eJournals Internationales Verkehrswesen 68/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0049
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Mut zur Zukunft

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Andreas Knie
Stephan Rammler
Wiebke Zimmer
Die Partei Bündnis90/Die Grünen hat im Jahre 2015 einen wissenschaftlichen Beirat konstituiert, um gemeinsam mit Partei- und Fraktionsspitze sowie mit Fachministern der Länder darüber zu beraten, wie zukünftige Mobilitäts- und Verkehrspolitik aussehen könnte. Während bei der Energiewende bereits große Fortschritte erkennbar sind, erscheint dagegen eine „Verkehrswende“ noch in sehr weiter Ferne zu liegen. Partei und Beirat diskutieren daher die Frage, ob und in welcher Form Mobilität und Verkehr ein prominentes Politikfeld im Bundestagswahlkampf werden kann. – Der folgende Beitrag entstammt dieser Diskussion, stellt aber ausschließlich die Meinung der Autoren dar.
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Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 10 IM FOKUS Air Dolomiti: Projekt „Green Sky“ treibt Umweltschutz W ir müssen die Bayern überzeugen, das Auto stehen zu lassen.“ Das sagte kürzlich nicht etwa ein Vertreter der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), sondern Michael Kraus, der seit diesem Monat im Ruhestand beindliche, bisherige Präsident und Vorstandsvorsitzende von Air Dolomiti, der drittgrößten Fluggesellschaft Italiens. Kraus bezog sich dabei auf die Flugverbindungen der 100-prozentigen Lufthansa-Tochter zwischen München und beispielsweise Verona, Florenz, Venedig oder Bergamo. Schneller und umweltfreundlicher als mit dem eigenen PKW komme man mit einer Embraer 195 hin und zurück. Zehn dieser Flugzeuge hat Air Dolomiti auf elf Destinationen zwischen München und Italien im Einsatz, hinzu kommen die Relationen Frankfurt - Verona, München - Dubrovnik und München - Zürich. 2013 wurden mehr als 1,7 Mio. Passagiere befördert. Die Flieger können laut Kraus mit einem Verbrauch von weniger als 4 l Kerosin pro Passagier auf 100 km, niedrigen Emissionswerten, geringer Lärmentwicklung, niedrigen Wartungskosten und Turn-around-Zeiten ähnlich wie bei einer Boeing 737 oder einem kleinen Airbus aufwarten. Hinzu komme die Initiative „Green Sky“ von Air Dolomiti, die im Januar 2011 startete und nie beendet sein werde, so Kraus. Um die ökologische Nachhaltigkeit des Unternehmens zu verbessern, werden neue, von der italienischen zivilen Luftfahrtbehörde ENAV festgelegte Luftstraßen belogen. Zusammen mit der Behörde und Ingenieuren von Embraer wurden zudem im Rahmen des Projekts neue Flugproile ausgearbeitet, um den alltäglichen Betrieb der E195 zu optimieren. Bei An- und Ablügen versuchen die Piloten, die Sink- und Steigphasen nicht mehr zu unterbrechen. Die Reisegeschwindigkeit wurde leicht reduziert. Alle Schritte zusammen führen nach Unternehmensangaben zu einer merklichen Reduktion des Kraftstofverbrauchs und der CO 2 -Emissionen. Kraus rechnet besonders bei den Materialien, der Flügelform und den Antrieben mit weiteren Verbesserungen im künftigen Flugzeugbau. Die Flotte von Air Dolomiti hat ein Durchschnittsalter von knapp drei Jahren. - Nicht zuletzt, weil im Rahmen des Lufthansa-Sanierungsprogramms „Score“ die Muttergesellschaft beschlossen hat, keine Flüge mehr mit Propellermaschinen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Das führte bei Air Dolomiti zur Einstellung einiger Relationen und zum Verkauf der kleinen Turboprops; die letzte wurde im Herbst 2013 ausgemustert. Neben dem stetigen Wandel zum Wohle der Umwelt hat sich auch das Geschäftsmodell der Airline verändert. Zwar sind mehr als die Hälfte des Geschäfts noch immer Umsteigelüge für Lufthansa und Firmenlugkontingente, die über Lufthansa verkauft werden. Doch mittlerweile operiert Air Dolomiti mit fünf der zehn Flieger in Eigenregie auf eigenen Relationen und mit einem anderen Preissystem, das dem von Low-Cost-Gesellschaften ähnelt. Vorteil gegenüber diesen Unternehmen: mehr Flüge pro Relation. Die Gesellschaft war für 2013 mit dem Ergebins der Flüge unter Code EN zufrieden. Bewährt sich das Modell, will Air Dolomiti weitere Flieger hinzunehmen. Um das Angebot noch attraktiver zu machen, wird ein Autovermieter gesucht, der garantiert, dass die Gäste an den italienischen Flughäfen einen Fiat 500 - auf Wunsch auch als Cabrio - mieten können. Das wäre dann noch ein Grund mehr, sein eigenes Auto in Bayern stehen zu lassen. (zp) Eine Embraer 195 bietet 120 Passagieren Platz. Foto: Air Dolomiti Neue Märkte geben Airlines Aufwind V ier von fünf Vorstandschefs der Airline- Branche halten die Verlagerung der okönomischen Wachstumszentren in der Welt für die größte Herausforderung der kommenden Jahre. Nach einer Umfrage unter 39 CEOs von Luftfahrtunternehmen, die das Beratungshaus PwC in Zusammenarbeit mit der Internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA durchgeführt hat, werden steigende Passagierzahlen vor allem aus der wachsenden chinesischen Mittelschicht resultieren. Um von diesem Wachstum zu proitieren, wollen die europäischen Gesellschaften weitere Kooperationen und Joint Ventures eingehen, um mehr Flüge und ein dichteres Streckennetz anbieten zu können. Direkte internationale Zusammenschlüsse scheinen dagegen eher unwahrscheinlich, da Fluggesellschaften häuig staatliche Anteilseigner haben. Im Wettbewerb der Geschäftsmodelle von Low Cost Carriern und Legacy Carriern sehen die Low Cost Carrier ihre weiteren Wachstumschancen in höherwertigen Angeboten und die Legacy Carrier in optimierten Kostenstrukturen, um Low-Cost-Produkte anbieten zu können. Nach Meinung der Berater müssen die Airlines allerdings erst einmal mehr über ihre Kunden und deren Bedürfnisse wissen. Entsprechend werde die Auswertung der verfügbaren Kundendaten in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. (zp) Mehr zum Global Airline CEO Survey unter: www.pwc.de Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 11 Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Wenn man ein Ministerium im politischen Gewicht und in der Öfentlichkeitsbeurteilung nachdrücklich negativ beeinlussen will, bedarf es nur-weniger-Spielzüge. Wie man ein Verkehrsministerium ins Abseits stellt. D as deutsche Bundesverkehrsministerium war nie eine erste Adresse für sich als ministrabel haltende Politiker, wohl aber in vielen Legislaturperioden ein Hort fachkompetenter und auch engagierter Mitarbeiter. Die Verkehrs- und Logistikbranche hat die politische Schwäche des Ministeriums viel beklagt und auch darunter gelitten. Immerhin leitete es in der vorigen Legislatur ein sehr aktiver Minister, der sich fachliche Kompetenz erarbeitete und die Ressortbelange im Rahmen seiner Möglichkeiten öfentlich und auch in der damaligen Regierungskoalition nachdrücklich vertrat, was jedoch nicht folgenlos für ihn blieb. Wenn man ein Ministerium im politischen Gewicht und in der Öfentlichkeitsbeurteilung nachdrücklich negativ beeinlussen will, bedarf es nur weniger, aber besonders wirksamer Spielzüge. Etwa: Man schließe einen Koalitionsvertrag, der die dringenden Finanzmittel, die zur existenziell unabdingbaren Substanzerhaltung der Verkehrsinfrastruktur erforderlich und durch zahlreiche Untersuchungen belegt sind, auf das politisch noch als tragbar angesehene, aber völlig unzulängliche Volumen reduziert. Man lasse sich vor der Regierungsbildung auf ein EU-rechtlich unzulässiges, jedoch höchst umstrittenes und in den Koalitionsvertrag aufgenommenes Mautmodell mit einer Belastung nur für ausländische PKW ein, das die notwendigen Finanzmittel nicht erbringt, jedoch einen hohen Bürokratieaufwand erfordert und zu heftigen Reaktionen der Nachbarstaaten führt. Und man lasse durch eine lange und verfahrende Mautdiskussion zu, dass das Verkehrsministerium von Politik, Medien und einer wachsenden Öfentlichkeit mehr als Inkompetenzzentrum denn als leistungsfähige Fachbehörde beurteilt wird. Man entscheide, dass der aktive frühere Minister durch einen Parteifreund ersetzt wird, der weder Fachkompetenz noch die notwendige Kommunikationserfahrung mitbringt und zudem mehr politisch eingeengt wird als seine Vorgänger. Man lasse vom Verkehrsministerium in dieser kritischen Lage einen Bundesverkehrswegeplan bis 2030 aufstellen, für den die Länder trotz der ihnen bekannten Mittelengpässe und entsprechender Ministeriumshinweise, also wider besseres Wissen, Neubaumaßnahmen im Umfang von über 100 Mrd. EUR für den Bundesfernstraßenbereich angemeldet haben. Es stehen aber für Neu- und Ausbau nur maximal 50 Mrd. EUR zur Verfügung, da der Hauptteil der Mittel in die dringenden Ersatzinvestitionen einließt, ergänzt durch die Mittelbindungen für im Bau beindliche Projekte. Für das Ministerium eine weitere Konliktlage. Im Bundesverkehrsministerium ist mehr Sachverstand vorhanden, als die Politik es wahrnehmen will. Aber dieser Sachverstand ist politisch eingefangen, wird nicht wie möglich genutzt oder als politisch inopportun übergangen. Das öfentliche Ansehen des Ministeriums wird durch Politikstrategien weiter belastet. Und was hört diese Öfentlichkeit sonst noch aus dem Ministerium? Ende Juli die Information, dass ein Gesetzentwurf zur Einführung der Gurtanschnallplicht für Taxifahrer fertig gestellt wurde. Beeindruckend. Ein nicht im Abseits stehendes Ministerium hätte möglicherweise eine bessere Finanzmittelausstattung für die Verkehrsinfrastruktur, eine Verhinderung der erheblichen Zusatzbelastung des elektrisch betriebenen Schienenverkehrs durch das neue EEG, eine zukunftsfähige und dringend benötigte Finanzmittel erbringende PKW-Maut und eine Einbeziehung der mit inzwischen wöchentlich 6500 Fernbusfahrten bedeutenden Bahnkonkurrenten in eine Mautregelung bewirken oder zumindest in eine breite Sachdiskussion führen können. Möglicherweise sind die entsprechenden Sachunterlagen im Ministerium vorhanden. Wahrscheinlich in verschlossenen Schränken. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 12 POLITIK Luftverkehrsrechte Emirates Direktflüge durch Emirates zwischen Deutschland und den USA Wirtschaftliche Potenzialanalyse unter Beachtung rechtlicher und operativer Rahmenbedingungen Seit Oktober 2013 nutzt die in Dubai ansässige Fluggesellschaft Emirates internationale Verkehrsrechte, sogenannte Freiheiten der Luft, für Nonstop-Flüge von Mailand nach New York. Eine weitere Netzexpansion der Fluggesellschaft ist angesichts der Zahl der georderten Flugzeuge zu erwarten. Der Beitrag untersucht das wirtschaftliche Potenzial von Emirates-Flügen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten unter Beachtung der rechtlichen und technisch-operativen Rahmenbedingungen und nennt mögliche Zielorte für solche Flugstrecken. Die Potenzialanalyse zeigt, dass selbst bei weiter liberalisierten Luftverkehrsabkommen das Angebot von Emirates-Flügen auf Nordatlantik-Strecken voraussichtlich begrenzt bleibt. Dieses Ergebnis kann bedeutsam sein für die Luftverkehrspolitik der Europäischen Union und national für die Entscheidung, ob Emirates Verkehrsrechte für die deutsche Hauptstadt erhalten soll. Der Autor: Richard Klophaus E mirates als mit Abstand größte Fluggesellschaft der Golfregion konnte im letzten Jahrzehnt ein enormes Passagierwachstum verzeichnen. Zunächst stand die Verkehrsentwicklung zwischen Europa und Zielorten im Fernen Osten, Indien, Afrika und Australasien über das Emirates-Drehkreuz in Dubai (DXB) im Vordergrund. Später folgte eine Netzexpansion nach Westen, um Passagiere von China und Indien nach Amerika zu fliegen. Seit Oktober 2013 ist Emirates mit einer Flugroute von DXB über Mailand- Malpensa (MXP) nach New York-John F. Kennedy (JFK) auch in den Wettbewerb um den transatlantischen Markt zwischen den Vereinigten Staaten (US) und der Europäischen Union (EU) eingetreten. Emirates ist kein Mitglied einer globalen Airline-Allianz und hat in Deutschland keine regionale Netzkooperation mit einer anderen Fluggesellschaft etabliert. Die Europäische Kommission beschreibt in ihrer Mitteilung „Luftfahrtaußenpolitik der EU - Bewältigung zukünftiger Herausforderungen“ [1] den Wandel der Wettbewerbsstrukturen im internationalen Luftverkehr. Hervorgehoben wird darin der Aufstieg von Fluggesellschaften aus den Golfstaaten, die internationale Umsteigeverbindungen über ihre Drehkreuze anbieten. Europäische Politiker und Luftfahrtbehörden haben ihre Aufmerksamkeit bislang auf Verkehre der 6. Freiheit der Luft gerichtet, also auf Umsteigeverkehre über die Drehkreuze in der Golfregion, die durch eine Kombination von Nachbarschaftsverkehren der 3. und 4. Freiheit der Luft entstehen und zu Marktanteilsverlusten der europäischen Foto Alexander Dreher_pixelio.de