Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0032
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Luft-Schlacht der Lobbyisten
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Werner Balsen
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Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 15 V or etwa neun Monaten machten die Spitzenleute der fünf größten europäischen Luftfahrtkonzerne Lobbying zur Chefsache: In Brüssel kündigten sie - unzufrieden mit den sechs auf EU-Ebene für ihre Belange arbeitenden Verbänden - die Gründung eines siebten an. Mittlerweile ist die neue Lobby gegründet und trägt den Namen: Airlines for Europe, neumodisch chic abgekürzt A4E. Wie Top-Manager so sind, trugen sie gleich ziemlich dick auf: Mehrfach sprachen sie von einem „historischen Tag“, obwohl sie nichts anderes als einen neuen Verband ankündigten. Freilich einen, der den Ruf nach einer „neuen Revolution in der Europäischen Luftfahrt“ erschallen lassen soll. Die Luftfahrtbosse merkten dann schnell, dass es leichter ist, einen Konzern zu führen, als einen Verband aus der Taufe zu heben. Denn das großspurig für den Herbst angekündigte Vorhaben zog sich in die Länge: Termine waren nicht einzuhalten, und die Gründer mussten die interessierte Öffentlichkeitmusste mehrfach vertrösten. Mitarbeiter (Policy officers) waren schon bestimmt, bevor überhaupt ein geschäftsführender Direktor in Sicht war. Auf dem Luftfahrtgipfel, den die aktuelle niederländische EU- Präsidentschaft Anfang des Jahres am Flughafen Amsterdam/ Schiphol organisiert hatte, trat A4E erstmalig in Erscheinung. Und sorgte aus zwei Gründen gleich für Verwunderung: Erstens sagten die Neuen mit Blick auf die drängendsten Luftfahrtthemen in Europa das gleiche wie der Verband der Europäischen Luftfahrtgesellschaften (AEA). Das ist eine der ältesten Lobbyorganisationen in Brüssel und genau die, der A4E den Garaus machen will. Zweitens sprachen die Chefs der Gründungskonzerne der neuen Organisation keineswegs mit einer Stimme. Im Wettbewerb mit den Airlines der Golfstaaten etwa, einem thematischen Dauerbrenner in der EU, vertritt Willie Walsh, der Vorstandschef der International Airlines Group mit BA, Iberia und Vueling, eine dezidiert andere Haltung als die Chefs von Lufthansa und Air France/ KLM. Walsh setzt auf Wettbewerb, letztere rufen laut nach der helfenden Hand der EU-Kommission. Solche Differenzen in der Sache sorgen dafür, dass in Brüssel längst nicht alle vom Sinn der neuen Lobby überzeugt sind. Sie werden in ihren Zweifeln noch bestärkt, weil dort traditionelle Gesellschaften und Low-Cost-Carrier organisiert sind. Das definiert weitere Themenfelder, auf denen A4E nicht mit einer Stimme sprechen kann, und die deshalb aus der Verbandspolitik ausgeklammert werden müssen. So unklar vielen der Sinn der neuen Luftfahrtlobby ist, so deutlich sind deren Konsequenzen absehbar: Die Zahl der Interessenvertretungen des Sektors wird abnehmen: A4E bedeutet das Ende von AEA und von Elfaa, dem Europäischen Verband der Niedrigpreis-Fluglinien. Auch auf die Zukunft von Iaca, der Lobby der Chartergesellschaften, gibt niemand in Brüssel einen Pfifferling. Vor allem AEA will aber nicht sang und klanglos untergehen und stemmt sich gegen das Aus, das der ein oder andere schon für den Frühsommer voraussagt. Kleinere europäische Gesellschaften, etwa die polnische LOT, fürchten um ihre Lobby-Heimat. Ihre wirtschaftlichen Interessen weichen von denen der Branchengrößen ab. Das gilt auch für Turkish Airlines: Die Gesellschaft von außerhalb der EU, die aber in der Union eine nicht unerhebliche Rolle spielt, wäre dann ebenfalls ohne Interessenvertretung in Brüssel. Deshalb versucht das Unternehmen, das zufälligerweise gerade den Vorsitz in der AEA innehat, den Verband als Sammelbecken für alle die zu gestalten, die nicht mit Lufthansa und Co in einer Lobby kämpfen wollen, weil sich die Interessen von Groß und Klein nicht unbedingt decken. Zumal die Großen (A4E) sich wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Interessen auf die wenigen Themen konzentrieren werden, die allen Mitgliedern auf der Seele liegen: Einheitlicher Luftraum in Europa, niedrigere Flughafengebühren, Reduzierung der Steuern. Und es steht zu befürchten, dass die Großen, die die Kleinen generös eingeladen haben, ihrem Verband beizutreten, weniger großzügig sein werden, wenn es darum geht, Lot und Co. Veto- und Mitspracherechte einzuräumen. A4E, der neue Verband, will nach der Neuordnung der Brüsseler Lobby-Landschaft zur einzigen schlagkräftigen Interessenvertretung für die Luftfahrtgesellschaften werden. Ihre Mitglieder wollen die Neugründung der bereits effizient arbeitenden Flughafen-Lobby entgegen setzen. Denn die, so klagen die Airline-Vertreter immer wieder, nimmt ihnen ständig die Butter vom Brot. Selbst wenn sich alles im Sinne von A4E entwickeln sollte - es wäre für die Konsolidierung der Lobby-Szene sinnvoller, wenn am Ende der Neuordnung eine einzige Interessenvertretung auf EU- Ebene für den gesamten Wirtschaftssektor Luftfahrt spräche: Für Airlines und Airports. Das aber war, als sie das Lobbying zur Chefsache machten, offensichtlich selbst den Bossen der fünf größten europäischen Luftfahrtkonzerne eine zu gewagte Vision. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN Luft-Schlacht der Lobbyisten
