Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0063
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2016
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Einfluss mobiler Daten auf das Reisen
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Annika Hörstmann-Jungemann
Cordula Neiberger
Immer komplexere und vielseitig einsetzbare Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) revolutionieren den Markt und dringen in verschiedenste Bereiche des Alltags vor, wobei dem Smartphone als „Schweizer Taschenmesser“ eine bedeutende Rolle zukommt. Individuelle Erweiterungsmöglichkeiten an Werkzeugen in Form von Applications-Software (Apps) erweitern den Anwendungskreis ins beinahe Unendliche. So stehen heute auch vielfältige Anwendungen für den Verkehrsbereich zur Verfügung, wie beispielsweise der Abruf von Echtzeitinformationen zu aktuellen Verkehrsanbindungen. Eine Untersuchung beschäftige sich mit dem Einfluss dieser auf Reiseverhalten und -struktur.
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Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 54 LOGISTIK Binnenschiffahrt Nutzung der Binnenschiffahrt auf Rhein und Elbe Vergleich der Nutzung der Binnenschiffahrt auf Rhein und-Elbe durch die verladende Wirtschaft unter Einluss des-Klimawandels Schwankende Fahrrinnentiefen stellen eine Herausforderung für die verladende Wirtschaft dar, die auf kostengünstigen Transport von Massengütern per Binnenschif angewiesen ist. Basierend auf Unternehmensbefragungen wurde ein Modell entwickelt, das die Vulnerabilität von Unternehmen gegenüber schwankenden Fahrrinnentiefen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berechnen kann. Ausgewählte Ergebnisse der Befragung und der Modellergebnisse werden hier vergleichend für Rhein und Elbe dargestellt. Die Autoren: Anja Scholten, Benno Rothstein F ast jede deutsche Stadt über 500 000 Einwohner ist per Binnenschif zu erreichen [1]. In Deutschland wurden 2005 ca. 11 % der binnenländischen Verkehrsleistung per Binnenschif erbracht (per Bahn ca. 17 %) [2]. Die regionale Bedeutung kann deutlich höher sein: In Nordrhein-Westfalen ist die Binnenschiffahrt mit einem Marktanteil von 25 % nach der Straße der zweitwichtigste Verkehrsträger [3]. Massengutaine Unternehmen, d. h. Unternehmen, die auf den Transport von Massengut angewiesen sind wie z. B. Steinkohlekraftwerke, haben sich traditionell an Flüssen niedergelassen, um die Wasserstraße als günstigen, verlässlichen Transportweg zu nutzen. In Niedrigwasserzeiten reduziert sich jedoch die Transportkapazität der Binnenschife, während die Transportnachfrage fast gleich bleibt. Hierdurch wird die Versorgungssicherheit der Unternehmen beeinträchtigt. Entsprechend haben Niedrigwasserperioden in der Vergangenheit (z. B. 2003) schon zu Einschränkungen der Produktion geführt [4]. Da der Klimawandel die Häuigkeit und Intensität von Niedrigwasserereignissen beeinlussen kann, ist es notwendig, die potentiellen Auswirkungen desselben auf Unternehmen quantiizieren zu können. Deshalb wurde im KLIWAS Projekt ein Modell entwickelt, das die Auswirkungen von schwankenden Wasserständen auf die Lagerhaltung von Unternehmen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berechnet. Hierdurch kann die Vulnerabilität von Unternehmen gegenüber Transporteinschränkungen per Binnenschif erstmals quantiiziert werden [4]. Zudem erlaubt es das Modell, Anpassungsmaßnahmen mit einzubeziehen und ihre Wirksamkeit zu quantiizieren. Für die Anwendung des Modells sind Unternehmensdaten notwendig, die durch Befragungen zwischen 2007 und 2012 erhoben wurden. Hier werden Ergebnisse der Unternehmensbefragungen an Rhein und Elbe erstmals vergleichend dargestellt, bevor die Resultate des Vulnerabilitätsmodells für beide Flüsse erläutert werden. Merkmale der verladenden Wirtschaft entlang von Rhein und Elbe An Rhein und Elbe wurden jeweils etwa 250-Unternehmen direkt bezüglich der Umfrage angeschrieben, gut 60 bzw. knapp 40 Firmen nahmen daran teil. Die hier dargestellten Merkmale der verladenden Wirtschaft beziehen sich explizit auf die befragten Unternehmen und sind nicht allgemeingültig. Soweit verfügbar, stimmen sie jedoch weitgehend mit allgemein erhobenen statistischen Daten überein. Eine detailliertere Auswertung der Umfrage für den Rhein indet sich in [5], die Ergebnisse für die Elbe werden hier erstmals veröfentlicht. Die an der Befragung teilnehmenden Unternehmen an Rhein und Elbe unterscheiden sich deutlich in Bezug auf ihre Transportcharakteristika: • 37,5 % der antwortenden Unternehmen an der Elbe transportieren unter 1000 t/ Jahr, einige (12,5 %) transportieren jedoch bis zu 3 000 000 t/ Jahr - im Schnitt sind es gut 700 000 t/ Jahr. Davon werden zwischen 1 und 30 % (im Mittel 148 000 t/ Jahr) per Binnenschif transportiert. Am Rhein haben nur 10,5 % der Unternehmen angegeben unter 15 0000 t/ Jahr zu transportieren, 31,5 % transportieren mehr als 1 500 000 t/ Jahr - allein per Binnenschif, das bei den dortigen Unternehmen einen Anteil am Gesamttransport zwischen 1 und 95 % hat. • An der Elbe bevorzugen alle antwortenden Unternehmen Schifsgrößen mit bis zu 1350 t Tragfähigkeit mit einem Tiefgang von 2,50 m, während am Rhein 87 % der Unternehmen Schifsgrößen über 1000 t mit Tiefgängen von 3,50 m bevorzugen. 15 % der Unternehmen setzen am Rhein Schife von über 3000 t ein. Das auf dem Rhein beliebte Großmotorschif (110 · 11,4 m) [5], das auch auf der Elbe zulässig ist, wird von den befragten Unternehmen dort nicht bevorzugt. • Auch bezüglich der Bedeutung des Flusses als Standortfaktor unterscheiden sich Rhein und Elbe. Während der Rhein für über 70 % der Unternehmen einen entscheidenden Einluss auf die Ansiedlung hatte [5], war dies an der Elbe nur für 44 % der Unternehmen der Fall. Dabei ist ein Fluss dieser Größe sowohl als Wasserstraße als auch als Kühl-/ Brauchwasserquelle bedeutsam. • Am Rhein haben 16 % der antwortenden Unternehmen Anschluss an vier Verkehrsmodi. Dies hat an der Elbe keins der Unternehmen. Im Gegenteil: An der Elbe haben 33 % Anschluss an nur einen Verkehrsträger (5 % am Rhein). Die Unternehmen am Rhein können somit theoretisch leichter auf andere Verkehrsträger ausweichen. Hierfür sind je- Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 55 Binnenschiffahrt LOGISTIK doch zusätzlich die richtigen Anschlüsse an den Lagern nötigt [5]. • Die befragten Unternehmen an der Elbe verfügen über leicht größere Lagerkapazitäten im Verhältnis zu ihrem täglichen Rohstobedarf als die Unternehmen am Rhein [4], nämlich im Schnitt 15 Tage (am Rhein 13 Tage). Es inden sich bei den antwortenden Unternehmen jedoch auch einige mit Lagerkapazitäten von 45, 120 oder sogar 300 Tagen. Somit können die Unternehmen an der Elbe etwas länger ohne Transport produzieren als die am Rhein. Vulnerabilität der verladenden Wirtschaft durch den Klimawandel Um die Vulnerabilität (Verwundbarkeit) von massengutainen Unternehmen gegenüber Niedrigwasserereignissen quantiizieren zu können, wurde im KLIWAS Projekt ein Modell entwickelt, das auch die Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels und vorgenommener Anpassungsmaßnahmen erlaubt. Weitere Informationen inden sich in [4] und [5]. Bei den Berechnungen werden ausschließlich die klimatischen Rahmenbedingungen variiert. Alle anderen Bedingungen (Wirtschaftsentwicklung etc.) bleiben unverändert. Informationen zu den verwendeten Szenarien inden sich bei [6], [7] und [8]. Die Nulllinie repräsentiert die Stärke der Vulnerabilität (gemessen als prozentuale Abweichung von der optimalen Lagerhaltung) der Unternehmen von 1961-1990 und damit das Niveau, mit dem die Unternehmen heute umgehen. Eine Zunahme der Vulnerabilität zeigt sich in negativen Abweichungen von der optimalen Lagerhaltung, d.h. das Eduktlager ist zu leer oder das Produktlager zu voll. Für den Rhein wird hier exemplarisch das Mittel aus drei Unternehmen eines Verladertyps (Schifsgröße 3000 t, Transportanteil über 40 %) dargestellt (Bild 1). Weitere Beispiele inden sich unter anderem bei [4], [5] und [9]. Nahe Zukunft • Optimistisches Szenario (CCLM B1): keine negativen Änderungen • Pessimistisches Szenario (CCLM A1b): ganzjährig negative Abweichungen mit Minimum in Oktober/ November (bis zu -17 %) Ferne Zukunft • Optimistisches Szenario: negative Abweichungen in der ersten Jahreshälfte (-10 %), Minimum im Oktober von -26 % • Pessimistisches Szenario: ganzjährig größere Abweichungen über -15 %, Minimum im November (-45 %) Für die Elbe wurden zwei andere Szenarien als Hüllkurven identiiziert und über zwei Unternehmen gemittelt: Nahe Zukunft • Optimistisches Szenario (RCA): nur minimale Abweichungen im September • Pessimistisches Szenario (HCQ0): Abweichungen bis zu -7 % im Winter Ferne Zukunft • Optimistisches Szenario: nur minimale Abweichungen • Pessimistisches Szenario: Abweichungen bis zu -11 % im Winter Insgesamt lässt sich feststellen, dass, anders als beim Rhein, die Abweichungen an der Elbe mit maximal -11 % gering sind. Zur Identiikation, ob die Unterschiede zwischen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -45% -40% -35% -30% -25% -20% -15% -10% -5% 0% Rhein CCLM A1B Rhein CCLM B1 Elbe RCA Elbe HCQ0 Monat Abweichungen vom optimalen Lager (%) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -45% -40% -35% -30% -25% -20% -15% -10% -5% 0% Rhein CCLM A1B Rhein CCLM B1 Elbe RCA Elbe HCQ0 Monat Abweichungen vom optimalen Lager (%) Nahe Zukunft Ferne Zukunft Bild 1: Vergleich der Vulnerabilität von Unternehmen an Rhein und Elbe unter Randbedingungen der Hüllkurven Modelle Quelle: eigene Berechnungen mit Fahrrinnentiefen der BfG Nahe Zukunft Ferne Zukunft Bild 2: Vergleich der Vulnerabilität von Unternehmen an Rhein und Elbe unter Randbedingungen des RACMO Modells Quelle: eigene Berechnungen mit Fahrrinnentiefen der BfG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -5,0% -4,0% -3,0% -2,0% -1,0% 0,0% Rhein Elbe Monat Abweichungen vom optimalen Lager (%) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 -5,0% -4,0% -3,0% -2,0% -1,0% 0,0% Rhein Elbe Monat Abweichungen vom optimalen Lager (%) Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 56 LOGISTIK Binnenschiffahrt Rhein und Elbe auch bei gleichen Szenarien und ähnlichen Transportcharakteristika auftreten, wurden Unternehmen mit ähnlichen Charakteristika unter gleichen Klimawandelszenarien (RCA und RACMO - beide projizieren eher geringe Änderungen des Ablusses für Rhein und Elbe) verglichen. Unter den Randbedingungen des RCA Modells weisen die Unternehmen an beiden Flüssen quasi keine Zunahme der Vulnerabilität auf, weshalb dieses hier nicht dargestellt wird. Auf Bild 2 wird beim Vergleich von Rhein und Elbe deutlich, dass die Variabilität und Saisonalität für die Unternehmen an der Elbe in beiden Zeitscheiben (2021-2050 und 2071-2100) höher sind. Sichtbar wird auch die für die ferne Zukunft steigende Vulnerabilität im Herbst an beiden Flusssystemen. Während die Abweichungen für die nahe Zukunft an Elbe und Rhein vom Betrag her ähnlich sind, sind die Abweichungen am Rhein für die ferne Zukunft mit -4 % höher als an der Elbe mit -2 %. Fazit Die Unternehmen an Rhein und Elbe haben sehr unterschiedliche Transportstrukturen (s. o.). Dadurch scheinen die befragten Unternehmen an der Elbe im Durchschnitt besser an schwankende Wasserverhältnisse und Einschränkungen der Binnenschiffahrt angepasst zu sein als die Unternehmen am Rhein. Dies liegt sowohl am geringeren Transportanteil der Binnenschife am Gesamttransport als auch an der etwas längerfristigen Lagerhaltung. Zudem verzichten sie (laut Befragung) auf Just-in-Time- Transporte (am Rhein nutzen 16 % der Unternehmen diese Transportform). Diese Unterschiede sagen vor allem etwas über die (von den Verladern so wahrgenommene) geringe Verlässlichkeit der Elbe als Transportweg aus, jedoch nichts über ihre Anpassung an den Klimawandel. Die unterschiedlichen Transportstrukturen wirken sich auch aus, wenn die Vulnerabilität von für die jeweiligen Flüsse typische Unternehmen (s. o.) berechnet wird. Am Rhein gibt es in der fernen Zukunft maximale Abweichungen von bis zu -45 %, während an der Elbe nur maximal Änderungen von -11 % auftreten. Werden jedoch ähnlich strukturierte Unternehmen an Rhein und Elbe unter gleichen Klimaszenarien betrachtet, liefert das Vulnerabilitätsmodell ähnliche Ergebnisse. Die in diesem Vergleich gezeigten Unternehmen sind jedoch aus den oben genannten Gründen nicht typisch für die Rheinregion. ■ LITERATUR: [1] Oertel (2003): Statistische Aspekte des Verkehrswesens, Universität Heidelberg [2] Verkehr in Zahlen (2006/ 07): Verkehr in Zahlen, Hrsg.: BMVBS, Deutscher Verkehrs-Verlag GmbH, Hamburg [3] Hönemann (2005): Klimawandel und Klimaauswirkungen als Herausforderung für Unternehmen der Binnenschiffahrt, Vortrag bei der Fachkonferenz Rheinklima des BMVBS am 15.04.05 in Bonn [4] Scholten, Rothstein, Baumhauer (2014): Mass-cargo-aine industries and climate change; Climatic Change Volume 122, Issue 1-2 [5] Scholten, A. (2010): Massenguttransport auf dem Rhein vor dem Hintergrund des Klimawandels. Würzburger Geographische Arbeiten 104. Würzburg. [6] Nilson, Carambia, Krahe, Larina, Belz, Promny (2011): Auswirkungen des Klimawandels am Rhein, Tagungsband KLIWAS, 2. Statuskonferenz am 25./ 26.10.2011. Weißensee Verlag. Bonn. [7] BfG (2013): KLIWAS Schriftenreihe-11/ 2013; Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstraßen und Schiffahrt; Koblenz [8] Nilson, E., Krahe, P., Lingemann, I., Horsten, T., Klein, B., Carambia, M., Larina, M., Maurer, T (2014): Auswirkungen des Klimawandels auf das Ablussgeschehen und die Binnenschiffahrt in Deutschland. KLIWAS-Schriftenreihe 02/ 2014: DOI: 10.5675/ Kliwas_43/ 2014_4.01 [9] Scholten, Rothstein (2012): Auswirkungen von Niedrigwasser und Klimawandel auf die verladende Wirtschaft, Binnenschiffahrt und Häfen entlang des Rheins. Würzburger Geographische Arbeiten. 107. Würzburg. Anja Scholten, Dr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin; Universität Würzburg/ HTWG Konstanz anja.scholten@uni-wuerzburg.de Benno Rothstein, Prof. Dr. habil. Professur Geowissenschaftliches Ressourcenmanagement; HTWG Konstanz rothstein@htwg-konstanz.de STANDPUNKT Bundeswasserstraße Schlei? Ein Zwischenruf von Dr.-Ing. Andreas Kossak, Kossak Forschung und Beratung, Hamburg D ie Bundesverkehrswege aller Sektoren sind seit Jahrzehnten gravierend unterinanziert. In Reaktion darauf hat das Bundesverkehrsministerium unter anderem eine „Neue Netzstruktur“ für die Bundeswasserwege entwickelt. Kernpunkt ist eine schärfere Diferenzierung nach Bedeutungsklassen und die Konzentration der verfügbaren Mittel auf Wasserstraßen der oberen Kategorien. Die Schlei in Schleswig Holstein ist im aktuellen Entwurf „ganz am Ende“ eingestuft. Das hat ein Bündnis aus Betrieben, Vereinen und Verbänden der betrofenen Region zum- Anlass genommen, sich mit einer Petition an das Kieler Verkehrsministerium zu wenden. Ziel ist es, die Landesregierung solle sich beim Bund dafür einsetzen, dass das betrefende Gewässer nicht abgestuft wird, zumindest aber sollten die Erhaltungsmittel dafür nicht gekürzt oder gar gestrichen werden. Der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Reinhard Meyer war wiederholt pressewirksam „vor Ort“ und hat seine Unterstützung signalisiert. In ihrem Schlussbericht vom 5. September 2000 hat die von der Bundesregierung eingesetzte „Kommission Verkehrsinfrastrukturinanzierung“ (Pällmann-Kommission) unter anderem angemahnt, die Abgrenzung der Trägerschaften für die Verkehrswege zu überprüfen und ggf. neu fest zulegen sowie auf eine „Finanzierung durch den Nutzer, den Nutznießer und/ oder den Veranlasser“ umzustellen, „so weit das unter den Rahmenbedingungen der einzelnen Verkehrssektoren möglich ist“. Beides bezog sich explizit auch auf die Wasserstraßen. Das Spektrum der Argumente in der genannten Petition repräsentiert eine fast klassische Beschreibung des Wesens der Kategorie „Schibare Landesgewässer“. Die 16 000 Unterschriften dazu belegen ein breites Potential von Nutzern und Nutznießern, die für eine Mitinanzierung der erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Funktionen der Schlei infrage kommen. Vor diesem Hintergrund ist eine Beschränkung auf den Ruf nach Geldern vom Bund riskant und nicht problemgerecht. ■ Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 57 Neufahrzeuglogistik Logistik Seetransport von Automobilen Hafeninfrastruktur und Hafeneisenbahnen als logistische-Engpässe? Nach der Wirtschaftskrise kam es zu weltweiten Strukturänderungen von Automobilproduktion und -nachfrage. Dies brachte Veränderungen für den Fahrzeugumschlag in den Nordrangehäfen und den Seehafenhinterlandverkehr, der sich stärker auf die Schiene verlagerte. Die entsprechenden Entwicklungen werden analysiert und Lösungsansätze zur Reduktion der Infrastrukturknappheit insbesondere der-Hafeneisenbahnen aufgezeigt. Der Autor: Klaus Harald Holocher D er weltweite Seetransport von Fahrzeugen ist von 13,5 Mio. Stück im Jahre 2008 auf 15,325 Mio. in 2013 angestiegen. Wie Bild 1 zeigt, brach das Transportaukommen allerdings im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 2008 auf 2009 um ein Drittel ein. Der seewärtige Außenhandel mit Neufahrzeugen wurde lange Zeit von japanischen Fahrzeugexporten geprägt. Seit der Wirtschaftskrise hat Japan jedoch Marktanteile verloren, während Korea seinen Anteil in etwa halten konnte. Der „Rest der Welt“ (v.a. Exporte aus Europa, USA und Mexiko) konnte seinen Anteil an den weltweiten Fahrzeugseetransporten im Jahre 2013 auf über 52 % steigern 1 . grundlagen des seetransports von-Automobilen Die Veränderungen im Seetransport von Neufahrzeugen beruhen auf verschiedenen Trends der Autoproduktion und der Autoverkäufe. Die Fahrzeugproduktion wird in die Nähe der Absatzmärkte verlagert. PKW japanischer und koreanischer Marken laufen in Europa und USA vom Band, während deutsche Autohersteller auch in Amerika oder China sowie an kostengünstigeren europäischen Standorten wie Spanien oder Mittel- und Osteuropa produzieren. Aufgrund der Produktionsverlagerung fallen einige Neufahrzeugtransporte im Überseeverkehr weg oder werden durch Kurzstreckenseetransporte ersetzt. Der Seetransport von Fahrzeugen lässt sich - in Analogie zum Containerverkehr - prinzipiell in drei Segmente einteilen: • Überseeverkehre (Deepsea) • Transshipmentverkehre (seeseitiger Vorbzw. -Nachlauf zu Überseeverkehren) • Kurzstreckenseeverkehre Die genannten Transportmengen beziehen sich ausschließlich auf die Überseeverkehre, es fehlen beispielsweise Kurzstreckenverkehre mit den Fahrtgebieten Skandinavien/ Ostsee, Britische Inseln, Iberische Halbinsel und Mittelmeer sowie Transshipmentverkehre, die in den Nordrangehäfen einen beträchtlichen Teil der umgeschlagenen Automobile ausmachen. Schon im Jahr 2011 konnten die deutschen, belgischen und niederländischen Nordrangehäfen wieder mehr Fahrzeuge umschlagen als vor der Wirtschaftskrise. Während der Fahrzeugversand (Export) zwischen 2008 und 2013 von 4,620 auf 5,687- Mio. Fahrzeuge anstieg, blieb der Empfang (Import) deutlich unter den alten Höchstwerten. Diese Entwicklung gilt auch für die deutschen Häfen: der Fahrzeugumschlag stieg zwar seit 2008 von knapp 3,5- auf über 4 Mio. an, die Importe ielen jedoch und ihr Umschlaganteil sank von 33 % auf 20 %. Dies liegt an der Exportstärke der deutschen Automobilindustrie.- Selbst bei den Importen handelt es sich- zu einem großen Teil um PKW deutscher Marken, die in Übersee produziert wurden. Neufahrzeuglogistik im Hinterlandverkehr der seehäfen Bild 2 zeigt die Umschlagmengen von neuen PKW und (in geringem Umfang) auch von Nutz- und Gebrauchtfahrzeugen sowie von anderer rollender und rollbar gemachter Ladung. Der Umschlag betrift fast ausschließlich den Außenhandel (Export und Import) von Automobilen; innerdeutsche Seetransporte von Fahrzeugen kommen kaum vor. Transshipmentverkehre gibt es in Emden und Bremerhaven: die Fahrzeuge werden als Seedurchfuhrgut zwischen zwei Schifen umgeladen und nutzen nicht den landseitigen Hinterlandverkehr, gleichwohl wird jedes Fahrzeug einmal als Import und einmal als Export gezählt. Exportfahrzeuge erreichen die Versandhäfen in großvolumigen, gebündelten Strömen direkt aus den Automobilwerken in Deutschland und den südöstlichen Nach- 6,2 3,3 4,4 4 4,3 4,2 2,7 2,1 2,8 3,2 3,2 3,1 4,6 3,6 4,9 5,8 6,9 8,0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Millionen Fahrzeuge Fahrzeugexporte nach Herkunftsregionen ex Rest der Welt ex Korea ex Japan Bild 1: Seetransport von Automobilen nach Versandregionen (in Mio. Stück)
