Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0068
91
2016
683
Hat der Nachtreisezug (doch) eine Zukunft?
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2016
Marco Bellmann
Jörn Schönberger
Das europäische Streckennetz des Nachtreisezugverkehrs, welches im Zeitalter des nicht liberalisierten Verkehrsmarktes etabliert wurde, erfährt auch sechs Jahre nach der Liberalisierung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) eine immer stärkere Ausdünnung. Betreiber mit langjähriger Erfahrung ziehen sich vollständig aus dem Markt zurück. Für neue Betreiber existieren teils schwer überwindbare Barrieren. Neue Produkt-/Servicekonzepte sind längst nicht mehr ausreichend, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Geschäftsmodellinnovationen und die Betrachtung des Nachtreisezuges als komplexes Dienstleistungsbündel sind neue, vielversprechende Lösungsansätze für die Zukunft des transeuropäischen Nachtreisezugverkehrs.
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Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 76 MOBILITÄT Ladeinfrastruktur parker/ innen, das Auto abzuschafen oder weniger einzusetzen, erfolgte die Identiizierung verschiedener Typen innerhalb dieser Gruppe (vgl. auch Bamberg 2013). Ergebnisse Laternenparker/ innen sind bereits multimodal unterwegs Die Laternenparker/ innen in Prenzlauer Berg nutzen das Auto wenig. Eine Auswertung der SrV 2008 zeigt einen hohen MIV- Anteil bei dienstlichen Wegen (54 %), Fahrten zur Arbeit (42 %) und Freizeitwegen (36 %). Dies lässt auf ein multimodales Verkehrsverhalten schließen, bei dem auf das Auto zugunsten anderer Verkehrsmittel verzichtet wird, denn zwei Drittel aller Wege dieser Laternenparker/ innen werden mit dem Umweltverbund zurückgelegt. Ihre Alltagsmobilität bewältigen sie somit ähnlich wie die Multimodalen ohne Auto. Die Gründe für die Autonutzung sind sehr-verschieden Betrachtet man die Untersuchungsgruppen der qualitativen Studie, so nutzen lediglich 13 der 30 Laternenparker/ innen das private Auto für tägliche Wege. Die Gründe für diesen Einsatz unterscheiden sich jedoch deutlich und es konnten insgesamt vier Formen der alltäglichen Autonutzung im Alltag identiiziert werden, wovon zwei eine hohe Bereitschaft zeigen, auf das eigene Auto zu verzichten: • „Zwangsnutzer“ - würden gerne ihr Auto abschafen, sind aber aus persönlichen Sachzwängen darauf angewiesen (Arbeit, Familie etc.). • „Vorhalter“ - wären bereit, ihr Auto abzuschafen, wenn sich die alternativen Angebote für einige bestimmte Zwecke (Transport, Auslüge ins Umland) verbessern würden. Zwei weitere Gruppen werden das eigene Auto weiterhin behalten, aber möglicherweise in Zukunft weniger nutzen: • „Optionisten“ - sind unter den jetzigen Umständen nicht bereit, auf das eigene Auto ganz zu verzichten. Bei einer Verbesserung alternativer Angebote würden sie aber ihre Autonutzung reduzieren. • „Priorisierer“ - bevorzugen das Auto, ohne Alternativen in Erwägung zu ziehen. Bei ihnen gibt es keine Bereitschaft zur Autoabschafung. Die emotionale Bindung an das Auto ist-gering Für einen Teil der Laternenparker/ innen ist keine emotionale Bindung an das Auto nachweisbar, sie sind ofen gegenüber Alternativen. Die klassischen Extramotive beim Besitz eines Autos wie Fahrspaß und das Auto als Statussymbol scheinen eine eher geringe Bedeutung für einen Großteil der heutigen Laternenparker/ innen zu haben, da die Vorteile des Autos in der Stadt nur sehr eingeschränkt sind. Diejenigen, die in früheren Lebensphasen Emotionen hinsichtlich der Autonutzung herausstellen, schätzen die Bedeutung des Autos in ihrer aktuellen Lebenssituation deutlich sachlicher ein. Kosten bleiben ein entscheidender Faktor Kostenersparnis ist ein wichtiges Motiv für die Verkehrsmittelwahl. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse zeigen vor allem die Diskrepanz in der Wahrnehmung zwischen den Kosten des eigenen Autos und Alternativen, wie etwa dem ÖPNV. Kostengestaltung und -transparenz sind somit wichtige Ansatzpunkte, die eine multimodale Verkehrsmittelnutzung unterstützen. Damit die tatsächlichen Autokosten stärker in das Bewusstsein rücken und Optionen des Umweltverbunds attraktiver werden, müssen Möglichkeiten geschafen werden, einen einfachen und schnellen Kostenvergleich durchführen zu können, z. B. mittels einer verkehrsmittel-übergreifenden App oder einer unkomplizierten Mobilitätsberatung. Schlussfolgerungen für die Ladeinfrastruktur In der Gesamtbetrachtung der zuvor vorgestellten Typisierung kann festgestellt werden, dass es für drei der vier identiizierten Teilgruppen der Laternenparker/ innen die Option für eine Verhaltensänderung in Richtung Mobilität ohne eigenes Autos gibt. Eine genauere Analyse hat gezeigt, dass für zwei der vier Proband/ innen der „Priorisierer“ die Perspektive besteht, zukünftig zur Gruppe der „Optionisten“ zu wechseln, ein Teil der „Optionisten“ wiederum wird sich zu „Vorhaltern“ entwickeln und aus den „Vorhaltern“ werden sich einige Probanden in Zukunft multimodal ohne eigenes Auto bewegen. 1 Für sie stellt der Umstieg auf eine kollektive Auto-Nutzungsoption wie z. B. E-Carsharing oder Mietwagenangebote eine attraktive Alternative dar, die ihren Autonutzungsmotiven größtenteils gerecht werden kann. Insbesondere zwei Faktoren konnten für die Suche nach Alternativen zum privaten Auto als begünstigend herausgearbeitet werden: Zum einen ist für viele Befragte der hohe Stressfaktor des Autofahrens in der Stadt ein zentraler Grund, auf andere Transportmittel zurückzugreifen. Dies gilt insbesondere zu Zeiten starken Verkehrsaukommens, den damit verbundenen Konliktsituationen mit anderen Verkehrsteilnehmer/ innen und der geringen Chance einen Parkplatz zu inden. Der zweite Einlussfaktor, der die Attraktivität der privaten Autonutzung schmälert, ist ein ungünstiges Kosten- Nutzen-Verhältnis (vgl. auch Krämer-Badoni/ Burwitz 2002). Ein entsprechend wirksames Parkraummanagement kann somit eine passende Maßnahme sein, um die Autonutzung zu verringern oder eine Autoabschaffung zu unterstützen. Bezogen auf das Elektroauto kann dies erreicht werden, wenn Laden und Parken auf eine Weise kombiniert werden, dass sie weniger Stress erzeugen als die herkömmliche Parkplatzsuche. Dabei ist es wichtig, dass eine zuverlässige Nutzung möglich ist (Zugang zu Ladeinfrastruktur, technische Zuverlässigkeit). Solche Maßnahmen sind im Hinblick auf das Ziel, den Individualverkehr mit dem Auto zu reduzieren, jedoch vorrangig in Bezug auf Carsharing und privates Autoteilen sinnvoll. So kann ein entsprechendes Parkraummanagement eine besitz-ungebundene Automobilität fördern. Bild 1: Parksituation in der Kolmarer Strasse, Berlin Prenzlauer Berg Ladeinfrastruktur MOBILITÄT Die Gruppe der „Zwangsnutzer“ hingegen ist für entsprechende Maßnahmen, die eine Mobilität ohne eigenes Auto fördern sollen, aufgrund der persönlichen Sachzwänge nicht empfänglich. Stattdessen könnten für diese Gruppe eigene Elektroautos eine Alternative bilden. Damit ist weniger eine lächendeckende als vielmehr eine bedarfsorientierte Ladeinfrastruktur notwendig, um Elektromobilität zu stärken, ohne die innerstädtische Automobilität als Ganzes zu fördern. Wenngleich alle Gruppen grundsätzlich einen Stellplatz in unmittelbarer Nähe zur Wohnung präferieren, zeigen die Untersuchungsergebnisse dennoch eine hohe Toleranz für fußläuig erreichbare Entfernungen zwischen der Wohnung und der Parkmöglichkeit. Daraus kann geschlossen werden, dass grundsätzlich eine hohe Bereitschaft besteht, auch den Weg zu einem Anwohner-Parkhaus zurückzulegen, wenn dort eine Lademöglichkeit für private Elektroautos angeboten würde. Die untersuchten Laternenparker/ innen, die in einer parkraumbewirtschafteten Wohnumgebung leben, sind derzeit allerdings kaum bereit, mehr als bisher für das Parken auszugeben. Da die aktuellen Stellplatzsuchzeiten sowie die Entfernungen zum Wohnhaus bei dem geringen Preis, der für die Parkvignette zu zahlen ist, akzeptiert werden, ist unter den gegebenen Bedingungen zu erwarten, dass es keine höhere Zahlungsbereitschaft für einen Stellplatz in einem Anwohnerparkhaus gibt. Würde ein solcher Stellplatz allerdings mit zusätzlichen Leistungen kombiniert (mehr Sicherheit, Ladestationen, individueller Stauraum z. B. für Winterreifen oder Dachkofer), dann würde mit der wachsenden Attraktivität dieser Stellplätze auch die Bereitschaft steigen, eine höhere Parkgebühr zu zahlen. Diese Kombination bietet somit ein hohes Potential für eine lokal konzentrierte Ladeinfrastruktur. Fazit Eine lächendeckende Ladeinfrastruktur für alle Laternenparker/ innen in verdichteten Stadtquartieren ist weder eine realistische (Kosten) noch eine wünschenswerte Perspektive (Flächenverbrauch). Eine Alternative bildet die Förderung multimodaler Mobilität. Dazu ist das Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen von großer Bedeutung, die sowohl die Weiterentwicklung alternativer Verkehrsangebote unterstützen, als auch die Attraktivität der privaten Autonutzung in der Stadt reduzieren. Der Koexistenz und der sinnvollen Ergänzung der einzelnen Verkehrsarten ist bei der Planung besondere Beachtung zu schenken. Dabei ist es wichtig, diese verkehrspolitischen und planerischen Maßnahmen möglichst passgenau auf die jeweiligen Nutzergruppen abzustimmen. Die hier vorgestellte Typisierung der Laternenparker/ innen, die eine Prädisposition zur Autoabschafung haben, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Stufen der Verhaltensänderung, soll eine solche Entwicklung zielgruppenspeziischer Maßnahmen und die Entwicklung speziischer Steuerungsmöglichkeiten unterstützen. ■ LITERATUR Bamberg, S. (2013). Changing environmentally harmful behaviors: A stage model of self-regulated behavioral change. Journal of Environmental Psychology, 34, 151-159. Krämer-Badoni, Th., Burwitz, H. (2002). Autolose Mobilität : Teil 1 Autolose Mobilität in Bremen, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Wuppertal. 1 Eine ausführliche Ergebnisdarstellung kann dem Abschlussbericht entnommen werden (downloadbar unter www.ivp.tu-berlin.de). Veronique Riedel, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung, Institut für Land- und Seeverkehr, Technische Universität Berlin veronique.riedel@tu-berlin.de Oliver Schwedes, Prof. Dr. Fachgebietsleitung, Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung, Institut für Land- und Seeverkehr, Technische Universität Berlin oliver.schwedes@tu-berlin.de 12. Nov. 2014 Messe Offenburg Messe Offenburg-Ortenau GmbH · Schutterwälder Str. 3 · 77656 Offenburg FON +49 (0) 781 9226-54 · FAX +49 (0) 781 9226-77 · ecomobil@messe-offenburg.de · www.ecomobil-offenburg.de Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 78 MOBILITÄT Carsharing Urbane Mobilität im Umbruch? Verkehrliche und ökonomische Bedeutung des Free-Floating-Carsharing Der vorliegende Artikel basiert auf einer Untersuchung der aktuellen Veränderungen in den urbanen Mobilitätsmärkten am Beispiel der Free-Floating-Carsharingsysteme der civity Management Consultants. Dazu wurden weltweit über einen Zeitraum von einem Jahr rund 115 Mio. Datensätze erfasst und mehrstufig ausgewertet. Mit Hilfe dieses Datensatzes, lassen sich rund 18 Mio. Anmietungen nachbilden. Im Fokus standen die Bewertung der verkehrlichen und ökonomischen Relevanz der Systeme und die Ableitung von Empfehlungen für die Stadt- und Verkehrsplanung, für Mobilitätsdienstleister und Anbieter von Free-Floating-Carsharing. Die Autoren: Friedemann Brockmeyer, Sascha Frohwerk, Stefan Weigele W eltweit etablieren derzeit Automobilkonzerne sogenannte Free-Floating-Carsharing-Systeme (FFC) in Großstädten. Schicke Kleinwagen können per Smartphone ausgeliehen werden und in- einem deinierten Stadtgebiet überall wieder abgestellt werden. Abgerechnet wird im Minutentakt, Spritgeld und Parkgebühren sind dabei inklusive. Die Free- Floating-Systeme haben das Carsharing aus der Ökoecke befreit und für ein breites, pragmatisches, urbanes Milieu zugänglich gemacht. Angebote wie car2go und DriveNow haben den öfentlichen Verkehr wachgerüttelt und verunsichern die Taxibranche, sie stehen beispielhaft für die Veränderungen im urbanen Mobilitätsmarkt. Verkehrliche Bewertung Wesentliches Element des FFC ist die Möglichkeit der Einwegfahrt (daher auch die Bezeichnung: Oneway-Carsharing). Nach Angaben von car2go sind 90 % aller Fahrten Oneway-Fahrten 1 und nur 10 % Return- Fahrten. Über alle Free-Floating-Fahrten und -Systeme weltweit ergibt sich eine durchschnittliche Reiseweite von 5 km für das FFC. Ein Wert, der deutlich unter den Reiseweiten des motorisierten Individualverkehrs (MIV) liegt und nur leicht über den Reiseweiten, die mit Bus und Straßenbahn zurückgelegt werden. Weit über die Hälfte der Fahrten liegen in Entfernungsbereichen unter 5 km (Bild 1). Unsere Analysen belegen demnach, dass es sich bei Fahrten mit FFC-Fahrzeugen im hohen Maß um motorisierte Nahmobilität handelt. Betrachten wir die werktägliche Nachfrage nach FFC, so können wir folgende Beobachtungen machen: • FFC verfügt über eine wesentlich stärker ausgeprägte Verkehrsspitze als andere Verkehrsträger. • Die stärkste Verkehrsspitze beim FFC ist am Abend und nicht am frühen Vormittag. • Die Verkehrsspitze beim FFC liegt nach der allgemeinen nachmittäglichen Verkehrsspitze am frühen Abend zwischen 18 und 20 Uhr. • Die vergleichsweise gering ausgeprägte Morgenspitze folgt der allgemeinen Verkehrsspitze mit ca. zwei Stunden Verspätung zwischen 8 und 10 Uhr. • Nachts ist der Nachfrageeinbruch nicht ganz so stark ausgeprägt wie im öfentlichen Verkehr. In Kombination mit der Analyse der räumlichen Nutzung lassen sich weitere Rückschlüsse auf die Nutzungsstruktur ziehen: • Die Nachfragespitze beim FFC liegt tendenziell im After-Work- und Freizeitverkehr. • Hier konkurriert FFC mit dem (teureren) Taxiverkehr und mit dem (ausgedünnten) öfentlichen Verkehr. • FFC-Systeme werden weniger von klassischen Berufspendlern genutzt als vielmehr von kreativen Milieus mit lexibleren Arbeitszeiten und einem späteren Arbeitsbeginn. Bild 1: Verteilung der Reiseweiten in Berlin Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 79 Carsharing MOBILITÄT Im bundesweiten Durchschnitt wird ein- PKW nur eine- Stunde am Tag bewegt, 23- Stunden dagegen steht er überwiegend im öfentlichen Raum herum. Innerstädtisch liegt dieser Wert zwischen 30 und 45-Minuten aller drei Anbieter hinweg, wird ein Free-Floating-Fahrzeug lediglich rund 39 Minuten am Tag produktiv genutzt. Taxis und Fahrzeuge des öfentlichen Verkehrs schneiden dagegen deutlich besser ab (Bild-2). Für Berlin haben wir für den Zeitraum April 2013 bis März 2014 in Summe ein Nachfragevolumen von rund 3 Mio. Anmietungen für alle drei FFC-Anbieter ermittelt. Bezogen auf den Berliner Mobilitätsmarkt bedeutet dies, dass alle drei Anbieter zusammen einen Modal-Split-Anteil von lediglich 0,1 % erreichen und somit im Verkehrsgeschehen eine kaum wahrnehmbare Rolle ausfüllen (Bild 3). Unsere Analysen der weiteren Städte zeigen grundsätzlich ein sehr ähnliches Bild. Ökonomische Bewertung Entscheidend für das Geschäftsmodell der Anbieter ist die Frage, welche Nutzungsarten/ Mobilitätsbedürfnisse befriedigt werden. Aufgrund der im Vergleich hohen Grenzkosten der Nutzung, wird FFC immer ein ergänzendes und kein Grundverkehrsmittel bleiben. FFC positioniert sich als Self-Service-Taxi für Kunden, deren Grenzkosten der Mobilität nahezu bei Null liegen, da sie zum Beispiel eine Zeitkarte für den öfentlichen Verkehr besitzen oder über ein Fahrrad verfügen. Aufgrund ihrer speziischen Fahrtenstruktur (Nahmobilität, Freizeitverkehr) gelingt es den FFC-Systemen einerseits, neue Erlösströme zu generieren und das Mobilitätsmarktvolumen insgesamt zu vergrößern. Andererseits werden Erlöse von anderen Verkehrsträgern abgezogen, indem Fahrten und Erlöse verlagert werden. Gleichzeitig sind die Preise bzw. Erlössätze pro Anmietung vergleichsweise hoch. So liegt der Preis für eine vergleichbare Fahrt zwar deutlich unter dem Preis für die Fahrt mit einem Taxi, aber auch deutlich über dem Preis einer Fahrt mit dem öfentlichen Verkehr. Neue Erlösströme werden vor allem bei- Kunden mit bislang niedrigen Mobilitätsgrenzkosten generiert, indem einzelne-Wege vom ÖPNV bzw. vom Fahrrad auf das FFC verlagert werden, ohne dass die Erlöse für den ÖPNV oder das Fahrrad aufgrund nicht vorhandener Grenzkosten sinken. Erfolgsfaktoren der Systeme Der ökonomische Erfolg der FFC-Systeme hängt erlösseitig insbesondere von der Auslastung der Fahrzeuge und dem Erlös pro Anmietminute ab. Nach unseren Analysen ist die Auslastung der Fahrzeuge dabei insbesondere von vier Faktoren abhängig. Bisherige Betriebsdauer des Systems Unsere Auswertungen zeigen, dass ein wesentlicher Treiber für den Erfolg in der Betriebsdauer der Systeme liegt. Für die nachfolgende Analyse der Erfolgsfaktoren haben wir die Fahrten pro Fahrzeug für alle Systeme auf eine durchschnittliche Betriebslaufzeit von 24 Monaten harmonisiert, um einen sachgerechten Vergleich zu ermöglichen. Fahrzeugdichte im Geschäftsgebiet Die Fahrzeugdichte im Geschäftsgebiet hat einen relevanten Einluss auf die Auslastung der FFC-Systeme. Aus unseren Analysen lässt sich für europäische Städte ableiten, dass zusätzliche Fahrzeuge einen nachfragesteigernden Efekt haben. Bei einigen Städten lassen sich jedoch auch eine gewisse Sättigung und eine abnehmende Grenznachfrage feststellen. Für die Anbieter ist es daher relevant, die optimale Fahrzeugdichte pro Geschäftsgebiet zu identiizieren (Bild 4). Diese ist von weiteren Faktoren, wie zum Beispiel der Siedlungsdichte, der Diversität der Nutzung, der ÖPNV-Qualität, aber auch der Fahrzeugqualität, abhängig. Ausgestaltung des Geschäftsgebietes Die Größe und der Zuschnitt des Geschäftsgebietes entscheiden darüber, wie viel potenzielle Nachfrage erschlossen werden kann. Erfolgversprechend ist es, mit einem möglichst kleinen Geschäftsgebiet möglichst viele innerstädtische Verkehrsquellen und -ziele zu erfassen. Ein Indikator für die Ausgestaltung des Geschäftsgebietes ist die Siedlungsdichte. Je dichter eine Stadt bzw. das Geschäftsgebiet besiedelt ist, umso einfacher können potenzielle Kunden erschlossen werden. Unsere Regressionsanalyse zwischen der Siedlungsdichte im Geschäftsgebiet und der harmonisierten Auslastung (Bild 5) zeigt für europäische Städte einen klaren Trend: Je dichter das Bedienungsgebiet besiedelt ist, desto höher ist die Auslastung der Systeme. Angebotsqualität des öfentlichen Verkehrs im Geschäftsgebiet In einem weiteren Analyseschritt haben wir untersucht, welchen Einluss die Qualität des öfentlichen Verkehrs auf den Erfolg der FFC-Systeme hat. Die Qualität des öfentlichen Verkehrs wird mit der Kennzahl „Haltestellenabfahrten pro km 2 Siedlungsläche“ im Geschäftsgebiet abgebildet. Die Regressionsanalyse zwischen der Qualität des öfentlichen Verkehrs und der harmonisierten Auslastung zeigt klar: Je dichter das Angebot an öfentlichen Verkehrsmitteln ist, desto höher ist die Auslastung der Systeme (Bild 6). Bild 2: Durchschnittliche Produktivminuten im Vergleich Bild 3: Modal-Split in Berlin Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 80 MOBILITÄT Carsharing Fazit Verkehrliche Bewertung FFC ist in hohem Maß motorisierte Bequemlichkeitsmobilität im Nahbereich. Die Fahrten weisen vergleichsweise geringe Entfernungen auf, und ein hoher Anteil der Fahrten lässt sich dem After-Work- und Freizeitverkehr zuordnen. Die bestehenden FFC-Systeme erreichen aufgrund ihrer geringen Flottengröße und ihrer geringen Auslastung keine nennenswerte verkehrliche Relevanz in den jeweiligen lokalen Verkehrsmärkten. Ein FFC-Fahrzeug wird im weltweiten Durchschnitt rund 39 Minuten am Tag gefahren und steht über 23 Stunden unproduktiv im Straßenraum. Ein privater PKW wird innerstädtisch zwischen 30 und 45 Minuten efektiv genutzt. Ökonomische Bewertung FFC ist ein Add-on-Mobilitätsystem. Den Anbietern gelingt es, mit einem neuen Produkt, zusätzliche Erlösströme zu generieren und die Mobilitätsausgaben der Kunden zu erhöhen. Aufgrund ihrer speziischen Fahrtenstruktur wird die Nachfrage von Verkehrsträgern mit geringen Grenzkosten für den Kunden, wie zum Beispiel dem Fahrrad oder ÖPNV, auf die FFC-Systeme verlagert und zusätzliche Erlöse für das FFC-System generiert. Erfolgsfaktoren Der Erfolg der Systeme wird durch mehrere Faktoren determiniert. Zum einen die optimale Fahrzeugdichte im Geschäftsgebiet: Systeme mit tendenziell eher kleinen Gebieten und einem hohen Fahrzeugbesatz sind erfolgreicher. Zum anderen ermöglicht die Konzentration des Geschäftsgebiets auf dicht besiedelte Milieu-Stadtteile, so dass wichtige Verkehrsquellen und relevante Zielgruppen erschlossen werden, den Erfolg der Systeme. Der Erfolg der Systeme korrespondiert klar mit der Qualität des öffentlichen Verkehrs in den Städten: Je besser der öfentliche Verkehr, umso erfolgreicher sind die FFC-Systeme. ■ 1 Vgl. Leo, Andreas: car2go - connected smart vehicles, 2013. Die Anzahl der Fahrten pro Fahrzeug folgt dabei in Abhängigkeit von den Monaten der Betriebsdauer einer nichtlinearen Funktion Sascha Frohwerk, Dr. Consultant, civity Management Consultants GmbH & Co. KG, Berlin sascha.frohwerk@civity.de Stefan Weigele Partner, civity Management Consultants GmbH & Co. KG, Hamburg stefan.weigele@civity.de Friedemann Brockmeyer Consultant, civity Management Consultants GmbH & Co. KG, Berlin friedemann.brockmeyer@civity.de Bild 4: Optimale Fahrzeugdichte im Geschäftsgebiet Bild 5: Einluss der Einwohnerdichte Bild 6: Einluss der Qualität des öfentlichen Verkehrs Internationales Verkehrswesen (66) 3 | 2014 81 Verkehrsmanagement MOBILITÄT Zielkonlikte im dynamischen Verkehrsmanagement Ursachen und Lösungswege Zielkonlikte entstehen, wenn mehrere Ziele angestrebt werden, die zueinander konträr sind. Die Aufgabe, Zielkonlikte im dynamischen Verkehrsmanagement zu lösen, resultiert vor allem aus dem mittlerweile umfänglichen Einsatz von Verkehrsmanagementsystemen. Hinzu kommt die zunehmend stärkere Sensibilisierung der Öfentlichkeit hinsichtlich Planung und Nutzung der Verkehrsinfrastruktur. Auf Grundlage praktischer Erfahrungen werden manifeste und latente Zielkonlikte identiiziert und analysiert sowie mit Hilfe strukturierter Zielauswahl- und Optimierungsverfahren Lösungswege aufgezeigt. Der Autor: Stefan Grahl S icher, schnell und mit geringem Aufwand das gewünschte Reiseziel zu erreichen, ist Anliegen aller Verkehrsteilnehmer. Ein ungestörter Betriebsablauf und die volle Nutzbarkeit der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur sind wichtige Ziele für Baulastträger und Verkehrsunternehmen. Straßenanlieger erwarten uneingeschränkten Zugang zu Grundstücken und möglichst wenig Belastungen durch den Verkehr. Passanten wollen hohe Aufenthaltsqualität. Diese verschiedenen Ziele werden selten konliktfrei erreicht. Ursachen, Wirkungsweisen und Folgen derartiger Zielkonlikte sind für das Verkehrsmanagement bislang nur partiell erfasst und nicht vertieft untersucht worden. Häuig versucht man Lösungen zu inden, wenn die unterschiedlichen Interessen bereits kollidieren. Deshalb wurde im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen das Forschungsprojekt „Zielkonlikte im dynamischen Verkehrsmanagement“ bearbeitet [1]. Die Untersuchungen bezogen sich auf den öfentlichen und individuellen straßengebundenen Verkehr. Ein kurzer einführender Leitfaden kann beim Autor angefordert werden. Wissenschaftliche Grundlagen D er Begrif „Dynamisches Verkehrsmanagement“ entstand im Zusammenhang mit Pilotprojekten der Initiative „Mobilität in Ballungsräumen“ (1999-2003) und wird in Publikationen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) deiniert [2], [3]. Das Ziel des dynamischen Verkehrsmanagements ist es, mit geeigneten Strategien die Stabilität des Verkehrssystems zu erhalten bzw. (den Regelablauf ) wiederherzustellen (Bild 1). Der Übergang von einem stabilen in ein instabiles Verkehrssystem kann durch Ereignisse ausgelöst werden, die unvorhergesehen (z. B. Störfall), teilweise planbar (z. B. Baustellenstau) oder örtlich und zeitlich planbar (z. B. City-Marathon) eintreten. Dabei ist die Instabilität meist mit einem der drei Zustände verbunden: • Verkehrsraum voll verfügbar, jedoch Verkehrsüberlastung • Verkehrsraum eingeschränkt verfügbar • Verkehrsraum nicht verfügbar. Zwei kurz skizzierte Beispiele sollen die Problematik veranschaulichen: Beispiel 1 Infolge einer größeren Havarie muss der Verkehr auf einer Hauptverkehrsstraße längere Zeit unterbrochen werden. Das wirkt sich auf alle Verkehrsarten und Anwohner aus und bindet Polizei, Tiebauamt und Verkehrsbetriebe. Die Havarie soll schnellstmöglich beseitigt, der Verkehrsablauf im betrofenen Bereich nur im notwendigen Umfang eingeschränkt und die Auswirkungen auf anschließende Gebiete gering gehalten werden (Ziele). Um den Havariebereich verkehrlich zu entlasten und den Verkehrsablauf zu sichern (Strategie), werden zwei Szenarien geprüft: eine kleinräumige und eine großräumige Verkehrsumlenkung mit den entsprechenden Maßnahmen. Beispiel 2 Eine Großveranstaltung im Stadion führt in einem (Straßen-) Teilnetz zu stark erhöhtem Verkehrsaukommen, das die vorhandenen Kapazitäten für den ließenden und ruhenden Verkehr überschreitet. Davon betrofen sind der reguläre öfentliche (ÖV) und motorisierte Verkehr (MIV) im Bereich sowie die Stadionbesucher, die Polizei, Verkehrsbetriebe und Veranstalter. Ziele sind die Aufrechterhaltung des regulären Ver- Bild 1: Systembezug des dynamischen Verkehrsmanagements
