste Digitalisierung kommt bei den Verkehrsteilnehmern an Die Multimodalität nimmt weiter-zu Mobilitätsdienste, Verkehrsmittelwahl, Standortdaten, Ortbarkeit Die Bürger werden künftig weniger auf ein Verkehrsmittel fixiert sein. Denn sie haben eine zunehmend größere Auswahl an alternativen Mobilitätsangeboten, wie Anruf-Sammeltaxi, Leihfahrräder oder Car- Sharing. Damit steigt jedoch auch die Komplexität der Verkehrsmittelwahl und der Mobilität an sich. Mobile Dienste zur Information oder auch zur Abrechnung und zum Ticketing werden daher in Zukunft immer wichtiger. Neue Erkenntnisse hierzu liefert eine Repräsentativbefragung von Infas im Auftrag des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Autor: Florian Eck D ie Mobilität der Zukunft ist multimodal, zeigte bereits eine Umfrage des DVF im Jahr 2012. Damals bekannten sich immerhin 47% der Bundesbürger dazu, im Alltag nicht nur auf ein Verkehrsmittel festgelegt zu sein. Bei einer aktuellen Befragung von Infas im Auftrag des DVF zur Alltagsmobilität und der Nutzung von Mobilitätsdiensten zeigte sich in dieser Hinsicht ein weiter verstärkter Trend. Bei den regelmäßigen Autofahrern nutzen demnach 12 % zusätzlich mindestens wöchentlich Busse und Bahnen, 31 % das Fahrrad. Die Stammkunden von Bussen und Bahnen nutzen zu 31 %- mindestens wöchentlich auch das Fahrrad, zu 47 % auch das Auto. Bei den Fahrradnutzern ist diese Multimodalität noch stärker ausgeprägt: 74 % der (fast) täglichen Radfahrer nutzen mindestens wöchentlich auch das Auto, 25 % Busse und Bahnen. Zu diesem multimodalen Trend kommt der Anspruch der Nutzer, die einzelnen Fortbewegungsmodi im Alltag zu kombinieren und so intermodale Mobilitätsketten zu bilden. Um hier die Transparenz zu erhöhen und die Verkehrsteilnehmer zu unterstützen, haben sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von mobilen digitalen Diensten etabliert. Sie informieren im Vorfeld oder auf der Route, weisen auf Verbindungen oder Mietfahrzeuge hin, stellen Tickets aus, ersetzen den Parkschein und ermöglichen das Bezahlen von Mobilitätsdienstleistungen. Digitale Medien werden so auch für Mobilitätsangebote unverzichtbar. Smartphone auf dem Vormarsch Mit den für digitale Dienste notwendigen Endgeräten sind die Bundesbürger grundsätzlich gut ausgestattet: Rund 60 % haben mittlerweile ein Smartphone, 32 % ein Tablet und setzen diese mobilen Endgeräte auch für Mobilitätsdienste ein. Von den mobilen Nutzern haben 53 % zusätzlich noch einen stationären PC, 72 % einen Laptop. Beim genaueren Hinsehen spaltet sich jedoch die Gesellschaft in „Digital Natives“ und nicht angebundene Bevölkerungsgruppen. Immerhin fast 1 / 5 der Bürger haben kein digitales Endgerät, bei den Ü70 ist jeder zweite gar nicht angebunden, während alleine die Smartphonequote bei den 18 bis 29-jährigen mit 94 % fast vollständig ist. Diese unterschiedliche Ausstattung der Zielgruppen und die daraus resultierende „digitale Kluft“ muss bei der weiteren Gestaltung der Informations- und Vertriebsangebote rund um die Mobilität mit berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Auch der analoge Zugang muss sichergestellt sein. digitale dienste kommen an Im Folgenden wird die Gruppe der Smartphone- und Tabletnutzer herausgegriffen, um die mobile Nutzung der Dienste genauer zu analysieren. Die beiden Spitzenreiter unter den mobilitätsbezogenen Diensten sind Navigation (mit 28 % täglicher/ wöchentlicher Nutzung) und Fahrplanauskunft (mit 18 % täglicher/ wöchentlicher Nutzung). Gerade im Ballungsraum ist der Nutzungsanteil hier überdurchschnittlich hoch (Bild 1). Bei den Stamm- und Gelegenheitsnutzern der Busse und Bahnen ist das digitale 7 9 4 0 1 0 21 9 10 1 2 0 17 13 7 2 4 0 25 24 16 2 14 3 30 44 63 94 79 96 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Routenplaner/ Navigation Fahrplanauskunft Stauinfos Info CarSharing Fahrschein-/ Ticketkauf Miete eines Fahrrads Nennungen in % | Nutzer von Tablet, Smartphone täglich wöchentlich monatlich seltener nie Bild 1: Nutzung von Mobilitätsdiensten Quelle: Infas/ Deutsches Verkehrsforum (Dez 2015) Internationales Verkehrswesen (68) 1 | 2016 55 Digitale Dienste MOBILITÄT Angebot angekommen: Regelmäßige Bahnnutzer mit Mobilgerät nutzen zu 41 % auch täglich die Fahrplaninformationen. Selbst bei den Gelegenheitsnutzern gibt nur bis zu 44 % Nicht-Nutzer der Informationsdienste. Stauinfos hingegen werden im Vergleich als digitaler Dienst über Smartphone / Tablet weniger abgerufen als Fahrplaninfos. Trotzdem ergeben sich rund 14 % tägliche oder wöchentliche Nutzungen, aber auch 63 % Nicht-Nutzer. Der Trend bei Bus- und Bahnnutzern weist jedoch auf eine zunehmende Akzeptanz im multimodalen Umfeld hin. Informationen und Buchungsmöglichkeiten zum Car-Sharing weisen bundesweit eine sehr geringe Nutzungintensität auf, da diese Dienste mit rund 1 Millionen registrierter Kunden und 15 400 PKW insgesamt auch noch nicht weit verbreitet sind. Angesichts der zweistelligen Wachstumsraten in diesem Bereich bei Fahrzeugen und Kunden kann jedoch auch hier in Zukunft mit einer proportional zunehmenden Inanspruchnahme der digitalen Dienste gerechnet werden. 1 Auch das mobile Ticketing ist bundesweit im Alltag mit 80 % Nicht-Nutzern und überwiegenden Gelegenheitsnutzern noch sehr gering verbreitet. Nur 1 % nutzen es täglich, 2 % eher wöchentlich und 14 % seltener als monatlich. Die digitale Bereitstellung von Parkscheinen nehmen lediglich 2 % der Bürger täglich in Anspruch. Die Fahrradmiete über App wird von 3 % selten und 96 % der mobilen Anwender nie genutzt. Positionsfreigabe nur zögerlich Mobilitätsdienste sind in vielen Fällen auf eine genaue Standortangabe der Benutzer angewiesen. Hier zeigt sich jedoch, dass viele Bürger zögern, ihre Daten ohne Einschränkung zur Verfügung zu stellen (Bild-2). Lediglich 11 % der Nutzer mobiler Endgeräte geben ihre Positionsdaten generell frei. Das Gros der Nutzer legt jedoch einen sensiblen, differenzierten Umgang an den Tag: 23 % entscheiden über die Freigabe je nach App, 40 % schalten gezielt situationsbezogen frei. Andererseits sperren 36 % diese Übermittlung grundsätzlich. Bei den Gründen für den restriktiven Umgang mit den Positionsdaten werden die generelle Zurückhaltung bei der Preisgabe persönlicher Daten genannt, der Wunsch nach informationeller Selbstbestimmung, aber auch mangelndes Vertrauen in Diensteanbieter und die mangelnde Transparenz. Bei jüngeren (18-29 Jahre) möchte jeder zweite nicht genau geortet werden (Bild-3). Fazit Die Befragung zeigt, dass die Bürger in der Multimodalität angekommen sind, denn sie legen sich in ihren Alltagswegen zunehmend nicht auf ein Verkehrsmittel fest. Auch die Verbreitung der Endgeräte für eine intelligente Vernetzung und Information im Mobilitätsbereich hat in den letzten Jahren enorm zugenommen und ist bei der jungen Generation nahezu vollständig. Daher dürfte sich der Trend zur Nutzung digitaler Mobilitätsdienste mit dieser und den Folgegenerationen über die Jahre weiter verstärken. Allerdings werden noch nicht alle Angebote umfassend genutzt. Vorreiter sind hier Navigation und Fahrplaninformationen. Wichtig für eine breitere mobile Nutzung ist vor allem die Bereitstellung zuverlässiger Informationen und ein leistungsstarkes mobiles Übertragungsnetz. Beides sind Aufgaben, die für die weitere Digitalisierung der Mobilität zügig angegangen werden müssen. Die nur zögerliche und situationsabhängige Freigabe von Standortdaten durch die Nutzer zeigt eine besondere Sensibilität, aber auch ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber Datenschutzthemen - gerade bei der jüngeren Generation. Die IT-, Telekommunikations- und Mobilitätsunternehmen müssen hier die Bedenken der Kunden ernst nehmen, indem sie gemeinsam das Vertrauen in den Datenschutz noch weiter ausbauen, die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen sowie der Anonymisierung der Daten dokumentieren und durch unabhängige Instanzen prüfen lassen und auf die vom Bürger geforderte Transparenz hinsichtlich der Verwendung der Daten eingehen. Gleichzeitig geht es auch darum, den Kunden vom Mehrwert der standortbezogenen Dienstleistung zu überzeugen. Nur so kommt die Digitalisierung beim Verkehrsteilnehmer an. ■ 1 Informationen nach: http: / / www.carsharing.de/ alles-ueber-carsharing/ carsharing-zahlen [Link vom 15.01.2016] Florian Eck, Dr. Stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums DVF und Lehrbeauftragter „Vernetzung der Verkehrsträger“ an der Technischen Universität Berlin eck@verkehrsforum.de 11 23 40 36 generell je nach App je nach Anlass keine Freigabe Nennungen in % | Nutzer von Smartphone / Tablet 34 29 28 18 14 1 10 0 5 10 15 20 25 30 35 möchte nicht ständig ortbar sein Möglichst wenige Daten preisgeben Selbstbestimmung über Weitergabe Intransparenz was mit Daten passiert kein Vertrauen in Dienste/ Anbieter reduziert Akkulaufzeit Sonstiges Nennungen in % | Nutzer von Smartphone / Tablet, Mehrfachnennungen möglich Bild 3: Gründe für die Nicht-Freigabe von Standortdaten Quelle: Infas/ Deutsches Verkehrsforum (Dez 2015) Bild 2: Bereitschaft zur Freigabe von Standortdaten Quelle: Infas/ Deutsches Verkehrsforum (Dez 2015)