Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0084
111
2016
684
LNG auch für die Containerschifffahrt attraktiv
111
2016
Dirk Ruppik
Bis spätestens 2025 werden strenge Schwefelgrenzwerte weltweit nicht nur in Schutzzonen gelten. Ab 2016 müssen Neubauten scharfe Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden einhalten, die sich mit nachgerüsteter Filtertechnik nicht sinnvoll reduzieren lassen. Die umweltpolitischen Forderungen und der relativ niedrige Preis machen deshalb Flüssig-Erdgas für die Schifffahrt attraktiv.
iv6840042
Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 42 LOGISTIK Alternative Antriebe Flüssig-Erdgas als Option LNG auch für die Containerschifffahrt attraktiv Umweltpolitik, Klimawandel, Treibstoff, Emissionen, Schadstoffe, Bis spätestens 2025 werden strenge Schwefelgrenzwerte weltweit nicht nur in Schutzzonen gelten. Ab-2016 müssen Neubauten scharfe Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden einhalten, die sich mit-nachgerüsteter Filtertechnik nicht sinnvoll reduzieren lassen. Die umweltpolitischen Forderungen und-der relativ niedrige Preis machen deshalb Flüssig-Erdgas für die Schifffahrt attraktiv. Autor: Dirk Ruppik D ie Umweltauflagen für Schiffe werden zunehmend strenger. Werften und Reeder suchen deshalb nach Alternativen für herkömmliche Treibstoffe, die meist aus einer Mischung aus Schweröl (Bunker-C) und Dieselöl besteht. Bunker C fällt bei der Raffinierung von Erdöl als Abfallprodukt an. Der Nachteil des Schweröls ist, dass es sehr schadstoffreich verbrennt: Dazu gehören Schwefeldioxid (SO 2 ), Kohlendioxid (CO 2 ) und Stickstoffoxide (NO x ), die unter anderem als Ursache für sauren Regen, Rußpartikel in der Luft und bodennahes Ozon gelten. Zudem tragen NOx-Emissionen zur umweltschädlichen Eutrophierung (Nährstoffanreicherung) des Wassers bei, CO 2 gehört zu den Treibhausgasen und fördert den Klimawandel. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht heute davon aus, dass die feinen Rußpartikel eine krebserregende Wirkung haben. Um die Schadstoffemissionen in der Schifffahrt zu reduzieren, werden teilweise Abgasnachbehandlungs-Anlagen wie etwa Scrubber zur Entschwefelung der Abgase eingesetzt. Auch finden vermehrt schwefelreduzierte Treibstoffe wie „Low Sulphur Marine Gas Oil“ (LS-MGO) oder emissionsarme Treibstoffe wie Liquified Natural Gas (LNG, Flüssig-Erdgas) Verwendung. Seit dem 1. Januar 2015 ist jedes Schiff verpflichtet, in den sogenannten Emissionskontrollgebieten (Emission Control Areas) einen höherwertigen Brennstoff einzusetzen, dessen Schwefelgehalt nicht mehr als 0,1 % (derzeitiges Limit außerhalb: 1,0 %) betragen darf. Die Emissionskontrollgebiete liegen in Nordeuropa, in der Baltischen See, in den USA und Kanada. Die amerikanische Meeres- und Atmosphärenbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) veröffentlichte 2012 eine Studie, wonach die Umstellung von Schweröl auf schwefelarmen Schiffsdiesel und eine geringere Fahrtgeschwindigkeit (Slow Steaming) deutlich die Emissionen eines Schiffs (Messobjekt Margrethe Mærsk) reduzieren. Für Schiffsneubauten ab 2016 gelten nicht nur die Schwefel-Grenzwerte, sondern auch strengere Grenzwerte für die Emission von Stickoxiden, die sich mit nachgerüsteter Filtertechnik nicht sinnvoll reduzieren lassen. Bis spätestens 2025 gelten strenge Schwefel-Grenzwerte nicht mehr nur in Schutzzonen, sondern weltweit, sodass ungefilterte Schweröl-Abgase Vergangenheit sein werden. Große Umweltvorteile von LNG als-Schiffstreibstoff LNG gilt allgemein als sehr sauberer Treibstoff. Bei seiner Verbrennung fallen im Vergleich zu Schweröl (HFO), Marine Gasoil (MGO) oder Marine Diesel Oil (MDO) die Schwefeldioxide und Rußpartikel komplett weg. Die Emission von Stickoxiden reduziert sich um bis zu 80 % und Kohlendioxid wird knapp 30 % weniger ausgestoßen. Allerdings ist entscheidend, dass das LNG nicht durch Fracking gewonnen wurde: Das beim Fracking entweichende Methan-Gas ist kurzfristig ein viel gefährlicheres Treibhausgas als CO 2 . Die umweltpolitischen Forderungen und Richtlinien und der relativ niedrige Preis machen LNG attraktiv. Steigende Fördermengen werden den Preis wohl noch senken. Nach mittelfristigen Prognosen liegt der LNG-Preis bei 50 % bis 90 % des Preises von HFO. Allerdings führen der momentan sehr niedrige Ölpreis und die schwierigen Zeiten in der Schifffahrt zu einer Verzögerung. Dazu Teo Siong Seng, geschäftsführender Direktor der Singapurer Reederei Pacific International Lines Pte Ltd (PIL): „Bevor der Ölpreis sank, war LNG als Treibstoff aufgrund der Umweltvorschriften und des niedrigen Preises sehr attraktiv. Je nach Sektor befinden sich Reedereien momentan in einer prekären Lage. Daher ist Flüssig- Erdgas im Augenblick nicht in den Köpfen der Schiffsbetreiber.“ Auch die politischen Unsicherheitsfaktoren in Russland und im Nahen Osten, die sich alle auf den Ölpreis auswirken, haben auf die Attraktivität von LNG einen entscheidenden Bild 1: Die MS Ostfriesland der AG Ems ist das erste LNG-Schiff unter deutscher Flagge. Bild: Dr. Karl-Heinz Hochhaus/ Wikipedia.de Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 43 Alternative Antriebe LOGISTIK Einfluss. Teo forderte die Schiffsmaschinenentwickler auf, neue kosteneffektive Dual- Fuel-Antriebe zu entwickeln. Zudem wünscht er sich von den Regierungen Anreize für die Nutzung von Erdgas als Schiffstreibstoff. „Es kann in der Forschung noch viel getan werden. Wahrscheinlich wird die Küstenschifffahrt zuerst LNG verwenden. Dafür werden viele Anreize seitens der Regierung benötigt”, sagte Teo. Als Antriebe kommen momentan reine LNG-Antriebe sowie Hybrid-Maschinen, die mit Schweröl und MGO als auch LNG betrieben werden können, in Frage. Bei der Einführung von LNG-Technik gibt es freilich einige Herausforderungen. Zum Beispiel liegt der Platzbedarf für die gesamte LNG-Technik (Tanks und Ausrüstung) beim Dreibis Vierfachen gegenüber der konventionellen Technik. Dadurch entsteht ein bedeutender Verlust an Frachtraum. LNG muss kryogen, bei Temperaturen von -164 °C, flüssig gelagert werden. Vorteile haben Membrantanks, die eine optimale Anpassung der Tanks an die Schiffsform erlauben und auch für kleinere Schiffe geeignet sind. Darüber hinaus ist ein vergleichsweise schnelles Abkühlen oder Aufwärmen möglich, ohne dass das Tankmaterial überbeansprucht wird. Die Membranfalze neigen bei älteren Schiffen zur Leckage, und aufgrund der dünnen Behälterwand ist ein geringerer maximaler Tankdruck möglich. Verglichen mit Standardschiffen treten auch höhere Investitionen unter anderem für Antrieb, Tank, Sicherheitsmaßnahmen, Kontrollraum, Isolation und Rohrleitungen auf. Zudem liegen die Betriebs- und Trainingskosten für die Crew höher. Im Bereich Containerschifffahrt wird LNG meist nur bei Neubauten eingesetzt, denn ein Umbau erscheint zu schwierig und kostenaufwändig. Dennoch gibt es langfristig keine Alternative zu LNG, da MGO und schwefelarmes Schweröl künftig in immer geringeren Mengen vorhanden und damit teurer sein werden. Herkömmliches Schweröl kann in Zukunft nur noch mit Scrubbern verwendet werden, die allerdings aktuell nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Die strengeren Grenzwerte für Stickoxide ab 2025 werden dann auch Scrubber obsolet machen. Erste Containerschiffe mit LNGund-Dual-Fuel-Antrieb Mit Stand März 2016 waren laut Schiffsklassifizierer DNV GL weltweit 77 LNG-betriebene Schiffe im Einsatz - die meisten davon Fähren (Bild 1), Versorgungsschiffe und LNG-Tanker. Unter den 85 Neubestellungen finden sich vier Containerschiffe von GNS Shipping (Bau 2016 und 2017), eines der Wessels Reederei (Umbauprojekt in 2016), zwei der amerikanischen Crowley Maritime Corp. (2017), vier der kroatischen Brodosplit (2017 und 2018) sowie zwei der finnischen Reederei Containerships (2018). Gemäß einer Erfassung der niederländischen Agentur Dynamar waren im März 2015 weltweit 49 Containerschiffe von 1380 TEU bis 21 500 TEU in den Bestellbüchern, die entweder LNG bereits verbrennen oder einfach modifiziert werden können, um LNG zu nutzen (LNG ready). In allen Fällen können sie sowohl LNG als auch IFO (Intermediate Fuel Oil) nutzen. Die Möglichkeit zur zweifachen Treibstoffnutzung (Dual Fuel) wird so lange notwendig sein, solange das Angebot von LNG entlang des jeweiligen Handelsweges nicht gesichert werden kann. Die ersten Schiffe wurden bereits ausgeliefert - darunter drei Containerschiffe mit 15 000 TEU. Der Rest wird bis August 2018 geliefert. Im April 2015 wurde zudem an die United Arab Shipping Company (UASC) die M.V. Barzan mit einer Kapazität von 18 800 TEU übergeben, die bei der koreanischen Werft Hyundai Samho Heavy Industries in Südkorea gebaut wurde. Sie gehört zu einer insgesamt 17 Containerschiffe umfassenden umweltfreundlichen Flotte (elf 15 000 TEUer und sechs 18 800 TEUer). Bis April 2016 wurden bereits die Barzan, Al Muraykh, Al Nefud, Al Zubara, Al Dahna and Tihama jeweils mit 18 800 TEU geliefert. Zudem wurden die Sajir, Al Murabba, Salahuddin, Linah, Al Nasriyah, Al Dhail and Al Mashrabmit mit jeweils 15 000 TEU ausgeliefert. Die amerikanische TOTE Maritime besitzt seit Januar 2016 zwei LNG-getriebene Containerschiffe der Marlin-Klasse mit 3100 TEU - die Perla Del Caribe und die Isla Bella (Bild 2). Die Containerschiffe wurden bei General Dynamics Nassco gebaut. Die finnische Reederei Containerships bestellte bereits zwei weitere Dual-Fuel-Containerschiffe mit 1400 TEU Kapazität, die 2017 ausgeliefert werden sollen. Sie werden an GNS Shipping/ Nordic Hamburg verchartert. Arkon Shipping wird als kaufmännische Geschäftsführung und Schiffsmakler fungieren. Beide Containerschiffe werden in China gebaut und Motoren von Wärtsilä besitzen. MOL und NYK entdecken LNG- Logistik als profitables Geschäftsfeld Die japanischen Reedereien MOL und NYK verlagern laut der britischen Transport Intelligence (TI) ihre Geschäftsstrategie vom unprofitablen Containerbzw Schüttgutsektor in den LNG-Tanker-Sektor. Das Bestreben der EU, sich unabhängiger von russischen Gasimporten zu machen, hat die Aufmerksamkeit für den LNG-Logistikbereich auch hierzulande geweckt. Währenddessen entwickeln sich Japan, Südkorea und China bereits zu großen LNG-Konsumenten. Laut dem Geschäftsführer von Mitsui OSK Line (MOL) Junichiro Ikeda bietet LNG eine „außergewöhnliche Geschäftsmöglichkeit“. Folgerichtig bauen beide Unternehmen ihre LNG-Tankerflotte aus, während die eigene Containerschiff-Flotte verkleinert wird. Der Anteil von LNG-Tankern an der Gesamtflotte von MOL soll sich in den nächsten sechs Jahren von 9 % auf 26 % vergrößern. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll sich die LNG-Flotte von Nippon Yusen Kabushiki Kaisha (NYK) um 33 % auf über 100 Schiffe vergrößern. Zudem wird in LNG-Logistik investiert. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 2: Isla Bella, eines der beiden LNG-Containerschiffe der TOTE Marine, beim Stapellauf Bild: TOTE Marine
