eJournals Internationales Verkehrswesen 68/2

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0045
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2016
682

Bordstrom für Hochsee-Schiffe durch Brennstoffzellen

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2016
Keno Leites
Ansgar Bauschulte
Der Energiebedarf von Megajachten, Container- und Kreuzfahrtschiffen kann den Verbrauch einer Kleinstadt erreichen. Der damit verbundene Schadstoffausstoß bedeutet vor allem in Häfen und Küstenbereichen eine hohe Belastung für Mensch und Umwelt. Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) entwickeln Industrie- und Forschungspartner ein umweltschonendes, hochseetaugliches Stromaggregat auf der Basis von SOFC-Brennstoffzellen, das den sogenannten „Hotelbetrieb“ an Bord gewährleisten kann. Als Energieträger kommt hierfür Dieselkraftstoff zum Einsatz, der durch Reformierung in ein SOFC-adäquates Brenngas überführt wird.
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Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 75 Marine Energieversorgung TECHNOLOGIE Bordstrom für Hochsee- Schiffe durch Brennstoffzellen Reformierung ermöglicht Einsatz von Diesel als Energieträger Brennstoffzellen, Reformierung, Dieselkraftstoff, Stromversorgung, Schiffe Der Energiebedarf von Megajachten, Container- und Kreuzfahrtschiffen kann den Verbrauch einer Kleinstadt erreichen. Der damit verbundene Schadstoffausstoß bedeutet vor allem in Häfen und Küstenbereichen eine hohe Belastung für Mensch und Umwelt. Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) entwickeln Industrie- und Forschungspartner ein umweltschonendes, hochseetaugliches Stromaggregat auf der Basis von SOFC-Brennstoffzellen, das den sogenannten „Hotelbetrieb“ an Bord gewährleisten kann. Als Energieträger kommt hierfür Dieselkraftstoff zum Einsatz, der durch Reformierung in ein SOFC-adäquates Brenngas überführt wird. Autoren: Keno Leites, Ansgar Bauschulte A uch in der Schifffahrt ist die Reduzierung von Schadstoffemissionen ein wichtiges Thema. Schiffe werden auf hoher See in der Regel mit Schweröl als Kraftstoff betrieben, bei dessen Verbrennung besonders viele Schadstoffe entstehen. In vielen Küstenbereichen und geschlossenen Seeregionen, wie zum Beispiel an der Nord- und Ostsee, bestehen daher bereits reduzierte Emissionsgrenzwerte der International Maritime Organisation (IMO), und weitere kommen jährlich hinzu. In Häfen in Skandinavien werden schon Gebühren für Stickoxidemissionen erhoben. Auch die CO 2 -Emissionen werden künftig reglementiert. Um mit Schiffsdiesel betriebene Generatoren zur Stromversorgung an Bord langfristig durch umweltschonendere Brennstoffzellenanlagen zu ersetzen, wird von einem Konsortium um die ThyssenKrupp Marine Systems GmbH zusammen mit der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) das Demonstrationsprojekt SchIBZ - SchiffsIntegration BrennstoffZelle durchgeführt. Es ist ein Teilprojekt des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP), das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützt wird. In SchIBZ entwickeln, fertigen und erproben fünf Unternehmen und Institutionen in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein hochseetaugliches Stromaggregat auf der Basis von Festoxidbrennstoffzellen (Solid Oxide Fuel Cell, SOFC), die von der sunfire GmbH, Dresden, zugeliefert werden. Das Aggregat soll geeignet sein, den sogenannten Hotelbetrieb an Bord allein, oder gegebenenfalls im Verbund mit konventionellen Dieselaggregaten, zu gewährleisten. Dabei ist sowohl das Aggregat in sich modular veränderbar als auch die Anzahl der Aggregate pro Schiff, so dass eine Skalierung der elektrischen Leistung bis in den Megawatt-Bereich möglich wird. Technisch machbar ist auch die Integration mehrerer Bild 1: Die wesentlichen technischen Komponenten des im Projekt „SchIBZ“ in Entwicklung befindlichen Brennstoffzellensystems zur Bordstromversorgung Grafik: ThyssenKrupp Marine Systems GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 76 TECHNOLOGIE Marine Energieversorgung Brennstoffzellenaggregate an unterschiedlichen Stellen an Bord, um eine hohe Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten. Eine weiteres Anwendungsfeld sind stationäre, dezentrale Blockheizkraftwerke. Hier können aus containerisierten Aggregaten transportable Systeme auch im Megawatt- Bereich erstellt werden. Brennstoffzelle erzeugt Bordstrom Die Arbeit an dem BZ-Gesamtsystem umfasst alle Aspekte - vom Entwurf und der Auslegung des Systemdesigns über die Reformierung bis hin zur Brennstoffzelle und der Abgasnachbehandlung (Bild 1). Dazu zählt auch die Entwicklung und Auslegung von Balance-of-Plant-Komponenten wie die Medienversorgung, die Wärmetauschereinheiten und die Raumbelüftungskonzepte. Ergänzend kommt ein Energiepuffer hinzu, der die Dynamikunterschiede zwischen Verbrauchernetz und Brennstoffzelle ausgleicht. Hierzu wird eine Batterielösung mit Lithium-Ionen-Zellen erarbeitet, die nach den Gegebenheiten des Verbrauchernetzes ausgelegt wird. Weitere Arbeitsfelder sind die Entwicklung der Systemsteuerung und Betriebsstrategie sowie der Aufbau des Demonstrators. Die Arbeitsschritte werden durch numerische Simulationen und experimentelle Untersuchungen gestützt. Die Besonderheit des Systems liegt darin, PKW-üblichen Dieselkraftstoff mit einem Schwefelgehalt von 15 ppm als Energieträger für den Betrieb der Hochtemperatur-BZ zu verwenden. Das Nachbrennersystem arbeitet bei Temperaturen um 750 °C, bei denen noch keine thermische Stickstoffoxidbildung (NO x ) auftritt, so dass das Aggregat trotz der Verwendung von Diesel kaum NO x emittiert. Die Emission von Schwefeloxiden (SO x ) wird durch den geringen Schwefelanteil im Kraftstoff sowie spezielle Filtereigenschaften im Prozess komplett unterbunden. Auch der CO 2 -Ausstoß wird durch den hohen erwarteten elektrischen Wirkungsgrad von 50 % um 25 % gegenüber einem modernen, üblicherweise eingesetzten Dieselaggregat reduziert. Nicht eingerechnet sind weitere CO 2 -Reduzierungen durch die Nutzung der Abwärme der BZ-Anlage in den Schiffssystemen. Um alle Teilprozesse, die im Vorfeld einzeln erprobt wurden, im Systemzusammenhang zu prüfen, wird ein Demonstrator mit einer Nettoleistung von zunächst 50 kW elektrisch an Land aufgebaut und getestet. Dieser wird als containerisierte Anlage ausgeführt, die auf Schiffen oder in permanenten stationären Anwendungen verwendet werden kann. Parallel wird ein Konzept zur Skalierung der Systemleistung auf bis zu 500 kWel erarbeitet. Durch die Verknüpfung der Brennstoffzellen in Modulen werden Leistungen ab 50 kW in 25- oder 50-kW-Schritten möglich sein. In containerisierten Anlagen werden bis 200 kW in 20’’bzw. über 400 kW in 40’’Containern möglich sein. Die Entscheidung zugunsten von Diesel erfolgte, weil dieser in gewohnter Weise gehandhabt werden kann und die Verteilung im Schiff zu den einzelnen Verbrauchern durch bereits bestehende Infrastruktur und technische Systeme an Bord sehr einfach ist. Zudem benötigt Diesel im Vergleich zu Gasen nur ein Drittel bis ein Viertel des Bunkerplatzes. Wasserstoff wird bisher nicht als Energieträger auf Schiffen eingesetzt, da die Speicherung technisch sehr anspruchsvoll ist. Gleichzeitig ist das System offen für den teilweisen oder vollständigen Einsatz von alternativen Brenn- und Kraftstoffen, so dass Diesel auch durch BtL- Kraftstoffe wie Biodiesel (FAME) oder hydriertes Pflanzenöl (HVO) sowie GtL- Kraftstoffe ersetzt werden könnte. Auch Erdgas (NG oder in verflüssigter Form LNG) kann eine Option für den Betrieb des Systems sein. Aus diesel wird Wasserstoff Die Reformierung von Kohlenwasserstoffen kann mit verschiedenen Verfahren durchgeführt werden, deren Auswahl und Auslegung sich an den Anforderungen des jeweils eingesetzten Brennstoffzellentyps an das zu erzeugende Synthesegas orientieren. Für die in SchIBZ eingesetzten SOFC-Brennstoffzellen, die sowohl Wasserstoff als auch Kohlenmonoxid und Methan im Reformat zur Stromerzeugung nutzen können, wurde die Dampfreformierung gewählt. Der Projektpartner OWI Oel-Waerme-Institut in Aachen entwickelt für die Demonstrationsanlage einen für dieses Verfahren geeigneten Reaktor mit einer Leistung von bis zu 100 kW thermisch (Bild 2). Für die Reformierung wird der flüssige Kraftstoff in einen gasförmigen Zustand überführt und zwar in einem der eigentlichen Synthesegasbildung vorgelagerten Prozess. Gleichzeitig wird er mit Wasserdampf homogen vermischt. Der eigentliche Vorgang der Reformierung verläuft anschließend an einer katalytisch aktiven Oberfläche im Reaktor. Der erforderliche Wasserdampf wird mittels des Brennstoffzellenabgases und eines Restgasbrenners bereitgestellt, so dass Wirkungsgradverluste reduziert werden. Die Nachverbrennung des Brennstoffzellenabgases erfolgt katalytisch, so dass weder Stickoxidnoch nennenswerte Kohlenmonoxid-Emissionen entstehen. Zur Integration der Systemkomponenten wird ein geeignetes Verschaltungskonzept der einzelnen Module (Reformer, Verdampfer, Gemischbildner, etc.) zur System- und Wärmeintegration entwickelt, das in späteren Schiffsbauprojekten im Einzelfall angepasst werden kann. Generell hat die Auswahl des Reformierungsverfahrens auch einen erheblichen Einfluss auf den erreichbaren elektrischen Wirkungsgrad eines BZ-Systems. So wird Bild 2: Dampfreformer für die Wandlung von Diesel in Wasserstoff Im OWI-Labor Foto: Oel-Waerme-Institut GmbH STECkbRIEf SchIbz - SchiffsIntegration brennstoffzelle Projektstart Juli 2009 Projektpartner • Thyssen Krupp Marine Systems GmbH, Hamburg • OWI Oel-Waerme-Institut GmbH, Herzogenrath • DNV GL SE, Oslo/ Hamburg • Rörd Braren Bereederungs-GmbH & Co. KG, Kollmar • Leibnitz-Universität, Institut für Thermodynamik, Hannover Auftraggeber: Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) unterstützt durch: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) die nächsten Projektschritte • Aufbau Demonstrator Anfang 2016 • Landtest bis Mitte 2016 • Seetest bis Ende 2016 Internationales Verkehrswesen (68) 2 | 2016 77 Marine Energieversorgung TECHNOLOGIE zum Beispiel bei der katalytisch partiellen Oxidation (CPOx) ein Teil des Kraftstoffes durch die notwendige Zugabe von Luft vollständig oxidiert und steht daher der Brennstoffzelle nicht mehr zur Verfügung, während bei der für SchIBZ gewählten Dampfreformierung der Kraftstoff vollständig zu Wasserstoff umgesetzt werden kann und der Energiegehalt des Reformats sogar ansteigt. Das Reformierungsverfahren kann auch auf andere Kohlenwasserstoffverbindungen angewandt werden. So ist die Adaptierung des Verfahrens an Erdgas für Anwendungen mit Gasversorgung sowohl an Land als auch auf Schiffen vorgesehen. Laborversuche verlaufen erfolgreich Bereits 2013 wurde der Reformer in einem Langzeitversuch am OWI erfolgreich getestet. Dieser erzeugte über rund 3200 Stunden aus Dieselkraftstoff und Wasserdampf ein Brenngas mit den Bestandteilen Wasserstoff (ca. 40 %), Methan (ca. 15 %), Kohlenmonoxid (ca. 5 %) und Kohlendioxid (ca. 40 %; trockene Konzentrationen). Bei den Messungen konnten außer Methan keine anderen Kohlenwasserstoffe nachgewiesen werden. Somit ist das erzeugte Brenngas optimal nutzbar für den Betrieb der SOFC- Brennstoffzelle. Weitere durchgeführte Labortests ergaben wichtige Daten zur Bestimmung der günstigsten Betriebsparameter und Betriebsweisen des Reformers. Von sunfire wurde nach den Anforderungen von ThyssenKrupp Marine Systems ein SOFC-Modul entwickelt, das die Basiseinheit für die Stromaggregate bilden wird (Bild 3). Vier dieser Module sollen für den Demonstrator im SchIBZ-Projekt verwendet werden. Das Modul hat Abmessungen, die eine gute Raumnutzung innerhalb von Schiffen ermöglichen und daraus resultierend eine Nettoleistung von 25 kW. In der nächsten Generation sollen 40 kW erzielt werden. Das erste Modul hat bis Ende Juni 2014 einen 1000-h-Test absolviert, in dem die erwarteten Leistungsdaten bestätigt wurden und die Degradation sehr gute Werte zeigte. Die Fertigung der weiteren Module wurde daraufhin aufgenommen. Um die Schiffstauglichkeit der Brennstoffzellen nachzuweisen, wurden zwei weitere Tests nach den Regeln der Klassifikationsgesellschaften durchgeführt. Dies war zum einen ein Test unter 22,5° Neigung, wie es auf offener See vorkommt, und zum anderen ein Test mit einem definierten Schwingungsspektrum, welches die Belastungen durch Maschinenvibrationen und Seegang nachbildet. In beiden Versuchen wurden bei den SOFC unter Betriebsbedingungen keine Ausfallerscheinungen festgestellt, jedoch Nachbesserungsbedarf bei der Isolierung, die den Belastungen zum Teil nicht standhielt. In 2014 wurde am OWI eine Pilotanlage als Vorentwicklungsstufe kleinerer Leistung (8 kW elektrisch) aufgebaut, die aus den Hauptkomponenten Vormischsystem und Reformer (bis zu 20 kW thermisch) und der Brennstoffzelle besteht. In einem bis Ende 2014 erfolgreich durchgeführten Dauerlauftest über 1000 Stunden wurden Erfahrungen für den systemnahen Betrieb mit einer solchen Anlage gesammelt. Sowohl die Brennstoffzelle als auch der Reformer zeigten im gekoppelten Betrieb über die Gesamtlaufzeit keine nennenswerte Degradation. Aktuell befindet sich die Demonstratoranlage im Aufbau. Der Demonstrator wird Anfang 2016 mechanisch fertiggestellt und bis Mitte 2016 an Land getestet. Anschließend wird er auf dem Frachtschiff MS Forester (Bild 4) für zirka ein halbes Jahr einen Teil der Bordstromversorgung übernehmen. ■ Keno Leites, Dipl.-Ing. Projektleiter für alternative Energiekonzepte, Forschung und Entwicklung, ThyssenKrupp Marine Systems GmbH, Hamburg keno.leites@thyssenkrupp.com Ansgar Bauschulte, Dipl.-Phys. Leiter Reformierung, OWI Oel-Waerme-Institut GmbH, Herzogenrath a.bauschulte@owi-aachen.de Bild 3: Seriennahes 25 kW-SOFC-Modul von Sunfire für die Verwendung im Demonstrator und folgenden Anwendungen Foto: sunfire GmbH Bild 4: Die MS Forester ist für den Praxistest des Brennstoffzellensystems im Demonstrationsprojekt SchIBZ vorgesehen Foto: Reederei Rörd Braaren