eJournals Internationales Verkehrswesen 68/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0075
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2016
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Engpassfaktor Planungsingenieure

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2016
Thomas Puls
Oliver Koppel
Der Fachkräftemangel in den Verwaltungen ist dabei, zum größten Problem für die Verkehrsinfrastruktur zu werden. In der Vergangenheit haben die Straßenbaubehörden der Länder viel Personal abgebaut. Das betrifft auch die Ingenieure in den Planungsabteilungen. Beim Versuch, wieder zu rekrutieren, stoßen die Länder auf einen Arbeitsmarkt mit starkem Bewerbermangel. Die demografische Herausforderung verschärft die Probleme weiter, denn ein Viertel aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Planungsingenieure ist mindestens 55 Jahre alt und wird in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen.
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Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 12 Foto: Nadinlisa/ Pixabay Engpassfaktor Planungsingenieure Wie der akute Fachkräftemangel notwendige Investitionen behindert Verkehrsinfrastruktur, Investitionsstau, Planungsingenieure, Demografie, Fachkräftemangel, Straßenbauverwaltung Der Fachkräftemangel in den Verwaltungen ist dabei, zum größten Problem für die Verkehrsinfrastruktur zu werden. In der Vergangenheit haben die Straßenbaubehörden der Länder viel Personal abgebaut. Das betrifft auch die Ingenieure in den Planungsabteilungen. Beim Versuch, wieder zu rekrutieren, stoßen die Länder auf einen Arbeitsmarkt mit starkem Bewerbermangel. Die demografische Herausforderung verschärft die Probleme weiter, denn ein Viertel aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Planungsingenieure ist mindestens 55 Jahre alt und wird in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Autoren: Thomas Puls, Oliver Koppel M it dem Bericht der Pällmann- Kommission aus dem Jahr 2000 war die Unterfinanzierung der Bundesverkehrswege ein offenes Geheimnis [1]. Es dauerte dennoch gut 15 Jahre, bis die Finanzplanung eine Trendwende vollzog. Die Investitionen in die Bundesfernstraßen sollen nun von 5,1 Mrd. EUR im Jahr 2015 auf über 7- Mrd. EUR im Jahr 2018 steigen und auf diesem Niveau bis 2020 bleiben. Damit nähern sich die geplanten Investitionen dem an, was einst als Bedarf geschätzt wurde. Bereinigt man den Investitionshochlauf aber um die Preisentwicklung im Straßenbau, so stellt man fest, dass damit eher die realen Investitionsrückgänge der letzten zehn Jahre ausgeglichen werden dürften. Manche Länder können die knappen Mittel nicht mehr ausschöpfen. Umso mehr irritiert es dann, dass es vielen Ländern schon im Jahr 2015 nicht gelungen ist, die eigentlich viel zu knappen Mittel auch wirklich abzurufen. Vor allem die kleineren Flächenländer scheiterten hier, wie Bild 1 dokumentiert. Die frei werdenden Mittel konnten insbesondere von Bayern aufgenommen werden, sodass es zu keinen peinlichen Rückzahlungen an den Finanzminister kam. Es steht aber zu befürchten, dass mit dem geplanten Investitionshochlauf noch weitere Verwaltungen nicht mehr in der Lage sein werden, die ihnen zustehenden Mittel auch zu verbauen. Die Probleme gehen weit über die Unterfinanzierung hinaus. Dieser Vorgang zeigt aber dennoch, dass die Probleme in der staatlichen Straßenbauverwaltung über das bloße Problem der Unterfinanzierung hinausgehen. Besonders schwer dürften dabei zwei strukturelle Probleme wirken, die sich auch noch gegenseitig verschärfen: • Die ständig zunehmende Komplexität der Beschaffungsvorgänge in der Straßenbauverwaltung • Der massive Abbau von qualifiziertem Personal in diesen Behörden Auch wenn das inzwischen extrem komplexe Regelwerk und die deutlich ausgeweiteten Klagemöglichkeiten gegen Infrastrukturmaßnahmen einen erheblichen Hemmschuh für die Verkehrspolitik darstellen, wollen wir uns im Folgenden auf die Probleme fokussieren, die durch den Fachkräftemangel verursacht werden. Es ist zu konstatieren, dass viele Bundesländer in ihren Straßenbauverwaltungen im großen Umfang Personal eingespart haben. Lang laufende Abbaupläne gab es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und sogar in Bayern [3]. Wie in den meisten Bereichen des öffentlichen Dienstes wurde der Personalabbau dabei im Wesentlichen durch den Verzicht auf Neueinstellungen POLITIK Verkehrsinfrastruktur Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 13 Verkehrsinfrastruktur POLITIK durchgeführt. Das hat nicht nur die aktuelle Bearbeitungskapazität der Behörden gesenkt, sondern führt auch zu einer ungesunden Altersstruktur in den Ämtern. So ergab eine Sonderauswertung des Mikrozensus, dass unter den baunahen Ingenieuren im öffentlichen Dienst die Gruppe der unter 34-Jährigen kaum vertreten ist. Daher erreichen die baunahen Ingenieure im öffentlichen Dienst ein Medianalter von 49 Jahren, und vieles deutet darauf hin, dass hier eine drastische Pensionierungswelle ansteht. Diese Prozesse lassen sich exemplarisch auch am Beispiel des Landesbetriebes Straßen.NRW zeigen. Seit seiner Gründung im Jahr 2002 hat Straßen.NRW sein Personal von 7075 auf 5627 Mitarbeiter im Jahr 2014 reduziert, vor allem durch den Verzicht auf Neubesetzungen [4]. Auch die Zahl der Ingenieure sank bis 2013 um gut 10 %. Im Jahr 2013 musste NRW in der Folge über 40 Mio. EUR nicht genutzte Gelder für die Bundesfernstraßen an den Bund zurückgeben. Seither versucht das Land zu rekrutieren. Vor dem Hintergrund von geplantem Investitionshochlauf und drohender Pensionierungswelle sind auch die übrigen Straßenbauverwaltungen jetzt gezwungen, auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu werden, wenn sie verhindern wollen, dass der Fachkräftemangel die Sanierung der Infrastruktur noch stärker als bislang bereits ausbremst. Leider zeigt sich aber, dass der Arbeitsmarkt für die erforderlichen Spezialisten extrem eng ist. Um eine möglichst präzise Aussage über die Herausforderungen beim Recruiting zu machen, haben wir ausschließlich jene Ingenieurberufe analysiert, die in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen (wie Bauingenieur/ in - Verkehr oder Brückenbauingenieur/ in) tätig sind. Ähnliche Berufe - etwa in der Stadt- und Raumplanung, in der Bauplanung und -überwachung oder in der Überwachung und Steuerung des Verkehrsbetriebs - werden bewusst von der Betrachtung ausgeschlossen. Um einen besseren Lesefluss zu gewährleisten, werden Ingenieurberufe in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen im Folgenden verkürzt als Planungsingenieure bezeichnet. Auf Basis der aktuellen Klassifikation der Berufe [5] lassen sich Planungsingenieure dem Aggregat der baunahen Ingenieurberufe zuordnen [6]. Planungsingenieure: Viele offene Stellen, wenig Arbeitslose Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Juni 2016 insgesamt 76 Stellen für Planungsingenieure gemeldet. Dabei handelt es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Dem gegenüber standen 28 Arbeitslose, die eine Beschäftigung als Planungsingenieur suchten. Mit einem Wert von 271 des normierten Engpassindikators, das heißt einem Verhältnis von 271 offenen Stellen je 100 Arbeitslose, zeigt sich bei Planungsingenieuren aktuell ein gravierender Arbeitskräfteengpass (Tabelle 1). Der Engpass ist sogar viel gravierender als beispielsweise bei Informatikern (76) oder Elektrotechnikern (78). Zudem hat sich der Engpass bei den Planungsingenieuren im Vergleich zur Situation vor vier Jahren deutlich verschärft, da die Arbeitskräftenachfrage deutlich stieg (+81 %) während die Zahl der Arbeitslosen kräftig sank (-42 %). Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die gesamtwirtschaftliche Arbeitskräftenachfrage durch den Stellenpool der BA untererfasst wird, denn laut eigener Aussage wird „knapp jede zweite Stelle des ersten Arbeitsmarktes bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, bei Akademikerstellen etwa jede vierte bis fünfte“ ([7], S. 21). Die übrigen Stellen laufen über andere Rekrutierungskanäle wie Online-Stellenbörsen, Zeitungsannoncen oder Empfehlungen durch Mitarbeiter. Die tatsächliche Arbeitskräftenachfrage und mithin auch die in Tabelle 1 ausgewiesenen Engpassrelationen dürften entsprechend sogar noch höher ausfallen, spätestens ab einer Relation von 50 BA-gemeldeten offenen Stellen je 100 Arbeitslose liegt jedoch ein Engpass vor. Unabhängig davon, wie hoch die konkrete Untererfassung der Arbeitskräftenachfrage bei Planungsingenieuren ausfällt, stehen bereits auf Basis der BA-gemeldeten offenen Stellen aktuell nicht in Ansätzen ausreichend Arbeitslose zur Verfügung, um die offenen Stellen zu besetzen. Um das Ausmaß des Engpasses bei Planungsingenieuren einordnen zu können, sind in Tabelle 1 die Referenzwerte jener Aggregate von Akademikerberufen mit der aktuell niedrigsten beziehungsweise höchsten Engpassrelation angegeben. Bei geisteswissenschaftlichen Akademikerberufen kommen aktuell gerade einmal acht offene Stellen auf 100 Arbeitslose, was vielmehr auf einen Bewerberüberhang hindeutet. Maßgeblich als Konsequenz der Flüchtlingskrise weisen soziale Akademikerberufe wie Heimleiter oder Sozialarbeiter mit einer Relation von 121 offenen Stellen zu 100 Arbeitslosen den aktuell höchsten Engpass auf. Doch selbst deren Engpass beträgt nicht einmal die Hälfte im Vergleich zum Einzelberuf Planungsingenieur. Bei den baunahen Ingenieurberufen insgesamt, unter denen Planungsingenieure bei einem Anteil von 1,5 % an den offenen Stellen und einem Anteil von 0,4 % an den Arbeitslosen nur einen kleinen Teil repräsentieren, ist die Engpassrelation im Betrachtungszeitraum von 41 auf 71 offene Stellen je 100 Arbeitslose gestiegen, sodass -50% -40% -30% -20% -10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% BE HB HH BB MV SH SL SN ST TH BW BY HE NI NW RP Ø Bund Bild 1: Ausschöpfen des zugesagten Investitionsrahmens im Bundesstraßenetat 2015 Quelle: [2] Gerwens, 2016 Juni 2012 Juni 2016 Baunahe Ingenieurberufe insgesamt 41 71 darunter: Ingenieurberufe in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen 65 271 Soziale Akademikerberufe insgesamt 43 121 Geisteswissenschaftliche Akademikerberufe insgesamt 7 8 Tabelle 1: Der Bundesagentur für Arbeit gemeldete offene Stellen je 100 Arbeitslose Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln; eigene Berechnung auf Basis der Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit POLITIK Verkehrsinfrastruktur Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 14 sich inzwischen auch hier ein manifester Arbeitsmarktengpass entwickelt hat. Die maßgeblichen Ursachen hierfür liegen jedoch in dem zu beobachtenden Boom des privaten und öffentlichen Wohnungsbaus, während die Gründe für den hohen Arbeitsmarktbedarf an Planungsingenieuren vornehmlich in dem akuten Planungsstau bei Verkehrswegeprojekten sowie dem Nachholbedarf der Straßenbauämter infolge der zurückliegenden Versäumnisse in puncto bedarfsorientierter und demografiefester Stellenbesetzung liegen dürften. Hohe demografische Herausforderung durch ungünstige Altersstruktur In Deutschland gingen zuletzt (aktuellster verfügbarer Stand: 31. Dezember 2015) rund 1900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einer Tätigkeit als Planungsingenieur nach. Deren Durchschnittsalter lag bei 46 Jahren und zwei Monaten und damit mehr als vier Jahre über dem Referenzwert aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Tabelle 2 zeigt die detaillierte Altersstruktur der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Planungsingenieure und deren Veränderung während der letzten drei Jahre. Nicht enthalten sind Beamte oder Selbstständige. Eine Sonderauswertung des aktuellsten verfügbaren Mikrozensus, der amtlichen Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt in Deutschland, kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2013 insgesamt rund 3000 Erwerbstätige in einem Ingenieurberuf in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen tätig waren. Wenngleich diese Größenordnung plausibel erscheint, handelt es sich um eine hochgerechnete Angabe, deren statistische Zuverlässigkeit infolge geringer Zellbesetzung in der Stichprobe stark eingeschränkt ist. Die Beschäftigungsstatistik der BA repräsentiert hingegen eine Vollerhebung. Die Daten aus Tabelle 2 geben aus mehreren Gründen Anlass zu Besorgnis. Zum einen ist der Anteil der über 60-Jährigen im Vergleichszeitraum von 9,7 % auf 13,2 % gestiegen und liegt damit nahezu doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Zwar ist dies ein Beleg für die Retention älterer Beschäftigter, die deutlich länger und mithin auch in einer deutlich höheren Anzahl am Arbeitsmarkt aktiv sind als früher und folglich einen großen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. Als Kehrseite der Medaille entsteht hierdurch jedoch ein überaus hoher Ersatzbedarf, denn inzwischen sind 26,7 % und damit deutlich mehr als ein Viertel aller Planungsingenieure mindestens 55 Jahre alt und werden folglich in absehbarer Zeit aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Auf 100 Planungsingenieure im Alter von 60 bis 64 Jahren kommen aktuell nur noch 86 im Alter von 25 bis 29 Jahren, während es im Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 185 sind. Trotz der jüngsten Erfolge beim Beschäftigungsaufbau in den Alterssegmenten bis 30 Jahre zählen Planungsingenieure aktuell zu den wenigen Berufsgruppen, in denen deutlich mehr ältere Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als jüngere nachrücken. In der Dekade beginnend mit dem Jahr 2025, wenn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen werden, wird sich diese Herausforderung nochmals verschärfen - wie ein Vorwärtsschieben der 5-Jahres-Kohorten aus Tabelle 2 unschwer erkennen lässt. Unter dem Strich zeigen die Daten aus Tabelle 2 schließlich auch, dass bei Planungsingenieuren in den zurückliegenden drei Jahren trotz der hohen Arbeitskräftenachfrage kein nennenswerter Beschäftigungsaufbau erzielt werden konnte. Neben dem generellen Fachkräfteengpass bei baunahen Ingenieurqualifikationen, wie er den Daten aus Tabelle 1 zu entnehmen ist, erweist sich jedoch auch das Entlohnungsniveau im öffentlichen Dienst als hinderlich. Eine gemäß Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder zum Berufseinstieg erfolgende Einstufung in die Entgeltgruppe 11 geht in Nordrhein-Westfalen mit einem Bruttojahreseinkommen in Höhe von rund 38 000 EUR einher. In Zeiten des insbesondere in den letzten drei Jahren zu beobachtenden Baubooms und der global hohen Nachfrage nach baunahen Ingenieurberufen erweist sich dies als kaum konkurrenzfähig im Vergleich zu den Beschäftigungsalternativen in der freien Wirtschaft. Dem Fachkräftemangel mit strukturellen Änderungen begegnen In Anbetracht der Arbeitsmarktsituation erscheint es heute eher unwahrscheinlich, dass der Staat den Ingenieurmangel in den Straßenbauverwaltungen durch einfaches Recruiting beheben kann. Zudem muss die Frage gestellt werden, ob der aktuelle Engpass durch Neueinstellungen gelöst werden sollte. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf an Planungs- und Bauaufsichtsleistungen nicht auf dem heutigen Niveau bleiben muss. So setzt der Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahr 2030 einen klaren Schwerpunkt auf Erhaltung. Gut 40 % der Mittel für Neu- und Ausbau sind für laufende oder fest disponierte Projekte vorgesehen, und die Projekte der Investitionsschleppe geben eine Vorstellung davon, was nach 2030 noch gebaut werden könnte. Das ist zwar ein langer Zeithorizont, betrifft aber mit hoher Wahrscheinlichkeit jene, die jetzt als Ingenieure in die Straßenbauverwaltungen eintreten. Es kann also passieren, dass ein konsequenter Abbau des heute eklatanten Ingenieurmangels zu Überkapazitäten führt, sobald die Rückstände abgearbeitet sind. All dies spricht dafür, dem strukturellen Ingenieurmangel auch mit strukturellen Änderungen zu begegnen. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, die Aufgaben von Planung und Bauaufsicht in einer privatrechtlich organisierten Bundesfernstraßengesellschaft zu bündeln, wie es sie in Österreich gibt. Diese wäre in der Lage, marktgerechte Vergütungen zu zahlen, und könnte Altersklasse 31. Dezember 2012 31. Dezember 2015 Anzahl % von Gesamt Anzahl % von Gesamt unter 25 Jahre 19 1,0 23 1,2 25 bis unter 30 Jahre 142 7,5 196 10,2 30 bis unter 35 Jahre 185 9,8 196 10,2 35 bis unter 40 Jahre 209 11,1 190 9,9 40 bis unter 45 Jahre 267 14,2 224 11,7 45 bis unter 50 Jahre 312 16,6 293 15,2 50 bis unter 55 Jahre 290 15,4 287 14,9 55 bis unter 60 Jahre 276 14,7 260 13,5 60 bis unter 65 Jahre 175 9,3 228 11,9 65 Jahre oder älter 8 0,4 25 1,3 Gesamt 1.883 100 1.922 100 Tabelle 2: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Ingenieurberufen in der Planung von Verkehrswegen und -anlagen nach Altersklassen Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln; eigene Berechnung auf Basis der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 15 Verkehrsinfrastruktur POLITIK auch ihren Personalbestand flexibler managen als eine klassische Behörde. Wenn man den Systemwechsel vermeiden will, sollte man Maßnahmen ins Auge fassen, die dabei helfen, die personelle Durchlässigkeit von Bauverwaltung und Industrie zu verbessern. Wenn eine zeitweilige Tätigkeit in der staatlichen Bauverwaltung als Karrierebaustein positioniert werden kann, würden sich in der Fachkräftefrage unter Umständen vergleichbare Ergebnisse wie mit einem Systemwechsel erzielen lassen. Eine andere Option besteht darin, vermehrt Tätigkeiten der Verwaltungen in die Industrie zu vergeben. Ein Beispiel hierfür liefern PPP-Projekte, bei denen zumindest die Ausführungsplanung und die Bauaufsicht an die Konzessionsnehmer ausgelagert werden. Eine weitere Referenz bildet die DEGES, die ebenfalls Ingenieurleistungen für die Ämter übernimmt. Ihr Ausbau stellt ebenfalls eine Option dar. ■ LITERATUR [1] Pällmann, Wilhelm et al. (2000): Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung - Schlußbericht, http: / / www.vifg.de/ _downloads/ service/ infrastrukturfinanzierung-und-ppp/ 2000-09-05_Abschlussbericht-der-Paellmann-Kommission.pdf [08.08.2016] [2] Gerwens, Stefan (2016): Defizite im Status Quo und der Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft, http: / / www.wip.tu-berlin.de/ fileadmin/ fg280/ veranstaltungen/ bfs_tagung/ gerwens_defizite_ im_status_quo_und_chancen.pdf [08.08.2016] [3] Oberste Baubehörde im Bayrischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (2016): Jahresbericht der Staatsbauverwaltung 2015, http: / / www.bestellen.bayern.de/ application/ stmug_app000 017? SID=1581989697&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BILDxKEY: 03500204,B ILDxCLASS: Artikel,BILDxTYPE: PDF) [08.08.2016] [4] Straßen.NRW (2015): Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein- Westfalen, https: / / www.strassen.nrw.de/ files/ commons/ pdf/ pub_ bilanz-2014.pdf [08.08.2016] [5] Bundesagentur für Arbeit (2011): Klassifikation der Berufe 2010 - Band 2: Definitorischer und beschreibender Teil, Nürnberg [6] Demary, Vera / Koppel, Oliver (2013): Die Abgrenzung des mittel- und hochqualifizierten MINT-Segments, Klassifikation der Berufe 2010, Methodenbericht, Köln [7] Bundesagentur für Arbeit (2015): Fachkräfteengpässe in Deutschland: Analyse Juni 2015, Nürnberg Thomas Puls Senior Economist Verkehr und Umwelt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. puls@iwkoeln.de Oliver Koppel Senior Economist Bildung, Zuwanderung und Innovation, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. koppel@iwkoeln.de Wie kritisch ist „Kritische Infrastruktur“? W arum eine Brücke physisch zerstören, wenn man das elektronische System für den Verkehrsfluss lahmlegen kann? Warum einen Flughafen angreifen, wenn man sich in das Flugsicherungssystem einhacken kann? Warum einen Seehafen verminen, wenn man die Schleusentore manipulieren oder das Schiffsverkehrs-Leitsystem außer Gefecht setzen kann? All dies zeigt den dramatischen Paradigmenwechsel in der Sicherheitsbedrohung: Nicht länger steht die physische Zerstörung im Mittelpunkt, sondern die Verwundbarkeit ausgesprochen anfälliger elektronischer Datennetze im Hintergrund. Die Fachbegriffe sind „asymmetrische Bedrohung“ und „Cyber Angriffe“. Die Dimension der Herausforderung potenziert sich, wenn man sich vor Augen hält, wie verwundbar westliche Gesellschaften sind: Ohne Strom funktioniert keine Tankstellenpumpe, keine Supermarktkasse und kein Bargeldautomat. Ohne Wasserversorgung und Elektrizität trägt die Schutzschicht der bürgerlichen Wohlstandsgesellschaft nach kurzer Zeit arg dünn! Westliche Gesellschaften haben die Lagerhaltung auf die hohe See (Containerschiffe und vor allem Öl- und Gastanker) sowie auf die Autobahnen („Just-in-time“- Logistik) verlegt. Es gibt keinen „Stauraum“ mehr, wie die aktuelle Sorge um ein gefährdetes Weihnachtsgeschäft im Zusammenhang mit der Pleite einer (! ) koreanischen Reederei zeigt. Man muss „Kritische Infrastruktur“ sauber und unseres Erachtens minimalistisch definieren; es gilt die militärische Erkenntnis: Wer alles verteidigen will, verteidigt im Grund nichts! Nicht alle Raumaufteilungen sind tragende Wände. Die Sicherheit der globalen Transportketten ist abhängig von funktionierender Infrastruktur, und diese wiederum beruht auf politisch sicheren und gesellschaftlich stabilen Fundamenten (Rechtssicherheit, funktionierendes Staatswesen, Bildung, Infrastruktur der Verkehrs- und Kommunikationswege). Die höchste Form der Globalisierung - und damit auch ausgesprochen anfällig - ist „Just in time logistics“. Sie setzt ein hohes Maß an Zuverlässigkeit der Transportsicherheit voraus. Damit haben wir den Bogen zu unserer Frage zu Anfang geschlagen: See- und Flughäfen, Autobahn- und Eisenbahnknoten, Energie- und Stromversorger sowie wesentliche Daten- und Kommunikationsnetze bilden „Kritische Infrastruktur“, die es unter allen Umständen zu schützen und zu härten gilt. ■ Ein Weckruf von Heinz Schulte, Chefredakteur griephan Sicherheitsmedien