eJournals Internationales Verkehrswesen 69/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0011
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Indiens E-Commerce-Markt wächst rasant

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Dirk Ruppik
Zwischen 2016 und 2020 wird der Online-Markt gemäß Prognose um 28 % jährlich wachsen und soll einen Wert von rund 60 Milliarden Euro erreichen. Amazon und Alibaba sind bereits in Indien aktiv und setzen damit ein klares Zeichen für Online-Verkäufer, jetzt aktiv zu werden. Allerdings gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören Lieferschwierigkeiten aufgrund der schlechten Infrastruktur insbesondere in ruralen Gebieten.
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Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 33 Indien LOGISTIK Indiens E-Commerce-Markt wächst rasant Zwischen 2016 und 2020 wird der Online-Markt gemäß Prognose um 28 % jährlich wachsen und soll einen Wert von rund 60 Milliarden Euro erreichen. Amazon und Alibaba sind bereits in Indien aktiv und setzen damit ein klares Zeichen für Online-Verkäufer, jetzt aktiv zu werden. Allerdings gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören Lieferschwierigkeiten aufgrund der schlechten Infrastruktur insbesondere in ruralen Gebieten. Dirk Ruppik L aut einer Prognose des Zahlungsdienstleisters Worldpay im Global Payments Report 2016 wird sich Indien aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Internet und billigen Smartphones sowie der anwachsenden Mittelschicht bis 2034 zum weltweit zweitgrößten E-Commerce-Markt entwickeln. Zwischen 2016 und 2020 wird der Markt gemäß Prognose um 28 % jährlich wachsen, und im Jahr 2020 werden rund 600 Millionen Inder online sein (2016: 300 Millionen). Dabei sind 70 % der Bevölkerung unter 35 Jahre alt. Der stellvertretende Vorsitzende von Worldpay, Ron Kalifa, entdeckt in der Untersuchung eine Reihe von Trends, die Indiens Potenzial für ein erstaunliches Wachstum im E-Commerce-Bereich in den nächsten zwei Jahrzehnten belegen: „Der Markt soll bis 2020 einen Wert von 63,7 Mrd. USD (rund 60 Mrd. EUR) erreichen. Nach 2034 wird er die USA überholen.“ Dadurch entstünden enorme Chancen für Online-Verkaufsplattformen, sagte Kalifa: „Allerdings sollten diese Unternehmen schon jetzt ihren Markt abstecken, um die konsumfreudige Bevölkerung Indiens zu gewinnen und auch vom künftigen E-Commerce-Wachstum zu profitieren.“ Worldpay analysierte 30 Märkte weltweit - darunter Indien, China, Hongkong, Südkorea, Singapur sowie Australien in der Asien-Pazifik-Region. In Indien gibt es viele kleine Einzelhändler („Mom and Pop Shops“, Bild 1), deren Produktangebot sehr begrenzt ist. Hier bietet die Bestellung via- Internet große Chancen. Amazon bindet- diese „mom and pop shops in sein Netzwerk ein. E-Commerce-Markt brummt Neben den populären indischen Online- Verkaufsplattformen Flipkart, Snapdeal, Yebhi, Jabong (Eigentümer Flipkart) und Cbazaar drängen nun internationale Plattformen wie Shopclues, Amazon sowie die chinesische Alibaba auf den Markt und setzen damit ein klares Zeichen. So will auch die Bertelsmann AG in die indische Onlinehändler-Plattform KartRocket investieren. Nicht zuletzt durch die massive Investition von Risikokapital in die Verkaufsplattformen hat der Wettbewerb deutlich zugenommen und führt nun zu Unternehmenskonsolidierungen. So übernahm etwa Snapdeal im Mai 2015 das Mobiltechnologie-Start-up MartMobi (Tabelle 1). Bild 1: Tuchhändler beim Sardar Market in Jodhpur, Rajasthan Foto: Matthew Laird Acred, Wikimedia Akteur/ Projekt Investitionssumme in USD Projektstand Anmerkungen Amazon 5 Mrd. 2015 Investitionen sollen über Zeitraum von 4 bis 5 Jahren erfolgen Flipkart 2,5 Mrd. bis 2020 Flipkart ist Indiens größter Onlinehändler und beabsichtigt Firmenerweiterung Alibaba Group und Ant Financial investieren in Paytm 680 Mio. 2015 Chinesisches Unternehmen; Alibaba ist größter Investor in Paytm Snapdeal 200 Mio. 2016 Unternehmen plant Markterweiterung Paytrn 100 Mio. 2016 Paytm ist sogenanntes‚ Payment-Gateway‘ Bertelsmann k.A. 2016 Bertelsmann beabsichtigt Geld in KartRocket zu investieren (Online-Marktplatz) Wechselkurs vom 02.02.2017: 1 USD = 67,26 indische Rupien (INR) Tabelle 1: Ausgewählte Investitionsprojekte im indischen E-Commerce-Sektor Quelle: Unternehmensmitteilungen, Recherche GTAI Internationales Verkehrswesen (69) 1 | 2017 34 LOGISTIK Indien Auch die Regierung fördert den E-Commerce. Im Januar 2016 wurde die „Start-up Policy“ für junge Unternehmen eingeführt, die als Regelwerk für Neugründungen fungiert. Start-Ups schaffen immer mehr dringend benötigte Arbeitsplätze in der indischen Republik. Erfolgsstory Amazon Seit dem Einstieg in das schnell wachsende indische Onlinegeschäft im Jahr 2013 ist Amazon auf dem Subkontinent auf dem Vormarsch. Das Unternehmen hat Investitionen in Höhe von 5 Mrd. USD (4,7 Mrd. EUR) angekündigt und investierte allein im Jahr 2016 rund 70 Mrd. Rupien (INR), über 964 Mio. EUR - nicht zuletzt um seinen indischen Rivalen Flipkart vom Thron zu stoßen. Snapdeal verliert schon seit einiger Zeit immer mehr Marktanteile an den amerikanischen Internetgiganten aus Seattle. Der soll allerdings laut dem holländischen Magazin Fashion United im Oktober 140 Mio. EUR bei einem Versuch verloren haben, indische Kunden mit Sonderangeboten und Rabatten zu locken. Amazon India will die bevorzugte Wahl der Kunden in Indien werden. Dazu hatte das Unternehmen beim Markteintritt ein Programm mit dem Namen „Chai Cart“ entwickelt. Mobile „Tee-Wagen“ wurden entsandt, um Betreiber kleiner Läden zu besuchen und ihnen die Vorteile des E-Commerce näherzubringen. Bei dieser Aktion wurden nach eigener Aussage 14 700 km zurückgelegt, 31 Städte und 10 000 Betreiber von Kleinläden besucht. Laut Amazon-Gründer Jeff Bezos soll Indien nach den USA der zweitgrößte Markt für das Unternehmen werden (Bild 2). Um dies zu erreichen, ist Amazon sehr kreativ und ermöglicht es gemäß Forbes Einzelpersonen mit seinem neuen Angebot „Sell as Individual“ gebrauchte Güter auf der hauseigenen Plattform zu verkaufen. Verpackung und Lieferung werden gegen eine geringe Gebühr ebenfalls übernommen. Der Markt für gebrauchte Güter wächst mit rasanter Geschwindigkeit, und sein Wert soll auf 25 Mrd. USD (23,5 Mrd. EUR) anwachsen. Weitere Player wie OLX, Quikr und eBay sind zwar ebenfalls schon im Markt akti, doch Amazon besitzt aufgrund seiner ausgefeilten Logistik eine große Chance, als Marktführer hervorzugehen. OLX operiert nur als Kleinanzeigen-Plattform, daher hat Amazon mit seinem Lieferservice gute Karten. In 2015 wurde bereits der Service „Amazon Prime“ eingeführt, zu dem auch der gratis Premiumversand und „Prime Video“ gehört. Auch Alibaba schläft nicht Im May 2015 trat Alibaba offiziell mit seiner Einzelhändler-Plattform AliExpress in den indischen E-Commerce-Markt ein (Bild 3). Im August investierte das von Jack Ma gegründete Unternehmen 500 Mio. USD in Snapdeal (Anteil 3 %). Momentan besitzt es 40 % Anteil an der größten indischen mobilen Zahlungsplattform Paytm. Ende 2016 eröffnete Alibaba das erste Büro in Mumbai - in der gleichen Gegend wie Rivale Amazon. Zudem wurde im September mit neuen Partnern (Kotak Mahindra Bank, IDFC Bank, Delhivery, DHL und Aditya Birla Finance) ein erweitertes Trade Facilitation Centre Program etabliert. Kleine und mittlere Unternehmen (KmU) sollen dadurch von Spezialleistungen, engagierter Unterstützung und kundenspezifischen wertveredelnden Services nebst neuesten logistischen Einrichtungen profitieren. Das Unternehmen konnte Anfang 2016 auf rund sechs Millionen indische Käufer und Verkäufer verweisen. Herausforderungen im indischen-Markt Die Zulieferung der Waren stellt eine große Herausforderung dar, da die Infrastruktur besonders in ländlichen Gebieten schlecht entwickelt ist. Dort leben 67 % der indischen Bevölkerung. Zudem decken viele Kurierdienste nicht alle Regionen ab. Die meisten Händler arbeiten mit kleinen Kurierdiensten zusammen, da die internationalen Dienste wie DHL zu teuer sind. Amazon hat daher seine Fulfillment-Platform auf Indien übertragen (Fulfillment by Amazon, FBA) und über zehn Fulfillment Center (FC) gebaut, wobei sich das größte in Kothur in Telangana befindet. Mitte 2016 gab der stellvertretende Präsident für Kunden-Fulfillment in Indien Akhil Saxena den Bau sechs weiterer FC bekannt. Die Verkäufer senden ihre Waren an ein FC und nutzen die Pick-, Pack- und Shipping-Dienste des Internetriesen. In sehr ländlichen Gebieten nutzt der Internetriese auf der „letzten Meile“ sogar Fahrrad- und Motorrad-Kuriere. Laut Germany Trade & Invest gestaltet sich der Eintritt ausländischer Unternehmen in den indischen E-Commerce-Markt oftmals problematisch, da komplizierte Gesetze die Geschäftstätigkeit erschweren. Direktinvestitionen in der E-Commerce- Branche im B2B-Geschäft sind bis zu 100 % erlaubt, doch im Online-Einzelhandel untersagt. Internethändler wie Amazon operieren als „Marketplaces“ und bieten ausschließlich Produkte anderer Herstellern an. Die indische Regierung will künftig ausländische Direktinvestitionen in die E- Commerce-Branche liberalisieren. ■ Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 2: Amazon-Gründer Jeff Bezos will Indien zum zweitgrößten Markt für das Unternehmen nach den USA machen. Foto: Amazon Bild 3: Alibaba-Zentrale in Xixi, Provinz Hangzhou Foto: www.alibabagroup.com