Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2016-0096
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Qualitätssicherung über eigenen Bahnbau
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Stephan Anemüller
Die Kölner Verkehrs-Betriebe haben ihre Gleisbauflotte um insgesamt acht Fahrzeuge zum Materialtransport für Neubau und Unterhaltung der Betriebsanlagen erweitert. Sie werden sowohl nach BO Strab, als auch nach EBO betrieben und sind für die Stadtbahnstrecken der KVB und der SWB Bonn sowie das Netz der HGK Köln ausgerüstet. Durch eine umfassende vorausschauende Streckenunterhaltung wird der Stadtbahn-Betrieb in einer hohen Qualität ermöglicht – Ad-hoc-Instandsetzungsaufgaben sind nur in sehr geringem Umfang notwendig.
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Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 76 TECHNOLOGIE Gleisbau Qualitätssicherung über eigenen Bahnbau Ein neues Transportsystem erhöht die Flexibilität der Kölner-Verkehrs-Betriebe ÖPNV, Stadtbahn, Schienennetz, Streckenunterhaltung, Instandhaltung Die Kölner Verkehrs-Betriebe haben ihre Gleisbauflotte um insgesamt acht Fahrzeuge zum Materialtransport für Neubau und Unterhaltung der Betriebsanlagen erweitert. Sie werden sowohl nach BO Strab, als auch nach EBO betrieben und sind für die Stadtbahnstrecken der KVB und der SWB Bonn sowie das Netz der HGK Köln ausgerüstet. Durch eine umfassende vorausschauende Streckenunterhaltung wird der Stadtbahn-Betrieb in einer hohen Qualität ermöglicht - Ad-hoc-Instandsetzungsaufgaben sind nur in sehr geringem Umfang notwendig. Autor: Stephan Anemüller D as neue Transportsystem der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) umfasst drei Gleiskraftwagen, von denen zwei mit einem Hebekran ausgestattet sind. Zudem gehören zwei Containertragwagen mit einer variablen Ladehöhe von 35 oder 90 Zentimeter, ein Transportanhänger mit einer Saug- Spülanlage für U-Bahnanlagen und einer Kabeltrommel-Transporteinheit sowie je ein Schienen- und ein Schottertransportanhänger zur Flotte. Mit dieser Investition kann die KVB die eigenen Ressourcen besser ausschöpfen und ihre Flexibilität im Bahnbau erhöhen. Ersetzt wird ein vorhandenes System aus dem Jahr 1972. Aufgabenstellung des Bahnbaus im-KVB-Netz Die KVB verzeichnet seit Jahren kontinuierlich steigende Fahrgastzahlen. In 2015 nutzten 276,2 Millionen Fahrgäste die Busse und Stadtbahnen des viertgrößten kommunalen ÖPNV-Unternehmens in Deutschland. Allein 209,5 Mio. Fahrgäste waren dabei auf den zwölf Stadtbahn-Linien unterwegs. Dabei sind die Kapazitäten des Schienennetzes ausgeschöpft. Insbesondere auf der Ost-West-Achse mit den Linien 1, 7 und 9, aber auch auf anderen Linien kommen in den Verkehrsspitzen kaum weitere Fahrgäste in die Fahrzeuge. Zudem passen durch die Trassenbelegung in der Kölner Innenstadt in vielen Abschnitten auch keine weiteren Bahnen auf die Gleise. Die Erbringung der Dienstleistung ÖPNV in höchstmöglicher Qualität ist zentrale Aufgabenstellung der KVB. Im Ergebnis dient der öffentliche Nahverkehr nicht nur den Anforderungen seiner Fahrgäste. Ein möglichst störungsarmer ÖPNV trägt auch dazu bei, die Millionenstadt Köln mit zahlreichen Ein- und Auspendlern mobil zu halten. In der verkehrspolitischen Strategie „Köln mobil 2025“, die die Stadt Köln in enger Zusammenarbeit mit der KVB, der IHK Köln und anderen Organisationen in 2014 erarbeitet hat, wurde die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV als eines von zehn grundlegenden Zielen definiert. Dabei kommt es immer wieder zu extern und intern verursachten Störungen, die den Betrieb des Verkehrs nach Fahrplan nicht durchgängig möglich machen. Insbesondere eine umfangreiche Ursachengruppe von durch Dritte verursachten (externen) Störungen fordert den Betrieb täglich heraus. An der Spitze stehen hierbei zum Beispiel Falschparker, auch PKW und LKW im Gleis [1]. Die Infrastruktur wird Gegenstand extern verursachter Störungen, wenn etwa ein LKW mit der Oberleitung der Stadtbahn kollidiert oder wenn Baumängel an Brücken zu Gewichtsbeschränkungen für die Stadtbahn führen. Aber auch im Bereich des eigenen Unternehmenshandelns bestehen Ursachen, die zu (internen) Störungen führen können. Wenn etwa der Gleisunterbau nachgelassen hat und die Stadtbahnen sich über Langsamfahrstellen bewegen müssen, kann der Fahrplan nicht mehr eingehalten werden. In der Folge funktionieren ggf. Umsteigebeziehungen nicht mehr. Oder wenn die Oberleitung der Stadtbahn mit Fahrdraht, Spann- und Halteseilen durchhängt, weil die notwendige Stabilität der Maste nicht mehr gegeben ist, können Stromabnehmer beschädigt werden und Stadtbahnen ausfallen. Der Zustand der Infrastruktur ist schließlich von entscheidender Bedeutung für die Qualität des ÖPNV. Deshalb ist es für die KVB von großer Bedeutung, gut mit extern und intern verursachten Störungen umgehen zu können - Vermeidung von Störungen und professionelle Entstörung sind hierbei die entsprechenden Schlagworte. Für die Vermeidung von Störungen ist die qualifizierte Unterhaltung der Infrastruktur eine entscheidende Aufgabenstellung des Bahnbaus. Das Stadtbahn-Netz der KVB umfasst eine Betriebsstreckenlänge von 198 km. Dabei besteht die Infrastruktur aus unterschiedlichen Abschnitten (siehe Tabelle 1), die eine unterschiedliche Zugänglichkeit und unterschiedliche Aufgaben bedeuten. Streckentyp Länge Anteil Straßenbündiger Bahnkörper 19 km 9,6 % Besonderer Bahnkörper 41 km 20,7 % Kreuzungsfreie Strecken (U-Bahn/ Hochbahn) 44 km 22,1 % Unabhängiger Bahnkörper 94 km 47,5 % Gesamt 198 km 99,9 % Tabelle 1: Anteile der Bahnkörper am Stadtbahnnetz der KVB (inkl. Infrastrukturen der Häfen und Güterverkehr Köln AG - HGK) Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 77 Gleisbau TECHNOLOGIE Zu den typischen Baumaßnahmen gehören Austausch des Schotters, Stopfen des Unterbaus, Erneuerung von Schienen, Schwellen, Weichen und Kleineisen, Schleifen und Schweißen von Schienen, Veränderung des Gleiskörpers, Austausch von Masten, Errichtung von Signalanlagen sowie Reinigungsarbeiten. Dabei hat die Instandhaltung und Erneuerung der Infrastruktur ein größeres Gewicht als der Ausbau des Netzes. In den vergangenen Jahren ist das Stadtbahn-Netz der KVB nur um wenige Kilometer gewachsen. Aufgrund des Verkehrsgeschehens in Köln und der nur begrenzt vorhandenen Umleitungsmöglichkeiten im Stadtbahn- Betrieb vermeidet die KVB die Trennung von Linien und die Einrichtung eines Ersatzbus-Verkehrs. Die Busse kommen nur mit höherem Zeitaufwand und häufig auch nur sehr schlecht durch den großstädtischen Verkehr. Die Kapazitätsunterschiede drücken den Komfort erheblich, Planung und kommunikative Begleitung sind aufwändig. Deshalb werden zahlreiche Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen während der nächtlichen Betriebspausen durchgeführt. Hierbei stehen, außerhalb der Wochenenden mit durchgehendem Stadtbahn- Verkehr, lediglich zwei bis drei Stunden in der Nacht zur Verfügung. Lediglich für größere Erneuerungsmaßnahmen werden die betroffenen Linien für wenige Tage oder Wochen getrennt. Die KVB arbeitet mit verschiedenen Bahnbauunternehmen zusammen, die aufgrund der Auftragsgröße meist über Ausschreibungen gefunden werden müssen. Die Abwicklung der Vergaben nach öffentlichem Vergaberecht erfordert einen nennenswerten Aufwand. Mit der Vergabe der Aufträge sind auch zeitliche Bindungen verbunden, die Einfluss auf die Flexibilität haben. Neues Transportsystem erfüllt komplexe Anforderungen Das neue, aus insgesamt acht Fahrzeugen bestehende Transportsystem der Robel Bahnbaumaschinen GmbH erfüllt in diesem Kontext die komplexen Anforderungen. Robel produziert seit mehr als 100 Jahren Maschinen für den Bahnbau. Das Unternehmen mit Sitz im bayrischen Freilassing beschäftigt derzeit rund 480 Mitarbeiter und liefert weltweit maßgeschneiderte Maschinen, Systeme und Dienstleistungen für den Bau und die Instandhaltung von Bahninfrastrukturanlagen. Neben handgeführten Maschinen und Geräten sind das auch multifunktionale Schienenfahrzeuge sowie mobile Instandhaltungs- und Lade-Systeme. Mit dem KVB-Projekt belegt das Unternehmen seine strategische Ausrichtung zur Mobilität im urbanen Raum. Durch die Einsatzfähigkeit in den Netzbereichen von KVB, Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) und Stadtwerken Bonn (SWB) - die Stadtbahn-Linien 7, 16 und 18 führen „über Land“ bis ins Umland bzw. bis nach Bonn auch über fremde Gleise - ist das Transportsystem sehr flexibel einsetzbar. Hierfür wurden die Fahrzeuge für den Einsatz auf Strecken nach Betriebsordnung EBO als auch BO Strab ausgerichtet. In enger Zusammenarbeit mit der KVB sind neue Konzepte wie die Kabinenausrichtung, Brems- und Kupplungssysteme entstanden. Letztlich müssen die Fahrzeuge nach den beiden BOs zugelassen werden. Insbesondere der Rückbau von Wendeschleifen im Stadtbahn-Netz macht es notwendig, Bauzuggarnituren einsetzen zu können, die an beiden Seiten mit einem Gleiskraftwagen bestückt sind. Betrieblich ist zudem die große Flexibilität gefordert, um in den knapp bemessenen nächtlichen Sperrpausen mit der maximalen Transportfähigkeit und Arbeitsleistung arbeiten zu können. Die neuen Fahrzeuge besitzen die Spurweite von 1435 mm und können auf Steigungen bis zu 60 ‰ eingesetzt werden. Sie dienen dem Materialtransport von Schotter, Sand, Schienen, Schwellen, Oberleitungsmasten, Kleineisen, Schutt, Fertigbetonteilen, Kabeltrommeln, Fahrtreppen, Schalt- Bild 1: Im engen großstädtischen Raum besteht eine Herausforderung darin, Baumaterialien ohne umfangreiche Lagerung an die richtigen Stellen zu bekommen. Bild: Stephan Anemüller/ KVB Bild 2: Schienenlangwagen 55.70/ 3 im Bau. Die multifunktionalen Anhänger eigenen sich für Transportaufgaben in den Bereichen Bahnbau, Fahrleitung und Signaltechnik. Bild: Robel Bahnbaumaschinen GmbH Internationales Verkehrswesen (68) 4 | 2016 78 TECHNOLOGIE Gleisbau schränken und Reinigungsgeräten. Die multifunktionalen Anhänger eigenen sich für Transportaufgaben in den Bereichen Bahnbau, Fahrleitung und Signaltechnik (Bild 2). Die Gleiskraftwagen und Kräne sind in den Baustellenbereichen per Funk steuerbar. Im Mittelpunkt der Flotte stehen die drei Gleiskraftwagen (ROBEL 54.17) mit einer Länge von jeweils 14,5 m und einem Gewicht von 35 t. Sie werden hydrostatisch mit einem Sechs-Zylinder-Dieselmotor von Deutz angetrieben. Die Leistung von 390- kW wird mittels hydrostatischer Kraftübertragung auf drei Achsen gebracht. Die Abgas-Emissionswerte entsprechen der RL97/ / 68 / EG Stufe IV final. Dieselmotoren mit der Klassifizierung Stage IV, somit der derzeit saubersten Technologie, machen einen Einsatz in den Tunnelabschnitten des Kölner Netzes möglich. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte um die Stickstoffbelastung der Innenstädte von großer Bedeutung. Die Bremsung erfolgt pneumatisch direkt und indirekt mit Federspeicher, Magnetschienenbremse, Gleit- und Schleuderschutz. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/ h bei Eigenfahrt und im geschleppten Zustand können die Gleiskraftwagen bis zu 2 t Nutzlast transportieren. Großer Wert wurde zudem auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz gelegt. Die Ausstattung der Kabinen und die Beleuchtung stehen hierbei im Mittelpunkt. Das Projekt wurde deshalb auch durch die Berufsgenossenschaft begleitet (Bild 3). Zwei der drei Gleiskraftwagen sind mit einem Ladekran ausgestattet, der mit Höhenbegrenzung und Gegengleissperre ausgestattet ist. Die maximale Ausladung beträgt 10,4 m. Mit den Gleiskraftwagen sind zudem Bergungsfahrten möglich, wenn etwa ein Stadtbahnwagen aufgrund technischen Defektes nicht mehr fahrfähig ist. Bisher wurden für solche Fahrten immer wieder andere Stadtbahnwagen als abschleppende Fahrzeuge aus dem Betrieb genommen und standen somit den Fahrgästen während dieser Zeit nicht zur Verfügung (Bild 4). Neben den drei Gleiskraftwagen gehören zur Flotte: • zwei Niederflurwagen 55.70/ 2 zum Transportieren von Schwellen, Baumaterialien aller Art, Kabeltrommeln, Fahrtreppen, Schaltschränken, Reinigungsgeräten und Baumaschinen im Niederflurbereich (Eigenmasse 20,3 t, Zuladung bis zu 16,8 t), • der Schienenlangwagen 55.70/ 3 für den Transport von Schienen bis zu einer Länge von 18 m (Eigenmasse 20,4 t, Zuladung bis zu 18,2 t), • die Schotterlore 55.70/ 4 zur Anlieferung und zum dosierten Einbringen von Schotter ins Gleisbett (Eigenmasse 21,6 t, Zuladung bis zu 17,0 t) und • der Transportwagen 55.70/ 5 für den Materialtransport jeglicher Art, ausgelegt auch für den Aufbau eines Hochdruck- Spül- und Vakuumsystems (Eigenmasse 19,8 t, Zuladung bis zu 18,2 t) Somit kann die KVB Instandhaltung und Erneuerung abseits akuter Störungen besser planen und flexibel auf die Anforderungen des Fahrgastbetriebs abstimmen. ■ LITERATUR [1] Stephan Anemüller: Handeln statt resignieren. In: Internationales Verkehrswesen (66) 2014, Heft 1, S. 80-82 Stephan Anemueller Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Köln stephan.anemueller@kvb-koeln.de Bild 4: Gleiskraftwagen mit Hebearm. Die Gleiskraftwagen bewegen „im Sandwich“ die Bauzüge, können aber auch selbst für den Materialtransport eingesetzt werden und Bergungsfahrten durchführen. Bild: Robel Bahnbaumaschinen GmbH Bild 3: In enger Zusammenarbeit mit der KVB sind neue Konzepte unter anderem für die Kabinenausrichtung entstanden. Bild: Stephan Anemüller/ KVB
