eJournals Internationales Verkehrswesen 69/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0003
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2017
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Erfolge mit Fragezeichen

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Gerd Aberle
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Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 9 Erfolge mit Fragezeichen A ls herausragend erfolgreich präsentiert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die ÖPNV-Bilanz 2016. Die Fahrgastzahlen stiegen im Vorjahresvergleich um 1,8 % auf 10,18 Mrd., die Ticketerlöse erbrachten 12,24 Mrd. EUR (+ 4 %). Und die Nachfragezuwächse werden in den nächsten Jahren weiter anhalten. Zunächst eine stolze Bilanz. Weniger erfolgreich und mit erheblichen Risiken stellen sich die bereits derzeit vorhandenen Kapazitätsengpässe im ÖPNV dar, insbesondere in den Metropolregionen. Vor allem die schienengebundenen Angebote sind trotz Ausnutzung aller Kapazitätsmöglichkeiten bei der Infrastruktur in den Spitzenzeiten zunehmend überlastet - mit den hieraus resultierenden Qualitätseinschränkungen. Die notwendigen Entlastungen durch investive Maßnahmen bei der Infrastruktur sind aufgrund finanzieller Engpässe und sehr langer Planungs- und Bauzeiten nur langfristig zu erwarten. Insofern konterkariert diese Situation die politisch und aus Umweltgründen als dringend erachtete Veränderung des Modal Split zugunsten des ÖPNV. Als erfolgreich wird die nach langen Auseinandersetzungen endlich gesicherte Fortführung des Bundes-GVFG für kommunale ÖPNV-Infrastrukturinvestitionen, insbesondere im Schienenbahnsegment, gewürdigt (Fördersumme rd. 333 Mio. EUR p.a.). Die Rahmenbedingungen sind allerdings weniger erfreulich. Der relativ niedrige Förderbetrag, der seit 1997 (! ) nicht verändert wurde, wird bis 2024 eingefroren. Versuche des Bundesverkehrsministeriums, eine Erhöhung auf 400 Mio. durchzusetzen, scheiterten am Widerstand der Finanzpolitiker. Hinzu kommt, dass - wie in der Vergangenheit - eine Verwendung dieser Mittel nur für Neu-/ Ausbau, nicht aber für Ersatzinvestitionen zulässig ist, obwohl dort der größte Bedarf existiert. Was die Summe von 333 Mio. EUR p.a. wirklich bedeutet lässt sich daraus ersehen, dass bei den bereits endgültig in die Förderung aufgenommenen Projekten ein Betrag von 1,5- Mrd. EUR festgestellt wurde. Die Überzeichnung des Bundesprogramms beträgt auch ohne Berücksichtigung der neuen S-Bahn- Stammstrecke München ein Vielfaches der Fördersumme. Wer nun gehofft hatte, dass die sog. Entflechtungsmittel aus dem früheren GVFG-Programm (Ende 2019 auslaufend) in Höhe von 1,3- Mrd. EUR investive Entlastungsmöglichkeiten brächten, muss ebenfalls eine gemischte Erfolgsbilanz konstatieren. Nach langen und heftigen Bund-Länder-Diskussionen konnte erreicht werden, dass der Bund ab 2020 den Ländern im Rahmen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen die Entflechtungsmittel zuweist als entsprechend erhöhter Anteil am Umsatzsteueraufkommen, allerdings ohne Zweckbindung. Dies bedeutet Abhängigkeit von den Verwendungsentscheidungen der jeweiligen Länderfinanzminister. Angesichts der Finanzlage der Länder enthält diese Regelung erhebliche Risiken für den ÖPNV, es sei denn, es kommt wie in Nordrhein-Westfalen zur Verabschiedung eines speziellen Verwendungsgesetzes dieser Mittel für ÖPNV-Investitionen. Als erfolgreich konnte die DB AG ihr Wirtschaftsergebnis 2016 mit einem operativen Wert von rd. 1,8 Mrd. EUR nach dem Verlust 2015 in Höhe von 1,3 Mrd. EUR verkünden. Letzterer war allerdings gekennzeichnet durch notwendige Sonderabschreibungen (1,63 Mrd.) auf überbewertete Sachanlagen und „good will“ bei DB Cargo. Dennoch musste die Schienengüterverkehrstochter 2016 einen operativen Verlust von 80 Mio. EUR auch als Folge eines Umsatzeinbruchs um knapp 4 % hinnehmen. Insofern war es mehr als überraschend, dass der Aufsichtsrat der DB AG am 30. Januar trotz der Vorgespräche im Personalausschuss des AR dem Vorstandsvorsitzenden die offensichtlich vorverhandelte Verlängerung seines Vertrages um drei Jahre verweigerte und auf zwei Jahren beharrte. Dieses Misstrauen führte zum sofortigen und nachvollziehbaren Rücktritt des DB-Chefs. Durch dieses Verhalten des AR wurde die DB AG in eine neue Krise gestürzt, die von den Akteuren hätte antizipiert werden können. So wird im schwierigen Wahljahr 2017 die politische Auseinandersetzung um den Einfluss der Politik auf die Unternehmensführung zunehmen, also das eintreten, was die DB AG gerade nicht braucht. Vieles lässt an eine berechnete Strategie oder/ und einen seiner Aufgabe nicht gewachsenen Aufsichtsrat denken. Misserfolg auf der ganzen Linie. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche