eJournals Internationales Verkehrswesen 69/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0007
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EU-Winterpaket - die Zukunft der Transportsysteme

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Werner Balsen
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Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 21 D ie derzeitige EU-Kommission ist angetreten, die Flut der Gesetzesvorschläge einzudämmen. Weniger soll mehr sein, und Brüssel müsse sich ja nicht um alles kümmern. So weit, so gut. Eine Folge der neuen Strategie: Neuerdings schnürt die Behörde große Gesetzespakete oder -initiativen. Sie können so umfangreich sein, dass Details in den präsentierten Vorschlägen schon mal untergehen. Dieses Schicksal widerfuhr etwa der „EU- Strategie für C-ITS“. Untertitel: „Ein Meilenstein hin zu kooperativem, verbundenen und automatischen Fahren“. An dieser „Strategie“ hatten die Experten der Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG Move) lange gearbeitet. Die Kommissions-Spitze entschied Ende des vergangenen Jahres, den „Meilenstein“ im Rahmen ihres umfassenden Energiekonzepts vorzustellen. Als dieses „Winterpaket“ am 30. November 2016 präsentiert wurde, fanden die energiepolitischen Aspekte breite Aufmerksamkeit. Kaum jemand beachtete die darin enthaltene „EU-Strategie für C-ITS“, die indirekt auch mit Energiesparen zu tun hat, bei der es zunächst aber um die Digitalisierung des Verkehrs geht. Stellen Sie sich vor, ein LKW wird über die Farbe der Ampel so rechtzeitig informiert, dass der Fahrer mit angepasster Geschwindigkeit immer „grüne Welle“ hat. Er kann so Stop-and-Go vermeiden, die durch ständiges Bremsen erhöhte Feinstaubbelastung der Umwelt reduzieren und Treibstoff sparen. Notwendig dafür wäre nur, dass Fahrzeug und Ampel kommunizieren. Oder: Ein Stau endet genau hinter einer Kurve. Das letzte Auto könnte ihm folgende Fahrzeuge warnen - wenn es in der Lage wäre, sich mit ihnen zu verbinden. Diese Beispiele beschreiben zwei von 13 digitalen Diensten, die - wenn nicht heute schon - zumindest kurzfristig realisierbar sind. Ermöglicht werden sie durch C-ITS: Cooperative Intelligent Transport Systems oder verbundene intelligente Verkehrssysteme. Ihnen wird nachgesagt, dass sie in den nächsten 20 Jahren die Mobilität stärker verändern, als es die vergangenen 100 Jahre getan haben. C-ITS könnten in Europa aber nur einen Bruchteil ihres Segens entfalten, wenn die Mitgliedstaaten der EU jeweils eigene technische und legale Voraussetzungen dafür schüfen. Deshalb wollen die Experten von DG Move mit einigen unionsweiten Vorschriften für Rechtssicherheit sorgen und der Industrie einen Rahmen für die C-ITS-Anwendungen spannen. Sie legen Wert auf die Feststellung, dass ihre Vorstellungen nicht allein auf Automatisierung zielen. Sie sind überzeugt, dass Automatisierung erst dann vollständig effizient ist, wenn Konnektivität sie ergänzt: wenn also verschiedene automatisierte Transportelemente miteinander verbunden sind. Nicht ein perfektioniertes einzelnes Verkehrsmittel zählt, sondern die Effizienz im gesamten Transportsystem. Brüssel sieht die präsentierten Vorstellungen trotz des Namens nicht als Strategie- oder Visionspapier, sondern als Konzept, das bis 2019 konkrete Voraussetzungen für spezifische Anwendungen möglich macht. Es sind drei Probleme, bei denen die Kommission Gesetze vorschlägt, um EU-weite Einheitlichkeit zu garantieren. Erstens Sicherheit: Die Konnektivität muss überall gegeben sein - unabhängig von Land und Fahrzeugmodell. Ein belgischer PKW muss in Italien mit einem griechischen LKW „kommunizieren“ können. Und die digitalen Systeme in den Fahrzeugen müssen sicher sein vor Manipulationen. Zweitens Datenschutz: Der muss in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein und sicherstellen, dass Fahrer über Infos, die sie mit ihrem Auto liefern, selbst bestimmen können. Drittens Interoperabilität: Den Botschaften, die von der Verkehrsinfrastruktur an die Fahrzeuge gesendet werden, müssen überall die gleichen Definitionen zugrunde liegen. „Straßenarbeiten und Stau“ etwa muss überall in gleicher Weise verstanden werden. Alle Fahrzeuge müssen zwischen dem Schwarzen Meer und dem Atlantik in der Lage sein, mit allen anderen Autos, mit den lokalen Infrastrukturen und allen nationalen Verkehrslenkungs-Systemen zu kommunizieren. Die bislang existierenden EU-Vorschriften richten sich allein auf die Kommunikation der Fahrzeuge mit der Infrastruktur. Über die drei zentralen Gesetzesinitiativen hinaus schlägt die EU-Kommission vor, eine Reihe von Regeln durch „Delegierte Rechtsakte“ aufzustellen. Dabei können das Europäische Parlament und die zuständigen Minister der Mitgliedstaaten die Festlegung bestimmter - etwa sehr technischer - Detailfragen der Kommission überlassen. Eine wichtige Voraussetzung für die EU-Strategie war die vor zwei Jahren gegründete C-ITS-Plattform, die alle Akteure - Hersteller, Mitgliedstaaten, Telekom-Konzerne, Versicherungen - an einen Tisch brachte. Die Plattform steht hinter dem Ziel, bis 2019 verbundene intelligente Verkehrssysteme im Markt zu haben. Einige Autohersteller haben angekündigt, ihre Modelle schon vorher entsprechend auszurüsten. ■ Werner Balsen EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON WERNER BALSEN EU-Winterpaket - die Zukunft der Transportsysteme