Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0002
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Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 6 IM FOKUS Oberleitungs-LKW: Forschung und Feldversuch D ieselfahrzeuge stehen zunehmend in der Kritik. Das neu gestartete Projekt „Bewertung und Einführungsstrategien für oberleitungsgebundene schwere Nutzfahrzeuge (StratON)“ fokussiert daher auf die Frage, wie der Straßengüterfernverkehr umweltverträglicher betrieben werden kann. Es wird geleitet vom Öko-Institut, das hierfür mit dem Fraunhofer-Institut IAO, der Hochschule Heilbronn und Intraplan Consult zusammenarbeitet. Im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar Mobil“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit untersucht das Projektteam, wie der Straßengüterfernverkehr mit Hilfe von Oberleitungen entlang der Autobahn elektrisch betrieben werden kann. Dabei werden die Oberleitungs-LKW auch im Vergleich zu möglichen alternativen Antriebs- und Energieversorgungsoptionen wie etwa wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen bewertet. Zudem betrachten die Forschenden neben den Kosten auch die Treibhausgasemissionen, den Ressourcenbedarf und die Wechselwirkungen mit dem Energiesektor. Erste Analysen zeigen, dass Oberleitungs-Hybrid-LKW sowohl bei Energieeffizienz als auch bei den Gesamtkosten Vorteile gegenüber anderen alternativen AntriebssystemenbeischwerenNutzfahrzeugen aufweisen können. Neben den Gesamtkosten und den Emissionsminderungs-Potenzialen analysiert das Projektteam auch eine Ausbaustrategie für dieses Antriebssystem. Dabei wird untersucht, inwiefern LKW-Systeme mit Oberleitung bis 2050 technisch und rechtlich umgesetzt werden können. In der Zwischenzeit sollen die ersten Feldversuche mit Oberleitungs-LKW in Deutschland starten. Für Ende 2018 ist ein Testbetrieb auf einem sechsspurigen Abschnitt der Autobahn 1 bei Lübeck geplant. Eine weitere Versuchsstrecke ist in Hessen vorgesehen.. Das eHighway genannte System wird seit Jahren auf dem abgeschlossenen Siemens-Versuchsgelände Groß Dölln in der Uckermark erprobt. Im Juni 2016 begann in Schweden erstmals ein zweijähriger Testbetrieb auf öffentlichen Straßen, auf einem Autobahnabschnitt der E16 nördlich von Stockholm. Dafür wurden zwei Diesel- Hybrid-Fahrzeuge des Fahrzeugherstellers Scania mit dem von Siemens entwickelten aktiven Stromabnehmer ausgerüstet, der die Energie von der Oberleitung zum Elektromotor überträgt. Der Kontakt zum Fahrdraht kann bei Geschwindigkeiten bis 90 km/ h automatisch oder manuell aufgenommen und unterbrochen werden. Bei Ausweichmanövern oder Setzen des Blinkers bügelt der Stromabnehmer automatisch ab. Auch auf nicht elektrifizierten Strecken fährt der eHighway-LKW elektrisch; dabei werden die Elektromotoren vom Dieselaggregat mit Energie versorgt. Abhängig von Anwendung und Kundenwunsch können serielle und parallele Hybrid-Konzepte mit Verbrennungsmotoren, Batterielösungen oder Brennstoffzellen realisiert werden. Foto: Siemens Transport- und Logistik-Mittelstand ist Vorreiter bei digitaler Transformation D ie aktuelle techconsult-Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand“ im Auftrag der Telekom untersucht, wie sich mittelständische Unternehmen verschiedener Branchen der Digitalisierung stellen und wie weit sie bereits gekommen sind. Dazu wurden über 1000 Unternehmen danach befragt, wie sie selbst ihre Digitalisierungs- Bemühungen in den Bereichen Kundenbeziehung, Produktivität und Geschäftsmodell bewerten. Die meisten Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt und suchen nach Lösungen, um Arbeitsschritte und komplette Unternehmensprozesse zu digitalisieren. Im Durchschnitt erachtet jedes dritte Unternehmen die Digitalisierung als sehr wichtig für das eigene Unternehmen. Mit steigender Unternehmensgröße wird dem Thema größere Wichtigkeit zugesprochen. Zusammen mit der Industrie zählt die Transport- und Logistikbranche zu den Vorreitern in Sachen digitaler Transformation. Fast drei Viertel der befragten Transport- und Logistikunternehmen halten die Digitalisierung für bedeutend. Internationale Absatzmärkte gewinnen zunehmend Bedeutung, und 77 % der befragten Unternehmen gaben an, dass der Wettbewerbsdruck in den letzten zwei Jahren gestiegen ist. Durch vergleichsweise hohe Mitarbeiterzahlen und hohen Organisations- und Koordinationsaufwand in der Branche versprechen sich die Befragten durch die Digitalisierung von Prozessen und Maßnahmen einen Wettbewerbsvorteil. So gehört die Transport- und Logistikbranche derzeit zu den Motoren der Digitalisierung. Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 7 IM FOKUS Schwierige Hubschrauberflüge besser simulieren E insätze auf See, im Gebirge oder in der Nähe hoher Gebäude sind für Hubschrauberpiloten extrem riskant: Luftwirbel, die hinter Bohrinseln, Schiffen, Felswänden und Häusern entstehen, können den Helikopter aus dem Gleichgewicht und zum Absturz bringen. Bisher können Flugsimulatoren die Realität bei Flügen in der Nähe von Großobjekten nur unzureichend wiedergeben, denn sie folgen einem starren Muster für Windverhältnisse und die Reaktionen des Hubschraubers. Damit sich Piloten auf diese schwierigen Situationen besser vorbereiten können, entwickeln Ingenieure der Technischen Universität München (TUM) ein neues Simulationsprogramm. Erstmals werden dabei Strömungsmechanik und Flugdynamik kombiniert und in Echtzeit ausgewertet. Denn gerade die unvorhergesehenen Luftströmungen sind tückisch: Ein fahrendes Schiff beispielsweise erzeugt Luftverwirbelungen und starke lokale Geschwindigkeitsschwankungen, in der Fachsprache „Schiffsnachlaufströmung“ genannt. Diese verändert sich ständig durch den Seegang und wechselnde Anströmverhältnisse. Dazu kommen von der Schiffsbrücke und anderen Aufbauten erzeugte Turbulenzen. Nähert sich ein Hubschrauber dem Schiff, so werden die verschiedenen Luftbewegungen auch noch überlagert von der Strömung, welche die Rotoren erzeugen. Ähnlich kompliziert sind die Verhältnisse in der Nähe eines Berghangs oder neben hohen Gebäuden. Diese zu beherrschen, erfordert viel Geschick und Übung. Das klassische „Trainingon-the-Job“ ist teuer, risikoreich und für die angehenden Piloten sehr anstrengend. Außerdem wird das Material stark belastet, weil die ersten Landungen meist recht hart sind. Das neue Programm sorgt auch in der Simulation dafür, dass der Pilot die lokalen Luftströmungen auf den Hubschrauber sofort „spürt“. So kann er ohne Stress ausprobieren, welche Auswirkungen seine Steuerbewegungen haben. Das Potenzial dieser Methode stieß international auf großes Interesse und wird unter anderem vom U.S. Office of Naval Research als Grundlagenforschung unterstützt. Deutsche Verkehrsflughäfen 2016 auf Wachstumspfad D er Flughafenverband ADV hat die Verkehrsbilanz mit detaillierten Jahreszahlen 2016 zur Verkehrsentwicklung an den deutschen Flughäfen veröffentlicht. Das Fazit: Flughäfen in Deutschland sind auf gutem Weg zu den erwarteten 300 Mio. Passagieren im Jahr 2030. Gleichzeitig belasten ordnungspolitische Einschränkungen das Wachstum. Die Jahresbilanz 2016 über alle deutschen Flughäfen verzeichnet über 223 Mio. ein- und aussteigende Passagiere, eine Steigerung von 3,4 % gegenüber dem Vorjahr. Die Luftfracht wuchs gleichzeitig um 3,4 %. Diese Steigerungsraten bei Passagieren und Cargo gehen mit einem Wachstum der Starts und Landungen einher. Das Plus lag bei 2,0 %. Wachstumsmotor an den deutschen Flughäfen war erneut der Europaverkehr mit einem Anstieg der Reisenden um 4,6 %. Die Wachstumsimpulse kamen von Airlines aus dem Ausland - vorwiegend aus dem Low-Cost-Segment. Mit 2,8 % Zuwachs gab es 2016 einen leichten Anstieg der Reisenden bei den innerdeutschen Verbindungen. Die Zahl der Langstreckenverbindungen an den deutschen Flughäfen war dagegen rückläufig: Der Interkontinentalverkehr ging an den Flughäfen 2016 um 0,2 % zurück. Sorgen bereitet, dass Deutschlands Flughäfen gegenüber europäischen Wettbewerbern Marktanteile verlieren. Das Passagierwachstum von 3,4 % (An- und Abflug) in Deutschland erweist sich als unzureichend im Vergleich mit dem europäischen Ausland. Zum fünften Mal hintereinander liegt das Wachstum der Reisenden unter dem europäischen Durchschnitt. Auch geht die Konnektivität in der Langstrecke verloren: Konkurrierende europäische Luftverkehrsstandorte legen im Interkontinentalverkehr teilweise deutlich zu - ein Alarmzeichen für den Wirtschaftsstandort. ADV-Analysen zeigen zudem, dass ausländische Airlines im Vergleich zu deutschen Airlines fast doppelt so viel neue Strecken in den Markt einbringen. Nicht nur die deutschen Flughäfen, auch die heimischen Fluglinien verlieren Marktanteile. Der Verband fordert daher richtungsweisende Entscheidungen von Politik und Genehmigungsbehörden, unter anderem um weiteren Kapazitätsengpässen und hohen finanziellen Belastungen entgegenzuwirken. www.adv.aero Simulation einer Landung auf dem Schiffsdeck. Foto: Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie/ TUM Foto: pixabay.de Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 8 IM FOKUS Verbundprojekt verbessert Kommunikation zwischen Mensch und Technik S elbstfahrende Autos sollen die Zukunft sein, und schon heute sind Fahrzeuge streckenweise mit Autopilot auf den Straßen unterwegs. Doch wenn in einer komplexen Verkehrssituation die Technik versagt, bleiben dem Menschen nur wenige Sekunden, um das Steuer zu übernehmen. Ein aktuelles Verbundprojekt widmet sich nun der „Kooperativen Fahrer-Fahrzeug- Interaktion“ (KoFFi). Das Ziel: die Kommunikation zwischen Mensch und Technik so zu optimieren, dass solche Übergabesituationen zwischen Fahrer und Fahrzeug von beiden Seiten besser bewältigt werden können. Im Fokus des dreijährigen Projekts steht die Entwicklung eines multimodalen Interaktionssystems, das die Kooperation zwischen Fahrer und Fahrzeug zuverlässig unterstützt. Projektpartner sind neben Wissenschaftlern der Universität Ulm auch Forscher der Hochschule Heilbronn (HHN), der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, des European Media Laboratory (EML) sowie Daimler und Projektkoordinator Bosch. Die Forscher setzen dabei auf ein multimodales Konzept zum Informationsaustausch zwischen Mensch und technischem System. Denn obwohl die Automatisierungssysteme immer leistungsfähiger werden, gibt es Verkehrssituationen, die sie an ihre Grenzen bringen. Über einen multimodalen Ansatz wollen die KoFFi-Forscher nun Displayanzeigen, Signaltöne, haptische Informationen und Sprache möglichst sinnvoll miteinander integrieren, um dem Fahrer eine möglichst schnelle und zuverlässige Orientierung zu ermöglichen. Damit Fahrer und Fahrzeug in Dialog treten können, braucht es letztendlich eine Kommunikationsstrategie, die grundlegende Zusammenhänge der Mensch-Maschine-Interaktion berücksichtigt. Im Projekt sollen aber auch ethische, rechtliche und soziale Implikationen Berücksichtigung finden, diesem Thema widmet sich ein gesondertes Teilprojekt. Weitere Teilprojekte bearbeiten Fragestellungen zur grafisch-haptischen Interaktion, zur sprachlichen Interaktion, zur Fahrer-Fahrzeug-Modellierung, zur Integration des Gesamtsystems sowie zur Demonstration und Validierung des Dialogsystems im Fahrsimulator sowie im realen Fahrzeug. www.unitylab.de/ project/ koffi-kooperativefahrer-fahrzeug-interaktion Aktuelle Meldungen finden Sie im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Globale Initiative für Wasserstoff als Energieträger I m schweizerischen Davos haben Mitte Januar 13 führende Unternehmen aus den Bereichen Energie, Verkehr und Industrie den Hydrogen Council ins Leben gerufen. Die Initiative soll die gemeinsame Vision und das langfristige Ziel verfolgen, mithilfe von Wasserstoff die Energiewende voranzutreiben. Als erste globale Initiative ihrer Art hat sich der Hydrogen Council vorgenommen, Wasserstoff als eine der zentralen Lösungen für die Energiewende zu etablieren. Wasserstoff ist ein vielseitiger Energieträger mit vielen Vorteilen. Er setzt bei seiner Nutzung kein Kohlendioxid (CO 2 ) frei und kann so eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer sauberen, CO 2 -armen Energiezukunft spielen. Der Hydrogen Council besteht derzeit aus 13 CEOs und Vorsitzenden verschiedener Industrie- und Energieunternehmen. Ihm gehören derzeit Air Liquide, Alstom, Anglo American, BMW Group, Daimler, EN- GIE, Honda, Hyundai, Kawasaki, Royal Dutch Shell, die Linde Gruppe, Total und Toyota an. Der Council wird von zwei Vorsitzenden aus unterschiedlichen Regionen und Branchen geleitet, derzeit vertreten durch Air Liquide und Toyota. Die Gruppe will dazu beitragen, das ehrgeizige Ziel aus dem Pariser Abkommen von 2015 zu erreichen, nämlich die Erderwärmung auf 2 °C zu begrenzen. Foto: Universität Ulm/ Heiko Grandel
